Best Off

Buch Best Off

Kreative Einblicke in die Welt der Ideenfindung

Buchwerft Verlag,


Rezension

Timo Off mag keine Krawatten. Sie engen ihn ein. Er will frei sein, um zu denken, zu spinnen, Ideen auszubrüten, wann und wo er will. Genau dazu rät er in seiner Kreativitätsfibel seinen Lesern. Das muntere Büchlein kommt locker und laut daher: Es knallen die Headlines, es sprechen die Bilder, es purzeln die witzigen Wortkaskaden. Genau so überschwänglich wie das Layout sind auch Offs Gedanken. Der Ideencoach packt die knapp 80 Seiten zum Bersten voll mit Kreativitätstechniken, aber nicht hübsch sys­tem­a­tisch, sondern in Form kurzer, verblüffender Be­tra­ch­tun­gen – z. B. über Kaffee, Kinder oder eben die Lust, keine Krawatte zu tragen. Einen roten Faden gibt es nicht; jede Doppelseite ist optisch wie thematisch ein Unikat. Immer wieder wird man beim Blättern von erhellenden Geis­tes­blitzen getroffen, öfter stochert man allerdings auch lustlos in nicht mehr ganz frischer Ideen-Haus­man­nskost rum. Größtenteils macht das Buch aber Spaß, und es eignet sich her­vor­ra­gend als Kreativitätskick nach Feierabend, im Flugzeug oder während lang­weiliger Vorträge. Wer regelmäßig solche besuchen muss – oder erst recht: wer selbst welche hält –, dem empfiehlt BooksInShort dieses Er­stlingswerk mit dem selb­st­be­wussten Titel.

Take-aways

  • Kreativität bedeutet Zerstörung: Altes muss weg, damit Neues entstehen kann.
  • Fehler sind nützlich: Wer alles richtig macht, hat keinen Anstoß für In­no­va­tio­nen.
  • Ideen kommen an den verrücktesten Orten: Sie sollten also immer ein Ideenbuch parat haben.
  • Machen Sie sich beim kreativen Prozess ein B-I-L-D, d. h. folgen Sie diesem Muster: Beschrei­bung, In­for­ma­tion­ssamm­lung, Lösung, Durch­set­zung.
  • Gute Ideen entstehen oft aus der Beschränkung oder der Kunst des Weglassens. Fragen Sie sich, was wirklich nötig ist.
  • Ideen nützen nichts, wenn es nicht eine davon bis zur Umsetzung schafft.
  • Assoziieren Sie zuerst frei, und filtern Sie erst dann die unmöglichen Ideen aus.
  • Suchen Sie nach Analogien. Dunlop erfand den Luftreifen beim Anblick eines Garten­schlauchs.
  • Benutzen Sie den „mor­phol­o­gis­chen Kasten“: Verbinden Sie mögliche Eigen­schaften eines Produkts ganz neu.
  • Lesen Sie alles, was Ihnen unter die Finger kommt: Irgendwann werden Sie es brauchen können.
 

Zusammenfassung

Wer Neues will, muss Altes zerstören

Alle Kreativität ist Zerstörung. Dabei bleiben natürlich überkommene Formen, Tech­nolo­gien und auch Jobs auf der Strecke. Früher sorgte eine ganze Branche von Händlern dafür, dass die Menschen Eisblöcke in den Keller geliefert bekamen. Dann erfand Carl von Linde den Kühlschrank, und mit einem Schlag waren sie arbeitslos. Dennoch ist das Ergebnis wundervoll: Jeder kann sein eigenes Eis herstellen. Kreativität zerstört, aber baut auch wieder auf. Auf drei Arten:

  1. Zerstörung schafft In­no­va­tio­nen: Lassen Sie etwas weg und machen Sie damit eine Idee oder ein Produkt übersichtlicher, handlicher, einfacher. Der iPod von Apple setzt auf puris­tis­ches Design. Die vielen ver­wirren­den Knöpfe der MP3-Player-Konkur­renz wichen einem einfachen, schlichten Be­di­enkonzept.
  2. Zerstörung schafft Platz: Manchmal muss die Zerstörung radikal sein. Wie man so manches altes Haus lieber einreißt, statt sie immer wieder zu flicken. Fragen Sie sich: Welche Eigen­schaften des alten Konstrukts brauchen Sie wirklich? Wenn Sie auf das Meiste verzichten können, reißen Sie besser alles nieder – und fangen ganz von vorne an.
  3. Zerstörung eröffnet neue Wege: Überdenken Sie Ihre Annahmen permanent. Fragen Sie sich: Was davon gilt noch, was ist überholt? Der Gründer von Intel war der Ansicht, dass Heim­com­puter keine Zukunft hätten – und gab daher den Verkauf von PCs auf. Heute sieht man das im Hause Intel anders ...

Fehler müssen sein

Wie lernen Kinder laufen? Sie machen Fehler, fallen und stehen wieder auf. Fehler sind die Grund­vo­raus­set­zung, um Neues zu lernen. Wer keine Fehler macht, kommt auch nicht vorwärts. Menschen, die alles richtig machen, stoppen In­no­va­tio­nen, bevor sie beginnen. Auch Hemmungen sind Stolper­fallen für die kreative Leistung. Eben noch hatten wir einen guten Gedanken, und plötzlich fühlen wir uns gebremst und gedrosselt. Besser ist es, ihn rauszu­lassen, selbst wenn er nicht politisch korrekt ist! Nehmen Sie sich Nietzsche zum Vorbild, der an allem zweifelte und sich selbst maßlos überschätzte – und der dennoch kein Blatt vor den Mund nahm.

„Kreativ sein heißt Zerstören.“

Langeweile soll kreativ machen: Das stand mal in der FAZ. Ein aus­gemachter Blödsinn: Kreative Menschen haben nie Langeweile, denn es gibt immer etwas zu entdecken, auszupro­bieren, Bücher zu lesen usw. Wer sich langweilt, in­ter­essiert sich für nichts und ist auch noch selbst schuld daran. Neugier ist die Grund­vo­raus­set­zung für Kreativität. Sie ist immer persönlich, denn nicht jeder in­ter­essiert sich für Fußball, Vier­takt-Hubkol­ben­mo­toren oder das Mittagessen von Dieter Bohlen. Aber nur was uns in­ter­essiert, kann auch unsere Neugier wecken. Neugierig wird man, wenn man Wissenslücken hat, die gerade so groß sind, dass man eine gute Chance hat, sie zu stopfen.

Balzac, Baudelaire und Bukowski

Was ist von Drogen zu halten? Kaffee ist das Stimulans der Schrift­steller. Berühmtestes Beispiel ist Honoré de Balzac, der sich mit 50 Tassen pro Tag nicht nur in kreative Laune brachte, sondern auch seine Gesundheit schädigte. Ausgesuchte Bohnen und ein Skizzen­block halfen ihm bei der Arbeit an seiner (un­vol­len­de­ten) vierzigbändigen Men­schlichen Komödie. Auch Alkohol ist eine Dichter-Droge; nicht nur Baudelaire, Bukowski und Hemingway sprachen ihm zu. Selbst in heutigen Wer­beagen­turen hat er seinen festen Platz. Schreiben und Trinken passen gut zusammen, aber die Kombination ist ein Tanz auf dem Vulkan: Es gibt schon zu viele besoffene und abges­tumpfte Kreative. Alkohol frisst Hirnmasse: Daran ist nicht zu rütteln. Und Hirn wird nun mal gebraucht, wenn man schöpferisch tätig sein will. Im Augenblick zwischen Wachen und Schlafen ist das Hirn besonders kreativ. Man liegt im Bett, kann aber noch nicht einschlafen. Gedanken gehen auf Reise, man fliegt, man spricht mit weit entfernten Menschen oder Ver­stor­be­nen. Auf­schreiben? Geht nicht: Der Traum ist zu nah, das Wachsein zu fern. Vielleicht wird irgendwann irgendwer eine Möglichkeit finden, das kreative Prickeln dieser wenigen Minuten zu sichern und nutzbar zu machen.

Der kreative Prozess

Es war Henri Poincaré, der den kreativen Prozess in vier Phasen einteilte und sie mit recht ver­schrobe­nen Fremdwörtern versah: Präparation, Inkubation, Il­lu­mi­na­tion und Ver­i­fika­tion. Ein wenig schwergängig, deshalb hier der Gege­nen­twurf mit dem einprägsamen Kürzel B-I-L-D:

  • B – wie Beschrei­bung: Der erste Schritt ist die korrekte, passende, umfassende Beschrei­bung des Problems. Wer nicht weiß, was er sucht, wird auch nichts finden. Sofern Sie nur ein vages Gefühl haben, müssen Sie es zur Sprache bringen.
  • I – wie In­for­ma­tion­ssamm­lung: In der zweiten Phase werden die In­for­ma­tio­nen und Fakten gesammelt. Alles, was wichtig ist, muss erfasst und geordnet werden. Kreativitätstechniken können Ihnen dabei helfen.
  • L – wie Lösung: Hier kommt nun endlich der kreative Kick, und Sie finden die Lösung für das Problem. Das passiert nicht auf Kommando. Ideen entstehen oft abseits des Schreibtis­ches, darum sollten Sie auf eine gute Mischung von Arbeits- und Entspan­nungsphasen achten.
  • D – wie Durch­set­zung: Im letzten Schritt muss die neue Idee ihre Bewährungsprobe bestehen: Sie muss andere Menschen überzeugen. Die sind Neuem gegenüber meist wenig aufgeschlossen. Die Durch- oder Umsetzung bildet daher einen wichtigen Prüfstein auf dem Weg der Kreativität.

Aus der Not eine Idee machen

Niemand mag Probleme. Aber sie beflügeln uns. Menschen wie James Dyson finden sich nicht damit ab, dass etwas nicht geht. Sie machen Unmögliches möglich – in Dysons Fall den Staubsauger ohne Beutel. Wenn die Kreativität über die Regeln und die Kunst über die Begrenzung tri­um­phieren, können wir Großes erschaffen. Es gibt allerdings auch das andere Extrem: zu kreativ sein, d. h. zwar unzählige Ideen haben, aber keine davon umsetzen. Die Umsetzung gehört nun mal zum kreativen Prozess. Ideen vom Fließband sind genauso schnell wieder ver­schwun­den, wie sie entstanden sind.

Erlösung auf dem Ideen­fried­hof

Ideen entstehen auf einem weißen Blatt Papier. Der Kampf gegen das Blütenweiß ist nicht aus­sicht­s­los: Einfach drauflos schreiben hilft. Sätze verdrehen, abhacken, neu zusam­menset­zen, neu gruppieren, weglöschen, einsetzen, schiefe Satzanfänge und krumme Satzenden zurechtz­im­mern. Irgendwann passt es. Natürlich entstehen so auch Ideen, die nicht lebensfähig sind. Aber geben Sie ihnen eine Chance. Ideen wollen spielen und Gassi gehen. Sie müssen herumschnüffeln und an der frischen Luft mit anderen Ideen herumtollen. Lassen Sie sie an der langen Leine ihr kreatives Umfeld erkunden. Manchmal kommt jede Hilfe zu spät. Die Freiheit bekommt der Idee nicht, sie verliert rasch an Biss und Kraft. Sie schrumpft, sie windet sich, sie stirbt. Dann landet sie vielleicht auf dem Ideen­fried­hof von Getty Images im Internet, wo jeder seine Ideen zu Grabe tragen kann.

„Der Kreative denkt quick ’n’dirty. Hier ein Bild, da ein Wort, da eine Idee.“

Mit den folgenden Methoden können Sie Ihre Ideen vor diesem Schicksal bewahren:

  • Ideenbuch führen: Haben Sie einen Geis­tes­blitz, muss er aufs Papier. Darum: Immer etwas zum Schreiben dabei haben, z. B. einen Zettel auf dem Nachttisch. Und keine falsche Scham: Überfällt Sie die Idee unter der Dusche, laufen Sie eben nackt durch die Wohnung und schreiben Sie sie auf!
  • Ordnung halten: Ideen ver­schwinden schnell unter den Zettel­ber­gen des Alltags. Sortieren Sie Ihre Ideen und trennen Sie sie sauber von anderem Schreibkram ab!
  • Kontakte suchen: Kennen Sie Querköpfe und Kreative? Suchen Sie nach Möglichkeiten, sie in Ihr Team zu integrieren. Sind Sie selbst so einer, dann passen Sie auf: Nicht mit jeder tollen Idee hausieren gehen, sondern lieber etwas „Handfestes“ abliefern. Sonst sind Sie bald der Spinner vom Dienst.
  • Ar­gu­men­tieren: Irgendwer wird immer versuchen, Ihre Ideen klein zu reden. Da sind die Neider, die Besitzständler, die Kon­ser­v­a­tiven und die Skeptiker. Überlegen Sie sich im Vorfeld, was sie gegen Ihre Idee ins Feld führen werden. Sie kennen ja Ihre Pap­pen­heimer ...
  • Umsetzen: Machen Sie etwas aus Ihren Ideen. Dann können Sie es sich sparen, sie ständig schützen zu müssen. Suchen Sie Leute, die Ihnen bei der Realisation helfen.

Kreativitätstechniken

Oft sagt man, dass Kinder besonders kreativ seien. Soll das heißen, dass wir alle auf dem Fußboden herumkrabbeln müssen? Sicher nicht, denn das Spiel der Kinder ist frei. Frei von Zielen, Bewertungen und von der ständigen Selb­st­beobach­tung. Das ist gut, aber Achtung: Wer kreativ sein will und eine Lösung für ein Problem finden muss, kommt mit der Selb­stfind­ung-mit-Fin­ger­farbe-im-Gesicht-Meth­ode nicht sehr weit. Setzen Sie sich konkrete Ziele. Was wir Kindern abschauen können, ist, wie sie Verbindun­gen herstellen und As­sozi­a­tio­nen frei kombinieren: Schreib­w­erkzeuge werden zu Raum­schif­fen, Schuhe zu Kähnen und Decken zu gruseligen Kavernen. Diese ungehemmte Spiellust sollten Kreative vor allem dann an den Tag legen, wenn das Problem einer Fragestel­lung erkannt ist und es auf die schöpferische Au­seinan­der­set­zung damit ankommt. Wenn es mit dem freien Spiel nicht klappt, helfen Ihnen vielleicht ein paar bewährte Kreativitätstechniken:

  • Synektik bezeichnet die Analo­giebil­dung, d. h. die Übertragung von Eigen­schaften aus einem Gebiet in ein anderes. Beispiel­sweise erfand John Boyd Dunlop den Luftreifen beim Anblick eines mit Wasser gefüllten Garten­schlauchs. Ein Sonderfeld der Synektik ist die Bionik, welche Ent­deck­un­gen der Natur in Technologie umwandelt, z. B. die Webart und Reißfestigkeit von Spin­nen­net­zen auf Stoffe.
  • Freies Assoziieren funk­tion­iert nur, wenn Sie Ideen­samm­lung und Ideen­be­w­er­tung klar trennen. In der Samm­lungsphase können Sie auch abstruse und nie re­al­isier­bare Ideen zusam­men­spin­nen, die womöglich Ihre Phantasie anregen. Erst im Be­w­er­tung­sprozess werden die „unmöglichen“ Ideen aussortiert.
  • Mor­phol­o­gis­cher Kasten wird folgende Technik genannt: Kombinieren Sie, indem Sie ver­schiedene Attribute eines Produktes oder eines Gegen­standes getrennt aufführen und Kom­bi­na­tionsvari­anten erfinden. Speiseeis kann z. B. un­ter­schiedliche Farben, Formen, Kon­sis­ten­zen, Geschmack­srich­tun­gen, Preise usw. haben. Wenn Sie für jede dieser Kategorien mehrere Begriffe suchen, können Sie schließlich ver­schiedene Eigen­schaften mischen. Heraus kommt dann z. B. ein edles, cremiges, blaues, würfelförmiges Eis mit Blaubeergeschmack und Schokostückchen. Lecker!
„Lies jedes Buch, das dir unter die Finger kommt.“

Ein guter Tipp noch zum Schluss: Lesen Sie! Lesen Sie wirklich alles, was Sie in die Finger bekommen: Fach­lit­er­atur und Klassiker, alte und neue Bücher, Kinderbücher, Zeitschriften – auch aus Bereichen, die Ihnen fremd sind. Lesen Sie alle Artikel zu Ihrem Spezial­ge­biet, die Packung Ihrer Frühstück­sz­e­re­alien, das Impressum Ihrer Mor­gen­zeitung. Irgendwann werden Sie das alles einmal brauchen und verknüpfen können.

Über den Autor

Timo Off hat Mathematik und Philosophie studiert, wurde Lehrer und fand Gefallen am Coaching seiner Lehrerkol­le­gen, ins­beson­dere im Bereich der Kreativitätstechniken. Seit 2001 arbeitet er als Trainer bei dem Be­ratung­sun­ternehmen Communico.