Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen

Buch Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen

London, 1584
Diese Ausgabe: Meiner,


Worum es geht

Alles ist eins

In Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen legt der ital­ienis­che Philosoph Giordano Bruno den Grundstein zu einer neuen Metaphysik und vollzieht eine radikale Abwendung von der du­al­is­tis­chen Weltsicht seiner Zeit: der klassischen Zweiteilung in Gott und Welt, Geist und Materie. Für Bruno sind diese ver­meintlichen Gegensätze nur ver­schiedene Aspekte eines einzigen Seins, einer einzigen, unendlichen und unteilbaren Wirk­lichkeit. Gott selbst als allerhöchstes Wesen und Ursprung des Seins steht für Bruno nicht außerhalb der Welt, sondern ist Teil der al­lum­fassenden Wirk­lichkeit des Seins. Die Abkehr von den Lehren des Aristoteles, dessen Erken­nt­nisse Ende des 16. Jahrhun­derts noch immer eine do­minierende Rolle in den offiziellen Lehrmei­n­un­gen spielten, brachte Bruno in einen permanenten Konflikt mit der katholis­chen Kirche; auch die Inquisition warf bereits frühzeitig ein Auge auf ihn. So kam es schließlich, dass seine Werke und die Konsequenz, mit der Bruno seine Auf­fas­sun­gen nach außen verteidigte, zu seiner Verurteilung zum Tod auf dem Scheit­er­haufen führten. Bruno wurde zum Märtyrer der Inquisition und seine Werke zu Klassikern der Philosophie.

Take-aways

  • Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen ist eine philosophisch-kos­mol­o­gis­che Abhandlung Giordano Brunos, die 1584 in London erschien.
  • Bruno war ein ital­ienis­cher Dichter und Philosoph des 16. Jahrhun­derts, der von der Inquisition wegen Ketzerei verurteilt und verbrannt wurde.
  • Inhalt: Der Hauptteil des Werks besteht aus fünf Dialogen. Bruno entwickelt eine Philosophie, nach der sich alles von der einen, höchsten Ursache ableitet und alles wieder zu dem Einen, Übergreifenden hinführt. Der klassische Dualismus von Form und Materie, Gott und Welt wird dadurch überwunden. Der Pantheist Bruno sieht alles von allem durch­drun­gen.
  • Bruno übt scharfe Kritik an den Lehren des Aristoteles, die damals noch nahezu unange­fochten waren.
  • Zeit seines Lebens war Bruno ein Getriebener. Binnen weniger Jahre lebte und arbeitete er an mehreren Orten in der Schweiz sowie in Frankreich, England und Deutschland.
  • Bereits im Alter von 18 Jahren wurde er der Ketzerei verdächtigt, als er sich weigerte, Heili­gen­bilder in seiner Mönchszelle aufzuhängen.
  • Im Jahr 1600 wurde er zum Tod auf dem Scheit­er­haufen verurteilt und auf dem Campo de’ Fiori in Rom verbrannt.
  • 1889 wurde dort eine Bruno-Statue aufgestellt. Der Blick des Philosophen ist direkt auf den Vatikan gerichtet.
  • Erst im Jahr 2000 wurde Bruno von der katholis­chen Kirche teilweise re­ha­bil­i­tiert und seine Verurteilung als Unrecht bezeichnet.
  • Sein Einfluss erstreckt sich auf eine Vielzahl un­ter­schiedlicher Philosophen und Dichter, darunter Jacobi, Schelling und Goethe.
 

Zusammenfassung

Gespräch unter Philosophen

Elitropio spricht mit Filoteo. Er befürchtet, dass sich viele Anhänger der orthodoxen Lehrmei­n­un­gen von Filoteo abwenden werden, da sie of­fen­sichtlich unfähig sind, die enorme Kraft seiner Gedanken auszuhalten. Filoteo sieht die Schuld jedoch nicht in der Strahlkraft seines Gedankengebäudes, sondern sucht sie bei denen, die nicht in der Lage sind, sie zu ertragen. Elitropio warnt Filoteo davor, wie gefährlich es sein kann, die Menschen aus der Dunkelheit ins Licht zu führen.

„Gefangenen gleich, die an Dunkelheit gewöhnt aus finsterm Burgverlies an das Licht her­aus­treten, werden viele Anhänger der landläufigen Philosophie und manche andere dazu scheu werden, stutzen und weil sie unfähig sind, die neue Sonne deiner hellen Gedanken zu ertragen, böse werden.“ (Elitropio zu Filoteo, S. 1)

Armesso tritt hinzu und kritisiert Filoteo dafür, dass er nicht in der Lage sei, seine Gedanken ger­ade­heraus zu formulieren. Filoteo vergleicht seine Lehren mit einem Gastmahl, das er anderen bereitet und das aus Zutaten mit ver­schiede­nen Geschmack­srich­tun­gen besteht. Das Ziel seiner Lehre ist vor allem, andere Menschen zu verbessern. Den Vorwurf, er tue dies auch wider deren Willen, beantwortet er damit, dass er als Philosoph gar keine andere Wahl habe, als sich wie ein Philosoph zu verhalten. Dabei treiben ihn, wie er behauptet, keine persönlichen, ego­is­tis­chen Motive an, sondern allein die Liebe zur Wahrheit. Elitropio wirft ein, dass gerade diese Liebe zur Wahrheit den Philosophen zum Nachteil gereicht wird. Sie ist der Grund dafür, warum sie so häufig vom gemeinen Volk verachtet werden.

Schmähung und Vertei­di­gung

Filoteo wird mit dem Vorwurf kon­fron­tiert, er habe in seinem Buch Das As­cher­mittwochs­mahl üble Schmähungen gegen seine Stadt und seine Heimat ausgestoßen. Er weist dies entschieden von sich. Solche Vorwürfe kann er sich nur als Missverständnis erklären und vermutet, dass ein Teil seiner Zuhörer die Verurteilun­gen einiger Repräsentanten seiner Heimat als Verurteilung der ganzen Stadt, ja der gesamten Nation aufgefasst habe. Elitropio vermutet, dass Filoteo seine Ansichten einfach nicht mit der gebotenen Vorsicht äußert und sich deshalb ein ums andere Mal unnötig in Gefahr begibt. Geschlossen klagen die drei Gesprächsteil­nehmer darüber, dass der wis­senschaftliche Standard der heimischen Universität ihrem Ruf immer weiter hin­ter­her­hinke, was un­gerecht­fer­tigten Vorwürfen und übler Rede leicht den Weg ebne. Akademische Titel würden zu rasch vergeben, und die, welche sie erhielten, hätten zwar Aristoteles und Platon studiert, diese allerdings nie wirklich verstanden.

„Sagt, was ihr wollt, denkt, wie es euch beliebt! Ich sage, dass es für das Glück des Lebens besser ist, sich Crösus zu dünken und arm zu sein, als sich arm zu dünken und Crösus zu sein.“ (Elitropio, S. 20)

Armesso spricht Filoteo auf ein Buch an, dass dieser in der Hand hält. Filoteo erwidert, dass es sich dabei um einen Band mit Dialogen handle. In diesen treten ver­schiedene Personen in Erscheinung: Teofilo (niemand anders als Filoteo selbst) als Lehrer und Philosoph, Alexander Dicson als Stich­wort­ge­ber für Teofilos Ausführungen, Gervasio, der lediglich zum Zeitvertreib an den Un­terre­dun­gen teilnimmt, und schließlich Poliinnio, ein pedan­tis­cher Schul­meis­ter und Verächter der Philosophie.

Prinzip und Ursache

Teofilo behauptet, dass jedes Ding, das nicht selbst das oberste Prinzip, die erste Ursache (also Gott) ist, ein bestimmtes Prinzip und eine bestimmte Ursache hat. Die wesentliche Substanz des obersten Prinzips und der eigentlichen Ursache ist nicht zu erkennen. Sie gibt sich nur in ihren Er­schei­n­un­gen, also im Wirken Gottes preis, und selbst dies ist für den Menschen schwer zu verstehen. Folglich macht es keinen Sinn, sich über Gott zu unterhalten oder ihn über sein Wirken definieren zu wollen. Gott ist nach Teofilos Auffassung Ursache und Prinzip, und dabei handelt es sich um dieselbe Sache. In der Natur hingegen sind Ursache und Prinzip ver­schiedene Dinge innerhalb eines Systems von un­ter­schiedlichen Beziehungen. In der be­grif­flichen Un­ter­schei­dung zwischen Prinzip und Ursache ist für Teofilo das Prinzip der allgemeine Begriff einer Sache, die Ursache hingegen allein das, was etwas anderes her­vor­bringt. Die allgemein bewirkende Ursache ist für ihn die universelle Vernunft, als Teil der Weltseele.

Alles ist beseelt

Teofilo un­ter­schei­det drei Arten von Vernunft:

  1. die göttliche Vernunft, die alles ist,
  2. die universelle Vernunft, die alles macht, und
  3. die Vernunft der Dinge, die alles wird.
„Ich meine deshalb, es ist von dem Natur­philosophen nicht zu verlangen, dass er alle Ursachen und Prinzipien aufzeige, sondern nur die physischen, und von diesen auch nur die hauptsächlichen und jedes Mal eigentümlichen.“ (Teofilo, S. 25)

Es gilt, zwischen formalen und bewirkenden Ursachen zu un­ter­schei­den. Es ist durchaus möglich, dass etwas zugleich Prinzip und Ursache ist – z. B. Gott. Auch die Weltseele kann ebenso Form wie gestaltende Kraft sein. Die Welt mit ihren einzelnen Gliedern ist in jedem Fall belebt und beseelt. Teofilo behauptet sogar, dass nicht nur die Weltform, sondern überhaupt die formale Seite aller Dinge belebt sei. Dies lasse sich dadurch beweisen, dass die Seele, die in einem Teil des Ganzen wohne, wiederum auch einen Teil dieses Teils bewohnen müsse. Schließlich gäbe es nichts auf der Welt, was ohne eine Seele, ohne einen Keim des Lebens wäre. Dicson erstaunt diese Ansicht, aber er stimmt Teofilo letztlich ebenso zu wie Gervasio. Allein Poliinnio sträubt sich dagegen. Für ihn ist es nicht vorstellbar, dass beispiel­sweise ein Leichnam beseelt sein soll. Teofilo weist ihn aber darauf hin, dass die Dinge z. T. nicht wirklich, sondern lediglich der Substanz nach lebendig seien.

„Wenn wir Gott oberstes Prinzip und wenn wir ihn oberste Ursache nennen, so meinen wir eine und dieselbe Sache in ver­schiedener Beziehung; wenn wir aber von Prinzipien und Ursachen in der Natur sprechen, so meinen wir ver­schiedene Dinge in ver­schiede­nen Beziehungen.“ (Teofilo, S. 27)

Wenn also gemäß Teofilo Seele, Leben und Geist in allen Dingen vorhanden sind, so ist es der Geist, der die wahre Wirk­lichkeit und die wahre Form aller Dinge darstellt. Entsprechend fügt die Weltseele das gesamte Universum zusammen. Diesen Gedanken verfolgend, muss man weder einen körperlichen noch einen seelischen Tod fürchten, denn beide, Körper (Materie) und Geist (Form), sind Konstanten des Universums. Teofilo un­ter­schei­det die folgenden Formen: erstens die materielle, räumlich wirksame Form; zweitens die Form, die die Wirksamkeit der Teile eines Ganzen ausmacht; und drittens die Form, die das Ganze zur Vollendung führt – von dieser Art ist die Seele. Heißt es in diesem Zusam­men­hang, dass Weltseele und Geist überall vorhanden seien, so ist dies nicht in einem materiellen, sondern in einem geistigen Sinn gemeint.

Form und Materie

Während Gervasio am folgenden Tag auf seine Gesprächspartner wartet, lästert er über Poliinnio. Als dieser eintrifft, zieht Gervasio ihn mit seiner Gelehrsamkeit auf. Poliinnio begreift zunächst gar nicht, dass er sich über ihn lustig macht und nimmt seine als Schme­icheleien getarnten Neckereien wörtlich. Als er ihm schließlich doch auf die Schliche kommt, schließt sich Dicson dem Gespräch an und schlichtet den sich anbahnenden Streit zwischen den beiden.

„Die all­ge­meinere Meinung ist nicht auch die wahrere Meinung.“ (Teofilo, S. 35)

Was das Verhältnis von Form und Materie betrifft, sind Dicson und Teofilo der gleichen Auffassung: Es ist unmöglich, dass das eine ohne das andere existiert. Der Geist bestimmt das Werden, die Materie das Sein. Die Materie bleibt, was ihre innere Substanz angeht, immer gleich; lediglich die Formen, die sie unter den jeweiligen Umständen annimmt, ändern sich. Daraus lässt sich schließen, dass nichts von den Dingen in dieser Welt wirklich vergänglich ist, sondern alles lediglich seine Form verändert, die aus bestimmten Akzidenzien besteht. Die Materie kann nicht anders als durch ihre Eigen­schaften klas­si­fiziert werden, also durch die Form, die ihr kon­sti­tu­ieren­des Prinzip ist. Die Formen dringen in die Materie ein und gehen wieder aus ihr hervor. Sie haben kein Sein außerhalb der Materie, daher hat diese das Vorrecht, als einziges sub­stanzielles Prinzip anerkannt zu sein.

Ver­schiedene Arten der Materie

Am nächsten Tag räsoniert Poliinnio in einem Monolog über die ver­schiede­nen Beze­ich­nun­gen der Materie und ihr Verhältnis zum Weiblichen. Er begreift das Weib wie die Materie als etwas im Grunde Sündhaftes, im Gegensatz zu der guten, maskulinen Form. Er polemisiert heftig gegen die Frauen, denen er vorwirft, die Männer zu verderben. Gervasio hält dagegen, aber Poliinnio bleibt bei seiner Haltung: Für ihn besteht das Weib lediglich aus Materie. Schließlich treten Teofilo und Dicson hinzu.

„Es bilden also die von der Natur geformten Dinge die Materie der Kunst, und ein Einziges, schlechthin Formloses, die Materie der Natur.“ (Gervasio, S. 55)

Teofilo breitet weitere Aspekte seiner Philosophie aus. So glaubt er an eine bestimmte Ordnung von allem, was ist. Diese Ordnung unterliegt einer zeitlichen und einer hi­er­ar­chis­chen Struktur. Die Materie ist das, was allen Dingen gemeinsam ist, während die Formen der Dinge sich stets auf etwas Un­ter­schei­den­des beziehen. Diese Un­ter­schei­dung kann nicht verstanden werden, ohne dass die Materie als das eigentlich Verbindende begriffen wird. Das, worin sich die Formen vereinigen, ist wiederum die Materie. Dicson will daraufhin wissen, wie es sein kann, dass selbst in den höchsten Dingen immer noch ein Quantum an Materie ist. Teofilo antwortet, dass die Materie sämtliche Maße, alle Arten von Gestalten und jede räumliche Richtung in sich vereint und durchdringt. Die Wirk­lichkeit umgreift alle diese einzelnen Aspekte, ist aber selbst keine dieser materiellen Gegenstände oder Formen. Denn um alles zu sein, kann die Wirk­lichkeit nicht ein Einzelnes sein.

Die Formen als Möglichkeit in der Materie

Die Materie ist unteilbar, weil sie über keine räumliche Ausdehnung verfügt; sie erhält diese lediglich über die un­ter­schiedlichen Formen, die sie annimmt. Die Materie kann in diesem Sinne nur zeitlich oder dem Vermögen nach der Formen beraubt sein, nicht aber grundsätzlich. Auch wenn es eine Unzahl ver­schiedener Individuen gibt, ist letztlich alles eins. Dieses Eine ist zugleich Zielort und Grenze des Philoso­phierens und aller Naturbe­tra­ch­tun­gen.

„Denn das müsste ein ehrgeiziger und hochmütiger, eitler und neidischer Geselle sein, wer andere überreden wollte, es gebe nur einen einzigen Weg zu forschen und zu der Kenntnis der Natur zu gelangen (...)“ (Teofilo, S. 62)

Dicson stellt fest, dass das, was in der Wirk­lichkeit als fassbar und wahrnehmbar erscheint, niemals der Grund der Wirk­lichkeit selbst sein kann, sondern nur eine Er­schei­n­ungs­form. Teofilo ist der Meinung, dass Aristoteles ungenau ist, wenn es darum geht, Form, Materie und Prinzipien dif­feren­ziert zu betrachten. Vor allem Aristoteles’ Behauptung, die Materie sei lediglich Vermögen, wird von ihm kritisiert. Schließlich äußert er sich auch über die Analogie von Weib und Materie. Teofilo betrachtet Poliinnios Auffassung als Unfug. Seiner Meinung nach steckt in der Materie weder ein Begehren noch ein Wille, wie er sich beispiel­sweise im Weiblichen ausdrückt.

Einig, unendlich, unbeweglich

Für Teofilo ist das Universum ein Einiges, Unendliches, Un­be­wegliches. Es umfasst alle Gegensätze in Einheit und Harmonie. Das Universum ist un­ver­mess­bar. Seine Länge, Breite und Höhe mögen gleich sein, dennoch hat es nicht die Gestalt einer Kugel, denn sonst wäre es nicht unendlich. Das Universum ist all das, was sein kann; Wirk­lichkeit und Vermögen un­ter­schei­den sich hier nicht, alles ist in allem zusam­menge­fasst. Die Veränderungen, die es zweifellos gibt, streben nicht ein anderes Sein, sondern nur eine andere Art zu sein an. Genau das ist auch der Unterschied zwischen den Gegenständen im Universum und dem Universum selbst. Jede Art von Erzeugung bedingt eine Veränderung, die Substanz an sich aber bleibt davon unbehelligt. Wer zu dieser Einsicht gelangt ist, hat damit die Wahrheit, die Weisheit und auch seinen inneren Frieden gefunden.

„(...) denn die Form, welche alle Qualitäten umfasst, ist keine einzige von ihnen; was alle Gestalten hat, hat keine von ihnen, was alle sinnliche Existenz hat, wird deshalb gar nicht sinnlich wahrgenom­men.“ (Teofilo, S. 86)

Dicson bestätigt Teofilo in den Grundfesten seiner Lehre: Alle Eigen­schaften von Gegenständen, Beschaf­fen­heit, Farbe, Gestalt usw., sind nichts anderes als un­ter­schiedliche Er­schei­n­ungsweisen; die eigentliche Substanz des Universums bleibt davon unberührt. Geht es nach Dicson, dann ist das allerhöchste Wesen, also Gott, von dieser Art: Wirk­lichkeit und Vermögen finden sich in seiner Kraft vereint. Teofilo fügt hinzu, dass die Philosophen dem Unteilbaren un­ter­schiedliche Beze­ich­nun­gen geben, dass das Prinzip des Unteilbaren aber in allen Philoso­phien gleich bleibt. Die höchste Erkenntnis, zu der der Mensch in der Lage ist, ist die der Einheit des Universums. Es liegt daher in der Natur des Verstandes, die Dinge zu vere­in­heitlichen, das Verbindende in ihnen zu finden. Wer z. B. Mathematik studiert, gelangt zwangsläufig zu dieser Erkenntnis. So gleicht sich etwa ein Kreis, je größer er ist, immer mehr seinem natürlichen Gegenteil, der Geraden, an.

Zum Text

Aufbau und Stil

Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen, im Original auf Italienisch, besteht aus einer längeren Einleitung, die Bruno an seinen Förderer Michel de Castelnau richtet, aus vier Gedichten und fünf Dialogen. Letztere bilden den Schwerpunkt, in dem Bruno die Grundzüge seiner Philosophie ausbreitet. Die Dialogform orientiert sich an den pla­tonis­chen Schriften. Die Dialoge sind weniger darauf aus­gerichtet, die einzelnen Gesprächsteil­nehmer psy­chol­o­gisch darzustellen oder sie in ihren Gesprächen re­al­is­tis­chen Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen auszusetzen. Vielmehr ist jeder Dialog auf das Ziel philosophis­cher Erkenntnis aus­gerichtet. Gesprächsführer und Lehrer ist der Philosoph Teofilo (bzw. Filoteo im ersten Dialog), der eindeutig als Alter Ego des Autors zu erkennen ist. Er lehrt, erklärt und deutet seinen Zuhörern seine pan­the­is­tis­che Lehre. Die anderen Anwesenden nehmen den vorgegebe­nen Faden auf, spinnen ihn weiter, geben Hinweise, wenn diese helfen, die Philosophie Teofilos zu vertiefen; alles in allem reagieren sie eher, als dass sie agieren. Dicson tritt als der scharf­sin­nige Stich­wort­ge­ber auf, der die Ideen Teofilos ergänzt und zuweilen mit Beispielen unterfüttert, Gervasio hat die Funktion des in­tel­li­gen­ten Spaßvogels und Poliinnio die eines akademis­chen Pedanten und Wichtigtuers.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Giordano Brunos Schrift Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen steht in der Tradition des philosophis­chen Dialogs, des Lehrgesprächs, in dem ein Philosoph seinen Zuhörern die Welt erklärt. Brunos Werk hat Züge eines drama­tis­chen Dialogs, wenn auch eher auf einem komischen Niveau.
  • Brunos Philosophie ist pan­the­is­tisch, verharrt dabei jedoch nicht in bloßer Mystik, sondern kämpft durchaus mit scharfen meta­ph­ysis­chen Waffen um die eigentliche Essenz dieser Weltan­schau­ung. Geist und Materie, Gott und Welt bilden für ihn insofern eine universelle Einheit, als sie sich gegenseitig durch­drin­gen. Damit überwindet Bruno das tra­di­tionell du­al­is­tis­che Weltbild; zugleich übt er scharfe Kritik an den philosophis­chen Autoritäten seiner Zeit, vor allem an Aristoteles.
  • Bruno stellt sich mit seiner Abkehr vom geozen­trischen Weltmodell in die Tradition des he­liozen­trischen Weltbilds des Astronomen Nikolaus Kopernikus, nach dem die Erde um die Sonne kreist. Für ihn wie für Kopernikus ist das Universum etwas Unendliches, nicht zu Be­gren­zen­des, Unfassbares. Bruno setzt diese Erkenntnis auf konsequente Weise philosophisch um und nimmt dafür – anders als der zeitlebens vorsichtig agierende Kopernikus – sogar Verdammung und Tod in Kauf.
  • In seinen Schriften ist Giordano Bruno kaum als Geistlicher bzw. Theologe zu erkennen. Obwohl die Erkenntnis Gottes als Wel­tenlenker, als Prinzip und Ursache am Ausgangs- und Endpunkt seines Gedankengebäudes steht, so erscheint er doch – ähnlich wie der von ihm ungeliebte Aristoteles – als durch und durch weltlicher Philosoph.
  • Auch wenn Brunos meta­ph­ysis­che Haarspal­terei heute ziemlich irrelevant erscheint, so bleibt doch sein mit aller Konsequenz durchge­zo­gener Nonkon­formis­mus be­wun­dern­swert. Und dies in einer Zeit, als Nonkon­formis­mus einem noch nicht einen Platz in einer Fernseh-Talk­show einbrachte, sondern Folter und Verbrennung bei lebendigem Leib.

His­torischer Hintergrund

Die Inquisition im 16. Jahrhundert

Die politische Bedeutung des Kirchen­staats nahm im 16. Jahrhundert ab, gle­ichzeitig wuchs seine Abhängigkeit von den europäischen Großmächten. 1542 gründete Papst Paul III. die Kon­gre­ga­tion für die Glaubenslehre als ständige Einrichtung, die die Kirche vor ab­we­ichen­den Glaubensvorstel­lun­gen schützen sollte. Anders als im Mittelalter verfolgte die Römische Inquisition nicht mehr ganze, der Ketzerei verdächtigte religiöse Bewegungen. Ihre eigentliche Aufgabe bestand darin, Inhalte und Formen des wahren Glaubens zu bewahren, statt andere Glauben­srich­tun­gen zu verfolgen.

Nichts­destotrotz wurden philosophis­che, the­ol­o­gis­che und wis­senschaftliche Lehren, die vom Glauben abwichen, ständig überprüft und, wenn es angemessen schien, auch entsprechend hart verfolgt. Dabei gab es klare Vorgaben. So wurde die eigentliche Inquisition stets in Anwesenheit von mindestens zwei Zeugen vorgenommen. Um den Angeklagten zu einem Geständnis zu zwingen, durfte nach wie vor die Folter angewandt werden. Die Ergebnisse der Inquisition wurden schließlich öffentlich verkündet. Im gewünschten Fall schwor der Angeklagte dann seinem Irrglauben mit auf die Bibel gepresster Hand ab. Die Strafen für sein Vergehen konnten un­ter­schiedlich ausfallen. Sie reichten von der Verpflich­tung zu Kirchenbe­suchen bis hin zu länger­fristi­gen Gefäng­nisaufen­thal­ten. Die Todesstrafe wurde zu jener Zeit nur verhängt, wenn der Beschuldigte – wie Giordano Bruno – keine Reue zeigen wollte.

Entstehung

Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen entstand während Brunos Aufenthalt in England und erschien 1584 in London. Hält man sich die schwierigen Umstände vor Augen, die sein Leben weitgehend bestimmten, so fällt die Publikation in eine verhältnismäßig unbeschw­erte Zeit. Bruno hatte kurz an der Universität von Toulouse gelehrt, war aber im Zuge der Hugenot­tenkriege nach Paris weit­erge­zo­gen, wo er, u. a. durch Heinrich III. gefördert, bis 1583 blieb. Mit einem Empfehlungss­chreiben des Franzosenkönigs reiste er schließlich nach England, wo er sich als Dozent an der renom­mierten Universität von Oxford einen Namen machen wollte.

Hier schaffte sich Bruno jedoch mit seinen Angriffen auf den zu dieser Zeit immer noch sakrosank­ten Aristoteles rasch Feinde. Hinzu kam, dass er wegen eines angeblichen Plagiats in Verruf geriet. Bis zum Sommer 1585 lebte er bei einem seiner maßgeblichen Förderer, dem französischen Botschafter in London, Michel de Castelnau. Der zweijährige Aufenthalt auf der britischen Insel gehörte zu den pro­duk­tivsten Phasen in Brunos Leben. In jener Zeit schrieb er einige seiner wichtigsten Werke, darunter Das As­cher­mittwochs­mahl oder Über das Unendliche, das Universum und die Welten.

Wirkungs­geschichte

Nach Giordano Brunos Tod gerieten seine Werke für knapp 200 Jahre beinahe vollständig in Vergessen­heit. 1789, im Jahr der Französischen Revolution, veröffentlichte der Philosoph und Schrift­steller Friedrich Heinrich Jacobi als Beilage zur zweiten Auflage seiner Brief­samm­lung Über die Lehre des Spinoza, in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn Auszüge aus Brunos Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen. So wollte er Ähn­lichkeiten und Berührungspunkte in den Philoso­phien Brunos und Baruch de Spinozas aufzeigen: „Schwerlich“, schrieb Jacobi damals, „kann man einen reineren und schöneren Umriss des Pantheismus im weitesten Verstande geben, als ihn Bruno zog.“

Die deutlichste Wirkung hinterließ Brunos Pantheismus bei dem deutschen Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. 1802 veröffentlichte dieser sein Werk Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Auch Johann Wolfgang von Goethe beschäftigte sich intensiv mit dem Werk Brunos. „Dieser außeror­dentliche Mann ist mir niemals ganz fremd geworden“, schrieb er beispiel­sweise 1812 in einem Brief. Daneben wurde Giordano Bruno – vor allem in der Kunst, aber auch in der Populärkultur – in vielfacher Weise als Kämpfer für die Glaubens- und Mei­n­ungs­frei­heit und als Märtyrer der Inquisition dargestellt. Als besonders provozieren­der Ausdruck dieser Haltung zeigt sich das 1889 auf dem römischen Campo de’ Fiori errichtete Denkmal, das direkt auf den Vatikan blickt.

Über den Autor

Giordano Bruno wird 1548 in Nola bei Neapel geboren. Seine außeror­dentliche Begabung wird rasch erkannt. Bereits 1562 beginnt er an der Universität von Neapel sein Studium der hu­man­is­tis­chen Wis­senschaften, drei Jahre später tritt er den Do­minikan­ern bei, 1572 wird er zum Priester geweiht. Schon kurz nach seinem Eintritt in den Orden zeigt sich Brunos unbequemer Charakter. Er wendet sich gegen den Marienkult und die Anbetung von Heili­gen­bildern und gerät damit in Konflikt mit den Or­densvorste­hern. Kurz nachdem er das Studium der Theologie abgeschlossen hat, wird er 1576, wegen seiner Zweifel am Dogma der Trinität, der Häresie verdächtigt. Bruno flieht aus Neapel in die Schweiz, weiter nach Frankreich, England und Deutschland. Aufgrund der Ablehnung, auf die seine Haltung und seine Schriften stoßen, schafft er es nicht, sich an einem Ort dauerhaft niederzu­lassen. In Frankfurt am Main lernt er den venezian­is­chen Patrizier Giovanni Mocenigo kennen, der ihn nach Venedig einlädt, um sich von ihm in der Gedächtnis- und Erfind­ungskunst un­ter­richten zu lassen, der aber wohl insgeheim hofft, Einblicke in die Geheimnisse der Magie zu bekommen. Von Mocenigo wird Bruno schließlich an die Inquisition verraten. Er wird 1592 in Venedig wegen Sek­tier­ertum verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Nachdem der Prozess, der gegen ihn angestrengt wird, anfänglich noch günstig zu verlaufen scheint, wird er im Februar 1593 in das Gefängnis des Heiligen Offiziums nach Rom überstellt. Nach jahrelangen Un­ter­suchun­gen und zahlreichen Verhören, in denen er es immer wieder ablehnt, seine Lehren zu widerrufen, wird Bruno zum Tod verurteilt und am 17. Februar 1600 auf dem römischen Campo de’ Fiori auf dem Scheit­er­haufen verbrannt. 400 Jahre später erklärt der päpstliche Kulturrat die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht.