Agentur ist nicht gleich Agentur
Es gibt drei verschiedene Typen von Werbeagenturen (wobei in der Praxis auch Mischformen üblich sind):
- Network-Agenturen sind die vielseitigsten, denn sie bieten ihren Kunden neben der Werbung alles oder zumindest vieles rund um das Thema Kommunikation (z. B. Dialogmarketing, Promotion) aus einer Hand. In der Regel sind sie international aufgestellt und deshalb die ersten Ansprechpartner für globale Kampagnen. Für die deutschsprachigen Ableger bedeutet das: Oft ist wenig Kreativität im Spiel, da in erster Linie bestehende Kampagnen an die hiesigen Besonderheiten angepasst werden.
- Kreativagenturen versprechen kreative Höchstleistungen. Hier sprudeln die Ideen, hier werden die Awards gewonnen, die das wichtigste Aushängeschild jeder Agentur sind. Für kreative Bewerber ein Traum, für Kunden dagegen nicht immer einfach – extreme Ideen sind risikoreicher als Bewährtes.
- Inhabergeführte Agenturen sind vorwiegend im regionalen Bereich tätig und bedienen meist mittelständische Kunden. Sie bieten solide und zuverlässige Arbeit, haben aber oft Schwierigkeiten mit der zunehmenden Internationalisierung des Mittelstands.
Spezialagenturen
Daneben gibt es zahlreiche Spezialanbieter. Obwohl in der Werbung normalerweise Konkurrenzausschluss gilt, haben sich einige Agenturen auf bestimmte Kunden (z. B. B2B-Bereich, Pharmabranche, politische Institutionen), andere auf bestimmte Zielgruppen (z. B. Senioren, Jugendliche) ausgerichtet. Außerdem gibt es zahlreiche Anbieter, die auf bestimmte Dienstleistungen spezialisiert sind. Die wichtigsten:
- PR-Agenturen sind auf die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen und Institutionen spezialisiert.
- Agenturen für Live-Kommunikation punkten mit Aktionen auf Messen, Verkaufspräsentationen, Events, Sport- und Kulturveranstaltungen usw.
- Dialogagenturen sind Spezialanbieter für Mailings und Ähnliches.
- Agenturen für Handelsmarketing und Verkaufsförderung kümmern sich in erster Linie um die optimale Platzierung von Produkten am Point of Sale.
- Agenturen für Sponsoring sind vor allem bei Sportveranstaltungen sowie im kulturellen und im sozialen Bereich tätig.
- Agenturen für Corporate Identity kümmern sich um das Erscheinungsbild von Unternehmen.
- Online-Agenturen sind auf die Werbemöglichkeiten im Internet spezialisiert.
- Mediaagenturen sorgen dafür, dass das Kundenbudget optimal auf die unterschiedlichen Werbeträger verteilt wird und das Timing der Kampagne stimmt.
„Die Kreativagentur stellt das dar, was sich der Zuschauer des Vorabendprogramms unter einer Werbeagentur vorstellt.“
Außerdem gibt es noch ein breites Feld von Zulieferern, etwa Marktforschungsinstitute, Werbefilmproduktionen, Druckereien sowie natürlich freie Mitarbeiter (Freelancer), die bei Auftragsspitzen eingesetzt werden.
Das Who is Who in Agenturen
Berufsbezeichnungen in der Werbung sind für Außenstehende meist unverständlich. Je größer die Agentur, desto schärfer wird zwischen den einzelnen Positionen unterschieden. In kleinen Agenturen besetzen die einzelnen Mitarbeiter oft mehrere Jobs in Personalunion.
- Der Planner: Was der Markenstratege im Unternehmen, ist der Planner in der Agentur. Das Ergebnis seiner Analysen ist der so genannte Creative Brief, der den Kreativen der Agentur sagt, wofür die Marke und das Produkt stehen und wohin folglich die Werbereise gehen soll.
- Der Kontakter: Er ist die Schnittstelle zwischen Kunde und Agentur, der erste Ansprechpartner für den Kunden und die zentrale Anlaufstelle der Agenturmitarbeiter bei allen Fragen rund um das Projekt. In kleineren Agenturen hat er oft noch weitere Aufgaben, in den größeren widmet er sich ausschließlich den Kunden.
- Der Kreative: Der Creative Director ist der Chef des Kreativteams: Er moderiert den kreativen Prozess des für die grafische Seite zuständigen Art-Directors und des Texters, die – meistens als Zweierteam – Ideen produzieren und umsetzen. Zunehmend übernehmen Kreative auch Beraterfunktionen: Sie „verkaufen“ ihre Ideen gleich selbst.
„Keine andere Branche ist so ,award-fixiert‘ wie die Werbebranche.“
Hinter den Kulissen gibt es noch andere, oft wenig bekannte Jobs: Reinzeichner prüfen, ob Farben, Schrifttypen und viele andere Details des fertigen Layouts perfekt sind. Für die technische Umsetzung von Printprodukten sind Produktioner zuständig. Sie wissen, welche Ideen der Kreativen technisch machbar sind und welche nicht. Trafficer haben nichts mit Verkehr zu tun, sondern fungieren als Organisationszentrale für ein Projekt: Sie achten auf die strikte Einhaltung von Kosten und Terminen. Art-Buyer kaufen kreative Leistungen ein, z. B. von Fotografen oder Grafikern. Als FFF-Producer sind sie auf die Auswahl von Regisseuren & Co. für Film, Funk und Fernsehen spezialisiert.
Akquisition und Pitches
Am Anfang steht der Kunde bzw. dessen Auftrag. Und den zu bekommen, hat es in sich. Entweder versucht man, bei bestehenden Kunden das Geschäft auszubauen, oder man ist bestrebt, neue Kunden zu gewinnen. Letzteres ist eine permanente Aufgabe in jeder Agentur, denn selbst langjährige Bestandskunden brechen oft unerwartet schnell weg – sei es, dass der Ansprechpartner im Kundenunternehmen gewechselt hat, sei es, dass das Kundenunternehmen fusioniert, sei es, dass der eigene, betreuende Mitarbeiter die Agentur wechselt und dabei den Kunden mitnimmt. In der Regel führen Ausdauer und das Gefühl für das richtige Timing zum Erfolg. Normalerweise hat der Kunde in spe nämlich bereits eine Agentur, und man muss genau dann aktiv werden, wenn ein Wechsel im Raum steht.
„Der Creative Brief enthält quasi die Essenz einer Marke.“
Werbeetats werden üblicherweise nicht einfach vergeben – auch deshalb nicht, weil auf Kundenseite vielfach Richtlinien für das Vergabeverfahren bestehen. Es kommt häufig zu einer Ausschreibung, in der Branche „Pitch“ genannt. Dabei präsentiert jede Agentur ihr individuelles Konzept, und der Beste gewinnt – theoretisch. Praktisch ist es nicht selten so, dass die Ausschreibung eigentlich ganz anderen Zwecken dient, etwa, dass das Unternehmen kreativen Input sucht und sowieso keinen Auftrag vergeben will oder dass die Ausschreibung nur eine bereits feststehende Entscheidung legitimieren soll. Ganz übel ist es, wenn die kreativen Einfälle der Wettbewerbsteilnehmer hinterher von der Hausagentur umgesetzt werden. Auch bei der Honorierung der für die Agentur häufig sehr kostspieligen Pitches zeigen sich viele Unternehmen zunehmend knauserig oder erwarten sogar Gratis-Präsentationen. Agenturen überlegen also sehr genau, ob sich der Aufwand wirklich lohnt.
Das liebe Geld
Zunehmend ist auch ein gewonnener Pitch kein Garant für den Auftrag: Oft stehen danach noch Preisverhandlungen mit der Einkaufsabteilung des Kunden an. Die interessiert sich meist nur wenig für die erbrachte Leistung, sondern arbeitet ausschließlich preisfixiert und fühlt sich dabei dem Motto verpflichtet „10 % sind immer drin“. Um den notwendigen Etat zu bestimmen, wird von der Agentur ein Ressourcenplan erstellt: Welche Kosten werden für welche Leistungen kalkuliert? Diese Aufstellung wird von vielen Kunden erwartet und ist auch für die Agentur selbst wichtig. Schlampereien bei dieser Kalkulation können richtig teuer werden, denn Mehrkosten können normalerweise nicht dem Kunden in Rechnung gestellt werden. Zu teuer werden darf die Agentur aber auch nicht; der Preisdruck in der Branche ist enorm. Es gibt verschiedene Vergütungsmodelle: Entweder wird der tatsächliche Aufwand abgerechnet oder eine Pauschale vereinbart. Häufig sind auch beide Elemente kombiniert.
Kreation, Umsetzung und Kontrolle
Ist der Auftrag endlich da, erhält die Agentur vom Kunden ein so genanntes Briefing. Briefings sind extrem unterschiedlich ausgestaltet. Viele sind so floskelhaft und standardisiert, dass sie der Agentur zu wenig relevante Informationen über die kreative Marschroute liefern. Dann kommt der Planner ins Spiel: Er erarbeitet – in Abstimmung mit dem Unternehmen – den Creative Brief: eine Markenstrategie, eine Kernbotschaft und eine Vision für die Marke. Außerdem müssen natürlich die Zielgruppen genau bestimmt und beschrieben werden; die in Briefings üblichen Beschreibungen wie „Altersgruppe von 16 bis 49“ reichen für eine passgenaue und erfolgreiche Kampagne heutzutage nicht mehr aus. Erst jetzt kommen die Kreativen zum Zug: Sie entwickeln Ideen, die dafür sorgen, dass die Werbebotschaft an die Zielgruppe vermittelt wird und die Kommunikationsziele (Aufmerksamkeit generieren, Emotionen wecken usw.) erreicht werden. Zum Schluss werden die Ideen umgesetzt. Nach zahlreichen Abstimmungsrunden zwischen Kunde und Agentur werden Werbespots produziert, Motive fotografiert und Anzeigen gestaltet; die Kampagne ist fertig und wird der Öffentlichkeit präsentiert.
„Immer wieder treffen sich in der Umsetzungsphase Kunde und Agentur zu Abstimmungsrunden.“
Natürlich macht die Erfolgskontrolle auch vor der Werbung nicht halt: Viele Kampagnen werden schon im Vorfeld getestet (Pre-Tests), andere während der Kampagnenlaufzeit (Tracking) oder danach (Post-Tests). Interessanterweise ist ein erfolgreicher Pre-Test noch lange kein Garant für eine wirksame Kampagne – rund 20 % der vorab negativ bewerteten Kampagnen sind am Markt hinterher trotzdem erfolgreich. Die Erklärung: Besonders Kreatives und damit Ungewohntes wird von den Testpersonen zunächst abgelehnt, setzt sich aber langfristig trotzdem durch.
So kommen Sie rein
Der herkömmliche Werbekaufmann hat ausgedient, die Ausbildung heißt inzwischen: Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation. Doch für die meisten Positionen in den Agenturen reicht diese Ausbildung nicht mehr aus, fast immer ist ein Studium nötig. Der klassische Quereinsteiger (abgebrochenes Studium, Weltreise, Taxifahrer, Agenturkarriere) ist heutzutage kaum noch anzutreffen; von den Bewerbern wird eine qualifizierte Ausbildung erwartet. Der Berufseinstieg nach der Ausbildung ist außerordentlich anstrengend: Viele Absolventen drehen erst einmal zahlreiche Schleifen als schlecht oder gar nicht bezahlte Praktikanten, deren Aufgaben häufig wesentlich langweiliger und unspektakulärer sind als gehofft. Es gibt durchaus namhafte Agenturen, die den größten Teil ihrer Arbeit von ständig wechselnden Halbjahrespraktikanten erledigen lassen und nicht einsehen, für etwas zu bezahlen, das sie auch zum Nulltarif haben können. Es ist schwer, eine Festanstellung zu ergattern, und für die, die es geschafft haben, sind ein enormer Leistungsdruck sowie 70-Stunden-Wochen für kaum mehr als 1800 € nicht unüblich. Danach sind die Karrieremöglichkeiten oft begrenzt, weil viele Agenturen den Mittelbau ersatzlos gestrichen haben.
„Ruhm ist die Währung, in der berühmte Agenturen wie Jung von Matt hauptsächlich bezahlen.“
Trotz dieser wenig glamourösen Arbeitsbedingungen können sich namhafte Agenturen vor Bewerbern kaum retten – es locken Ruhm und Ehre sowie ein großer Name, der als Karriereturbo dienen soll. Allerdings orientieren sich inzwischen gerade die guten Leute um und arbeiten lieber für Unternehmensberatungen oder in den Marketingabteilungen der Unternehmen. Die Branche muss also umdenken, und einige Agenturen haben damit bereits begonnen.