Eliten-Marketing

Buch Eliten-Marketing

Wie Sie Entscheider erreichen

Campus,


Rezension

Zeitgemäßes B2B-Mar­ket­ing ist das Thema von Torsten Oltmanns Eliten-Mar­ket­ing. Seinem Anspruch, Empfehlun­gen zu geben, mit denen man die Entscheider in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tatsächlich erreicht, kommt er zunächst einmal durch eine ungewöhnliche Eliten-Ty­polo­gie nach: Or­ch­ester­musiker, Solisten und Dirigenten, so nennt er ver­schiedene Typen von Entschei­dern, die un­ter­schiedliche Wirkungssphären, Aufgaben und An­forderung­spro­file aufweisen. Ausgehend von dieser Typologie und den durchs Internet veränderten Grundbe­din­gun­gen des Marketings entwickelt der Autor schließlich eine Reihe von Kom­mu­nika­tion­sstrate­gien, mit denen sich die Entscheider wirkungsvoll ansprechen lassen. Unterfüttert wird dies alles durch die Ergebnisse einer breit angelegten Befragung von Top-Entschei­dern sowie durch eine Reihe von Interviews. BooksInShort empfiehlt das Buch allen PR- und Mar­ket­ingver­ant­wortlichen, die wissen wollen, wie man heutzutage zu „denen dort oben“ noch durch­drin­gen kann.

Take-aways

  • Wegen der stetig wachsenden In­for­ma­tions­flut wird es immer schwieriger, zu den Entschei­dern in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durchzu­drin­gen.
  • Um sich an die richtigen Entscheider zu wenden, müssen Sie sie ken­nen­ler­nen.
  • Wie in einem Orchester gibt es Dirigenten, Solisten und Or­ch­ester­spieler.
  • Die Dirigenten sind die Top-Entschei­der, die Solisten sind ve­r­ant­wortlich für die Problemlösungen, die Or­ch­ester­musiker setzen diese Lösungen um.
  • Jede dieser Gruppen hat ihre eigenen In­for­ma­tion­skanäle und verfügt über bestimmte Kom­mu­nika­tion­s­ge­wohn­heiten.
  • Entscheider in­ter­essieren sich für Branchen­news und Internet, legen Wert auf Glaubwürdigkeit und bilden sich ihre Meinung in Netzwerken von Gle­ichrangi­gen.
  • Wer diese Zielgruppen erreichen will, muss sowohl über In­for­ma­tion­sin­halte (Content) als auch über gute Beziehungen (Contacts) verfügen.
  • Um sich mit den relevanten Entschei­dern auszu­tauschen, spielen in­ter­net­basierte Netzwerke eine immer größere Rolle.
  • Die Entscheider sind am besten da zu erreichen, wo ihr Eigen­in­ter­esse am stärksten ausgeprägt ist: beim Erhalt und Ausbau ihrer Macht.
  • Um die Entscheider anzus­prechen, ist es wenig sinnvoll, nur Botschaften auszusenden. Stattdessen sollten Sie als Organisator von In­for­ma­tio­nen auftreten.
 

Zusammenfassung

Überangebot an In­for­ma­tio­nen

In den Mar­ketingabteilun­gen der Unternehmen wird heute ein enormer Aufwand betrieben, um die Entscheider in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu erreichen. Dass dieser Aufwand oft am Ziel vorbeischießt, hat seine Gründe: Zum einen ist die Zielgruppe selbst theoretisch kaum fassbar. Zum anderen wird das veränderte Kom­mu­nika­tionsver­hal­ten der Entscheider zu wenig berücksichtigt. Die Ausbreitung des Internets hat dazu geführt, dass die Unternehmen weltweit ihre Monopol­stel­lung im Ver­mark­tung­sprozess eingebüßt haben. So kommt es, dass Unternehmen immer mehr auf Part­ner­schaften angewiesen sind, um ihren Mar­ketingauf­gaben nachkommen zu können. Zudem ist die Kom­mu­nika­tion zu einem Teil des Produkts geworden und hat damit die zentrale Rolle im Marketing eines Un­ternehmens eingebüßt.

„Ob Vor­standsvor­sitzende, Eigentümer von Unternehmen, Entschei­dungsträger in der Verwaltung oder Politiker: Wer diese Entscheider für sich einnimmt, gewinnt Zugang zu ihren In­for­ma­tio­nen und ihrem Geschäft.“

Gerade durch das Internet ist die Masse der heutzutage ver­mit­tel­ten In­for­ma­tio­nen ins Uferlose gewachsen. Dies ist ein Grund mehr, bei der Ansprache der Spitzenkräfte noch selektiver und präziser vorzugehen. Im B2B-Bereich steigen derweil die Ausgaben für Werbung und Marketing sprunghaft an – ein weiterer Grund für das Überangebot an In­for­ma­tio­nen, mit denen man in diesem Bereich geradezu überschüttet wird. Und diese In­for­ma­tions­flut richtet sich zu allem Überfluss an eine Zielgruppe, die im Gegensatz zu früher immer sprung­hafter ist. So lag die Bindung von Spitzenführungskräften an ihr Unternehmen 1985 noch bei durch­schnit­tlich 20 Jahren, während sie heute bei nicht einmal fünf Jahren liegt.

Entscheider oder Nich­t­entschei­der?

Nach Angaben der LAE (Leser­analyse Entschei­dungsträger) gehören in Deutschland über 2,2 Millionen Menschen zur Gruppe der Entscheider. Eine sehr hoch gegriffene Zahl, die wohl vor allem dem Verkauf von Werbeträgern dienen soll, denn zu den Entschei­dern im eigentlichen Sinn können nur die wenigsten gehören. Eine genauere Abgrenzung wird dadurch erschwert, dass die meisten Kom­mu­nika­tion­s­mod­elle auf veralteten Prämissen beruhen und vor allem dass sie in einer Zeit entstanden sind, in der das Internet noch gar nicht existierte.

„Das Konzept des Re­la­tion­ship-Mar­ket­ing fußt auf der Erkenntnis, dass die Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager die treibende Kraft der Wertschöpfung ist.“

Das moderne B2B-Mar­ket­ing fußt auf der Erkenntnis dieser Schwach­stellen und antwortet darauf mit dem Ansatz des Re­la­tion­ship-Mar­ket­ing. Dieses ist vor allem darauf aus­gerichtet, den Kunden durch die zentralen Phasen des Leben­szyk­lus einer Kun­den­beziehung zu führen; es ist also deutlich mehr auf die Erhaltung einer Kun­den­beziehung gerichtet als auf die Akquisition neuer Kontakte. In der Kom­mu­nika­tion mit bestimmten Zielgruppen – etwa den Entschei­dern – ist es darum wichtig, einen Ansatz zu finden, der auf ihren speziellen Interessen basiert.

Typen von Entschei­dern

Entscheider bzw. Eliten sind keinesfalls eine homogene Gruppe. Im Gegenteil, es gibt hier enorme Un­ter­schiede, sowohl was ihren Persönlichkeit­sty­pus als auch ihren typischen Ein­fluss­bere­ich bestimmt. Für jede gemein­schaftliche Leistung sind drei Gruppen von Personen notwendig, die man mit Begriffen aus der Musik bezeichnen kann:

  1. die Dirigenten, die die Ziele vorgeben,
  2. die Solisten, die den Ton angeben und denen vor allem die Re­al­isierung obliegt,
  3. die Or­ch­ester­musiker, deren pro­fes­sionelle Fähigkeiten die praktische Umsetzung der Ziele ermöglicht.
„Kom­mu­nika­tion – die zweck­gerichtete Nutzung von Content und Contacts – ist ein zentraler Faktor nicht nur für die Erledigung der jeweiligen Führungsauf­gaben, sondern vor allem auch für den Ausbau und die Vertei­di­gung des eigenen Einflusses als Entscheide

Jeder dieser drei Entschei­der­typen braucht eine spezifische Ansprache, da er einem gleichermaßen spez­i­fis­chen Kom­mu­nika­tion­s­muster unterliegt. So benötigen z. B. die Or­ch­ester­musiker vor allem Fachwissen, mit dessen Hilfe sie die Aufgaben in ihrem Ve­r­ant­wor­tungs­bere­ich lösen können. Diese Gruppe verfügt in der Regel über eine hohe In­ter­netaffinität und steht unter hohem Zeitdruck. Die Solisten hingegen sind vor allem an In­for­ma­tio­nen und Kontakten in­ter­essiert, die sie in ihrer Karriere weit­er­brin­gen. Die Dirigenten schließlich suchen, wenn es um In­for­ma­tio­nen geht, vor allem Verbindlichkeit und neue Impulse und Anregungen für ihr Geschäft.

Wie Entscheider kom­mu­nizieren

Um her­auszufinden, wie und auf welchen Wegen Entscheider kom­mu­nizieren, wurde eine Un­ter­suchung durchgeführt, in deren Verlauf zwischen Juli und September 2007 insgesamt 100 Spitzen­man­ager aus namhaften Unternehmen befragt wurden. Dabei konnten hauptsächlich sieben Erken­nt­nisse über Entscheider fest­ge­hal­ten werden:

  1. Information ist Chefsache. Entscheider geben sich ungern in die Hände einzelner In­for­ma­tionsver­sorger. Sie wollen an diesem Prozess der Suche und Auswahl von In­for­ma­tio­nen aktiv beteiligt sein.
  2. Die eigene Branche ist für die Befragten mit weitem Abstand die wichtigste, und das, obwohl das In­ter­essen­spek­trum der Entscheider insgesamt überraschend groß ist.
  3. Entscheider nutzen besonders oft das Internet. In der Rangliste der am häufigsten benutzten In­for­ma­tion­skanäle belegt es den zweiten Platz, nur knapp hinter den Printmedien.
  4. Die Lieblingsme­dien der Entscheider sind Printmedien, Fernsehen und Internet.
  5. Die Glaubwürdigkeit des Kom­mu­nika­tion­spart­ners spielt eine überragende Rolle. Dabei verlassen sich die Entscheider vor allem auf Kollegen und Mitarbeiter im eigenen Unternehmen.
  6. Mei­n­ungs­bil­dung findet in der Regel auf gleicher Augenhöhe statt. Auch hier dominieren eindeutig Mitarbeiter im eigenen Unternehmen bzw. Kollegen, die sich auf einer ver­gle­ich­baren Hi­er­ar­chi­estufe befinden.
  7. Entscheider setzen auf Net­zw­erkkom­mu­nika­tion. Entscheider ohne Netzwerke gibt es kaum. Knapp 90 % aller Entscheider geben an, über ein bevorzugtes Netzwerk an Informanten zu verfügen.
„Das Zeitalter der Netzökonomie stellt die Mar­ket­ingkom­mu­nika­tion vor neue Her­aus­forderun­gen.“

Aus diesen Erken­nt­nis­sen lässt sich eine Reihe von Schlüssen bezüglich des In­for­ma­tionsver­hal­tens von Entschei­dern ziehen. Die zweck­gerichtete Nutzung von Content (Inhalt) und Contacts (Beziehungen) ist und bleibt entschei­dend für die Erledigung von Führungsauf­gaben. Die jeweiligen Rah­menbe­din­gun­gen, Ziele und Interessen des Einzelnen – ob Dirigent, Solist oder Or­ch­ester­musiker – bestimmen die An­forderun­gen der Kom­mu­nika­tion und des Kom­mu­nika­tionsver­hal­tens. Aus all dem lässt sich ableiten, dass es keine einfache Lösung für Kom­mu­nika­tion­sauf­gaben gibt: Für jede der un­ter­schiedlichen Gruppen von Entschei­dern muss das Angebot an Kom­mu­nika­tion­smaßnahmen un­ter­schiedlich ausfallen.

Wie man Entscheider tatsächlich erreicht

Nimmt man die Notwendigkeit von Content und Contacts zum Aus­gangspunkt, stößt man quasi automatisch auf die neuen In­for­ma­tion­splat­tfor­men, in denen beides miteinander kombiniert werden kann. Einen entschei­den­den Vorteil bietet allein das Internet als In­for­ma­tion­skanal, denn anders als Printmedien oder TV ist es in der Lage, Sender und Empfänger auszu­tauschen, sie also tatsächlich miteinander kom­mu­nizieren zu lassen. Beispiele für die neuen In­ter­net-Com­mu­ni­ties sind etwa die On­line-En­zyk­lopädie Wikipedia oder das Kar­rierenet­zw­erk XING. Sie funk­tion­ieren nach ähnlichen Prinzipien wie die Un­ternehmen­snet­zw­erke, z. B. Glaubwürdigkeit, Kom­mu­nika­tion auf Augenhöhe und Autonomie.

„Das stan­dar­d­isierte Produkt verliert seine zentrale Rolle bei der Vermarktung von Leistungen des Un­ternehmens. Es wird zunehmend zu einem Instrument für die Etablierung von Geschäfts­beziehun­gen.“

Die Mehrzahl der im Internet gegründeten Netzwerke ist kurzlebig. Diejenigen, denen es gelingt, längere Zeit zu überdauern, schaffen einen besonderen Nutzen für ihre Mitglieder, der diesen so nirgendwo anders geliefert wird. Die Attraktivität von Web-Com­mu­ni­ties beruht vor allem auf fünf Faktoren:

  1. Gewinnung von relevanten, für den Empfänger nützlichen In­for­ma­tio­nen,
  2. Verbreitung von eigenen Inhalten (u. a. Selb­st­darstel­lung),
  3. Qualität des Zugangs (exklusiv/allgemein zugänglich),
  4. Qualität des Austauschs zwischen den einzelnen Mitgliedern der Community sowie
  5. das Erlebnis, das die Plattform als solche für den Nutzer bietet.

Wer in­ter­essiert sich wofür?

Die un­ter­schiedlichen Gruppen von Entschei­dern erfordern un­ter­schiedliche Ansprachen:

  • Or­ch­ester­musiker sind vor allem an Fachlichem in­ter­essiert. Sie suchen in erster Linie In­for­ma­tio­nen, daneben aber auch gedankliche Anregungen. Der Schwerpunkt des von ihnen gewünschten Austauschs liegt also in der Gewinnung und im Austausch von Fach­in­for­ma­tio­nen.
  • Um die Solisten zu erreichen, müssen Ihre Kom­mu­nika­tion­sange­bote anders struk­turi­ert sein. Neben der Ebene der Fach­in­for­ma­tio­nen treten hier Beziehungsaspekte in den Vordergrund, die dazu geeignet sind, mit der Gruppe der Dirigenten Kontakt aufzunehmen, um die nächsthöhere Kar­ri­er­estufe zu erklimmen.
  • Die Gruppe der Dirigenten, also der Top-Entschei­der, ist nur schwer durch B2B-Kom­mu­nika­tion­sange­bote zu beein­drucken. Sie in­ter­essiert sich aber für strategisch relevantes Wissen sowie für den Austausch mit Angehörigen der gleichen Hi­er­ar­chi­estufe.
„In modernen Wertschöpfungsnet­zw­erken wird Kom­mu­nika­tion zunehmend ein integraler Bestandteil des Wertschöpfung­sprozesses.“

Beispiele für Eliten-Mar­ket­ing

  • Vogel Business Media hat seine Fachzeitschrift PROCESS nicht nur um ein In­ter­net­por­tal erweitert, sondern auch durch eine ganze Reihe von Zusatzange­boten wie die Or­gan­i­sa­tion von Fachver­anstal­tun­gen oder den Versand von Newslettern erweitert. Dadurch konnten sämtliche drei Zielgruppen auf un­ter­schiedlichen Ebenen ange­sprochen werden.
  • Lufthansa hat gleich drei Kun­den­magazine mit einer Gesam­tau­flage von 600 000 Exemplaren aufgelegt und dadurch ein her­vor­ra­gen­des Medium geschaffen, um Entscheider zu erreichen.
  • Das Verlagshaus Gruner + Jahr hat im Jahr 2000 zusammen mit der britischen Pear­sons-Gruppe die Financial Times Deutschland auf den Markt gebracht, eine Wirtschaft­stageszeitung, die sich konsequent auf die Zielgruppe der Entscheider fokussiert. Innerhalb der Typologie der Entschei­der­grup­pen hat die FTD vor allem die Solisten im Auge.
  • Das schweiz­erische Davos ist der Ver­samm­lung­sort für die alljährliche Tagung des Weltwirtschafts­fo­rums. Hier wird von den Spitzen aus Unternehmen und Politik eine ganze Palette von Themen erörtert, von der Armutsbekämpfung bis hin zu Umwelt­fra­gen. Im Sog dieser Ve­r­anstal­tung wurde 2004 die Stiftung „The Forum of Young Global Leaders“ gegründet; auch hier wird versucht, Lösungsansätze für die weltweiten Probleme des 21. Jahrhun­derts zu erarbeiten.
  • Mit think:act haben Roland Berger Strategy Consultants in Zusam­me­nar­beit mit Burda Yukom das erste weltweite Entschei­der­magazin eines Un­ternehmens publiziert. Dabei wurde eine Zeitschrift geschaffen, die ganz bewusst auf jede Art von Werbung oder PR verzichtet und sich auf ihre spezifisch jour­nal­is­tis­chen Qualitäten verlässt.

Über die Autoren

Torsten Oltmanns ist „Principal und Global Marketing Director“ bei Roland Berger Strategy Consultants. In dieser Funktion berät er Entscheider in Po­si­tion­ierungs- und Kom­mu­nika­tions­fra­gen. Als Lehrbeauf­tragter für Marketing ist er an der Universität Innsbruck tätig. Christiane Diekmann ist „Brand Strategist“ bei Roland Berger und vor allem für die Po­si­tion­ierung von Pre­mi­um­marken zuständig. Vera Böhm ist Spezial­istin für Marketing- und Me­di­en­man­age­ment; sie arbeitet und forscht an der Schnittstelle zwischen Un­ternehmens­ber­atung und Wis­senschaft.