Minimalrenditen – oder darf’s ein bisschen mehr sein?
Vermeintlich wissenschaftlich fundierte Konzepte wie die Kapitalmarkttheorie haben institutionellen Anlegern wie Pensionskassen, Fonds und Versicherungen in den vergangenen Jahrzehnten einen relativ einfachen Bezugsrahmen gegeben. Neuere Untersuchungen belegen jedoch, dass traditionelle Anlageklassen wie Aktien und Anleihen langfristig nur recht bescheidene Renditen hervorbringen. Nachhaltige Wertsteigerungen sind vielerorts Fehlanzeige, besonders dann, wenn man Steuern, Inflation und sämtliche Gebühren berücksichtigt. So haben schweizerische und österreichische Pensionskassen in den letzten zehn Jahren eine jährliche Bruttorendite von nicht einmal 5 % erzielt. Im selben Zeitabschnitt kam der Yale Endowment Fund auf eine Nettorendite von 17,8 %, ähnlich die Endowment Funds anderer US-amerikanischer Universitäten wie MIT oder Harvard mit jeweils rund 15 %. Der Unterschied lag im Einsatz innovativer Investmentkonzepte und Anlageklassen.
Die Schwächen des traditionellen Investments
Eine nachhaltige Wertsteigerung sieht eine Verdopplung des eingesetzten Vermögens innerhalb weniger Jahre vor – mit traditionellen Investmentansätzen ist das praktisch unmöglich. Gerade die Entwicklungen der vergangenen ein bis zwei Jahre haben gezeigt, dass Banken, die ihre Risikosteuerung an überholte Modelle knüpfen, in existenzielle Krisen rutschten. Drei fundamentale Schwächen kamen ans Tageslicht:
- niedrige Nettorenditen (nach Berücksichtigung von Inflation, Steuern und Kosten),
- nicht zutreffende Risikoannahmen,
- überwiegend mathematische Betrachtungsweise (Nichtberücksichtigung von Aspekten, die sich mathematisch nicht ausdrücken lassen).
„Nichts ist so gefährlich wie mit einem Blick in den Rückwärtsspiegel auf einem kurvenreichen Weg nach vorne zu fahren, und dies mit zunehmender Geschwindigkeit. Dennoch entspricht dies dem Alltagsmuster in den Analyseabteilungen von Banken und Vermögensverwaltern.“
Überraschende und nicht vorhersehbare Ereignisse (so genannte Black-Swan-Ereignisse) kennen die herkömmlichen Investmentkonzepte nicht. So kam es, dass die größten internationalen Banken bis zuletzt mit Risikomodellen arbeiteten, die auf Normalverteilungen und Standardabweichungen beruhten. Die Jahre 2007 und 2008 haben sie eines Besseren belehrt.
„Bildhaft gesprochen baut die Moderne Portfolio-Theorie (das Standardwerkzeug fast aller Banken und Vermögensverwalter) mit der Normalverteilung auf einer Schönwetterannahme auf.“
In den Jahren, in denen das CAPM (Capital Asset Pricing Model) und die MPT (Modern Portfolio Theory) ihre Dienste taten, wuchs die Gläubigkeit an diese Modelle immer weiter, und immer weniger wurden sie hinterfragt. Die Geschehnisse im Finanzsektor in den Jahren 2007 und 2008 haben diese Hörigkeit in Frage gestellt. Eines der gravierendsten Probleme bei den angewandten Risikoabsicherungsmodellen – die ihren Namen offenbar nicht verdienten – war, dass wichtige Eigenschaften von Korrelationen (gegenseitigen Abhängigkeiten) nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt wurden. Zum einen wurden in der Vergangenheit beobachtete Korrelationen auch für künftige Entwicklungen unterstellt, zum anderen löste sich die Annahme einer statischen Korrelation in Luft auf, und das gerade in Phasen, in denen die mathematischen Modelle stabile Muster vorausgesagt hatten. Aber keine Risikoabsicherung der Welt funktioniert noch, wenn sich die unterstellten Korrelationen gerade an Tagen mit den gefürchteten extremen Marktentwicklungen verschieben.
Die Welt ist nicht normalverteilt
Der problematische Umgang des Menschen mit den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit hat eine lange Tradition. Große Bedeutung an den Finanzmärkten haben so genannte Bifurkationspunkte: Der Investor steht an einer Weggabelung und muss eine bedeutende Entscheidung treffen. Hat eine Investition erst einmal einen solchen Punkt passiert, ist ein Zurückschwenken auf den anderen Pfad nicht mehr möglich – nichtsdestotrotz halten viele Anleger unbeirrt an ihrem ursprünglichen Plan fest, ohne die neuen Gegebenheiten zu beachten. Eine genaue Modellierung von Renditeerwartungen ist an den Finanzmärkten überlebenswichtig. Dumm nur, dass extreme Kursbewegungen etwa sechsmal häufiger vorkommen, als es die altehrwürdige Normalverteilung (Glockenkurve) erwarten lässt. Mit anderen Worten: Die mathematischen Modelle, die der Finanzwelt übergestülpt wurden, taugen nur für Schönwetterphasen – bei Schlechtwetterperioden an den Börsen muss das Gebäude in sich zusammenbrechen. Eine entscheidende Erkenntnis ist: Risiken werden nicht von der Mathematik eingegangen und kontrolliert, sondern von Menschen. Also muss der Faktor Mensch adäquat gewürdigt werden, wie es die Behavioral Finance (verhaltensorientierte Investmentforschung) tut, ganz im Gegensatz zum traditionellen Asset-Management, das nur eine passive Rolle des Investors wie auch des Risikomanagements vorsieht. Beim Strategischen Investment-Management (SIM) spielen die Erkenntnisse der Behavioral Finance eine zentrale Rolle – zum Schutz des Investors vor sich selbst.
Strategisches Investment-Management
Althergebrachte Konzepte wie MPT und CAPM – beide stammen aus den 50er bzw. 60er Jahren des 20. Jahrhunderts – haben in den vergangenen Jahren ihre Schwächen offenbart. Im Unterschied dazu zeichnet sich das Strategische Investment-Management dadurch aus, dass es sämtliche verfügbaren Ressourcen nutzt:
- humane Ressourcen, z. B. Führungskräfte und Mitarbeiter,
- physische Ressourcen, z. B. Computer, Gebäude etc.,
- finanzielle Ressourcen,
- zeitliche Ressourcen, z. B. durch die Nutzung des Faktors Zeit oder Timing,
- Netzwerke, z. B. solche des Unternehmens oder des Managers.
„Mit zunehmendem Vermögen nimmt der Grenznutzen einer zusätzlichen Million ab. Bei manchen Personen kippt er sogar schon relativ früh ins Negative.“
Werden die vorhandenen Ressourcen des Investors optimal zur Geltung gebracht, entstehen daraus überlegene Fähigkeiten im Sinne von Kernkompetenzen. Außerdem müssen Sie bedenken, dass auch im Investmentprozess Wettbewerb herrscht, d. h. dass Sie die Frage beantworten müssen, welche anderen Investoren sich in der gleichen Anlageklasse tummeln.
„Eine der wohl anspruchsvollsten Aufgaben im strategischen Investment-Management ist die Neugestaltung des Portfolios im Sinne der neu formulierten Strategie.“
Im Unterschied zum CAPM berücksichtigt das SIM jegliches für die jeweilige Strategie relevante Wissen. Ganz wichtig sind Ihre persönlichen Fähigkeiten bei der Strategieentwicklung sowie Ihre Bereitschaft, sich und Ihre Kernkompetenzen aktiv einzubringen. Sind traditionelle Konzepte in der Regel benchmarkorientiert (es wird versucht, einen bestimmten Index zu schlagen), so ist das Ziel des SIM eine absolute und nachhaltige Wertsteigerung. Im Vordergrund stehen nicht mehr die beiden Kerngrößen Risiko und Ertragspotenzial, sondern der Aufbau von Fähigkeiten im Hinblick auf die ausgewählten Anlageklassen. Das Mantra der Modernen Portfolio-Theorie war die Diversifikation (Risikostreuung). Demgegenüber berücksichtigt das SIM, dass man das Investmentspektrum zwangsläufig eingrenzen muss und eine zu große Streuung zwar das Risiko-, zugleich aber auch das Renditepotenzial erheblich schmälert.
Die Anlageklassen
Im SIM wird regelmäßig geprüft, welche Anlageklassen aus strategischer Sicht attraktiv und vielversprechend sind. Zur ersten Gruppe von Anlageklassen, bei denen es möglich ist, strategische Investmentvorteile aufzubauen, gehören Direktbeteiligungen an Unternehmen, Immobilien und Private Equity (Kapital von Privatpersonen). Mit Einschränkungen lassen sich auch Hedgefonds hier einordnen sowie exotisch anmutende Anlageklassen wie Kunst – dem persönlichen Einsatz des Investors kommt dabei enorme Bedeutung zu. In die zweite Gruppe der Anlageklassen, bei denen sich strategische Vorteile nur begrenzt oder mit hohem Aufwand realisieren lassen, zählen Investments in kleine börsennotierte Unternehmen (so genannte Micro- oder Small-Caps), in Emerging Markets (aufstrebende Märkte) oder evtl. in vereinzelte Rohstoffe. Problematisch dagegen ist die dritte Gruppe, zu der Anleihen, Indexfonds sowie Aktien von mittelgroßen oder großen Unternehmen gehören. Diese Gruppe bietet sich nur für Diversifikationszwecke an, sofern man dies wünscht. Aufgrund des starken Wettbewerbs und der damit verbundenen Markteffizienz – jeder hat zeitgleich dieselben Informationen – ist es fast nicht möglich ist, sich einen strategischen Kompetenzvorteil aufzubauen.
Die Umweltanalyse
Kein Investment steht einfach nur so für sich. Vielmehr ist es eingebettet in ein Umfeld, in eine Umwelt, in einen Trend. Dieses Umfeld muss genau durchleuchtet werden, will ein Investor mit einem Engagement erfolgreich sein. Zur Umweltanalyse eines bestimmten Marktes zählen beispielsweise die politisch-rechtliche Dimension (Konflikte, Steuerthemen), die soziale Sphäre (Konsum- und Sparverhalten), technologische Veränderungen (Innovationszyklen, Produktivität), demografische Trends (Alterung und Migration, Jugendquotient) sowie wirtschaftliche Voraussetzungen (Bruttosozialprodukt, Inflation, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit). Natürliche stehen sämtliche Phänomene wiederum in komplexen Wechselbeziehungen zueinander, zahlreiche Rückkoppelungseffekte prägen die Markt- und Entwicklungszyklen. Diese Komplexität durch die Erkennung von Mustern zu entschlüsseln, darin liegt die Kunst der mehrdimensionalen Umwelt- und Marktanalyse im Rahmen des strategischen Investment-Managements.
Der Investor
Jeder Mensch ist einzigartig, so auch Sie als Investor. Die Suche nach Ihren persönlichen Ressourcen und nach Ihren Stärken kann daher nur individuell erfolgen. Dazu gehört im ersten Schritt die Aufstellung der finanziellen Ressourcen sowie aller aktuellen und künftigen Cashflows (Mittelabflüsse bzw. -zuflüsse) beispielsweise aus Kreditverpflichtungen oder Wertpapiererträgen. Je umfassender, desto besser. Auch Guthaben in Pensionskassen, Lebensversicherungen mit Rückkaufswert und Rückstellungen für die Ausbildung der Kinder zählen dazu. Aus diesen Eckwerten lässt sich Ihre Risikofähigkeit ermitteln: Gegenwärtige und zukünftige Vermögenswerte abzüglich der gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen ergeben die Risikofähigkeit. Doch Vorsicht: Diese ist nicht gleichzusetzen mit Ihrer tatsächlichen Risikobereitschaft, welche nur eine Teilmenge der Risikofähigkeit ist. Wer wie viel und wie oft von seiner theoretischen Risikofähigkeit einsetzt, hängt auch vom Zeithorizont, von gesellschaftlichen Wertvorstellungen und nicht zuletzt von persönlichen Präferenzen ab.
Die Investmentstrategie
Mit dieser Vorarbeit können Sie nun die Investmentstrategie entwickeln. Deren Leitidee umschreibt Ihre Absichten zur Entwicklung Ihres künftigen Vermögens. Es gilt, Schlüsselziele zu definieren im Hinblick auf Wertsteigerung, Werterhalt und das Eingehen der zuvor ermittelten Risikotoleranz. Das Kernelement der Investmentstrategie sind jedoch die aufzubauenden Erfolgspositionen, d. h. Ihre Kernkompetenzen, die zur Umsetzung der Ziele als erfolgsbestimmend herauskristallisiert wurden. Daraus geht schließlich die grundsätzliche Struktur des Portfolios hervor: Welche Fokus- und welche Absicherungs-Investments soll es enthalten, wo liegen geografische Schwergewichte, welche Cash- und Liquiditätspolitik wird berücksichtigt, welche Netzwerke kann der Investor aktivieren und welche Ressourcen (auch die zeitlichen und sachbezogenen) können eingesetzt bzw. müssen erst noch aufgebaut werden?