Tradition kommunizieren

Buch Tradition kommunizieren

Das Handbuch der Heritage Communication. Wie Unternehmen ihre Wurzeln und Werte professionell vermitteln

Frankfurter Allgemeine Buch,


Rezension

Ob Lust oder Last: Die Au­seinan­der­set­zung von Unternehmen mit der eigenen Geschichte gehört mit­tler­weile zum Kanon interner und externer Kom­mu­nika­tion­sauf­gaben. In Tradition kom­mu­nizieren werden die un­ter­schiedlichen Funktionen der so genannten Heritage Com­mu­ni­ca­tion vorgestellt und auf wis­senschaftlicher Grundlage analysiert. Entsprechend nüchtern fällt der erste Teil des Buches aus. Dieser bietet vor allem ein Fundament, auf dem sich eine eigene, in­di­vidu­elle Art der Un­ternehmensgeschichtss­chrei­bung entwickeln lässt. Der zweite Teil zeigt zum Glück auch eine Vielzahl prax­is­be­zo­gener Strategien und Methoden auf, mit denen Unternehmen ein lebendiges Bild ihrer Traditionen und Werte vermitteln konnten. Verzichtet wird dabei leider auf Beispiele miss­lun­gener oder fehlgeleit­eter Geschichtsver­mit­tlung. BooksInShort empfiehlt Tradition kom­mu­nizieren als inhaltlich breit gefächertes und kompetent geschriebenes Werk allen PR-Mi­tar­beit­ern, die Un­ternehmensgeschichte pro­fes­sionell aufbereiten möchten.

Take-aways

  • Heritage Com­mu­ni­ca­tion beschäftigt sich mit der Geschichte eines Un­ternehmens und mit dessen Traditionen und Werten.
  • Ziel der Heritage Com­mu­ni­ca­tion ist es, die Herkunft und die Vorstel­lun­gen eines Un­ternehmens einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.
  • Heritage Com­mu­ni­ca­tion kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich an Fakten hält.
  • Heritage Com­mu­ni­ca­tion bedeutet auch, sich den unan­genehmen Seiten der eigenen Ver­gan­gen­heit zu stellen.
  • Zu ihren wichtigsten Methoden gehört das Sto­ry­telling. Dabei werden zentrale Aussagen über das Unternehmen in leicht kon­sum­ier­bare Geschichten verpackt.
  • Ein wichtiges Ziel der Heritage Com­mu­ni­ca­tion ist es, Produkte zu Tra­di­tion­s­marken zu machen.
  • Ob Heritage Com­mu­ni­ca­tion erfolgreich ist oder nur verpufft, lässt sich anhand externer Er­fol­gs­fak­toren kon­trol­lieren.
  • Unternehmen wie Porsche oder Bosch sind Muster­beispiele dafür, wie sich mit Fir­mengeschichte Wertschöpfung betreiben lässt.
  • In einem Unternehmen schafft eine gemeinsam erlebte Geschichte Ver­bun­den­heit und Identität. Nach außen hin schafft Identität Vertrauen.
  • Nutzen Sie die gesamte Bandbreite der Medien, um diese Identität darzustellen.
 

Zusammenfassung

Werte stiften Identität

Das Ziel der Heritage Com­mu­ni­ca­tion ist es, die Wurzeln, das „Erbe“ und das Konzept eines Un­ternehmens einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Die aus den eigenen Wurzeln re­sul­tieren­den Werte können aber nur dann authentisch weit­ergegeben werden, wenn sie vom Unternehmen und seinen Mi­tar­beit­ern vorgelebt und immer wieder in Erinnerung gebracht werden.

„Heritage Com­mu­ni­ca­tion meint die Kom­mu­nika­tion über die Tradition, die Werte, die Herkunft und die Geschichte, kurz: die Wurzeln und das Erbe eines Un­ternehmens bzw. einer Institution oder Or­gan­i­sa­tion.“

Dass Unternehmen ihre Geschichte auf­schreiben, ist zwar kein ganz neues Phänomen, aber derzeit boomt die Un­ternehmensgeschichtss­chrei­bung. Seit dem Ende des 20. Jahrhun­derts wird sie vielerorts sys­tem­a­tisch betrieben, aber sie beschränkt sich immer noch hauptsächlich auf die Publikation in Festschriften und Fir­men­bi­ografien. Dass der Umgang mit der Un­ternehmensgeschichte weitre­ichende politische Folgen haben kann, zeigt die Debatte über die Entschädigung von Zwangsar­beit­ern, die während des Zweiten Weltkriegs in deutschen Unternehmen angestellt waren.

„Die Corporate Com­mu­ni­ca­tion leistet zusammen mit der Heritage Com­mu­ni­ca­tion einen wichtigen Beitrag für die Wertschöpfung und für den Un­ternehmenser­folg.“

Zu den wichtigsten Aufgaben der Heritage Com­mu­ni­ca­tion gehört es, den Unternehmen eine Identität zu verschaffen. Diese sollte auf his­torischen Fakten und tradierten Werten, keinesfalls aber auf Schönfärberei beruhen. Haben Sie die historische Identität her­aus­gear­beitet, dann sollten Sie sie so nachhaltig und dynamisch wie möglich in die Öffentlichkeit trans­portieren. Schließlich entsteht auf diese Weise ein lebendiges Bild des Un­ternehmens. Eine derartige Identität bringt das für Unternehmen so lebenswichtige Vertrauen mit sich. Diese positiven Effekte kommen nur dann in vollem Umfang zum Tragen, wenn Unternehmen die Darstellung ihrer Geschichte nicht einfach an Experten outsourcen. Gle­ichzeitig sollte aber auch keine Triv­i­al­isierung der eigenen Wurzeln betrieben werden.

Identität mit Historie und Werten aufladen

Nimmt man das Corporate Iden­tity-Mod­ell als Grundlage, dann lässt sich die Heritage Com­mu­ni­ca­tion als Prozess von Wertbes­tim­mung und Wert­fix­ierung beschreiben. Tra­di­tions­be­zo­gene Werte werden dann mit aktuellen Werten zu einer Einheit ver­schmolzen, welche die Identität eines Un­ternehmens ausmacht. Entschei­dend ist, dass Sie ein in sich stimmiges Bild Ihres Un­ternehmens vermitteln, und zwar sowohl nach außen als auch nach innen. Dieses Bild kann für die Geschäfts­beziehun­gen wie die Wertschöpfung von entschei­den­der Bedeutung sein – zumindest, wenn es mit Konsequenz und Kontinuität entworfen wurde. Die Einführung einer Tra­di­tionsver­mit­tlung in ein Unternehmen sollte vor allem auf Nach­haltigkeit setzen und nicht etwa von Man­age­men­twech­seln und damit verbundenen Richtungsänderungen abhängen. Der Weg zur Integration führt über fünf Schritte:

  1. Werte­analyse,
  2. Bestimmung von Strategie und Leitlinien,
  3. Ableitung der Kon­se­quen­zen für die Kom­mu­nika­tions- und Per­son­al­strate­gie,
  4. Ausrichtung aller Un­ternehmen­steile auf die ermittelten Werte und Inhalte,
  5. Aufbau einer ein­heitlichen Corporate Identity.

Heritage im Rahmen der strate­gis­chen Kom­mu­nika­tion­s­pla­nung

Präzise Planung ist die Vo­raus­set­zung, um die Kom­mu­nika­tion von Tradition in eine bestehende Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion­sstrate­gie zu integrieren. Dazu müssen Sie zunächst einmal ein paar Fakten zusam­men­tra­gen. Hat im Unternehmen bereits eine Art Tra­di­tion­spflege stattge­fun­den? Was will man damit erreichen? Wie ist die Ausstattung mit Geld, mit Personal? Es folgt eine analytisch und eine strategisch aus­gerichtete Phase, in der Inhalte und Ziele der Heritage Com­mu­ni­ca­tion definiert werden. Schließlich werden ziel­grup­pen­spez­i­fis­che Aktivitäten festgelegt und durchgeführt. Abschließend kon­trol­lieren Sie die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen.

Aus­gestal­tung der Heritage Com­mu­ni­ca­tion

Jede Kom­mu­nika­tion­skul­tur besitzt eine In­ter­essens- und eine Wert­di­men­sion. Die In­ter­essens­di­men­sion orientiert sich vor allem daran, was dem Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Entwicklung nützt. Die Wert­di­men­sion beschreibt das, was das Unternehmen in seinem Inneren ausmacht und es voranbringt. Nur wenn es gelingt, beide Dimensionen zu verbinden, entsteht eine nachhaltige Kom­mu­nika­tion­skul­tur, in der strate­gis­che Kom­mu­nika­tion­sziele mit den tra­di­tionellen Werten eines Un­ternehmens in Einklang gebracht werden.

Web 2.0, Sto­ry­telling und die Effizienz von IKEA

Das Internet ist ein aus­geze­ich­netes Medium für die Darstellung der eigenen Historie und Tradition. Wichtig ist jedoch, dass Sie es nicht nur halbherzig nutzen, sondern es ganz gezielt als Mittel zum Dialog mit dem Benutzer einsetzen. Eine wichtige Methode, um Aufmerk­samkeit auf die eigene Un­ternehmensgeschichte zu lenken, ist das Sto­ry­telling. Die Geschichte muss einen wahren Kern haben und vor allem gut erzählt sein. Ein Beispiel sind die Anekdoten, die über die Sparsamkeit des IKEA-Gründers Ingvar Kamprad kursieren. Sie lassen ihn zunächst abstoßend wirken (Geizkragen!). Tatsächlich aber trans­portieren sie eine ganz andere Botschaft: nämlich die von Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Dass sich auch Wertschöpfung mithilfe der eigenen Ver­gan­gen­heit betreiben lässt, zeigen Unternehmen wie Daimler, Oetker oder Miele. Andere er­fol­gre­iche Unternehmen wie etwa Google oder Yahoo stehen dafür, dass Erfolg keineswegs an Tradition gebunden sein muss. Es geht also auch ohne, nur: Haben Sie eine aussagekräftige Un­ternehmensgeschichte vorzuweisen, so sollten Sie sie unbedingt kom­mu­nizieren. Die größtmögliche Wertschöpfung im Hinblick auf die Heritage Com­mu­ni­ca­tion haben Sie erreicht, wenn Ihr Label zur Tra­di­tion­s­marke geworden ist. Im besten Fall tritt man durch den Kauf einer Marke einer „Gemeinde“ bei (z. B. bei Apple, Harley Davidson oder Ferrari). Die Ergebnisse dieser Art historisch bedingter Wertschöpfung sind dabei durchaus messbar; sie können sowohl anlass- wie auch prozess­be­zo­gen evaluiert werden. Das an­lass­be­zo­gene Event­con­trol­ling drängt sich auf, wenn es eine große Nähe zwischen Ereignis und Ergebnis gibt. Das prozess­be­zo­gene Dauer­con­trol­ling bietet sich dann an, wenn der gewünschte Effekt erst später eintreten wird.

Dynamische Traditionen bei Bosch und Porsche

Bosch und Porsche sind zwei deutsche Tra­di­tion­sun­ternehmen, die demon­stri­eren, wie sich durch ziel­gerichtete Heritage Com­mu­ni­ca­tion Wertschöpfung generieren lässt. Bei Bosch geschieht dies vor allem durch eine permanente Au­seinan­der­set­zung mit der eigenen Geschichte und Tradition. Der sichtbare Einfluss tra­di­tioneller Werte auf die aktuelle Un­ternehmen­spoli­tik ist nach Ansicht von Bosch-Chef Franz Fehrenbach umso wichtiger, je größer und global wirksamer ein Unternehmen ist. Nur mithilfe dieser Au­seinan­der­set­zung lasse sich die Identität des Un­ternehmens erhalten. Beim Au­to­mo­bil­her­steller Porsche wird die eigene Geschichte regelrecht in Szene gesetzt. Es gibt ein her­vor­ra­gend aus­ges­tat­tetes Porsche-Mu­seum. Außerdem ve­r­anstal­tet man Rennen oder Ausstel­lun­gen mit Porsche-Old­timern.

Geschichte schreiben mit Wal und Blumeninsel

Auch für Or­gan­i­sa­tio­nen wird eine nachhaltige Heritage Com­mu­ni­ca­tion immer wichtiger. Ein gutes Beispiel dafür ist Greenpeace. Gerade in der Aus­gestal­tung der eigenen Geschichte, in der Analyse und Speicherung Publicity trächtiger Aktionen wie der Brent-Spar-Kam­pagne oder dem Transport des Finnwals vor die japanische Botschaft in Berlin, hat Greenpeace ganze Arbeit geleistet. Es ist der Umwel­tor­gan­i­sa­tion gelungen, kraftvolle Bilder zu schaffen, die selbst Geschichte geworden sind. Auf der Insel Mainau am Bodensee ist die Pflege der eigenen Tradition ebenfalls von elementarer Bedeutung. Seit 2007 hat Gräfin Bettina Bernadotte dort die Geschäftsführung der Mainau GmbH inne. Die Kom­mu­nika­tion­sstrate­gie, mit der 1,2 Millionen Besucher pro Jahr auf die Insel gelockt werden, orientiert sich an Werten wie Natürlichkeit und Entschle­u­ni­gung. Durch die dauernde Bezugnahme auf die 150-jährige Geschichte wird die Insel Mainau nicht nur als ein Er­hol­ung­sort, sondern auch als historische Stätte dargestellt.

Wie ein Freiburger Student Amerika „erfand“

Ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Umgang mit der eigenen Geschichte bietet das Rote Kreuz in einer Anfang 2004 gestarteten Kampagne. Dabei wurden die noch auf Gründer Henry Dunant zurückgehenden sieben Leitsätze der Or­gan­i­sa­tion mit aussagekräftigen, modernen Bildern gekoppelt. So wurde anlässlich der Fußball-WM 2006 der Leitsatz „Für jeden im Einsatz“ mit einem deutschen Rote-Kreuz-Helfer illustriert, der einem niederländischen Fußballfan das Knie verband. Auf diese Weise verknüpfte man Tradition sinn- und aus­drucksvoll mit zeitgenössischen Themen.

„In der ,Biografie‘ des Un­ternehmens finden sich alle Erfahrungen, Erlebnisse und Ereignisse wieder, die ein Unternehmen zu einer au­then­tis­chen Markenpersönlichkeit mit ,eigener Lebenser­fahrung‘ machen.“

Besonders intensiv hat sich der Chemiekonz­ern BASF mit der eigenen Un­ternehmensgeschichte au­seinan­derge­setzt. Um die fast 140 Jahre währende Fir­men­his­to­rie aufzuar­beiten, wurden vier renommierte Historiker engagiert. Heraus kam ein über 750 Seiten starkes Buch. Gänzlich neu aus­gerichtet hat die Universität Freiburg ihre Heritage Com­mu­ni­ca­tion. So wurde mit dem „Uniseum“ ein Ort geschaffen, an dem über 500 Jahre Universitäts­geschichte plastisch erlebbar werden. Mit Sto­ry­telling – beispiel­sweise anhand der Geschichte, wie ein Freiburger Student den Namen Amerika „erfand“ – betreibt man nachhaltig Werbung für die eigene Institution und deren his­torisches Gewicht. Wolfgang Grupp, Chef des deutschen Tex­tilun­ternehmens Trigema, hält dagegen nichts von Büchern, die ihn selbst oder sein Unternehmen glo­ri­fizieren. Sein Motto lautet „Wir leben vom Meistern der Gegenwart und nicht vom Aufarbeiten der Ver­gan­gen­heit“. Folglich gibt es bei Trigema nur kurze Führungen durch das Werk, in denen – knapp und einprägsam – die Un­ternehmensgeschichte umrissen wird.

Heimat- und Firmengefühle

Auch der Konz­ern-Multi Haniel hat ein eigenes Un­ternehmensmu­seum errichtet. Anlässlich des 250-jährigen Firmenjubiläums wurde neben einer breiten Palette von Ve­r­anstal­tun­gen für Gesellschafter, Mitarbeiter und Gäste sogar die eigene Un­ternehmen­schronik verfilmt. Der Aufwand von 130 Darstellern und die Erstellung von 30 Stunden Rohmaterial zahlten sich aus. Der Film ist nicht nur Werbung in eigener Sache, sondern heimste in den Bereichen Marketing und Kom­mu­nika­tion gleich drei Preise ein, darunter einen für „her­aus­ra­gende Leistungen auf dem Gebiet der Wirtschaft­skom­mu­nika­tion“.

„Ins­beson­dere interaktive Medien gewähren heute einen in­di­vidu­ellen Zugang zur Un­ternehmensgeschichte. Gekoppelt mit nicht­lin­earen In­for­ma­tionsläufen sind vielfältige Möglichkeiten zur Bil­das­sozi­a­tion oder zur Rezeption von Musik.“

Eine weniger aus­ge­fal­l­ene Form der Heritage Com­mun­ci­a­tion betreibt das Land Baden-Württemberg. Mit den alljährlich ve­r­anstal­teten „Heimattagen“ wird die Bindung der Bürger an die eigene Region gezielt gestärkt. Zudem kann sich das Land jeweils an einem anderen Schauplatz präsentieren und damit die Vielschichtigkeit des Begriffs Heimat il­lus­tri­eren. Ein Beispiel für die Aus­gestal­tung einer kurzen, relativ unspektakulären Un­ternehmensgeschichte bietet die 1969 in Darmstadt gegründete Software AG. Unter dem Motto „Where were you when ...?“ wurde die eigene Historie in einen allgemeinen zeit­geschichtlichen Kontext (z. B. die Mondlandung von 1969) eingebunden, so dass Bezüge zwischen der Entwicklung des Un­ternehmens und der Geschichte der Menschheit im Allgemeinen sichtbar werden.

Über die Autorinnen

Heike Bühler ist Professorin für Public Relations im Studiengang Mar­ket­ing-Kom­mu­nika­tion an der Hochschule Pforzheim. Uta-Micaela Dürig ist seit 2004 Leiterin der Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion von Bosch in Stuttgart. Daneben ist sie als Hon­o­rarpro­fes­sorin für In­ter­na­tionale Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion an der University of Management and Com­mu­ni­ca­tion in Potsdam tätig.