Controlling von immateriellen Vermögenswerten
Die Bedeutung der immateriellen Vermögenswerte für die Unternehmen ist weitgehend unbestritten. Gerade kleinere Firmen verdanken ihre herausragende Marktstellung oft diesen „weichen Faktoren“. Trotzdem konzentriert sich die betriebliche Rechnungslegung immer noch fast ausschließlich auf die materiellen Aspekte des Unternehmens und blendet damit einen wesentlichen Teil der firmenspezifischen Wirklichkeit aus.
„Unternehmensbewertungen zeigen eine zunehmende Differenz zwischen dem Marktwert eines Unternehmens und dem Wert seiner physischen Vermögensgegenstände (dem so genannten Buch- oder Sachwert).“
Der Grund für das Versäumnis ist leicht ausgemacht: Die Methoden zur Erfassung der immateriellen Vermögenswerte gelten als zu kompliziert, zu teuer und nur bedingt aussagefähig. Meistens greift die Unternehmensführung beim Management dieser Werte auf Fingerspitzengefühl, Erfahrung oder Inspiration zurück. Das kann allerdings gefährliche Auswirkungen haben. Da der Wert des immateriellen Kapitals nicht in Heller und Pfennig ausgewiesen werden kann, wird es – beispielsweise bei Investitionen – auch leicht übersehen. Die Folge: Zu wenige oder sogar unterlassene Investitionen ins immaterielle Vermögen führen zu einem realen Verlust, der sich in der Zukunft als verhängnisvoll erweisen könnte.
„Das betriebliche Rechnungswesen gibt ein unvollständiges Bild des Unternehmens, und der Unternehmensführung fehlen Instrumente, um bei betrieblichen Entscheidungen die oft langfristig wirksamen Auswirkungen auf die immateriellen Vermögenswerte systematis
Mit dem Controlling immaterieller Unternehmenswerte können Sie dieser Falle entkommen. Sie müssen jedoch Methoden und Konzepte entwickeln, die diese Aufgabe effizient erledigen können.
Was sind immaterielle Vermögenswerte?
Ein Controlling, das diesen Namen verdient, muss zuallererst die immateriellen Vermögenswerte identifizieren. Dafür ist die folgende Definition hilfreich: Immaterielle Vermögenswerte sind alle nichtphysischen und nichtmonetären Güter, die zukünftig wirtschaftlich genutzt werden können. Wichtig ist vor allem der letzte Halbsatz, denn nicht alles, was in einer Firma immateriell ist, ist deshalb schon ein Vermögenswert.
„Wenn ein Leiter eines Unternehmensbereichs anhand (kurzfristiger) finanzieller Ergebnisgrößen beurteilt wird, ist die Gefahr groß, dass er Investitionen in (langfristig wirksame und wichtige) immaterielle Vermögenswerte vernachlässigt.“
Die immateriellen Vermögenswerte gliedern sich im Wesentlichen in die folgenden drei Bereiche:
- Marktbeziehungen: Dazu zählen die Beziehungen zu Lieferanten im Beschaffungsmarkt, die Stellung auf dem Arbeits- und dem Kapitalmarkt, die Kundenbeziehungen auf dem Absatzmarkt, die Vernetzung mit Partnern, Kooperationen und die Beziehungen zu örtlichen Gruppen und zur Politik.
- Interne Strukturen: Dies sind betriebliche Abläufe, Berichtswesen, Unternehmenskultur, Mitarbeiterqualität (insbesondere Loyalität, Identifikation, Arbeitszufriedenheit), Flexibilität der Organisation und Innovationsfähigkeit.
- Wissen und geistige Produkte: Dieser Bereich umfasst das Wissen über Produktionsabläufe und Produkte, das soziale Wissen (Führungskompetenz) und den Besitz von Marken, Patenten, Geschmacksmustern oder Lizenzen.
Umrechnung von immateriellen in monetäre Werte
Die zentrale Aufgabe des Controllings besteht darin, diese zunächst nicht so leicht fassbaren Werte transparent und somit für das Management steuerbar zu machen. Daher muss es zunächst erkennen, welche dieser Werte im Unternehmen vorhanden sind und welche für den Unternehmenserfolg erst noch aufgebaut oder entwickelt werden müssen. Das Controlling muss außerdem Methoden bereitstellen, die die Vermögenswerte zuverlässig im Blick behalten, damit sie kontrolliert und beeinflusst werden können. Und schließlich sollte es versuchen, den Geldwert der Intangible Assets zu ermitteln. Denn ohne einen Bezug zu einem realen Wert, der in Euro und Cent ausgedrückt werden kann, ist ein fundiertes, Alternativen abwägendes und auch Investitionen tätigendes Management des immateriellen Kapitals im Unternehmen nur schwer durchzusetzen.
„Controlling hat als Teilbereich der Unternehmensführung die Aufgabe, das betriebliche Geschehen durch Informationsversorgung, Planung und Kontrolle zu koordinieren.“
Genau hier liegt jedoch auch der Schwachpunkt des Controllings immaterieller Werte. Es gibt zwar eine Menge Methoden und Verfahren, einzelne Assets zu prüfen (etwa eine Imageanalyse bei Kunden oder Kapitalanlegern), sie bleiben jedoch meist bei qualitativen Interpretationen stehen. Das hat seine Gründe: Wird der Übergang in die materielle Welt zu schnell gewagt, drohen Gefahren wie zu Zeiten der New Economy, als potenzielle Kundenbeziehungen abstrus hoch taxiert wurden und so zu unhaltbaren Unternehmenswerten führten, die an der Börse tatsächlich gehandelt wurden – mit den bekannten katastrophalen Folgen.
„Die Marke als unverwechselbares Kennzeichen für Produkte, Dienstleistungen und das gesamte Unternehmen stellt einen bedeutsamen immateriellen Vermögenswert dar.“
Es geht jedoch auch seriöser: Mithilfe mehrerer Parameter, die Sie aus der realen Kundenkartei gewinnen (u. a. Jahresumsatz, Umsatzrentabilität, Umsatzanteil der Bestands- und der Empfehlungskunden, Kapitalkostensatz), können Sie eine Formel für den Kundenbeziehungswert (KBW) errechnen, der eine relativ realistische, in Geld ausgedrückte Potenzialanalyse der Kunden ergibt.
Soziale Kompetenz
Für die langfristige Existenzsicherung eines Unternehmens ist der systematische Ausbau von sozialer Kompetenz, d. h. die Übernahme von Verantwortung für die sozialen Belange innerhalb und außerhalb des Betriebs, von großer Bedeutung. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen mit einer ausgeprägten Corporate Social Responsibility (CSR) im Schnitt besser am Markt abschneiden als ihre Konkurrenten, die sozialen Themen keine Wichtigkeit beimessen. Ein bekanntes Beispiel ist der Drogeriemarkt-Betreiber Götz W. Werner, der mit seiner anthroposophischen Einstellung eine ausgeprägte, auch von der Öffentlichkeit stark wahrgenommene CSR-Politik betreibt und daraus auch Marketingvorteile zieht. Auf dem Markt der Mitarbeiterrekrutierung macht sich ein Engagement für die Gleichstellung der Frau durch Förderung familienfreundlicher Arbeitsplätze bemerkbar. Beim Kampf um die Talente der Zukunft gewinnt das sozial kompetentere Unternehmen die besseren Leute.
„In manchen Medienunternehmen sind bis zu 70 % der Vermögenswerte immateriell.“
Das Controlling der sozialen Kompetenz unterscheidet drei Ebenen, die analysiert und bearbeitet werden:
- Das Individuum: Der Einzelne, sei es ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft, ist sowohl Träger als auch Ziel der Maßnahmen, die soziale Kompetenz ausbilden sollen. Strategisch gezielte und kontrollierte Weiterbildungsmaßnahmen sind darum die Instrumente des Controllings immaterieller Werte.
- Das Team: Der betriebliche Arbeitsalltag besteht schon seit Langem aus Arbeitsgruppen, Projektteams und kooperativer Arbeit über Hierarchiegrenzen hinweg. Die Aufgabe des Controllings ist es, die Qualität solcher Gruppen, die Fähigkeiten zur Vernetzung und die Ansätze zu einer lernenden Organisation zu erkennen, zu begleiten und auszubauen.
- Das Unternehmen: Es steht einem Betrieb nicht frei, sozial zu sein. Er ist eine soziale Einheit, so oder so, nach innen wie nach außen. Modernes Management und Controlling sehen diese Gegebenheit als Chance der bewussten Gestaltung.
„Eine Grundlage für innovatives Verhalten ist eine innovationsfördernde Unternehmenskultur.“
Das Controlling der Intangible Assets arbeitet die nötigen Informationen und Wirkungsweisen heraus und stellt sie zur Verfügung. Außerdem muss es die Ergebnisse sinnvoll den strategischen Zielen des Unternehmens zuordnen. Dafür gibt es eine Fülle von Instrumenten: Kunden- und Mitarbeiterbefragungen, Sympathie-Erhebungen bei Stakeholdern, Vergleichsstudien mit anderen Unternehmen, aber auch interne personalpolitische oder psychologische Studien, soweit sie objektive Daten liefern. All diese Ergebnisse werden den einzelnen Zielen zugeordnet und durch Kennzahlen ausgedrückt. Eine Systematisierung dieser Kennzahlen und ihre zeitliche Fortschreibung ermöglicht ein Bild über den Stand und die Entwicklung der sozialen Kompetenz, die im Unternehmen anzutreffen ist.
Erfindungen, Designs und Schutzrechte
Für viele Firmen sind sie der eigentliche Gründungsgrund, andere stoßen zufällig auf sie und wieder andere greifen systematisch die Forschungsergebnisse anderer ab: Die Rede ist von Erfindungen, Patenten, Gebrauchsmustern, Design, Geschmacksmustern und Lizenzen. Dies sind verbriefte Schutzrechte, die zu den am deutlichsten erkennbaren immateriellen Werten eines Unternehmens gehören. Trotzdem ist es erstaunlich schwierig, den Wert eines solchen Schutzrechts zu ermitteln. Ein Patent z. B. kann über viele Jahre eine Menge Geld einbringen, läuft aber zwangsläufig irgendwann aus oder wird von der technischen Entwicklung überholt. Dann war das Patent einmal wertvoll, könnte für die Zukunft aber eine Belastung sein. Zum Controlling von Schutzrechten gehört es daher, herauszufinden, welche Rechte sich nicht mehr lohnen, weil sie mehr Gebühren für Patentämter oder Rechtsstreitereien kosten, als sie an Einnahmen bringen.
„Schutzrechte können das Image der Unternehmung steigern oder die Motivation der Mitarbeiter erhöhen, was einen positiven Effekt auf die Ertragsstärke des Unternehmens bewirkt. Dies festzustellen und abzugrenzen ist in der Praxis jedoch kaum möglich.“
Schwieriger ist es, den Wert von Innovationen zu taxieren. Lohnt es sich, ein Patent weltweit anzumelden? Die Kosten sind hoch, man weckt evtl. schlafende Hunde, und die Rechtssicherheit ist bisweilen nicht gegeben oder kann nur mit erheblichem Aufwand eingeklagt werden. Das Controlling von Schutzrechten ist ein Grenzgebiet zwischen Technik, Ökonomie und Jura. Hier stellen sich z. B. Fragen wie diese: Weiß der Marketingmitarbeiter, dass ein Patent nicht mehr angemeldet werden kann, wenn die Firma das neue Produkt schon vorher auf einer Messe präsentiert hat? Oder: Sind sich die Beteiligten darüber im Klaren, dass es satte Geldstrafen hageln kann, wenn die Erfindung eines Mitarbeiters als Firmenerfindung eingetragen wird? Neben den juristischen Fallstricken muss das Controlling auch die Marktbedingungen im Auge behalten. Außerdem gilt es, den Innovationsprozess lebendig zu halten und im Unternehmen dauerhaft zu implantieren.
Marken
Das bekannteste Schutzrecht ist die Marke. Gleichzeitig ist sie viel mehr als ein bloßes Schutzrecht: Sie ist eher einem ökonomischen Organismus oder einer Persönlichkeit vergleichbar. Die Marke kann sich in Familien, Ober- und Untermarken teilen, Abkömmlinge zeugen, eines plötzlichen Todes sterben oder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die wirtschaftliche Bedeutung von Marken ist so enorm, dass über ihren Wert kein Zweifel herrscht. Die Methoden zur Wertberechnung sind mittlerweile sehr vielfältig geworden. „Eine Marke, 30 Modelle zur Wertberechnung, 30 verschiedene Ergebnisse“, so ein Bonmot aus der Marketingwelt. Für das Controlling ist daher die monetäre Bewertung einer Marke nicht das vorherrschende Ziel, vielmehr sollte es zur Absicherung qualitativer Merkmale beitragen.
Rechte und Lizenzen in der Medienindustrie
In der Medienindustrie ist die monetäre Bewertung von Rechten und Lizenzen meistens kein Problem. Was die Lizenzen wert sind, steht in den Büchern – nämlich das, was sie kosten oder gekostet haben. Das kann zu enormen Gewinnen führen, wenn die Lizenz billig war, der Ertrag aber riesig ist. Nicht selten müssen auch Abschreibungen in großem Ausmaß getätigt werden, nämlich dann, wenn sich der Verlags- oder Filmmanager beim Kauf eines Stoffes getäuscht hat. Daher ist das Controlling der immateriellen Werte gefordert, eine möglichst rationale Einschätzung des gehandelten Rechts oder der zum Kauf stehenden Lizenz vorzunehmen.
Prof. Dr. Jürgen Bischof lehrt Controlling an der Hochschule Aalen im Studiengang Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen. Prof. Dr. Frederic Fredersdorf leitet den Diplomstudiengang Sozialarbeit und den Forschungsschwerpunkt Gesellschaftliche und sozialwirtschaftliche Entwicklung an der Fachhochschule Vorarlberg.