Sechs Toyota-Prinzipien zur Mitarbeiterentwicklung
Was Toyota von den meisten anderen Untenehmen weltweit unterscheidet, ist der Stellenwert, den die Mitarbeiterentwicklung im Unternehmen hat. Und dabei hat Toyota nicht etwa eine Hand voll Stardesigner im Auge, sondern die Masse der Mitarbeiter, die zunächst nicht viel mehr mitbringt als Basisfähigkeiten für ihren Job und Lernbereitschaft. Aber Toyota hat einen Weg gefunden, darauf aufzubauen und bei seinen Mitarbeitern die 90 % an erlernbaren Fähigkeiten zu optimieren, die neben den 10 % der angeborenen Fähigkeiten ihr Potenzial ausmachen. Da wundert es nicht, dass sechs der 14 Leitprinzipien von Toyota die Mitarbeiterentwicklung fokussieren:
- Prinzip 1: Managemententscheidungen sollten auf einer langfristigen Perspektive basieren und nicht den schnellen Gewinn anpeilen. Die Mitarbeiterentwicklung zählt zur wichtigsten langfristigen Investition.
- Prinzip 6: Standardisierte Arbeitsabläufe wirken leistungssteigernd und führen die Mitarbeiter zu mehr Eigenverantwortung.
- Prinzip 9: Die Führungskräfteentwicklung zielt darauf ab, die Unternehmensphilosophie vorzuleben und weiterzugeben. Wissensvermittlung steht bei den Kernkompetenzen der Führungskräfte an erster Stelle.
- Prinzip 10: Es werden Mitarbeiter und Teams entwickelt, die die Unternehmensphilosophie mittragen.
- Prinzip 11: Auch Geschäftspartnern wird bei der Weiterentwicklung geholfen, damit die gesamte Produktionskette dasselbe Kompetenzniveau aufweist.
- Prinzip 14: Das Ziel ist die lernende Organisation, damit ist der Gipfel an Effektivität erreicht.
Umfassend qualifiziert und am Simulator geschult
Toyota-Angestellte sollen den Status eines umfassend qualifizierten Mitarbeiters erlangen, allein die tätigkeitsbezogenen Fertigkeiten reichen nicht aus. Ein Mitarbeiter, der in einem der drei Global Production Center in Thailand, England oder den USA darin geschult wird, die exakt richtige Menge Lack auf die Karosserie aufzubringen o. Ä., ist erst dann umfassend qualifiziert, wenn er sich auch um Problemlösungen an seinem Arbeitsplatz bemüht, seine Kommunikationskompetenz verbessert oder sich an der Entwicklung neuer Produkte oder Methoden beteiligt.
„Ein Satz, den man bei Toyota häufig hört, lautet: ‚Wir entwickeln nicht nur Autos, wir entwickeln Menschen.‘“
Was Toyota von den meisten anderen Unternehmen unterscheidet, ist, dass neue Mitarbeiter nicht einfach ins kalte Wasser geworfen, sondern zunächst einmal mit viel Engagement an die Hand genommen werden. Das Konzept der so genannten Job Instruction lautet: Grundlegende Fertigkeiten werden mittels standardisierter Methoden vermittelt.
„Wenn die Mitarbeiter nicht angemessen entwickelt werden, werden Sie feststellen, dass Sand in das Getriebe gerät, der das gesamte System schließlich unter lautem Knirschen zum Halten zwingt.“
So übt der neue Mitarbeiter beispielsweise das Einsetzen einer Beilagscheibe erst mal im Trockentraining vor einem Bildschirm, auf dem die Aufgabe exakt beschrieben ist. Erst wenn alles fehlerfrei und im Takt (nach Metronom) läuft, wird dem Mitarbeiter seine Arbeitsstation an der Montagestraße zugewiesen. Wer zunächst am Simulator übt, bringt natürlich erst einmal null Produktionsleistung; er wird den Kollegen, der ohne Übung eingesetzt wurde, aber ganz schnell überholen.
Training Within Industry
Die Methode Training Within Industry (TWI) stammt ursprünglich aus den USA. Sie wurde dort während des Zweiten Weltkriegs entwickelt, um die Rüstungsindustrie voranzutreiben. Toyota hat die Idee aufgegriffen, weiterentwickelt und nutzt sie noch heute. Das Ziel von TWI ist, Trainer auf der untersten Führungsebene auszubilden, die dann wiederum Teamleiter schulen und diese anschließend ihre Teammitglieder.
„Toyota ist damit erfolgreich, gute Ideen und Konzepte fortgesetzt zu nutzen und auf ihnen aufzubauen.“
Das TWI-Programm bestand ursprünglich aus vier Kernmodulen: Job Instruction, Job Method, Job Relations und Union Job Relation. Toyota hat das erste Modul, die Job-Instruction-Methode, zur Basis der Mitarbeiterentwicklung auserkoren, nutzt aber auch die anderen Module, wobei alle in das Toyota Production System (TPS) eingebunden werden. Letzteres ist ein ganz wesentlicher Aspekt und gleichzeitig typisch für Toyota. Wenn Sie z. B. nur das Job-Instruction-Modul in Ihr Unternehmen einbauen, verleiten Sie Ihre Mitarbeiter dazu, schneller und mehr zu produzieren, die korrekte Arbeitsweise bleibt dabei aber bald auf der Strecke.
Am Anfang steht die Frage nach dem Warum
Es bedarf einer sehr durchdachten Vorbereitung, ehe eine Belegschaft mit Job Instruction auf Trab gebracht werden kann. Ohne seinen Hang zu akribischer Planung wäre auch Toyota mit Sicherheit nicht so erfolgreich. Es gilt also zunächst festzustellen, weshalb eine Mitarbeiterschulung überhaupt notwendig ist.
„Zwei Dinge, für die Toyota berühmt ist, sind akribische Planung und Vorbereitung. Wir raten Ihnen dringend, Toyota in dieser Hinsicht nachzueifern.“
Dazu müssen Sie die Bedürfnisse Ihrer Organisation kennen. Es macht einen Unterschied, ob Sie die Produktivität steigern, die Produktentwicklung beschleunigen oder mehr Kundenzufriedenheit erreichen möchten. Entsprechend dürfen Sie auch die Schulungstätigkeit nicht dem Zufall überlasen: Auf der Auswahl und der Entwicklung der bestmöglichen Trainer basiert der Erfolg Ihrer Mitarbeiterentwicklung.
„Wenn sie jemanden bei Toyota über die Quintessenz des TPS befragen, werden Sie meistens hören: Gesunder Menschenverstand.“
Analysieren Sie die verschiedenen Tätigkeitsbereiche in Ihrem Unternehmen. Denn der Ansatz zur Mitarbeiterentwicklung ist z. B. für eine Routinetätigkeit (Fließband, Essensausgabe, Kassierer etc.) ein anderer als für eine handwerkliche Arbeit (Krankenpfleger, Einkäufer etc.). Während Sie die verschiedenen Aufgaben definieren, werden Sie auf einen negativen Aspekt stoßen – die Verschwendung.
„Die Zerlegung einer Tätigkeit in überschaubare Häppchen ist für eine effektive Schulung unerlässlich.“
Es gibt keine Tätigkeit, in der sie nicht vorkommt. Aber wenn Arbeitsabläufe standardisiert werden, verschwindet in der Folge auch dieser Makel. All das kostet natürlich Zeit, aber es lohnt sich – sonst würde Toyota nicht fünf Mal so viel Zeit wie andere Unternehmen darauf verwenden, seine Arbeitsmethoden zu differenzieren und die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter zu schulen.
„Ohne eine umfassende Planung und Vorbereitung werden Sie das tun, was zahllose andere Unternehmen vor Ihnen auch schon getan haben: Mitarbeiter einstellen, ihnen zeigen, was sie tun müssen, sie anschließend sich selbst überlassen und dann ständig Feuerwe
Toyota bricht jede Tätigkeit bis ins kleinste Detail herunter, um sie anschließend zu hinterfragen: Warum wird es so gemacht, zu welchem Zweck, wie sollte es gemacht werden, und wer sollte es tun? Erst wenn Arbeitsabläufe dergestalt standardisiert sind und alles Überflüssige eliminiert wurde, können Sie daran gehen, die Aufgaben Ihren Mitarbeitern mittels Job Instruction beizubringen. Werden Aufgaben nicht standardisiert, werkelt jeder vor sich hin und entwickelt seine eigene Methode mit meist recht chaotischen Ergebnissen.
Job Breakdown macht die Schulung effektiv
Wenn Sie alle Mitarbeiter effektiv schulen wollen, servieren Sie ihnen am besten kleine Portionen, damit keiner an einem zu großen Bissen erstickt. Durch diese Methode der kleinen Schritte wird jede Aufgabe ganz klar definiert, kein wichtiger Schritt wird vergessen, jeder versteht den Auftrag, und zum Schluss können ihn alle im Team gleichermaßen fehlerfrei ausführen.
„Schlüsselpunkte sind ganz einfach der wichtigste Teil der Aufgabe. Sie sind nicht optional nach dem Motto ‚Es wäre gut, wenn Sie es so machen würden.‘“
Das Ganze bedingt, dass Sie sich vorher ganz genau mit der Aufgabe auseinandergesetzt und jeden einzelnen Handgriff analysiert haben. Das kostet natürlich Zeit, und die Schulung kommt erst noch: Ein 15-Sekunden-Handgriff erfordert 30 Minuten Schulung. Wenn Sie bedenken, dass eine Tätigkeit über den Daumen gepeilt aus 30 Aufgaben mit jeweils acht einzelnen Handgriffen besteht, kommen Sie auf eine Schulungsdauer von 120 Stunden!
„Das Job-Instruction-Motto lautet: Wenn ein Schulungsteilnehmer nichts gelernt hat, hat der Trainer nichts vermittelt.“
Da verdrehen manche Trainer die Augen und überschütten ihre Schützlinge mit allen Details gleichzeitig – das ist definitiv nicht der Toyota-Weg zum Erfolg. Der Trainer muss die wichtigen Schritte der Aufgabe kennen und sie der Reihe nach und ohne Unterbrechung vermitteln, damit der Schulungsteilnehmer konzentriert bei der Sache ist.
„Eine erfolgreiche Arbeitsausführung ist für den gesamten Betrieb zu wichtig, als dass ein Trainer das Risiko einginge, einen Mitarbeiter am Band arbeiten zu lassen, der noch nicht über alle notwendigen Fähigkeiten verfügt, insbesondere bei zeitlich so pa
Das ist Teil eins des so genannten Job Breakdown (Was ist zu tun?). Teil zwei (Wie ist es zu tun?) bezieht sich auf die Darstellung der Schlüsselpunkte: Das sind jene Details, die darüber entscheiden, ob eine Aufgabe erfolgreich erledigt wird oder nicht, die erfolgskritischen Punkte also. Begründen Sie die Schlüsselpunkte – das ist Teil drei des Job Breakdown –, damit dem Teilnehmer klar wird, wie wichtig die richtige Ausführung ist, z. B. um sich nicht zu verletzen.
Die Vier-Stufen-Methode der Mitarbeiterschulung
Die vielen vorbereitenden Schritte zur Mitarbeiterentwicklung klingen recht mühsam, und Sie werden vielleicht langsam nervös und sich fragen, wann es endlich losgeht. Aber die Toyota-Methode ist eben nicht Training on the Job; die akribische Planung seitens des Unternehmens und des Trainers ist der Schlüssel zum Erfolg. Die eigentliche Mitarbeiterschulung erfolgt in vier Stufen:
- Am Anfang steht die Vorbereitung des Schulungsteilnehmers. Es geht darum, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, herauszufinden, was der Schulungsteilnehmer bereits beherrscht und ihm die neue Aufgabe möglichst schmackhaft zu machen.
- Die Vorführung der Aufgabe ist der Kern der Schulung. Mit einer einzigen Präsentation ist es dabei nicht getan, mindestens drei Wiederholungen sollten es schon sein. Erklären Sie vorher, wie viele wichtige Schritte die Aufgabe beinhaltet, nennen Sie dann jeden einzelnen Schritt, führen Sie diesen vor und nennen Sie den Schritt noch einmal. Beim zweiten Durchgang weisen Sie auf die Schlüsselpunkte des jeweiligen Schrittes hin. Hier müssen Sie absolut konsequent sein: Standardisierte Abläufe bedeuten, dass jeder Mitarbeiter die Aufgabe exakt auf die gleiche Weise durchführen muss; für Kreativität und Individualität ist hier nicht der Platz. Begründen Sie die Schlüsselpunkte nachdrücklich, ein lapidares „weil das halt so ist“ reicht nicht.
- Nun versucht sich der Mitarbeiter an der Ausführung der Aufgabe. Wenn es nicht klappt, egal aus welchen Gründen, hat das der Trainer zu verantworten. Tadeln Sie den Mitarbeiter nicht, sondern überlegen Sie, wie Sie Ihre Vorführung optimieren können. Beobachten Sie den Mitarbeiter ganz genau, Sie erhalten dadurch ein direktes Feedback zu Ihrer Präsentation und können auch unmittelbar darauf reagieren. Falls der Mitarbeiter die Handgriffe durcheinanderwirft oder hilflos in die Runde schaut, hat der Trainer wahrscheinlich die einzelnen Schritte zu schnell vorgeführt oder zu viele Details auf einmal erklärt. In jedem Fall müssen Sie Fehler bei der Ausführung sofort korrigieren, bevor sie sich im Gehirn einnisten und nur noch mühsam abgestellt werden können.
- Was jetzt noch folgt, ist die Nachbereitung. Sie müssen Ihren Schützling so lange im Auge behalten, bis er absolut sicher ist und die Aufgabe perfekt selbstständig ausführt. Das hat nichts mit Bespitzeln zu tun. Sie sollten sich auch nicht daneben stellen und wiederholt in ein „Ha, wieder falsch!“ ausbrechen. Es geht vielmehr darum, den Mitarbeiter zu unterstützen und ihm zu helfen. Toyota lässt keinen Mitarbeiter alleine; solange er noch nicht ganz sicher ist, befindet sich immer ein Teamleiter in der Nähe, der Fragen beantwortet, die Produktionsschritte überprüft und Hilfestellung gibt.
Jeder darf Fragen stellen
Bei Toyota verliert man nicht sein Gesicht, wenn man Fragen stellt und Probleme anspricht. Die Manager sind keine unantastbaren Gurus. Es braucht aber eine vertrauensvolle Atmosphäre, damit Teammitglieder Fragen stellen und Probleme nicht unter den Teppich kehren. Gleichzeitig müssen die Manager sich hin und wieder mal nach unten begeben, und sich mit den dortigen Arbeitsabläufen bis ins Detail vertraut machen.
„Die Investition in Menschen und die Entwicklung der Mitarbeiter unterbricht den Teufelskreis von verzweifeltem Kampf und Misserfolg und verwandelt ihn in einen Kreislauf von Wachstum und Erfolg.“
Das Ergebnis ist, dass Probleme sofort beseitigt werden, nicht erst, wenn das Band knirscht und die Produktion steht. Zudem wissen dann Manager auch, worüber die Mitarbeiter sprechen. So können sie Schwächen aufdecken und Verbesserungen in Gang setzen, damit die Mitarbeiterentwicklung nachhaltig von Erfolg gekrönt ist.