Gefangen am runden Tisch

Buch Gefangen am runden Tisch

Klarheit schaffen. Entschlossen verhandeln. Leistung freisetzen

Wiley-VCH,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Alle Menschen sind frei, immer und überall, im Gefängnis genauso wie an der Universität – sie müssen es nur wollen. Dies die frohe Botschaft nach George Kohlrieser. Der Autor ist Ver­hand­lungsführer bei Geisel­nah­men und weiß, wovon er spricht. Er erzählt von Menschen, die es geschafft haben, sich selbst zu befreien, sei es aus scheinbar ausweglosen Situationen oder auch nur von un­frucht­baren Gedanken und Gefühlen. Die Einblicke in Kohlriesers hochemo­tionalen Ar­beit­sall­tag sind spannend, seine Erken­nt­nisse ernüchternd: Menschen sind zwar auf dem Mond gelandet, haben die Atombombe, Autos und Handys erfunden, aber ihren in­stink­tiven Reaktionen sind sie hilflos aus­geliefert. Das blockiert vieles: die Arbeit, besonders die Team-Arbeit, Ver­hand­lun­gen und deren Erfolg. Kohlrieser erklärt, wie wir lernen können, unsere Gedanken und Gefühle sowie die von anderen zu steuern. Obwohl sich die Kern­botschaft des Buches immer wieder wiederholt, macht es Spaß, diesen psy­chol­o­gis­chen Ratgeber zu lesen. BooksInShort empfiehlt ihn allen Führungskräften, die mit emotionaler Intelligenz besser verhandeln und Konflikte lösen wollen.

Take-aways

  • Wer die Macht über sich selber abgibt, macht sich zur Geisel einer anderen Person, einer Situation oder seiner selbst.
  • Das beste Gegenmittel ist die Bindung zu anderen Menschen und zu Zielen.
  • Setzen Sie sich Ziele, die Sie nicht aus den Augen verlieren. So geben Sie dem Gefühl der Ohnmacht keine Chance.
  • Sie brauchen eine sichere emotionelle Basis, z. B. Leute, denen Sie vertrauen. Diese Basis stärkt Ihr positives Denken in schwierigen Situationen.
  • Sie können lernen, nicht instinktiv und emotional zu reagieren, sondern Ihr Fühlen und Denken sowie das anderer Menschen zu steuern.
  • Wenn Sie von Emotionen überflutet werden, müssen Sie erst wieder die Balance zwischen Gefühl und Verstand herstellen. Wütend trifft man selten gute Entschei­dun­gen.
  • Emotionen setzen Energien frei. Nutzen Sie diese, um Ihre Ziele zu erreichen.
  • Alle Konflikte sind lösbar, wenn einige Regeln beachtet werden. Die wichtigste ist der ehrliche Dialog.
  • Ver­hand­lun­gen basieren auf dem Prinzip der Gegen­seit­igkeit: Ich gebe etwas auf und bekomme dafür etwas anderes. Konzen­tri­eren Sie sich auf das zweite.
  • Lassen Sie sich nicht provozieren. Ignorieren Sie verbale Angriffe und benennen Sie das Problem.
 

Zusammenfassung

Wie wir uns selbst zur Geisel machen

Ärgern Sie sich auch manchmal über Dinge, die sie nicht ändern können, z. B. über einen Verkehrsstau oder über das Wetter? Oder denken Sie eher: „Ich habe keine andere Wahl. Ich muss da durch“? Dann sind Sie gefangen. Sobald ein Mensch die Macht über sich selbst abgibt, sich ohnmächtig und aus­geliefert fühlt, macht er sich zur Geisel – einer anderen Person, einer Situation oder seiner selbst. Geschieht das immer wieder, resigniert er und wird mutlos.

„Es ist entschei­dend, dass wir uns vergegenwärtigen, dass wir immer eine Wahl haben, wie wir denken, fühlen und handeln wollen.“

Die gute Nachricht ist: Jeder kann seine emotionalen und gedanklichen Fesseln sprengen. Dazu müssen wir verstehen, wie unser Hirn in solchen Situationen funk­tion­iert. Es besteht aus drei Schichten: Das Stammhirn hat ein einziges Ziel – überleben! Es steuert unseren Grundin­stinkt, bei Gefahr entweder zu fliehen oder anzugreifen, den Flucht-Kampf-Mech­a­nis­mus. Das limbische System steuert die Gefühle; es sagt uns, ob etwas gut oder schlecht ist. Das Großhirn schließlich ermöglicht es uns, abstrakte Aufgaben zu lösen und logisch zu denken.

„Indem wir die Menschen, die uns umgeben, dazu anspornen, ebenfalls ein Leben frei von mentaler und emotionaler Gefan­gen­schaft zu leben, können wir alle Aspekte unseres Lebens effektiver steuern.“

Fühlen Sie sich als Geisel oder machen Sie andere dazu, sind der Flucht-Kampf-Mech­a­nis­mus und die Gefühle, die vom limbischen System ausgelöst werden, dafür ve­r­ant­wortlich. Sie können jedoch trainieren, diese Gefühle und Instinkte beiseite zu schieben und stattdessen Ihr Großhirn einzuschal­ten. Auf diese Weise können Sie in jeder Situation frei bestimmen.

„Sich zu ve­r­ab­schieden ist ein notwendiger Schritt, um neue Bindungen einzugehen und die Lebens­freude wiederzugewin­nen.“

Genauso können Sie sich bewusst dafür entscheiden, glücklich zu sein, und einen Flow-Zu­s­tand anstreben, in welchem sich alles miteinander verbindet und Sie sich eins mit sich selbst und dem Universum fühlen. Alles, was Sie dazu brauchen, ist emotionale Intelligenz. Gute Führungskräfte sind emotional intelligent. Hat ein Mitarbeiter einen Fehler gemacht, reagieren sie nicht instinktiv und aufbrausend, sondern versuchen, eine emotionale Bindung zum Mitarbeiter herzustellen, um ihn besser zu verstehen. Überhaupt lohnt es sich, emotionale Bindungen zu anderen Personen und zu ihren Zielen aufzubauen. So bekämpfen Sie das Gefühl der Ohnmacht und sind frei, so zu entscheiden und zu handeln, wie Sie wollen.

Der Bond­ing-Kreis­lauf

Wir erschaffen unsere Realität selbst, mit Gedanken, Worten, Gesten und unserer Körperhaltung. Das, woran wir glauben, geschieht als selbsterfüllende Prophezeiung. Alles ist möglich. Konzen­tri­ert sich jemand auf den Misserfolg, ist der Erfolg un­wahrschein­lich. Wer dagegen auch in unan­genehmen Lagen nach dem positiven Aspekt sucht, gewinnt. Jeder kann sein geistiges Auge dahingehend trainieren. Es filtert die Wahrnehmung und bestimmt, worauf wir im Leben fokussieren. Freude und Zufrieden­heit stärken es, schlechte Gemütszustände laugen es aus.

„Menschen können zur Geisel ihres übertriebe­nen Har­moniestrebens werden und deswegen Konflikten aus dem Weg gehen.“

Menschen brauchen Bindungen, genauso wie Nahrung, Wasser und Luft benötigen. Entweder binden sich Menschen an andere Menschen, an Tiere, Gegenstände oder an Ziele. Dabei durchlaufen sie die vier Phasen des Bond­ing-Kreis­laufs: Annäherung, Bindung, Trennung und Trauer. Es ist sehr wichtig, richtig zu trauern. Wer eine Trennung nicht ganz verarbeitet, wird leicht zur Geisel und ist Neuem gegenüber ver­schlossen. Auch zerstörte Bindungen sind ungesund, im Privatleben und am Ar­beit­splatz. Sie lösen Konflikte aus, stören die Effektivität und schaden damit dem Ar­beit­sklima und dem Geschäft. Er­fol­gre­iche Manager helfen sich und anderen dabei, den Bond­ing-Kreis­lauf ganz zu durchleben. Wenn Sie verstehen, in welcher Phase ein Angestell­ter gerade ist, können Sie angemessen mit ihm reden, und ihm dabei helfen, die Situation zu meistern.

Sichere Basen und Selb­st­wert­gefühl

Jeder Mensch braucht eine sichere Basis, und wer noch keine hat, sollte sich eine suchen. Sie ist ein Ort der Gebor­gen­heit, dort kann man Energie und Wider­standsfähigkeit tanken. So verschieden die Menschen sind, so un­ter­schiedlich sind auch die persönlichen Basen oder Kraft­tanksta­tio­nen: Familie, Eltern, Freunde, Vorgesetzte, Kollegen, Haustiere oder Dinge. Eine solche Basis öffnet den Blick für das Positive und zeigt Ihnen, wie man Bindungen aufbaut und pflegt.

„Während eines Konflikts muss man engagiert bleiben, die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der anderen Person verstehen und auf den Schmerz hören.“

Sichere Basen geben Ihnen das Gefühl, grundsätzlich liebenswert zu sein und geliebt zu werden. Das ist das Fundament für Ihr Selb­st­wert­gefühl und das Bild, das Sie sich von sich selber machen. Die Entwicklung des Selb­st­wertes ist ein lebenslanger Prozess, er ist nie abgeschlossen. Was Sie erlebt haben, prägt Sie genauso wie das, was Sie denken und tun. Wer in seinem Leben immer wieder Neues dazulernt, entwickelt sich weiter. Wer das nicht tut, schrumpft emotional und in­tellek­tuell. Lernen bedeutet, Ängste zu überwinden, die bequeme Komfortzone der Gewohnheit zu verlassen und sich auf Neues einzulassen.

„Es ist zunehmend anerkannt, dass emotionale Intelligenz ein weitaus besserer Maßstab für Er­fol­gswahrschein­lichkeiten ist als der In­tel­li­gen­zquo­tient.“

Wer einen hohen Selbstwert hat, wird selten zur Geisel und erreicht seine Ziele leichter. Er ist mit sich und seinem Platz in der Welt zufrieden und dem Leben dankbar. Her­aus­ra­gende Manager sind nicht arrogant, sondern demütig. Hochmut hingegen deutet auf ein niedriges Selb­st­wert­gefühl. Auch wer überkritisch über sich selbst urteilt, tut dies, weil er Bestätigung von außen braucht. Solchen Menschen laufen eher Gefahr, in „Geiselhaft“ zu geraten. Zum Glück kann jeder sein Selb­st­wert­gefühl steigern, indem er sich selbst kennen lernt, auf seine innere Stimme hört, gut für sich sorgt und andere um Hilfe bittet.

Annäherungs- und Bindungsstile

Menschliche Beziehungen zeichnen sich durch fünf ver­schiedene Annäherungs- und Bindungsstile aus. Wer sie kennt, kann sein Gegenüber besser einschätzen:

  1. Der sichere Stil ist ideal. Menschen, die ihn pflegen, gehen angstfrei und problemlos Bindungen ein. Als Führungskräfte sind sie für ihre Mitarbeiter eine Ver­trauensper­son und eine sichere Basis.
  2. Chefs mit unsicherem oder ängstlichem Stil werden von Ängsten und Sorgen geplagt, die sie auf andere übertragen. Sie bilden keine sichere Basis für andere und sollten ihr Gehirn neu pro­gram­mieren, um op­ti­mistisch und erfolgreich zu sein. Diesen Menschen stellt man am besten klare Fragen, um ihr geistiges Auge von ihren Ängsten abzulenken.
  3. Vor allem Männer pflegen den unabhängigen Einzelgängerstil. Sie sind ohne Bindung, also einsam, und konzen­tri­eren sich vor allem auf Ziele. Auf diese Menschen muss man zugehen und Verbindun­gen über gemeinsame Ziele herstellen.
  4. Manager mit zwanghaftem Ver­sorg­er­stil wollen anderen bis zur Selbstzerstörung helfen. Sie sind oft nachtragend und verbittert, weil sie glauben, ihre Schützlinge seien undankbar. Sie blockieren die Ideen und die Entwicklung ihrer Mitarbeiter. Am besten begegnet man ihnen direkt und grenzt sich von ihrer übertriebe­nen Fürsorge klar ab.
  5. Menschen mit feind­seligem Stil machen sich von anderen Menschen abhängig und wollen diese gle­ichzeitig auf Distanz halten. Mit ihren extremen Launen machen sie ihrer Umwelt das Leben schwer. Am besten kommt man mit ihnen aus, wenn man genau weiß, was man will und wo die eigenen Grenzen liegen.

Keine Angst vor Konflikten

Konflikte gehören zum Leben. Also müssen wir lernen, mit ihnen umzugehen. Folgende Tipps können dabei helfen:

  • Versuchen Sie eine Balance zwischen Gefühl und Verstand herzustellen. Zitternd vor Wut treffen Sie sicher keine guten Entschei­dun­gen.
  • Gegen­seit­iges Verständnis ist nötig. Schlüsselfragen sind: Was ist für die andere Partei überhaupt das Problem? Was möchte ich und was ist aus meiner Sicht fair?
  • Worte sind mächtig. Viele Ver­hand­lun­gen sind schon an einem einzigen Satz gescheitert. Deshalb: Suchen Sie die offene, ehrliche Kom­mu­nika­tion. Zum Dialog gehören sowohl Reden als auch Zuhören. Wählen Sie freundliche Worte und achten Sie auf Ihre Körperhaltung und Ihre Gesten – die können verräterisch sein.
  • Was gesagt wurde, gilt. Ein guter Ver­hand­lungsführer ist ehrlich und zuverlässig.
  • Drohen Sie nicht und erzwingen Sie keine Zugeständnisse, sondern überzeugen Sie Ihr Gegenüber vom bei­d­seit­i­gen Nutzen Ihrer Position.
  • Akzeptieren Sie Ihr Gegenüber, wie es ist. Fokussieren Sie nicht auf die Person, sondern auf das Problem.

Erfolgreich verhandeln

In Ver­hand­lun­gen werden Konflikte gelöst, Verträge und Vere­in­barun­gen getroffen. Sie beruhen auf Gegen­seit­igkeit: Sie geben etwas auf, um etwas anderes dafür zu bekommen. Ver­hand­lung­stech­niken sind erlernbar, der Prozess selbst erfolgt in zehn Schritten:

  1. Sie stellen eine Verbindung zu den anderen Beteiligten her, auch wenn Sie diese nicht mögen. Viele Ver­hand­lun­gen scheitern bereits an diesem Punkt.
  2. Sie trennen das Problem von der Person.
  3. Die eigenen Wünsche und Bedürfnisse sind Ihnen klar.
  4. Ebenso kennen Sie die Wun­schvorstel­lun­gen der Gegenpartei.
  5. Der Dialog beginnt.
  6. Sie setzen ein Ziel und suchen gemeinsam nach Lösungen.
  7. Sie erarbeiten Al­ter­na­tiven und machen Zugeständnisse.
  8. Es wird zum Nutzen beider Parteien verhandelt.
  9. Sie treffen eine Vere­in­barung.
  10. Die Beziehung wird entweder beendet oder positiv aufrechter­hal­ten.
„Ein Zeichen für ein hohes Selb­st­wert­gefühl ist die Fähigkeit, die größten Her­aus­forderun­gen anzunehmen und gle­ichzeitig sich selbst treu zu bleiben.“

Bei alldem wird ein positiver Ansatz verfolgt: Jeder konzen­tri­ert sich auf das, was er gewinnen, und nicht auf das, war er verlieren kann. Das heißt auch: Der Ver­hand­lungspart­ner wird respektiert. Er wird nicht persönlich angegriffen oder erniedrigt. Vorurteile, Gefühlsausbrüche und eine verletzende Sprache sind tabu.

„Demut bedeutet, sich selbst genau zu kennen; zu wissen, wer man ist und die Motive für das eigene Handeln zu kennen, während man gle­ichzeitig das Recht der anderen anerkennt, dasselbe zu tun.“

Beide Seiten sollten mit der Lösung leben können, eine Win-win-Sit­u­a­tion ist das Ziel. Sie zwingt die Parteien, sich auf die Ziele zu konzen­tri­eren. Lassen Sie sich nicht provozieren. Ignorieren Sie verbale Angriffe und benennen Sie noch einmal das Problem.

Gefühle beherrschen

Emotionen lassen Energien entstehen, die uns stark bee­in­flussen. Sie können Sie z. B. dazu motivieren, fest zu bleiben, das Ziel vor Augen zu behalten und aktuelle Bedürfnisse später zu befriedigen. Sie können uns aber auch überfluten, sodass Sie sich erst wieder „erden“ müssen, indem Sie z. B. eine Auszeit nehmen. Wer weiß, worauf er wie der Stier auf das rote Tuch reagiert, kann instinktive Reaktionen besser im Zaum halten.

„Leben Sie das Leben wie ein Abenteuer oder eine Reise, und betrachten Sie es als Gelegenheit, zu lernen, einen Beitrag zu leisten und ständig weiter zu wachsen – jede Minute, jede Stunde, jeden Tag.“

Solche in­stink­tiven Reaktionen – Traurigkeit, Wut, Angst, Freude, Liebe und sexuelles Empfinden – entstehen in fünf Phasen:

  1. Bei der emo­tionellen Aufladung sind Körper und Geist gleichermaßen beteiligt. Je nach Temperament geht das schnell oder langsam.
  2. Während der Anspannung halten Muskeln, Organe und das chemische System die Spannung. Gefühle lösen sich nicht auf. Sie bleiben in unserem Körper, bis wir sie freilassen.
  3. Das Freilassen der Gefühle geschieht bei der Entladung. Wenn Empfind­un­gen nicht vollständig entladen werden, blockieren sie die Entstehung neuer Empfind­un­gen.
  4. Die beste Methode, sich zu davon zu befreien, ist die Entspannung. Körper und Geist kommen so wieder zur Ruhe.
  5. Indem Sie flexibel bleiben, schließen Sie den Kreis: Sie werden frei, wieder von vorne anzufangen.

Über den Autor

George Kohlrieser ist Or­gan­i­sa­tion­spsy­chologe, Ver­hand­lungsführer bei Geisel­nah­men sowie Experte für Führung, Kon­flik­t­man­age­ment und Verhandlung. Er berät in­ter­na­tional tätige Unternehmen wie Coca-Cola, IBM und Toyota.