Leadership-Tabus

Buch Leadership-Tabus

Die 10 Geheimnisse der Manager

Wiley-VCH,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Manager sind gierig, machtbe­sessen und die vielen Millionen, die sie scheffeln, nicht wert. So denken viele Angestellte über „die da oben“. Die wiederum fühlen sich ungerecht beurteilt und un­ver­standen. Spitzen­man­ager und Nor­mal­sterbliche leben offenbar in völlig ver­schiede­nen Welten. Sie könnten sich besser verstehen und einander annähern, wenn Manager offen über Gefühle und Gedanken reden dürften, meint Anthony F. Smith. Aber leider müssten die Führungskräfte Zusammenhänge ver­heim­lichen, die ohnehin allgemein bekannt seien: etwa dass keiner gern seinen eigenen Nachfolger aussucht oder dass in Vor­stand­se­ta­gen Machtkämpfe ausgetragen werden. Smith plädiert dafür, endlich Tacheles zu reden, und erzählt einige Anekdoten aus seiner langjährigen Arbeit als Man­ager­ber­ater. Seine Aussage ist klar: Ein Tabubruch würde allen nützen, den Managern, den Angestell­ten und den Unternehmen. Man merkt dem Autor deutlich an, dass er sich der Kaste der Führungskräfte sehr verbunden fühlt. Am Ende möchte man fast ein Krokodilstränchen weinen für die priv­i­legierten, aber ach so einsamen Mil­lio­nen­ver­di­ener. Aber eben nur fast. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften: Hier werden sie endlich mal verstanden.

Take-aways

  • Tabus verhindern eine offene Kom­mu­nika­tion in den Vor­stand­se­ta­gen.
  • Schon die Frage, was eine gute Führungskraft ausmacht, ist verpönt.
  • Ein Manager braucht neben Fachken­nt­nis­sen einen starken Führungswillen und muss sehr viel für die Arbeit opfern.
  • Da die wenigsten dazu bereit sind, kann auch nicht jeder führen.
  • Unerlässlich sind außerdem Ausstrahlung und Geschick für die politischen Spielchen der Topmanager.
  • Ob Frauen oder Männer bessere Chefs sind, ist nicht zu beantworten. Sie könnten
  • Manager bevorzugen Freunde und Bekannte bei der Stel­lenbe­set­zung.
  • Es ist für sie schmerzvoll, den eigenen Nachfolger auszusuchen, da sie sich für uner­set­zlich halten.
  • Führungskräfte sind einsam und arbeitssüchtig. Sie wollen gar keine Freizeit.
  • Wenn Manager aus rein ego­is­tis­chen Gründen erfolgreich sind, dient das allen.
 

Zusammenfassung

Nicht jeder taugt zum Manager

Tabus sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Erwachsene bläuen schon kleinen Kindern ein: Über gewisse Dinge spricht man nicht. Das geht Managern genauso. Viele Gedanken und Gefühle müssen sie für sich behalten, weil sie zu intim, heikel, schmerzhaft, politisch unkorrekt, kurz: tabu sind. Tabus an sich sind weder gut noch schlecht. Sie wirken so stark auf uns, weil sie nicht nur unseren Verstand, sondern auch unsere Gefühle und Instinkte ansprechen. Einige Denkverbote sind sinnvoll, andere dagegen nur hinderlich – beispiel­sweise die in vielen Führungse­ta­gen verpönte Frage, was einen guten Vorge­set­zten überhaupt ausmacht.

„Wenn die Lead­er­ship-Tabus einmal bekannt sind, werden einige unserer überflüssigen, unsinnigen und potenziell gefährlichen falschen Vorstel­lun­gen zurechtgerückt werden.“

Weder in der Wis­senschaft noch in der öffentlichen Meinung ist klar definiert, was unter Führung genau zu verstehen ist. Das Wort beflügelt die Menschen zu un­ter­schiedlich­sten Vorstel­lun­gen. Viele glauben, jeder sei in der Lage zu führen, wenn er nur die Möglichkeit dazu bekäme. Dem ist aber nicht so. Manager müssen für ihre Arbeit viel aufgeben, von sich, von ihrem Privatleben und von ihrer Freizeit. Dazu ist keineswegs jeder bereit. Wer führt, braucht neben Fachwissen einen extrem starken Willen. Führungskräfte ticken anders. Das muss man ihnen zugestehen, nur dann kann man sie besser verstehen. Führung ist ein Prozess, mit dem ein Manager seine Vision ver­wirk­lichen will. Damit jeder sein Bestes gibt, beeinflusst er andere Menschen und ihre Ar­beitssi­t­u­a­tion bewusst. Welcher Stil dabei der richtige ist, hängt von der Situation und den Mi­tar­beit­ern ab.

Mit Ausstrahlung leichter nach oben

Nehmen wir an, Sie befördern einen loyalen Mitarbeiter, der zudem über Ex­perten­wis­sen verfügt, nicht, weil Sie bei ihm das gewisse Extra vermissen. Ihr Instinkt sagt Ihnen, dass ihm die nötige Ausstrahlung fehlt. Das ist vielen Menschen schwer zu vermitteln. Er­fol­gre­iche Manager müssen neben anderen wichtigen Eigen­schaften auch Charisma mitbringen. Aus der Geschichte wissen wir, dass Menschen mit Ausstrahlung auch gefährliche Verführer sein können. Dennoch kommt uns ein Mensch mit Ausstrahlung kompetenter vor als einer ohne. Menschen suchen sich selbst im Vorge­set­zten. Sie wollen sich mit ihm iden­ti­fizieren, aber auch zu ihm aufschauen. Das tun sie, wenn er geheimnisvoll und faszinierend ist. Man kann zwar eine bessere Ausstrahlung trainieren, aber sie wirkt unecht und lächerlich, wenn sie nicht einer inneren Quelle entspringt. Die wird von Lebenser­fahrung oder von persönlichen Schlüssel­er­leb­nis­sen gespeist.

Politische Spielchen gehören dazu

Wie überall, wo Menschen zusam­menkom­men, spielen sie auch in Unternehmen Spiele – politische Spielchen. Es sind zwar nicht genau die gleichen wie im Wahlkampf oder innerhalb einer Partei, aber sie haben trotzdem oft einen faden Beigeschmack. Wer mit taktischen Manövern seine Kar­ri­ereziele zu erreichen sucht, macht sich schnell unbeliebt. „Unser Chef ist kein politischer Taktierer!“ – das wünschen sich viele Angestellte und geben sich auch gern dieser Illusion hin.

„Charisma spielt eine wichtige Rolle dabei, welchen Personen wir Führungsqualitäten zuschreiben.“

Wer nach oben will, muss sich darüber im Klaren sein: In der Chefetage gehört Politik zur Tage­sor­d­nung. Sie ist ein notwendiges Übel. Die meisten wichtigen Entschei­dun­gen werden nicht in offiziellen Sitzungen, sondern informell, beim Mittagessen oder auf dem Flur, getroffen. Und das ist keineswegs per se schlecht: Politische Manöver als Instrument, um die eigenen Ziele und die des Un­ternehmens zu erreichen, sind moralisch vertretbar. Dienen sie aber einem anderen Zweck, schaden sie allen. Für Führungskräfte geht es immer darum, Macht auszuüben. Das kann mit Druck, Sachken­nt­nis, Vertrauen oder mit der Art und Weise, wie andere uns wahrnehmen, geschehen. Letzteres wirkt am ef­fek­tivsten. Glauben Ihre Angestell­ten, dass Sie kompetent sind, haben Sie gewonnen.

Frauen und Männer könnten voneinander lernen

Wer ist nun der bessere Boss, Frau oder Mann? Topmanager kommen in Teufels Küche, wenn sie diese Frage offen stellen. Sie ist und bleibt un­beant­wortet. Wahrschein­lich ist sie auch nicht abschließend zu klären.

„Wir weigern uns, die Existenz politischen Kalküls anzuerken­nen, weil wir lieber ein sauberes, keimfreies Bild unserer Manager zeichnen.“

Je nach Wirtschaft­slage sind un­ter­schiedliche Fähigkeiten gefragt. Mal solche, die man Frauen zuschreibt, mal solche, die man bei Männern vermutet. In den 90er Jahren erlebten die Männer erstmals, dass bis dahin geltende Man­agerqualitäten nicht mehr das Maß aller Dinge waren. Nicht technisches Wissen, sondern emotionale, weibliche Intelligenz war plötzlich „in“. Als die Wirtschaft lahmte und die Zeiten härter wurden, ka­pit­ulierten jedoch viele Frauen in den Vor­stand­se­ta­gen. Sie waren nicht mehr bereit, sich für eine Firma abzurackern und dafür auf Familie und Privatleben zu verzichten. Im Alltag beweisen Männer oft einen stärkeren Führungswillen als Frauen. Sie müssen allerdings auf dem Weg nach oben andere Hürden überwinden als diese. Zweifellos könnten die Geschlechter voneinander lernen, wenn sie sich offen über ihre un­ter­schiedlichen Sichtweisen austauschen würden.

Manager genießen einen Son­der­sta­tus

Obwohl auf dem ganzen Firmengelände ein strenges Rauchverbot gilt, zündet sich der Vor­standsvor­sitzende in einer Besprechung ungeniert eine Zigarre an. Willkommen in der Realität: Wichtige Personen genießen Privilegien. Sie verdienen viel mehr Geld als alle anderen und dürfen sich auch mehr erlauben. Für Angestellte und Manager gelten nicht dieselben Regeln. Das sorgt immer wieder für Unmut. Viele Menschen ärgern sich über diese Un­gerechtigkeit, vor allem über die Mil­lio­nengehälter. Da sie aber nie die ganze Wahrheit kennen, können sie nicht beurteilen, ob jemand sein Geld wert ist oder nicht. Angestellte sollten sich bewusst machen, was ein Chef alles für die Firma leistet. Außerdem entscheidet die Gesellschaft selbst darüber, wessen Arbeit mehr wert ist, die einer Kranken­schwester oder die eines leitenden Angestell­ten.

„Es wird so wenig über Einsamkeit gesprochen, weil sie Ver­let­zlichkeit impliziert, und diese ist Führungskräften verhasst.“

Wer Karriere machen will, sollte selbst einschätzen, ob er mit dieser Sonderrolle leben kann oder nicht. Und die Unternehmen müssen folgende Frage klären: Bringt es uns mehr, wenn wir alle gleich behandeln oder wenn wir einzelne Mitarbeiter mit außeror­dentlichen Gehältern zu außeror­dentlichen Leistungen antreiben?

Die Vet­tern­wirtschaft lebt

Nur die Leistung zählt, nicht die Herkunft. Das verspricht zumindest die Theorie der Mark­twirtschaft. Von Führungskräften wird erwartet, dass sie niemanden aus persönlichen Gründen bevorzugen oder befördern – eine un­re­al­is­tis­che Forderung. Jeder braucht Personen um sich, denen er vertraut und auf die er sich verlassen kann. In den Vor­stand­se­ta­gen sind Verbündete, die im entschei­den­den Augenblick zu einem halten, überlebenswichtig. Daher ist es nur menschlich, wenn Vorgesetzte Freunde und Gle­ich­gesin­nte auf wichtige Posten setzten. Vet­tern­wirtschaft birgt allerdings auch Risiken. Sagen Sie Ihrem Chef, dass er einen Fehler gemacht hat? Das tut keiner gern. Noch schwieriger wird es, wenn man mit ihm befreundet ist oder ihm gar seinen Posten verdankt. In­ter­es­san­ter­weise akzeptieren Angestellte eine besondere Form der Günstlingswirtschaft. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn der Chef junge Nachwuchskräfte als Mentor fördert. Wenn sich aber ein Kollege als Schleimer profiliert, macht er sich schnell unbeliebt.

Thronfolger heranziehen tut weh

Welche Führungskraft denkt schon gern an das Ende ihrer Karriere, an die Zeit, in der sie nicht mehr der große, bedeutende Mensch ist? Eine der wichtigsten und zugleich unan­genehm­sten Aufgaben eines Topmanagers ist es, seinen Nachfolger zu finden und zu erziehen. Dass seine Gefühle die Sache verkom­plizieren, liegt auf der Hand. Führungskräfte sind sicher, dass keiner ihren Job so gut erledigt wie sie selbst. Sie müssen so stark von sich selbst überzeugt sein, damit sie ihrer Rolle gewachsen sind. Und dann sollen diese überaus selb­st­be­wussten Menschen sich eingestehen, dass ein junger Bursche genauso geeignet ist wie sie, und gle­ichzeitig langsam den Chefsessel räumen? Das tut weh. Sich von Macht und Bedeutung zu lösen, ist schwer. Bislang ist es für scheidende Vorsitzende tabu, über diese Gefühle zu reden. Zu schnell werden sie als egoistisch abgestem­pelt. Die Ziehsöhne jedoch erfahren in der Regel die wider­streben­den Emotionen ihrer Mentoren am eigenen Leib.

Spitzen­man­ager wollen nur arbeiten

Über ein aus­ge­wo­genes Verhältnis von Arbeit und Privatleben zu grübeln, ist heutzutage „in“: Es geht um die berühmte Work-Life-Bal­ance. Von Spitzenführungskräften wird vielfach erwartet, dass sie sich auch hier vorbildhaft verhalten und für einen gesunden Ausgleich sorgen. Die meisten wollen aber gar keine Freizeit, sondern nur eins: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Sie würden sogar ihre Karriere gefährden, wenn sie das Büro häufig zu früher Stunde verließen.

„Wenn Sie in Ihrer Ar­beit­sumge­bung auf ein Tabu stoßen, überlegen Sie zuerst, welche positiven und negativen Seiten es hat.“

Die Grundregel für alle Arbeitswütigen lautet: „Kümmere dich selbst um dich, bevor es andere tun müssen.“ Mit anderen Worten, wer körperlich und seelisch gesund und völlig zufrieden mit seinen Aufgaben ist, muss nicht über Work-Life-Bal­ance nachdenken. Allerdings muss jede Spitzenkraft dazu eine Meinung haben, die sie glaubhaft gegenüber Kritikern vertreten kann. Natürlich spielt auch die Un­ternehmen­skul­tur eine Rolle. Lautet die Fir­mende­vise, Mi­tar­beit­ern ein aus­geglich­enes Leben zu ermöglichen, ist ein permanent arbeitender Chef kein gutes Vorbild. Wird von den Angestell­ten dagegen vor allem erwartet, dass sie viel arbeiten und leisten, ist ein Arbeitstier an der Spitze sicher von Vorteil.

Egoistisch zu sein, ist legitim

Heutzutage wird von Unternehmen und ihren Leitern gefordert, sie sollen nicht nur eigen-, sondern auch gemeinnützig handeln. Wohlhabende Menschen gründen aus un­ter­schiedlich­sten Motiven Stiftungen oder engagieren sich für Arme und Unterdrückte. Die Bewegung der Triple Bottom-Line misst den Wert einer Firma nicht nur am Gewinn, sondern auch daran, was sie Gutes für die Gesellschaft und die Umwelt tut. Dieser neue moralische Anspruch ändert aber nichts daran, dass Menschen, die führen, dies nach wie vor aus ego­is­tis­chen Gründen tun. Und das ist gut so. Immerhin haben diese prak­tizieren­den Kap­i­tal­is­ten viele von uns wohlhabend und reich gemacht, Fortschritt ermöglicht und Arbeitsplätze geschaffen. Ve­r­ant­wor­tung für die Umwelt und die Gesellschaft zu übernehmen, ist nicht nur eine moralische Einstellung, sondern zahlt sich auch finanziell aus und bringt Wet­tbe­werb­svorteile: Firmen mit sauberer Weste verkaufen mehr Produkte als Umweltsünder.

An der Spitze ist und bleibt es einsam

Den wenigsten ist klar, wie einsam die Menschen an der Spitze sind. Sie dürfen ihre Gefühle nicht preisgeben, sind auf die Nähe zu Mi­tar­beit­ern angewiesen, müssen aber zugleich immer eine sichere Distanz wahren. Ihr Privatleben ist neben der Arbeit kaum der Rede wert. Alles, was sie sagen und tun, hat Auswirkun­gen, sei es auf den Aktienkurs oder auf die Stimmung im Büro. Konkur­renten und Angestellte beobachten sie mit Argusaugen, oft argwöhnisch oder auf einen Fehltritt hoffend. Es kostet viel Kraft, nach außen hin immer perfekt zu sein. Für alle Beteiligten wäre es hilfreich, sich diese Tatsachen bewusst zu machen. Angehende Manager könnten sich schon mal psychisch darauf einstellen. Und das Zugeständnis „Der Chef ist auch nur ein Mensch“ würde die Ar­beit­sat­mo­sphäre sicher deutlich entspannen.

Über den Autor

Anthony F. Smith arbeitet seit 20 Jahren als Berater und Trainer für Or­gan­i­sa­tion­swan­del, Teambildung und Lead­er­ship-Train­ing. Zu seinen Kunden zählen American Express, Coca-Cola, McKinsey und die Deutsche Bank. Daneben lehrt er an ver­schiede­nen Universitäten und ist Mitbegründer und Direktor des Leadership Research Institute.