Ganzheitlich gestalten und optimieren – Supply Chain Management und Outsourcing
Beginnen wir mit einer Vision: Via Internet stellen Sie sich Ihr neues Auto zusammen, bestimmen Farbe, PS und die Anzahl der Sitze, per Mausklick geht der Auftrag zum Hersteller. Sie bekommen sofort ein Feedback über den Auftrag mit Liefertermin. Was in der Automobilindustrie noch Zukunft ist, ist in der Computerindustrie heute Realität – Beispiel Dell aus den USA: Vom Kunden bis zum Lieferanten ist der Informationsfluss so gut wie vollständig integriert. Über das Internet erhält der Kunde alle Daten über Verfügbarkeit, Lieferzeit und Preis der Komponenten. Bei Engpässen werden Alternativen mit neuen Preisangeboten und Lieferzeiten vorgeschlagen. Die Bestelleingabe ist an die Dispositions- und Produktionsaufträge gekoppelt, die an die Lieferanten geschickt werden. Dahinter steckt konsequentes Supply Chain Management (SCM).
„Entsprechend der SCM-Vision werden langfristig nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern ganze Supply Chains als ein Unternehmen am Markt auftreten und mit anderen Supply Chains im Wettbewerb stehen.“
Outsourcing bedeutet für ein Unternehmen, sich auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren. Gleichzeitig jedoch wird die Zahl der Unternehmen, die sich an der Produktion beteiligen, höher – der Aufwand an Abstimmung, Kooperation, Verträgen usw. steigt. Da ist es sinnvoll, Unternehmensnetzwerke zu schaffen, integrierte Lieferketten (Supply Chains) zu bilden, in denen Güter-, Informations- und Geldströme gesteuert werden. Hier sollen alle Bereiche mit Hilfe der modernen Informationstechnologie – also Computer, Internet, E-Commerce – kooperieren und am Markt wie ein Unternehmen auftreten. Dabei werden stabile Kooperationsbeziehungen innerhalb einer Supply Chain durch offene Kommunikation geprägt. Aufgabe von SCM ist es, die Geschäftsbeziehungen zu allen Partnern zu intensivieren, damit es zu einer echten Kooperation kommt. Vertrauen ist hierbei ein Schlüsselbegriff. Was erreichen Sie mit SCM? An erster Stelle verbessern Sie den Kundenservice, Sie verkürzen Produktionsentwicklungs- und Auftragsdurchlaufzeiten, Sie reduzieren die Bestände, erhöhen die Flexibilität und können Synergieeffekte nutzen. Eine Studie von 1997 besagt, dass sich z. B. die Lieferleistung um 16-28 % und die Gesamtproduktivität um 10-16 % verbessern lässt. Der Servicegrad steigt um 20-30 % und die Taktzeit für die Auftragserfüllung um 30-50 %. Supply Chains werden sich vermutlich zu Geschäftspartnernetzen entwickeln, die sich überall auf der Welt befinden und auf Zeit angelegt sind. Tatsächlich ist es derzeit so, dass über effiziente Supply Chains mehrere Milliarden Euro eingespart werden können.
Integrierte Lieferketten mit Hilfe des SCOR-Modells gestalten
Im Zeitalter des Electronic (E-)Business sind Standardisierung und Kommunikation eine Voraussetzung, um flexibel agieren zu können. Einzelne Ansätze, wie z. B. die Verlagerung des Wertschöpfungsschrittes Endmontage beim Kunden, bieten aktuelle Konzepte zur Flexibilisierung – doch die Erwartungen konnten nicht alle erfüllt werden. Anders sieht es mit unternehmensübergreifenden durchgängigen Geschäftsprozessen aus, wie SCM sie vorsieht.
„Eine unabdingbare Voraussetzung für stabile Kooperationsbeziehungen in einer Supply Chain bildet eine offene Kommunikation.“
Wenn Sie sich für SCM entscheiden, sollten Sie sich mit dem SCOR-Modell auseinander setzen: In Pittsburgh befindet sich das Supply Chain Council (SCC), das ein Supply Chain Operations Reference Model (SCOR-Modell), eine Art Standard-Modell, entwickelt hat. Es ist branchenübergreifend und integriert Konzepte wie Business Process Engineering oder Best-Practices-Analysen. Noch ist SCM in den USA weiter verbreitet als in Deutschland. Doch inzwischen gibt es regionale Gruppen des SCC – u. a. für Europa – sowie Special Interest Groups, die das SCOR-Modell auf einzelne Industriezweige adaptieren. Auf den Ebenen Planen, Beschaffen, Herstellen und Liefern ist die gesamte logistische Kette einbezogen. Das SCOR-Modell umfasst alle Produktions- und Vertriebswege und bildet eine Art Werkzeug, mit dem Sie Ihre Supply Chain planen und optimieren können.
„Einsparungspotenziale in Höhe mehrerer Milliarden Euro liegen derzeit in ineffizienten Supply Chains überwiegend in Form von Beständen und offenen Forderungen brach.“
Strategie, Konfiguration und Prozesskontrolle sind die Ebenen des SCOR-Modells; sie dienen der Analyse und Konfiguration der Supply-Chain-Prozesse eines Unternehmens. Das Referenzmodell beschreibt und modelliert den gesamten Ablauf: den Fluss des Materials und der Produkte, alle Informationen und Finanzströme vom Rohstofflieferanten über den Hersteller bis zum Endverbraucher. Viele Unternehmen verwenden das SCOR-Toolkit, um eine bereits bestehende Logistikkette auszuarbeiten. Bis zur höchsten Ebene, auf der strategische Entscheidungen definiert werden, reicht das SCOR-Modell. In jedem Fall können so Ineffizienzen aufgedeckt werden. Nach der Restrukturierung und Verbesserung der Supply Chain müssen Metriken, die kontinuierlich gemessen werden, eingesetzt werden.
SCM und Technologiemanagement
Neben dem Organisationsmanagement, wie es mit Hilfe des SCOR-Modells durchführbar ist, braucht SCM ein Technologiemanagement, benötigt also Informations- und Kommunikations-Technologie. Viele Manager in diesem Arbeitsbereich sind vermutlich mit den bisherigen ERP-Systemen, dem Enterprise-Resource-Planning, vertraut. Ein Nachteil der ERP-Systeme ist jedoch, dass sie nur die Abteilungen eines Unternehmens berücksichtigen. Bei der Produktplanung, die sich auf Prognosen hinsichtlich der Nachfrage stützt, bleibt aber der Nachfragestrom unberücksichtigt. Ähnliches gilt für kurzfristige Abweichungen. Derartige Prognosefehler haben Probleme beim Bestand zur Folge. Eine passende Software für Supply Chains dagegen sollte unternehmensübergreifend und in der Lage sein, simultan zu planen.
„Der Markt für Supply-Chain-Software erwartet ein jährliches Wachstum von ca. 50 %.“
Firmen wie i2, Manugistics und SAP bieten inzwischen Advanced Planning Systems (APS) an, die zum Teil den gängigen ERP-Systemen angepasst sind. Ein Leistungsmerkmal moderner APS ist die Fähigkeit, die für die Planung relevanten Daten im Hauptspeicher des Rechners zu verwalten. Damit verkürzen sich die Rechenzeiten erheblich. Ausserdem können zeitnah sehr umfangreiche Berechnungen komplexer Modelle erfolgen. ERP-Systeme werden damit aber nicht überflüssig, sondern bilden gewissermassen die Basis für APS. APS entnimmt die Daten, berechnet unabhängig von ERP und spielt die Resultate zurück. Und hierin liegen auch die Schwachstellen von APS: Die Fehler, die in den Daten der ERP-Systeme enthalten sind, werden auch in den Planungsalgorithmen von APS fortgeführt.
„Eine mangelhafte Ausführung und Vernetzung von Prozessen wird sich jedoch immer negativ auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken.“
Nach wie vor ist es so, dass auch APS in erster Linie auf unternehmensinterne Prozesse ausgerichtet ist. Wenn es um unternehmensexterne Abläufe geht, kommt in verstärktem Masse „Collaboration“ zum Zuge, was mehr bedeutet als nur Zusammenarbeit. Unter dem Stichwort „Collaboration“ sieht der Planungsablauf so aus, dass die Pläne verschiedener Unternehmen, die in einer Supply Chain kooperieren, miteinander verbunden werden und sich an der tatsächlichen Nachfrage der Kunden orientieren.
SCM in der Materialwirtschaft – Supply Chain Optimization Systems
Im Zusammenhang mit höheren Kundenanforderungen ist der Bereich Materialwirtschaft – hier speziell die grosse Produktvielfalt und kurze Lieferzeiten – sehr wichtig für die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Computergestützte Lösungen in Kommunikationsnetzwerken für die Bedarfsplanung sind vorhanden – die bereits erwähnten ERP-Systeme.
„ERP wird schlanker und von neuen offenen Systemen ergänzt. Das Internet ist dabei das universale Kommunikationsmedium schlechthin.“
Seit einigen Jahren werden die Planungsfunktionen der Materialwirtschaft von Optimierungssystemen der Supply Chain übernommen, von den Supply Chain Optimization Systems (SCOS). Im Aktivspeicher des Computers stehen dabei mathematische Modelle zur Verfügung, die sofort auf Änderungen reagieren und interaktiv den Benutzer bei Problemlösungen unterstützen. So ist eine genaue Darstellung der Versorgung möglich und Pläne gelten immer als durchführbar. Vor allem aber werden Veränderungen in den Beziehungen zu Kunden wie Lieferanten gemeldet. Die Nutzungspotenziale sind überzeugend: z. B. 10-60 % Reduktion der Lieferfrist und eine Reduktion der Lagerbestände um bis zu 75 %. SCOS wird aber auch bei der Optimierung kompletter Netzwerke eingesetzt. Auf elektronischen Marktplätzen (E-Marketplaces), die von eigenen Unternehmen betrieben werden, wird es in Zukunft mehr Dienstleistungen geben, etwa in den Bereichen Logistik oder Werbung, die mit SCOS im Internet gesteuert werden können.
SCM integriert Logistikdienstleister
Unter Supply Chain Management ist die Bedeutung der Logistik umfassender als bisher: Sie ist ein wichtiges Bindeglied zwischen allen Wertschöpfungspartnern und ganz entscheidend für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich. Denn die Logistikkette ist unternehmensübergreifend und sollte neben dem physischen Warenfluss auch den Informationsfluss gewährleisten. Im Klartext heisst dies nichts anderes, als dass alle Informationen allen Beteiligten transparent gemacht werden müssen. Dabei kann es ein Lösungsansatz sein, den Logistikdienstleister als Koordinator einzubeziehen. Wenn alles funktioniert, sprechen die Zahlen für sich: Reduktion der Lagerbestände um bis zu 60 %, Kostensenkung um bis zu 50 % und ein maximaler Gewinnanstieg von bis zu 30 %. Und last but not least zufriedene Kunden, da alle Termine eingehalten werden, Service eingeschlossen. Dass dies möglich ist, beweisen Firmen wie Dell und Volkswagen.
Bestandssenkung: Expressdienste in das SCM integrieren
Sie wissen, wie das mit den Beständen ist: Bestandssenkung bedeutet Kostenvorteile, niedrige Bestände bedeuten weniger Flexibilität. Im Kundenservice oder auch After Sales Service sind die Kosten oft deshalb so hoch, weil hohe Lagerbestände bestehen. Da aber der Kunde im Mittelpunkt steht, der z. B. in kürzester Zeit Ersatzteile benötigt, wird die Ersatzteillogistik eine grosse Rolle spielen. Lagerstrukturen und Transportnetze kann man rationalisieren, indem man z. B. Expressdienstleister einsetzt. Die kosten zwar auch Geld, aber nicht mehr in Form fixer Kosten durch Lager und Personal, sondern in Form variabler Kosten je nach Auftrag.
„Eine zunehmend bedeutendere Rolle im unternehmensübergreifenden SCM nimmt das Medium Internet ein, das gegenwärtig als die innovative Plattform für unternehmensübergreifende Zusammenarbeit gilt.“
Der Werkzeughersteller WIDIA hat sich Anfang der 90er Jahre zu einer entsprechenden Umstellung durchgerungen: Alle europäischen Regionallager wurden geschlossen, der Expressdienst DHL schickt rund 450 Sendungen täglich an 65 Ziele in Europa. Die Bestände wurden um 30 % gesenkt, und obwohl die Transportkosten pro Stück höher wurden, erzielte das Unternehmen erhebliche Einsparungen.
SCM bei DaimlerChrysler – globale Integration des Zuliefernetzwerkes als Ziel
Im weltweiten Netzwerk des DaimlerChrysler Konzerns ist die Integration aller Wertschöpfungsstufen und die enge Kooperation zwischen allen Partnern ein wichtiges Unternehmensziel. Voraussetzungen dafür: Vertrauen zwischen allen beteiligten Unternehmen sowie die Überzeugung, dass Erfolge, die das Ergebnis von SCM-Optimierungen sind, gerecht unter den Beteiligten aufgeteilt werden. Dabei müssen sich die Partner über eine einheitliche Logistikplattform, also Standards, verständigen. Schliesslich muss ein Konzept für vertrauensbildende Massnahmen – Stichwort offene Unternehmenskultur – erstellt werden.
„Das Beziehungsmanagement ist in der betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung mit SCM bislang jedoch weitgehend unberücksichtigt geblieben.“
Anwendungen der Informationstechnologie sollen über zentrale Rechner gesteuert werden. Dies ermöglicht nicht zuletzt die Integration aller Partner in die Lieferkette. Im Electronic Business müssen die bisher noch uneinheitlichen Strukturen in ein System integriert werden. Der Idealfall ist die Vision, wie wir sie zu Beginn aufgezeigt haben: Der Kunde bestellt das Fahrzeug über das Internet; die Kooperationspartner bekommen alle Informationen über das benötigte Material, in kürzester Zeit erfolgen Rückmeldungen über Mengen und Termine. Hier wird deutlich, wie sehr künftig SCM und E-Business vernetzt sein werden.