Wie wir uns selbst zur Geisel machen
Ärgern Sie sich auch manchmal über Dinge, die sie nicht ändern können, z. B. über einen Verkehrsstau oder über das Wetter? Oder denken Sie eher: „Ich habe keine andere Wahl. Ich muss da durch“? Dann sind Sie gefangen. Sobald ein Mensch die Macht über sich selbst abgibt, sich ohnmächtig und ausgeliefert fühlt, macht er sich zur Geisel – einer anderen Person, einer Situation oder seiner selbst. Geschieht das immer wieder, resigniert er und wird mutlos.
„Es ist entscheidend, dass wir uns vergegenwärtigen, dass wir immer eine Wahl haben, wie wir denken, fühlen und handeln wollen.“
Die gute Nachricht ist: Jeder kann seine emotionalen und gedanklichen Fesseln sprengen. Dazu müssen wir verstehen, wie unser Hirn in solchen Situationen funktioniert. Es besteht aus drei Schichten: Das Stammhirn hat ein einziges Ziel – überleben! Es steuert unseren Grundinstinkt, bei Gefahr entweder zu fliehen oder anzugreifen, den Flucht-Kampf-Mechanismus. Das limbische System steuert die Gefühle; es sagt uns, ob etwas gut oder schlecht ist. Das Großhirn schließlich ermöglicht es uns, abstrakte Aufgaben zu lösen und logisch zu denken.
„Indem wir die Menschen, die uns umgeben, dazu anspornen, ebenfalls ein Leben frei von mentaler und emotionaler Gefangenschaft zu leben, können wir alle Aspekte unseres Lebens effektiver steuern.“
Fühlen Sie sich als Geisel oder machen Sie andere dazu, sind der Flucht-Kampf-Mechanismus und die Gefühle, die vom limbischen System ausgelöst werden, dafür verantwortlich. Sie können jedoch trainieren, diese Gefühle und Instinkte beiseite zu schieben und stattdessen Ihr Großhirn einzuschalten. Auf diese Weise können Sie in jeder Situation frei bestimmen.
„Sich zu verabschieden ist ein notwendiger Schritt, um neue Bindungen einzugehen und die Lebensfreude wiederzugewinnen.“
Genauso können Sie sich bewusst dafür entscheiden, glücklich zu sein, und einen Flow-Zustand anstreben, in welchem sich alles miteinander verbindet und Sie sich eins mit sich selbst und dem Universum fühlen. Alles, was Sie dazu brauchen, ist emotionale Intelligenz. Gute Führungskräfte sind emotional intelligent. Hat ein Mitarbeiter einen Fehler gemacht, reagieren sie nicht instinktiv und aufbrausend, sondern versuchen, eine emotionale Bindung zum Mitarbeiter herzustellen, um ihn besser zu verstehen. Überhaupt lohnt es sich, emotionale Bindungen zu anderen Personen und zu ihren Zielen aufzubauen. So bekämpfen Sie das Gefühl der Ohnmacht und sind frei, so zu entscheiden und zu handeln, wie Sie wollen.
Der Bonding-Kreislauf
Wir erschaffen unsere Realität selbst, mit Gedanken, Worten, Gesten und unserer Körperhaltung. Das, woran wir glauben, geschieht als selbsterfüllende Prophezeiung. Alles ist möglich. Konzentriert sich jemand auf den Misserfolg, ist der Erfolg unwahrscheinlich. Wer dagegen auch in unangenehmen Lagen nach dem positiven Aspekt sucht, gewinnt. Jeder kann sein geistiges Auge dahingehend trainieren. Es filtert die Wahrnehmung und bestimmt, worauf wir im Leben fokussieren. Freude und Zufriedenheit stärken es, schlechte Gemütszustände laugen es aus.
„Menschen können zur Geisel ihres übertriebenen Harmoniestrebens werden und deswegen Konflikten aus dem Weg gehen.“
Menschen brauchen Bindungen, genauso wie Nahrung, Wasser und Luft benötigen. Entweder binden sich Menschen an andere Menschen, an Tiere, Gegenstände oder an Ziele. Dabei durchlaufen sie die vier Phasen des Bonding-Kreislaufs: Annäherung, Bindung, Trennung und Trauer. Es ist sehr wichtig, richtig zu trauern. Wer eine Trennung nicht ganz verarbeitet, wird leicht zur Geisel und ist Neuem gegenüber verschlossen. Auch zerstörte Bindungen sind ungesund, im Privatleben und am Arbeitsplatz. Sie lösen Konflikte aus, stören die Effektivität und schaden damit dem Arbeitsklima und dem Geschäft. Erfolgreiche Manager helfen sich und anderen dabei, den Bonding-Kreislauf ganz zu durchleben. Wenn Sie verstehen, in welcher Phase ein Angestellter gerade ist, können Sie angemessen mit ihm reden, und ihm dabei helfen, die Situation zu meistern.
Sichere Basen und Selbstwertgefühl
Jeder Mensch braucht eine sichere Basis, und wer noch keine hat, sollte sich eine suchen. Sie ist ein Ort der Geborgenheit, dort kann man Energie und Widerstandsfähigkeit tanken. So verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die persönlichen Basen oder Krafttankstationen: Familie, Eltern, Freunde, Vorgesetzte, Kollegen, Haustiere oder Dinge. Eine solche Basis öffnet den Blick für das Positive und zeigt Ihnen, wie man Bindungen aufbaut und pflegt.
„Während eines Konflikts muss man engagiert bleiben, die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der anderen Person verstehen und auf den Schmerz hören.“
Sichere Basen geben Ihnen das Gefühl, grundsätzlich liebenswert zu sein und geliebt zu werden. Das ist das Fundament für Ihr Selbstwertgefühl und das Bild, das Sie sich von sich selber machen. Die Entwicklung des Selbstwertes ist ein lebenslanger Prozess, er ist nie abgeschlossen. Was Sie erlebt haben, prägt Sie genauso wie das, was Sie denken und tun. Wer in seinem Leben immer wieder Neues dazulernt, entwickelt sich weiter. Wer das nicht tut, schrumpft emotional und intellektuell. Lernen bedeutet, Ängste zu überwinden, die bequeme Komfortzone der Gewohnheit zu verlassen und sich auf Neues einzulassen.
„Es ist zunehmend anerkannt, dass emotionale Intelligenz ein weitaus besserer Maßstab für Erfolgswahrscheinlichkeiten ist als der Intelligenzquotient.“
Wer einen hohen Selbstwert hat, wird selten zur Geisel und erreicht seine Ziele leichter. Er ist mit sich und seinem Platz in der Welt zufrieden und dem Leben dankbar. Herausragende Manager sind nicht arrogant, sondern demütig. Hochmut hingegen deutet auf ein niedriges Selbstwertgefühl. Auch wer überkritisch über sich selbst urteilt, tut dies, weil er Bestätigung von außen braucht. Solchen Menschen laufen eher Gefahr, in „Geiselhaft“ zu geraten. Zum Glück kann jeder sein Selbstwertgefühl steigern, indem er sich selbst kennen lernt, auf seine innere Stimme hört, gut für sich sorgt und andere um Hilfe bittet.
Annäherungs- und Bindungsstile
Menschliche Beziehungen zeichnen sich durch fünf verschiedene Annäherungs- und Bindungsstile aus. Wer sie kennt, kann sein Gegenüber besser einschätzen:
- Der sichere Stil ist ideal. Menschen, die ihn pflegen, gehen angstfrei und problemlos Bindungen ein. Als Führungskräfte sind sie für ihre Mitarbeiter eine Vertrauensperson und eine sichere Basis.
- Chefs mit unsicherem oder ängstlichem Stil werden von Ängsten und Sorgen geplagt, die sie auf andere übertragen. Sie bilden keine sichere Basis für andere und sollten ihr Gehirn neu programmieren, um optimistisch und erfolgreich zu sein. Diesen Menschen stellt man am besten klare Fragen, um ihr geistiges Auge von ihren Ängsten abzulenken.
- Vor allem Männer pflegen den unabhängigen Einzelgängerstil. Sie sind ohne Bindung, also einsam, und konzentrieren sich vor allem auf Ziele. Auf diese Menschen muss man zugehen und Verbindungen über gemeinsame Ziele herstellen.
- Manager mit zwanghaftem Versorgerstil wollen anderen bis zur Selbstzerstörung helfen. Sie sind oft nachtragend und verbittert, weil sie glauben, ihre Schützlinge seien undankbar. Sie blockieren die Ideen und die Entwicklung ihrer Mitarbeiter. Am besten begegnet man ihnen direkt und grenzt sich von ihrer übertriebenen Fürsorge klar ab.
- Menschen mit feindseligem Stil machen sich von anderen Menschen abhängig und wollen diese gleichzeitig auf Distanz halten. Mit ihren extremen Launen machen sie ihrer Umwelt das Leben schwer. Am besten kommt man mit ihnen aus, wenn man genau weiß, was man will und wo die eigenen Grenzen liegen.
Keine Angst vor Konflikten
Konflikte gehören zum Leben. Also müssen wir lernen, mit ihnen umzugehen. Folgende Tipps können dabei helfen:
- Versuchen Sie eine Balance zwischen Gefühl und Verstand herzustellen. Zitternd vor Wut treffen Sie sicher keine guten Entscheidungen.
- Gegenseitiges Verständnis ist nötig. Schlüsselfragen sind: Was ist für die andere Partei überhaupt das Problem? Was möchte ich und was ist aus meiner Sicht fair?
- Worte sind mächtig. Viele Verhandlungen sind schon an einem einzigen Satz gescheitert. Deshalb: Suchen Sie die offene, ehrliche Kommunikation. Zum Dialog gehören sowohl Reden als auch Zuhören. Wählen Sie freundliche Worte und achten Sie auf Ihre Körperhaltung und Ihre Gesten – die können verräterisch sein.
- Was gesagt wurde, gilt. Ein guter Verhandlungsführer ist ehrlich und zuverlässig.
- Drohen Sie nicht und erzwingen Sie keine Zugeständnisse, sondern überzeugen Sie Ihr Gegenüber vom beidseitigen Nutzen Ihrer Position.
- Akzeptieren Sie Ihr Gegenüber, wie es ist. Fokussieren Sie nicht auf die Person, sondern auf das Problem.
Erfolgreich verhandeln
In Verhandlungen werden Konflikte gelöst, Verträge und Vereinbarungen getroffen. Sie beruhen auf Gegenseitigkeit: Sie geben etwas auf, um etwas anderes dafür zu bekommen. Verhandlungstechniken sind erlernbar, der Prozess selbst erfolgt in zehn Schritten:
- Sie stellen eine Verbindung zu den anderen Beteiligten her, auch wenn Sie diese nicht mögen. Viele Verhandlungen scheitern bereits an diesem Punkt.
- Sie trennen das Problem von der Person.
- Die eigenen Wünsche und Bedürfnisse sind Ihnen klar.
- Ebenso kennen Sie die Wunschvorstellungen der Gegenpartei.
- Der Dialog beginnt.
- Sie setzen ein Ziel und suchen gemeinsam nach Lösungen.
- Sie erarbeiten Alternativen und machen Zugeständnisse.
- Es wird zum Nutzen beider Parteien verhandelt.
- Sie treffen eine Vereinbarung.
- Die Beziehung wird entweder beendet oder positiv aufrechterhalten.
„Ein Zeichen für ein hohes Selbstwertgefühl ist die Fähigkeit, die größten Herausforderungen anzunehmen und gleichzeitig sich selbst treu zu bleiben.“
Bei alldem wird ein positiver Ansatz verfolgt: Jeder konzentriert sich auf das, was er gewinnen, und nicht auf das, war er verlieren kann. Das heißt auch: Der Verhandlungspartner wird respektiert. Er wird nicht persönlich angegriffen oder erniedrigt. Vorurteile, Gefühlsausbrüche und eine verletzende Sprache sind tabu.
„Demut bedeutet, sich selbst genau zu kennen; zu wissen, wer man ist und die Motive für das eigene Handeln zu kennen, während man gleichzeitig das Recht der anderen anerkennt, dasselbe zu tun.“
Beide Seiten sollten mit der Lösung leben können, eine Win-win-Situation ist das Ziel. Sie zwingt die Parteien, sich auf die Ziele zu konzentrieren. Lassen Sie sich nicht provozieren. Ignorieren Sie verbale Angriffe und benennen Sie noch einmal das Problem.
Gefühle beherrschen
Emotionen lassen Energien entstehen, die uns stark beeinflussen. Sie können Sie z. B. dazu motivieren, fest zu bleiben, das Ziel vor Augen zu behalten und aktuelle Bedürfnisse später zu befriedigen. Sie können uns aber auch überfluten, sodass Sie sich erst wieder „erden“ müssen, indem Sie z. B. eine Auszeit nehmen. Wer weiß, worauf er wie der Stier auf das rote Tuch reagiert, kann instinktive Reaktionen besser im Zaum halten.
„Leben Sie das Leben wie ein Abenteuer oder eine Reise, und betrachten Sie es als Gelegenheit, zu lernen, einen Beitrag zu leisten und ständig weiter zu wachsen – jede Minute, jede Stunde, jeden Tag.“
Solche instinktiven Reaktionen – Traurigkeit, Wut, Angst, Freude, Liebe und sexuelles Empfinden – entstehen in fünf Phasen:
- Bei der emotionellen Aufladung sind Körper und Geist gleichermaßen beteiligt. Je nach Temperament geht das schnell oder langsam.
- Während der Anspannung halten Muskeln, Organe und das chemische System die Spannung. Gefühle lösen sich nicht auf. Sie bleiben in unserem Körper, bis wir sie freilassen.
- Das Freilassen der Gefühle geschieht bei der Entladung. Wenn Empfindungen nicht vollständig entladen werden, blockieren sie die Entstehung neuer Empfindungen.
- Die beste Methode, sich zu davon zu befreien, ist die Entspannung. Körper und Geist kommen so wieder zur Ruhe.
- Indem Sie flexibel bleiben, schließen Sie den Kreis: Sie werden frei, wieder von vorne anzufangen.