Eine neue Perspektive im Management
Seit Jahrzehnten erlebt die Wirtschaft das Auftauchen immer neuer Ansätze der Unternehmensführung. Die Schlagwörter reichen von Kaizen und Lean-Management über Six Sigma und Total-Quality-Management bis zu Knowledge-Management. Doch oft bleiben die lautstark vermarkteten Verfahren nicht mehr als zeitweilige Trends, die schnell wieder in Vergessenheit geraten. Zu allem Überfluss verkomplizieren sie die alltägliche Arbeit und hinterlassen bei Managern Verwirrung. Denn die meisten der in der Regel von Beratern kreierten Wortschöpfungen beziehen sich nur auf Teilaspekte des Unternehmertums und die Methoden lassen sich schwer umsetzen. Eine neue, nicht modische, sondern grundlegende Perspektive im Management ist vonnöten. Die Unternehmensführer müssen aufhören, sich an den vordergründigen Versprechungen der Berater zu orientieren, und unter die Oberfläche des Managements schauen. Entscheidend für den Erfolg sind nicht Teilansichten, sondern fundamentale Zusammenhänge, die jedem verständlich sind und auf die sich jeder beziehen kann. Voraussetzung dafür ist die Definition einheitlicher Prinzipien, auf denen alle Managementsysteme basieren. Wie wichtig allgemeine Grundlagen sind, zeigt die Naturwissenschaft. So verwenden etwa Physiker, trotz allen Fortschritts in ihrer Wissenschaft, seit Jahrhunderten die Bezeichnung „elektrischer Strom“, gemessen in Ampere. Dieser einheitliche Begriff erleichtert ihnen die stetige Erforschung und Weiterentwicklung der Elektrizität. Genauso sollten es Manager und Berater mit einer Vereinheitlichung der Begriffe der Unternehmensführung halten.
Die Suche nach einheitlichen Erfolgsprinzipien
Um herauszufinden, von welcher Vielfalt an Ansätzen Unternehmer und Manager bei ihrer Arbeit überschwemmt werden, genügt ein Blick ins Internet. Die Suchanfrage „Management by“ ergab Anfang 2007 allein bei Google 37 Millionen Treffer. Ähnliche Dimensionen erreichten die Anfragen „Erfolgssystem“ und „Erfolgsmodell“. Das Internetlexikon Wikipedia listete zur selben Zeit rund 60 Managementansätze auf. Keine Führungskraft kann mit all diesen verschiedenen Modellen vertraut sein, geschweige denn sie anwenden. Im Gegenteil: Die wie Pilze aus dem Boden schießenden Managementtrends führen zu großer Unsicherheit in der Arbeit.
„In Management- und Beraterkreisen, aber auch an manchen Business-Schulen, besteht die Unart, mit großer und unklar definierter begrifflicher Vielfalt für Verwirrung zu sorgen.“
Was wir brauchen, sind einheitliche Erfolgsfaktoren. Google gibt darüber nicht viel Aufschluss. Zwar spuckt die Suchanfrage nach „Erfolgsfaktoren“ rund 2,5 Millionen Treffer aus. Aber diese unterscheiden sich erheblich nach Branchen, Themenfeldern und Regionen. So ergab ein Vergleich von zwölf „kritischen Erfolgsfaktoren“ in England und den USA lediglich in drei Punkten eine Übereinstimmung. Auch der Vergleich von Managementansätzen wie etwa Kaizen und Six Sigma hilft nur bedingt weiter. Zwar fallen bei den Suchresultaten sofort die hohen Übereinstimmungen in den Inhalten beider Modelle auf. Doch diese rühren vor allem daher, dass sich die beiden Konzepte in ihrer Umsetzung über die Jahre immer weiter von der ursprünglichen Idee entfernt haben und dass mit ihnen heute nur noch eher oberflächliche Punkte angesprochen werden.
„Begriffliche Wucherungen, Inhaltsaufweichungen und die damit verbundenen Verwirrungen sind im Sinne einer insgesamt hoch entwickelten Wirtschaftskraft nicht zielführend.“
Einheitliche Erfolgsfaktoren lassen sich daher nur finden, wenn alle vordergründigen Schlagwörter eliminiert werden. Wer so verfährt und zur Wurzel vordringt, erkennt schnell, dass die Evolutionsstrategie die Basis des Herausarbeitens von Erfolgsprinzipien liefert. Denn beide, unternehmerischer Erfolg und biologische Evolution, sind schließlich auf den Erhalt und die Weiterentwicklung einer Organisation ausgerichtet. Wer das Leben selbst genau untersucht, wird große Parallelen zwischen der Entwicklung von Populationen und der eines Unternehmens feststellen. Beide sind von den im Erbgut gespeicherten Lebenserfahrungen, von kontinuierlichen Lernprozessen, Experimentierfreude und Anpassungsfähigkeit geprägt. Es sind diese Wirkungszusammenhänge unter der Oberfläche, die den Erfolg bestimmen.
Die vier Dimensionen des Erfolgs
Erfolg findet in vier miteinander vernetzten Dimensionen statt, die in jeder Organisation einen so genannten virtuellen Raum aufspannen:
- Menschen: Eine Organisation wird von Menschen gestaltet. Je besser Sie gute Leute an sich binden können, je leichter Sie Boykottierer in den eigenen Reihen aufstöbern und je mehr Sie sich gegenseitig unterstützen, desto erfolgreicher ist Ihr Unternehmen. Kurzum: Der richtige Umgang mit den Menschen ist entscheidend für jeden Erfolg.
- Visionen, Ziele und Methoden: Diese drei Begriffe sind nicht einzeln, sondern als Einheit zu sehen. Wer schon im Voraus weiß, wie er bestimmte Ziele erreichen kann, ist nicht visionär. Dazu bedarf es vielmehr der Offenheit für das Unvorhergesehene und des Vertrauens, dass die Menschen ihre eigenen Wege finden. Ebenso gehört der Mut zu Fehlern dazu. Ziele sollten möglichst hoch gesteckt werden. Denn wie die Erfahrungen in Firmen zeigen, sind es oft die großen Ziele, die die besten Ideen hervorbringen. Um diese Ziele zu erreichen, sind wiederum bestimmte Methoden nötig. Dabei gilt: Je größer die Ziele, desto ausgeklügelter sollten die Methoden sein.
- Geld und Strategien: Die weitsichtigsten Visionen der weitsichtigsten Menschen nutzen wenig, wenn die Ressourcen für ihre Umsetzung fehlen. Geld ist im Vergleich zur Evolution am ehesten mit der Nahrung gleichzusetzen. Wer nichts zu essen und zu trinken hat, geht zugrunde. Das Erwirtschaften von Geld ist demnach unverzichtbarer Anspruch jeder Unternehmensführung. Ähnliches gilt für Strategien, denn sie ermöglichen letztlich eine schnelle Anpassung an die sich ständig verändernden äußeren Gegebenheiten.
- Rückkopplung und Innovation: Ziele können noch so vielversprechend sein, sie lassen sich nur dann erreichen, wenn der Weg dorthin kontinuierlich auf dem Prüfstand steht. Das ist kein Ausdruck von Misstrauen, sondern die einzige Möglichkeit, Abweichungen schnell korrigieren zu können. Diese Kurskorrekturen sind zudem Wegbereiter dafür, was das Überleben jeder Organisation sichert: Innovationen.
Die 27 Erfolgsgrundlagen
Nachdem der Raum, in dem der Erfolg stattfindet, definiert ist, geht es nun darum, dessen Wurzeln zu beschreiben. Diese setzen sich aus 27 Prinzipien zusammen, die sowohl für die Evolutionsstrategie als auch in Unternehmen Geltung haben. Dazu gehören zunächst Risikofreudigkeit, Anwesenheit, Vollständigkeit und Verbesserung. Ohne Risiko gibt es keine Innovationen und keinen Fortschritt. Ebenso wird ein Unternehmen seine Potenziale nicht entfalten können, wenn das Management nicht präsent ist oder wenn Entscheidungen ohne Transparenz für die Belegschaft getroffen werden. Außerdem gilt für Organisationen das Gleiche wie für Organismen: Alle wesentlichen Bereiche müssen wie Organe zusammenarbeiten. Versagt nur einer, ist das Überleben der Firma bedroht. Das Prinzip Verbesserung versteht sich von selbst, es ist nur ein anderer Begriff für Fortschritt.
„Wichtiger als die Konzentration auf vermeintlich kritische Faktoren, die ja dem Ausblenden vermeintlich unkritischer Faktoren gleichkommt, ist die konsequente Gewährleistung aller Bedingungen für einen stabilen Erfolg.“
Ein Aspekt, über den in vielen Organisationen nicht gerne gesprochen wird, ist die Notwendigkeit von Druck. In der Evolution hat sich nichts ohne den Druck, sich an die Veränderungen der Umwelt anzupassen, entwickelt. So ist es auch in den Unternehmen. Entwicklungsdruck ist etwas Positives. Wie der Druck des Windes in einem Segel treibt er Ideen voran und bringt Innovationen hervor. In der Führung bedeutet Druck fördern und fordern zugleich. Niemals ist er als Unterdrückung zu verstehen. Allerdings sollte Druck auch in keiner Organisation ein Dauerzustand sein. Erfolg stellt sich vor allem dann ein, wenn er mit einem weiteren Grundprinzip, der Entspannung, einhergeht. Dies können z. B. regelmäßige Auszeiten sein oder spezielle Zeitabschnitte in der Woche, in denen Mitarbeiter ihre eigenen Ideen verfolgen dürfen.
„Wer alle Erfolgsvorlagen von ihren unterschiedlichen Begriffen befreit und beginnt, die elementaren, funktionalen Erfolgsregeln herauszuarbeiten, der erkennt in der Evolutionsstrategie ein Urmeter des Erfolgs.“
Ein wichtiges Prinzip für den Erfolg ist die Systematik, die für ein zielgerichtetes Anordnen und Verbinden von Einzelaspekten zu einer sinnvollen Einheit steht. Eng damit verbunden ist die Kausalität, der Zusammenhang zwischen Ursachen und Wirkungen. Systeme lassen sich in schwach und stark kausale unterteilen, je nachdem ob eine kleine oder eine große Ursache eine schwache oder starke Wirkung erzielt. Die Frage nach den Ursachen steht in Zusammenhang mit dem Prinzip der Detaillierung: Alle Probleme lassen sich nur da lösen, wo sie entstehen, nämlich in den Details.
„Die Evolutionsstrategie ist eine interdisziplinäre Strategie.“
Ein Punkt, den bislang kein Managementansatz, wohl aber die Evolutionsstrategie aufgegriffen hat, ist das Prinzip der Schrittweite. Darunter wird der Zusammenhang zwischen dem Umfang einzelner Maßnahmen und der Entwicklungsgeschwindigkeit des gesamten Unternehmens verstanden. Sind Veränderungen zu groß, besteht die Gefahr, dass eine Organisation sich übernimmt. Bei zu kleinschrittigen Maßnahmen dagegen können möglicherweise vorhandene Potenziale nicht entfaltet werden. Aus dem Umgang mit der optimalen Schrittweite ergibt sich automatisch das Prinzip der Schnelligkeit. Hierbei geht es um eine rasche Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten.
„Ebenso wenig, wie es ‚halb schwanger‘ gibt, ist es in Organisationen sinnvoll, von einem ‚halbwegs definierten Ablauf‘, einer ‚halb sauberen Logistikhalle‘ oder einer ‚viertel Öllache‘ zu sprechen.“
Zwei weitere, eng miteinander verbundene Erfolgsgrundlagen sind die Einfachheit und die Erhaltung. Letztlich gründet jeder Erfolg darauf, die Dinge so einfach wie möglich zu gestalten, ohne das Unmögliche auszuschließen. Einfach ist auch die Forderung, das Erreichte zu pflegen, also zu erhalten. Konkret dazu beitragen kann z. B. ein umfassendes Wissensmanagement, das von den Mitarbeitern laufend ausgebaut wird.
„Alles, was den Erfolg einer Organisation ausmacht, muss von Menschen kommen und muss auf die Menschen abgestimmt sein.“
Was die Entwicklung neuer Ideen anbelangt, sind einige weitere Prinzipien für den Erfolg entscheidend: Da ist zunächst die Kreativität, die ein entsprechendes Arbeitsumfeld voraussetzt. Das Prinzip der Differenzierung umfasst u. a. die Fähigkeit, zwischen Worten (oder auch: Berichten, Präsentationen etc.) und Taten zu unterscheiden.
„Wer Geld hat, Visionen und Ziele und gute, entwicklungsfähige, zielstrebige und hart arbeitende Leute dazu, der wird dennoch für den Auf- und Ausbau seines Erfolges Zeit brauchen.“
Weiter ist das Prinzip der Übertragung von Bedeutung. Darunter wird das Kopieren bislang sinnvoller Lösungen verstanden. Erfolgreiche Unternehmen bauen zudem auf die Neuordnung bekannter Ansätze. Und sie legen Wert darauf, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen, sondern alles genau zu untersuchen. Dazu passen auch die beiden Prinzipien Eindeutigkeit (oder auch: klar Position beziehen) und kleine Einheiten. Letzteres fordert die Konzentration auf überschaubare Gruppen und Abteilungen.
„Viele Zusammenhänge in Erfolgsdingen sind Gratwanderungen: Der Entwicklungsdruck ist die Gratwanderung zwischen Terrorisierung und Führungslosigkeit.“
Um Kundenbedürfnisse optimal zu bedienen, sind exzellente Produkte gefragt. Die entsprechenden Erfolgsprinzipien heißen Qualität und Prävention: Wichtig ist das automatische Erkennen und Eliminieren von aus Unachtsamkeit entstandenen Systemfehlern.
Die abschließenden sechs Erfolgsprinzipien sind bekannte Aspekte jedes Unternehmens. Dazu gehören die Maßnahmen mit ihrer Analyse und Planung, die Repetition von notwendigen Abläufen, die Lernfähigkeit, die Überprüfung, die Langfristigkeit und das Offensivpotenzial. Dieses bezeichnet ein offensives Vorgehen, das ständig zwischen Vorpreschen und zu langem Zögern abwägen muss: Ersteres ist mit dem möglichen Verlust von Kunden verbunden, letzteres mit möglichen Gewinneinbußen.