Wirtschaften in einem veränderten Klima
Der Klimawandel wird den Alltag der Menschen verändern – und das Wirtschaftsleben. Nach Ansicht des ehemaligen Chefökonomen der Weltbank, Nicholas Stern, ist es nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell sinnvoll, den Klimawandel selbst zu bekämpfen statt nur dessen Folgen. Immer mehr Unternehmen springen, unterstützt von der Politik, auf diesen Zug auf. Darunter sind nicht nur Firmen aus neuen Branchen wie der Solarindustrie, sondern auch traditionelle Unternehmen. Selbst Energieversorger streben in Richtung klimaverträgliches Wirtschaften. Möglicherweise gibt es auch in Ihrer Firma bereits konkrete Konzepte, die Umweltkompetenz auszubauen? Fest steht, dass die Klimaeffizienz und Umweltfreundlichkeit Ihrer Firma und Ihrer Produkte künftig stärker unter die Lupe genommen werden – sei es von Kunden, Geschäftspartnern oder vom Staat.
„Die Erderwärmung wird zu einem bestimmenden Thema, denn es gibt kaum eine Region oder eine wirtschaftliche Aktivität, die nicht betroffen wäre.“
Mit der Umorientierung auf nachhaltiges Wirtschaften steht Ihnen eine Gratwanderung bevor. Sie müssen Ökologie und Ökonomie miteinander verbinden und dabei auch soziale Belange – z. B. die Ihrer Mitarbeiter – im Auge behalten. Interessenkonflikte sind zu erwarten. Nicht immer wird es Win-Win-Geschäfte geben wie bei Investitionen in eine höhere Energieeffizienz, die sich durch Kosteneinsparungen oft selbst finanzieren. Dennoch lohnt es sich für Sie, zum Vorreiter zu werden. Viele große Unternehmen setzen bereits auf die grüne Karte. Sie erzielen damit langfristig Wettbewerbsvorteile und schon kurzfristig ein positives Image. Über ihre Lieferkette beziehen sie auch Zulieferer in diesen Wandel mit ein.
Alternativ leben und arbeiten
Vermutlich rechnet Ihre Firma noch nicht aus, ob es sich lohnt, Mitarbeiter lieber in Heimarbeit zu beschäftigen. Die Kosten für Geschäftsreisen, die aufgrund der Rohstoffpreise weiter steigen werden, zieht aber manches Unternehmen bereits ins Kalkül: Das technische Potenzial von Videokonferenzen sorgt für eine standortunabhängige Zusammenarbeit. Diese Möglichkeit sollten Sie für sich testen und nutzen. Die arbeitsteilige Wirtschaftsweise wird durch steigende Transportkosten auch im Güterverkehr auf die Probe gestellt. Ein Investmentbanker prognostiziert bereits, dass Lebensmittel künftig viel mehr als heute direkt aus dem Umfeld unserer Städte stammen werden. Der Wohnort wird damit in jeglicher Hinsicht zum Lebensmittelpunkt.
„Wenn die Unternehmen sich nicht freiwillig umstellen, weil dies die Konsumwünsche erfordern, werden sie durch bürokratische Vorgaben der Politik oder neue, schärfere Regeln zum Klimaschutz dazu gezwungen.“
Erfolg in Sachen Nachhaltigkeit schlägt sich auch im Kurs an der Börse nieder. Wenn Sie als Investor vom Umwelttrend profitieren wollen, sollten Sie die Gewinner des Klimawandels identifizieren. Der Aufbruch in Richtung klimaverträgliche Wirtschaft darf Sie als Anleger allerdings nicht in Euphorie versetzen. Statt mit der Herde zu laufen, beachten Sie lieber die grundsätzlichen Börsenregeln für die Risikostreuung, den Investitionszeitpunkt und die Renditeerwartung. Viele Unternehmen fertigen inzwischen Nachhaltigkeitsberichte an, in denen sie über ihre ökologische Verträglichkeit Rechenschaft ablegen.
Die Gewinner des Klimawandels
Der Bereich umweltfreundlicher Technologien wird in den nächsten 20 Jahren etwa doppelt so schnell wachsen wie die Weltwirtschaft insgesamt. Davon werden drei Gruppen von Unternehmen profitieren:
- wandlungsfähige Konzerne,
- Spezialisten in bestimmten Nischen und
- alternative Energieversorger.
„Leider haben es sich viele Unternehmen angewöhnt, aus alter Gewohnheit, Nachlässigkeit oder aus Profitgier, an vielen Stellen die Substanz über das vernünftige Maß hinaus zu nutzen.“
Unter den Unternehmen, die sich als Profiteure des Klimawandels identifizieren lassen, sind viele große Konzerne. Das liegt auch daran, dass bislang meist nur große Firmen Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Keines dieser Unternehmen ist mit seiner Umwelt vollkommen im Reinen – in Sachen Umweltverträglichkeit haben viele noch einen weiten Weg vor sich. Dennoch wirtschaften sie als Vorreiter in ihrer Branche bereits nachhaltiger als andere und können daher als Vorbild dienen. Einige der Gewinner-Unternehmen weisen an der Börse ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als zehn auf, die Ökoenergieanbieter sogar von 20. Mittel- bis langfristig betrachtet, sind diese Unternehmen dennoch unterbewertet.
Öko-Mix aus vielen Branchen
Der Querschnitt der Gewinner-Firmen geht durch fast alle Branchen. Die Bauindustrie wird mit energiesparenden Neubauten und der Wärmedämmung glänzende Geschäfte machen – und nicht zu vergessen auch mit dem Hochwasserschutz. Die Landwirtschaft profitiert von der wachsenden Nachfrage nach Biokraftstoffen. Wälder sind bereits zu lukrativen Anlageobjekten geworden. Versicherern bietet sich die Chance auf neue Produkte, z. B. in Form von Wetterpolicen oder Katastrophenanleihen. Sie können auf steigende Prämien hoffen, müssen allerdings auch höhere Schäden einkalkulieren. Auch die Chemieindustrie benötigt erst neue Produkte, um den Klimawandel in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen zu können. In der Energiebranche werden die Anbieter erneuerbarer und kohlendioxidfreier Energiequellen zu den Gewinnern zählen. Die Pharmaindustrie hingegen wird derzeit kaum vom Klimawandel beeinflusst. Sollten sich allerdings mit steigender Temperatur auch die Krankheitsprofile in den Industrieländern verändern, würden sich Marktchancen ergeben. Es ist z. B. denkbar, dass hierzulande mehr Tropenkrankheiten behandelt werden müssen.
Die Firmen der Topgruppe
Unter den Mitgliedern der Spitzengruppe sind Blue Chips, aber auch vergleichsweise kleine Unternehmen, die zu Standardaktien werden können. Dazu zählen Windrad- und Solarzellenhersteller wie Q-Cells, Solarworld und Vestas. Letztgenannte Firma baut jede dritte Windkraftanlage, die weltweit an Land oder im Meer aufgestellt wird.
„Alle setzen auf Sonnenstrom aus deutschen Landen – von Kalifornien bis China, von Norwegen bis Südafrika. In Ostdeutschland schafft die Solarbranche daher gerade jene blühenden Landschaften, die einst von der Politik versprochen wurden.“
Ein Drittel der Klimafavoriten sind deutsche Unternehmen. BMW hat es durch sein Umweltmanagementsystem geschafft, binnen zehn Jahren den Energieverbrauch in der Produktion um mehr als ein Viertel zu senken. Henkel setzt in seinen Produkten zwei Drittel weniger Schwermetalle ein als vor fünf Jahren, während Adidas auf umweltfreundliche Materialien setzt. BASF hat das Konzept eines Null-Heizkosten-Hauses mit ausgefeilter Dämmung, Belüftung und Scheibenheizung entwickelt. Die Deutsche Telekom kann dank Emissionszertifikaten und Strom sparenden Telefonen seit 1999 einen Platz im Dow Jones Sustainability Index für sich beanspruchen. Die Allianz verbündet sich mit dem World Wide Fund for Nature (WWF), damit Autoversicherungen ökologischer gestaltet werden.
„Deutschland hat in diesem Geschäft einige Trümpfe in der Hand, weil besonders viele Hersteller von Windanlagen und Solarzellen aus Deutschland kommen und in andere Länder liefern.“
Internationale Unternehmen sind ebenfalls bereits gut aufgestellt. Der spanische Windkraftbetreiber Iberdrola, der US-Konzern General Electric oder die holländische Akzo Nobel zählen dazu. Die spanische Inditex, bekannt durch die Modekette Zara, produziert größtenteils in Fabriken in Europa – bald verbunden durch eine Lkw-Flotte mit Biotreibstoff. Der norwegische Ölkonzern Statoil wird ebenfalls vom Klimawandel profitieren, da er seine Produktion in Richtung des klimaverträglicheren Erdgases verlagert.
Umweltpioniere in der zweiten Reihe
In der Liste der Klimagewinner mit etwas weniger starkem Umweltprofil stammt fast die Hälfte der ausgewählten Unternehmen aus Deutschland. Der Rückversicherer Münchener Rück reagierte schon früh auf den Klimawandel mit Umweltinformationsdiensten, ökologischen Standards und entsprechenden Versicherungsprodukten. Ressourcensparende Produkte – z. B. eine superleichte Kunststoffflasche – sind von Krones, einem Maschinenbauer. Daimler ist führend in der Herstellung von Bussen mit Hybrid-Antrieb. Die Lufthansa hat durch den Austausch alter Flugzeuge mit neuem Material ihre Kraftstoffeffizienz erhöht: Neue Flieger verbrauchen rund ein Drittel weniger Kerosin. Hochtief investiert in Geothermie, Vossloh in Verkehrstechnik. Die Deutsche Bank baut gerade ihr Frankfurter Hauptquartier um. Demnächst soll der Kohlendioxidausstoß der beiden Türme nur noch halb so hoch sein wie vorher.
„Künftig wird es für Anleger aus Renditegründen wichtiger, die Gewinner des Klimawandels zu identifizieren.“
Unter den internationalen Klimagewinnlern sind vorbildliche Transportunternehmen wie z. B. der Nahverkehrsanbieter MTR Corp oder die Eisenbahn Kansas City Southern. Mit Transport im weiteren Sinne verdient auch Shimano sein Geld: Das Unternehmen stellt Komponenten für das umweltfreundliche Fortbewegungsmittel Fahrrad her. Hinzu kommen Umweltdienstleister, Wasseraufbereiter und Recyclingfirmen wie Mayr-Melnhof und ZhongDe sowie Lebensmittelkonzerne wie Danone, SunOpta und Asian Bamboo. Ricoh forscht derweil an Druckertonern auf pflanzlicher Basis, um vom Öl unabhängig zu werden.
Die Energievorreiter
An der Börse ist der weltgrößte Ölkonzern – Exxon Mobile – zurzeit mehr wert als alle Hersteller von Windrädern, Solarmodulen, Biomassekraftwerken und geothermischen Anlagen zusammen. Die Preissteigerungen der fossilen Brennstoffe spielen aber den Anbietern von Ökoenergie künftig in die Hände. Ihre Technologie wird immer günstiger werden. Die Stromerzeugung der Windbranche verdoppelt sich alle zwei bis drei Jahre. Aufwindkraftwerke in der Sahara sind in Sicht. Die Hersteller von alternativen Kraftstoffen zählen dagegen derzeit nicht zu aussichtsreichen Kandidaten – sie sind nur wenig nachhaltig.
„Die Länderallokation unserer Umweltaktien spiegelt auch wider, dass Umwelt- und Klimatechnik in erster Linie eine Domäne der Industrieländer ist und vorerst auch bleiben dürfte.“
Unter den Anbietern von Technik für die nachhaltige Energieerzeugung finden Sie viele bekannte deutsche Unternehmen: Nordex, Conergy, Centrotec Sustainable, Smart Fuel Cell, Centrotherm und die Spezialmaschinenbauer Roth & Rau und Manz Automation. Die internationale Konkurrenz trägt Namen wie Gamesa, First Solar, Energy Conversion Devices, Ormat Technologies, Sharp, Suntech und Applied Materials. Als aussichtsreich gelten zudem der britische Hersteller von Elektrofahrzeugen Tanfield und der für eine nachhaltige Biotreibstoffherstellung wichtige dänische Enzymproduzent Novozymes. Der Österreichische Elektrizitätswirtschafts AG Verbund produziert rund 90 % seines Stroms aus Wasserkraft und will weiter in diese umweltfreundliche Energieerzeugung investieren.
Verlierer des Trends zur klimaverträglichen Wirtschaft
Prinzipiell sind in jeder Branche diejenigen Unternehmen in einer aussichtsreichen Position, die sich frühzeitig auf das geänderte Umwelt- und Geschäftsklima einstellen. Deshalb gibt es auch für diejenigen, die in einer der häufig genannten Verliererbranchen tätig sind, keinen Grund, ängstlich in die Zukunft zu sehen. Automobilkonzerne, Fluggesellschaften und Schifffahrtsunternehmen werden ebenso wenig kollektiv von der Bildfläche verschwinden wie Tourismusanbieter. Toyota zeigt mit Erfolg, dass bereits heute der Umweltgedanke mitfährt. Autos in Brasilien fahren längst mit einem hohen Biospritanteil. Frachtschiffe mit Windsegeln durchpflügen mit geringerem Treibstoffverbrauch die Weltmeere. Sicherlich werden sich Unternehmen dieser Branchen aber besonders stark umstellen müssen, um künftig klimaverträglich zu werden. Die unterfinanzierten unter den Fluggesellschaften werden die Klimainvestitionen kaum stemmen können – sie zählen zum Club der Verlierer. Außerdem sollten Sie bedenken: Nicht jede Region der Welt ist vom Klimawandel gleichermaßen betroffen, und die Veränderung ist auch nicht immer negativ. Mittelgebirge könnten sich beispielsweise dank besseren Wetters zu beliebten Urlaubszielen entwickeln.