Größter gemeinsamer Nenner
Nachhaltige Geldanlagen sind längst kein exotisches Randthema mehr. Die Friedensnobelpreise der vergangenen beiden Jahre gingen nicht zufällig an Initiativen in diesem Bereich: 2006 an Mohammed Yunus für Kleinstkredite, 2007 an Al Gore für sein Klimaschutz-Engagement. Sein Geld nachhaltig zu investieren, bedeutet, die Anlage mit Gewissen, Verantwortung und ethischen Grundsätzen zu vereinbaren. Nicht nur die Shareholder (Aktienbesitzer), sondern auch die weit größere Gruppe der Stakeholder (Anspruchs- oder Interessengemeinschaft) gilt es zu berücksichtigen. Das muss weder kompliziert noch unrentabel sein. Neuere Untersuchungen brachten ein interessantes Paradoxon ans Licht: Obwohl nachhaltige Geldanlagen neben wirtschaftlichen auch noch sozialen und ökologischen Kriterien Rechnung tragen, schneiden sie auch ökonomisch besser ab.
Ursprünge in der Forstwirtschaft
Zuallererst muss der Begriff Nachhaltigkeit definiert werden. Er hat seinen Ursprung im 18. und 19. Jahrhundert, als es darum ging, Wälder nicht über Gebühr abzuholzen, sondern „in angemessener Betriebsweise nachhaltig zu bewirtschaften“. Dem gleichen Grundsatz folgt etwa der Reisterrassenanbau in China oder der Fischfang der Inuit: Vorhandene Ressourcen werden genutzt, aber nicht aufgebraucht. Auf die Finanzwirtschaft übertragen besagt Nachhaltigkeit demnach, dass „auf ökologische, ökonomische und soziale Belange“ gleichermaßen Rücksicht zu nehmen ist. Im Gegensatz zum rein kapitalistisch geprägten Wirtschaftssystem vor allem der USA fließen ökosoziale Überlegungen in Kontinentaleuropa bereits seit Längerem in Anlageprozesse ein – zumindest ansatzweise.
Starke und schwache Nachhaltigkeit
Auf dem Radar der Öffentlichkeit erschien das Thema erstmals durch den berühmt gewordenen „Club of Rome“ im Jahre 1972. Andere Initiativen waren der Brundtland-Report in den 1980er Jahren sowie die verschiedenen Umweltgipfel, z. B. in Rio de Janeiro 1992, Kyoto 1997 und Johannesburg 2002. Es entstand ein eigentlicher Hype, der in den besagten Nobelpreisen gipfelte. Zu unterscheiden ist zwischen dem „schwachen“ und dem „starken“ Nachhaltigkeitsansatz – quasi verschiedene Glaubensrichtungen. Vertreter der schwachen Definition glauben an Innovation und technologischen Fortschritt, sodass sich knappe Ressourcen strecken oder substituieren lassen. Nicht so die Anhänger der starken Definition, die gegebene Ressourcen möglichst zur Gänze erhalten sehen möchten.
Sparen Sie noch oder investieren Sie schon?
Zwischen Sparen und Anlegen existiert ein himmelweiter Unterschied. Sparen bedeutet kaum mehr als „Aufbewahren“, Investieren trägt Züge strategischen Handelns. Die zunehmende Alterung unserer (westlichen) Gesellschaft macht das Letztere praktisch unumgänglich, will man den Lebensabend nicht auf Sozialhilfeniveau darben. Neben der staatlichen Rente und der betrieblichen Altersvorsorge ist diese vielerorts beschworene private Vorsorge als dritte Säule der Alterssicherung bekannt geworden, Die nachhaltige Geldanlage zielt auf eine strategische, alle Anlageklassen übergreifende, langfristige Denk- und Investitionsweise. Kurzfristig ausgelegtes Spekulantentum mit dem Blick auf rasche Profite ist nicht das Ziel – beim Anlagezweck Altersvorsorge etwa rechnet man ohnehin in Jahrzehnten.
Die Grundbausteine: Aktie und Anleihe
Die beiden Hauptanlageklassen für Otto-Normal-Investor sind Aktien und Anleihen. Wie Sie diese beiden bei Ihrem Vermögensaufbau akzentuieren, hängt nicht nur von äußeren Faktoren wie dem weltwirtschaftlichen Umfeld ab, sondern auch von Ihrem persönlichen Risikoprofil. Wenn Sie die Börsenkurse Ihrer „Lieblinge“ mit Schweißperlen auf der Stirn verfolgen, sind Aktien nicht das Richtige für Sie. Aktien und Anleihen unterscheiden sich außer im Risikoprofil auch hinsichtlich der Stellung des Investors (Mitbesitzer bei Aktien versus Gläubiger bei Anleihen) oder der Mitwirkungsrechte. Eine gute Mischung, im Fachjargon „Diversifikation“, ist das A und O, wenn Erträge maximiert und Risiken minimiert werden sollen. Dies gilt sowohl innerhalb einer Anlageklasse (z. B. Aktieninvestitionen weltweit zu streuen) als auch über die Klassen hinweg (z. B. 50 % Anleihen, 40 % Aktien, 10 % Geldmarktanteile).
Nachhaltigkeit ist Definitionssache
Was aber bedeutet Nachhaltigkeit konkret für Ihre Vermögensanlage? Zunächst ist sie nur ein Oberbegriff für andere Bezeichnungen und Definitionen. Das Problem dabei ist die nicht zu vermeidende Subjektivität. Manche „ethischen“ Anlageprinzipien gehen über reine Nachhaltigkeitsaspekte hinaus und sind deutlich schärfer formuliert – so etwa die scharia- oder islamkonforme Vermögensanlage.
„Es darf uns nicht egal sein, wie mit unserem Gesparten oder Investierten umgegangen wird. Wir sind mündige Bürger, wir sollten auch mündig investieren.“
Nur wenigen dürfte bekannt sein, dass schon in den 1930er Jahren mit dem Pioneer Fund in den USA ein Fonds existierte, der ethisch-nachhaltige Kriterien berücksichtige: Er verzichtete auf Investments in Unternehmen, die mit Waffen, Alkohol oder Tabak zu tun hatten. In den 1970er Jahren bekam die Initiative frischen Schwung, als die Friedensbewegung auch Geldanlageideen zu beeinflussen begann.
Aktive Einflussnahme: immer zum Guten?
Zunächst dominierten die Negativkriterien – das war einfach und nachvollziehbar und ist es auch heute noch. Erst in jüngerer Zeit kam der Begriff „SRI“ auf. Social-Responsibility-Investments berücksichtigen neben den bekannten Ausschlussklauseln die Sozial- und Umweltverträglichkeit einer Geldanlage. Nicht selten ermuntern Fondsinitiatoren zur aktiven Mitbestimmung, z. B. im Rahmen der Hauptversammlung eines Unternehmens. Aber auch andere Stakeholder können sich Gehör verschaffen: Mitarbeiter verfügen über Arbeitnehmervertretungen, Lieferanten über Möglichkeiten der Einflussnahme in Verhandlungen mit dem Management und Kunden über die Macht des Käuferstreiks.
„Vorsorgeeinrichtungen müssen sich wohl zweimal überlegen, ob sie zugeben wollen, dass ihnen Nachhaltigkeit egal ist.“
Ein bekannt gewordenes Beispiel aktiver Einflussnahme ist der Einsatz der Umweltorganisation Greenpeace, als der Ölkonzern Shell 1995 die ausgediente Bohrinsel „Brent Spar“ im Meer versenken wollte. Shell beugte sich schließlich dem Druck der öffentlichen Meinung und ließ die Plattform aufwendig an Land ziehen und demontieren. Erst später wurde bekannt, dass die Greenpeace-Angaben zum Giftgehalt der Bohrinsel massiv übertrieben waren – wofür sich die Organisation kleinlaut bei Shell und der Öffentlichkeit entschuldigte.
Übergreifender Weltstandard gesucht
Über religiöse und weltanschauliche Auffassungen hinweg einheitliche Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens zu definieren, ist alles andere als einfach. Einen Versuch unternimmt das Prinzip des „Weltethos“, entwickelt vom Theologen Hans Küng. Vier Gebote haben sich unabhängig von Religion und Wertesystem herauskristallisiert:
- Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit und zur Achtung des Lebens,
- Solidarität und gerechte Wirtschaftsordnung,
- Toleranz und Wahrhaftigkeit,
- Gleichbehandlung und Partnerschaft von Mann und Frau.
CSR: drei Buchstaben, ein gemeinsames Ziel
Fondsanbieter sind bemüht, durch die Einschaltung von Ethik-Beiräten dem Problem der Subjektivität ethischer Fragen zu begegnen. Im Falle schariakonformer Geldanlagen wacht ein „Scharia-Komitee“ über die Einhaltung der strengen Regeln, so etwa des Zinsverbots (genereller Ausschluss von Banken) oder des Verbots von Glücksspiel und Spekulation.
„Nachhaltige Investoren berücksichtigen sowohl finanzielle als auch extrafinanzielle Informationen. Sie sind daher besser und umfassender informiert als konventionelle Investoren.“
Andere Ansätze sind Appellversuche an die Corporate Social Responsibility (kurz CSR, unternehmerische Verantwortung), der zufolge Unternehmen freiwillig mehr tun sollen als nur ihre Profite zu maximieren. Anders als die Corporate Governance (Leitung und Überwachung der finanziellen Kontrolle) schließt CSR auch die ökologische und soziale Kontrolle durch die Interesseneigner mit ein. So wird von Gesellschaften zwar verlangt, dass sie ertragreich wirtschaften und Gesetze einhalten, aber es wird auch „erwartet“, dass sie sich dabei ethisch verhalten – und schließlich ist „erwünscht“, dass sie Verantwortung übernehmen und diese vorleben. Die Pflichten eines Unternehmens sind danach durchaus denen eines „guten Bürgers“ gleichzusetzen („Corporate Citizenship“). Eine Gesellschaft kann selbstverständlich eigeninitiativ an ihrer CSR-Strategie arbeiten und diese kommunizieren, bevor Forderungen von Stakeholdern an sie herangetragen werden.
Kompetenten Rat in Anspruch nehmen
Nun steht sowohl privaten als auch institutionellen Investoren heutzutage eine schon fast unüberschaubare Menge an Anlagemöglichkeiten offen, die sich selbst das Nachhaltigkeits-Label angeheftet haben. Ein Auswahlprozess ist unerlässlich. Dabei helfen können Rating- bzw. Research-Agenturen wie die Schweizer Oekom Research oder Scoris und Imug. Die Analysen bzw. Ratings verfolgen verschiedene Ansätze, vom Best-in-Class-Prinzip bis zur Suche nach Top-Performern im „Nachhaltigkeits-Universum“. Als Anleger sollten Sie auch auf Gütesiegel achten wie die Eurosif Transparenz-Leitlinien für Fonds oder die Auszeichnungen der UN-Initiative „Global Compact“.
„Man sagt auch, dass ‚an der Börse keine Wertpapiere, sondern Meinungen gehandelt werden‘.“
Sie möchten möglichst ganz am Anfang der Wertschöpfungskette investieren und nicht überreifen Früchten nachjagen? Auch das geht, und zwar durch Private-Equity(PE)- oder Venture-Capital(VC)-Gelder. Darunter versteht man die Frühphasenfinanzierung der Unternehmensentwicklung. Entsprechende Fonds stehen heute auch Privatanlegern offen. Wenn Sie es weniger riskant mögen, bieten sich Investitionen in einen der vielen Nachhaltigkeits-Indizes an. Fonds oder Zertifikate (Anteilsscheine), die in Aktien der in Nachhaltigkeits-Indizes vertretenen Unternehmen investieren, „tracken“ den zugrunde liegenden Index (bauen ihn nach), so dass Sie als Anleger eins zu eins an dessen Performance partizipieren. Die Entwicklung solcher Fonds war in den vergangenen Jahren jedoch höchst unterschiedlich, so dass auch hier ein genauer Blick vonnöten ist.
Im Transparenz-Dschungel
Eine lange Liste hartnäckiger Vorurteile erschwert bis heute die Akzeptanz nachhaltiger Geldanlagen:
- Sind nachhaltige Investments überhaupt lohnenswert? Ja. Neuere Studien besagen, dass sie mindestens genauso ertragreich abschneiden wie konventionelle Anlagen.
- Wie trennt man die Spreu vom Weizen? Gute Nachhaltigkeits-Fonds fahren eine verantwortungsvolle Strategie im Einklang mit den formulierten Anlagekriterien und verfügen über Expertenbeiräte.
- Ist das Datenmaterial valide? Es wird zunehmend besser, da sich Unternehmen mehr und mehr dem CSR- und Corporate-Governance-Gedanken verschreiben – sei es freiwillig oder auf Druck der Interesseneigner.
- Sind Nachhaltigkeitsthemen nicht schon „gegessen“? Nein. Es gibt Megatrends wie der Klimawandel und die demografische Entwicklung, die uns über Jahrzehnte begleiten.
- Ist eine nachhaltige Geldanlage nicht äußerst subjektiv? Im Prinzip: ja. Und das ist auch gut so. Die große Produktvielfalt in dieser aufstrebenden Branche bietet so ziemlich jeder individuellen Sichtweise eine passende Spielwiese.