Werte stiften Identität
Das Ziel der Heritage Communication ist es, die Wurzeln, das „Erbe“ und das Konzept eines Unternehmens einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Die aus den eigenen Wurzeln resultierenden Werte können aber nur dann authentisch weitergegeben werden, wenn sie vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern vorgelebt und immer wieder in Erinnerung gebracht werden.
„Heritage Communication meint die Kommunikation über die Tradition, die Werte, die Herkunft und die Geschichte, kurz: die Wurzeln und das Erbe eines Unternehmens bzw. einer Institution oder Organisation.“
Dass Unternehmen ihre Geschichte aufschreiben, ist zwar kein ganz neues Phänomen, aber derzeit boomt die Unternehmensgeschichtsschreibung. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts wird sie vielerorts systematisch betrieben, aber sie beschränkt sich immer noch hauptsächlich auf die Publikation in Festschriften und Firmenbiografien. Dass der Umgang mit der Unternehmensgeschichte weitreichende politische Folgen haben kann, zeigt die Debatte über die Entschädigung von Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkriegs in deutschen Unternehmen angestellt waren.
„Die Corporate Communication leistet zusammen mit der Heritage Communication einen wichtigen Beitrag für die Wertschöpfung und für den Unternehmenserfolg.“
Zu den wichtigsten Aufgaben der Heritage Communication gehört es, den Unternehmen eine Identität zu verschaffen. Diese sollte auf historischen Fakten und tradierten Werten, keinesfalls aber auf Schönfärberei beruhen. Haben Sie die historische Identität herausgearbeitet, dann sollten Sie sie so nachhaltig und dynamisch wie möglich in die Öffentlichkeit transportieren. Schließlich entsteht auf diese Weise ein lebendiges Bild des Unternehmens. Eine derartige Identität bringt das für Unternehmen so lebenswichtige Vertrauen mit sich. Diese positiven Effekte kommen nur dann in vollem Umfang zum Tragen, wenn Unternehmen die Darstellung ihrer Geschichte nicht einfach an Experten outsourcen. Gleichzeitig sollte aber auch keine Trivialisierung der eigenen Wurzeln betrieben werden.
Identität mit Historie und Werten aufladen
Nimmt man das Corporate Identity-Modell als Grundlage, dann lässt sich die Heritage Communication als Prozess von Wertbestimmung und Wertfixierung beschreiben. Traditionsbezogene Werte werden dann mit aktuellen Werten zu einer Einheit verschmolzen, welche die Identität eines Unternehmens ausmacht. Entscheidend ist, dass Sie ein in sich stimmiges Bild Ihres Unternehmens vermitteln, und zwar sowohl nach außen als auch nach innen. Dieses Bild kann für die Geschäftsbeziehungen wie die Wertschöpfung von entscheidender Bedeutung sein – zumindest, wenn es mit Konsequenz und Kontinuität entworfen wurde. Die Einführung einer Traditionsvermittlung in ein Unternehmen sollte vor allem auf Nachhaltigkeit setzen und nicht etwa von Managementwechseln und damit verbundenen Richtungsänderungen abhängen. Der Weg zur Integration führt über fünf Schritte:
- Werteanalyse,
- Bestimmung von Strategie und Leitlinien,
- Ableitung der Konsequenzen für die Kommunikations- und Personalstrategie,
- Ausrichtung aller Unternehmensteile auf die ermittelten Werte und Inhalte,
- Aufbau einer einheitlichen Corporate Identity.
Heritage im Rahmen der strategischen Kommunikationsplanung
Präzise Planung ist die Voraussetzung, um die Kommunikation von Tradition in eine bestehende Unternehmenskommunikationsstrategie zu integrieren. Dazu müssen Sie zunächst einmal ein paar Fakten zusammentragen. Hat im Unternehmen bereits eine Art Traditionspflege stattgefunden? Was will man damit erreichen? Wie ist die Ausstattung mit Geld, mit Personal? Es folgt eine analytisch und eine strategisch ausgerichtete Phase, in der Inhalte und Ziele der Heritage Communication definiert werden. Schließlich werden zielgruppenspezifische Aktivitäten festgelegt und durchgeführt. Abschließend kontrollieren Sie die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen.
Ausgestaltung der Heritage Communication
Jede Kommunikationskultur besitzt eine Interessens- und eine Wertdimension. Die Interessensdimension orientiert sich vor allem daran, was dem Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Entwicklung nützt. Die Wertdimension beschreibt das, was das Unternehmen in seinem Inneren ausmacht und es voranbringt. Nur wenn es gelingt, beide Dimensionen zu verbinden, entsteht eine nachhaltige Kommunikationskultur, in der strategische Kommunikationsziele mit den traditionellen Werten eines Unternehmens in Einklang gebracht werden.
Web 2.0, Storytelling und die Effizienz von IKEA
Das Internet ist ein ausgezeichnetes Medium für die Darstellung der eigenen Historie und Tradition. Wichtig ist jedoch, dass Sie es nicht nur halbherzig nutzen, sondern es ganz gezielt als Mittel zum Dialog mit dem Benutzer einsetzen. Eine wichtige Methode, um Aufmerksamkeit auf die eigene Unternehmensgeschichte zu lenken, ist das Storytelling. Die Geschichte muss einen wahren Kern haben und vor allem gut erzählt sein. Ein Beispiel sind die Anekdoten, die über die Sparsamkeit des IKEA-Gründers Ingvar Kamprad kursieren. Sie lassen ihn zunächst abstoßend wirken (Geizkragen!). Tatsächlich aber transportieren sie eine ganz andere Botschaft: nämlich die von Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Dass sich auch Wertschöpfung mithilfe der eigenen Vergangenheit betreiben lässt, zeigen Unternehmen wie Daimler, Oetker oder Miele. Andere erfolgreiche Unternehmen wie etwa Google oder Yahoo stehen dafür, dass Erfolg keineswegs an Tradition gebunden sein muss. Es geht also auch ohne, nur: Haben Sie eine aussagekräftige Unternehmensgeschichte vorzuweisen, so sollten Sie sie unbedingt kommunizieren. Die größtmögliche Wertschöpfung im Hinblick auf die Heritage Communication haben Sie erreicht, wenn Ihr Label zur Traditionsmarke geworden ist. Im besten Fall tritt man durch den Kauf einer Marke einer „Gemeinde“ bei (z. B. bei Apple, Harley Davidson oder Ferrari). Die Ergebnisse dieser Art historisch bedingter Wertschöpfung sind dabei durchaus messbar; sie können sowohl anlass- wie auch prozessbezogen evaluiert werden. Das anlassbezogene Eventcontrolling drängt sich auf, wenn es eine große Nähe zwischen Ereignis und Ergebnis gibt. Das prozessbezogene Dauercontrolling bietet sich dann an, wenn der gewünschte Effekt erst später eintreten wird.
Dynamische Traditionen bei Bosch und Porsche
Bosch und Porsche sind zwei deutsche Traditionsunternehmen, die demonstrieren, wie sich durch zielgerichtete Heritage Communication Wertschöpfung generieren lässt. Bei Bosch geschieht dies vor allem durch eine permanente Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und Tradition. Der sichtbare Einfluss traditioneller Werte auf die aktuelle Unternehmenspolitik ist nach Ansicht von Bosch-Chef Franz Fehrenbach umso wichtiger, je größer und global wirksamer ein Unternehmen ist. Nur mithilfe dieser Auseinandersetzung lasse sich die Identität des Unternehmens erhalten. Beim Automobilhersteller Porsche wird die eigene Geschichte regelrecht in Szene gesetzt. Es gibt ein hervorragend ausgestattetes Porsche-Museum. Außerdem veranstaltet man Rennen oder Ausstellungen mit Porsche-Oldtimern.
Geschichte schreiben mit Wal und Blumeninsel
Auch für Organisationen wird eine nachhaltige Heritage Communication immer wichtiger. Ein gutes Beispiel dafür ist Greenpeace. Gerade in der Ausgestaltung der eigenen Geschichte, in der Analyse und Speicherung Publicity trächtiger Aktionen wie der Brent-Spar-Kampagne oder dem Transport des Finnwals vor die japanische Botschaft in Berlin, hat Greenpeace ganze Arbeit geleistet. Es ist der Umweltorganisation gelungen, kraftvolle Bilder zu schaffen, die selbst Geschichte geworden sind. Auf der Insel Mainau am Bodensee ist die Pflege der eigenen Tradition ebenfalls von elementarer Bedeutung. Seit 2007 hat Gräfin Bettina Bernadotte dort die Geschäftsführung der Mainau GmbH inne. Die Kommunikationsstrategie, mit der 1,2 Millionen Besucher pro Jahr auf die Insel gelockt werden, orientiert sich an Werten wie Natürlichkeit und Entschleunigung. Durch die dauernde Bezugnahme auf die 150-jährige Geschichte wird die Insel Mainau nicht nur als ein Erholungsort, sondern auch als historische Stätte dargestellt.
Wie ein Freiburger Student Amerika „erfand“
Ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Umgang mit der eigenen Geschichte bietet das Rote Kreuz in einer Anfang 2004 gestarteten Kampagne. Dabei wurden die noch auf Gründer Henry Dunant zurückgehenden sieben Leitsätze der Organisation mit aussagekräftigen, modernen Bildern gekoppelt. So wurde anlässlich der Fußball-WM 2006 der Leitsatz „Für jeden im Einsatz“ mit einem deutschen Rote-Kreuz-Helfer illustriert, der einem niederländischen Fußballfan das Knie verband. Auf diese Weise verknüpfte man Tradition sinn- und ausdrucksvoll mit zeitgenössischen Themen.
„In der ,Biografie‘ des Unternehmens finden sich alle Erfahrungen, Erlebnisse und Ereignisse wieder, die ein Unternehmen zu einer authentischen Markenpersönlichkeit mit ,eigener Lebenserfahrung‘ machen.“
Besonders intensiv hat sich der Chemiekonzern BASF mit der eigenen Unternehmensgeschichte auseinandergesetzt. Um die fast 140 Jahre währende Firmenhistorie aufzuarbeiten, wurden vier renommierte Historiker engagiert. Heraus kam ein über 750 Seiten starkes Buch. Gänzlich neu ausgerichtet hat die Universität Freiburg ihre Heritage Communication. So wurde mit dem „Uniseum“ ein Ort geschaffen, an dem über 500 Jahre Universitätsgeschichte plastisch erlebbar werden. Mit Storytelling – beispielsweise anhand der Geschichte, wie ein Freiburger Student den Namen Amerika „erfand“ – betreibt man nachhaltig Werbung für die eigene Institution und deren historisches Gewicht. Wolfgang Grupp, Chef des deutschen Textilunternehmens Trigema, hält dagegen nichts von Büchern, die ihn selbst oder sein Unternehmen glorifizieren. Sein Motto lautet „Wir leben vom Meistern der Gegenwart und nicht vom Aufarbeiten der Vergangenheit“. Folglich gibt es bei Trigema nur kurze Führungen durch das Werk, in denen – knapp und einprägsam – die Unternehmensgeschichte umrissen wird.
Heimat- und Firmengefühle
Auch der Konzern-Multi Haniel hat ein eigenes Unternehmensmuseum errichtet. Anlässlich des 250-jährigen Firmenjubiläums wurde neben einer breiten Palette von Veranstaltungen für Gesellschafter, Mitarbeiter und Gäste sogar die eigene Unternehmenschronik verfilmt. Der Aufwand von 130 Darstellern und die Erstellung von 30 Stunden Rohmaterial zahlten sich aus. Der Film ist nicht nur Werbung in eigener Sache, sondern heimste in den Bereichen Marketing und Kommunikation gleich drei Preise ein, darunter einen für „herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Wirtschaftskommunikation“.
„Insbesondere interaktive Medien gewähren heute einen individuellen Zugang zur Unternehmensgeschichte. Gekoppelt mit nichtlinearen Informationsläufen sind vielfältige Möglichkeiten zur Bildassoziation oder zur Rezeption von Musik.“
Eine weniger ausgefallene Form der Heritage Communciation betreibt das Land Baden-Württemberg. Mit den alljährlich veranstalteten „Heimattagen“ wird die Bindung der Bürger an die eigene Region gezielt gestärkt. Zudem kann sich das Land jeweils an einem anderen Schauplatz präsentieren und damit die Vielschichtigkeit des Begriffs Heimat illustrieren. Ein Beispiel für die Ausgestaltung einer kurzen, relativ unspektakulären Unternehmensgeschichte bietet die 1969 in Darmstadt gegründete Software AG. Unter dem Motto „Where were you when ...?“ wurde die eigene Historie in einen allgemeinen zeitgeschichtlichen Kontext (z. B. die Mondlandung von 1969) eingebunden, so dass Bezüge zwischen der Entwicklung des Unternehmens und der Geschichte der Menschheit im Allgemeinen sichtbar werden.