Controlling immaterieller Vermögenswerte

Buch Controlling immaterieller Vermögenswerte

Intangible Assets erkennen, bewerten und steuern

Symposion,


Rezension

Controlling hat immer noch den Ruf, reine Zahlen­schus­terei zu sein; dabei ist es im modernen Wirtschaft­sleben deutlich mehr. Das zeigt dieses Buch aufs An­schaulich­ste. Die Pointe dabei ist allerdings iro­nis­cher­weise, dass das Controlling der so genannten „Intangible Assets“ es sich als Tugend anrechnet, dort wieder harte Zahlen ins Spiel zu bringen, wo sie ursprünglich nicht zu Hause sind. Die Autoren zeigen aber auch, dass das nicht immer sinnvoll ist. Die Beiträge des Sammelbands un­ter­schei­den sich in Tiefe und Breite der Erörterung. Einigen Aufsätzen merkt man deutlich den sem­i­nar­is­tis­chen Hintergrund an. Das kann gerade für Neulinge auf dem Gebiet von Vorteil sein, für andere ist das „Im­mer-wieder-bei-Adam-und-Eva-Be­gin­nen“ mitunter ermüdend. BooksInShort meint: Ein brauchbares Lehrbuch für Studierende und Con­trol­ling-Prak­tiker gleichermaßen.

Take-aways

  • Unternehmen zeichnen sich oft durch ihre im­ma­teriellen Vermögenswerte aus – doch die sind schwierig zu messen.
  • Ein Controlling, das nur die physischen und monetären Güter berücksichtigt, blendet einen wesentlichen Teil der Un­ternehmenswirk­lichkeit aus.
  • Wer das in­tellek­tuelle Kapital seines Un­ternehmens vernachlässigt, gefährdet dessen Zukunft.
  • Das im­ma­terielle Vermögen eines Un­ternehmens zeigt sich in den Mark­t­beziehun­gen, den inneren Strukturen und im Besitz von Wissen und Schutzrechten.
  • Das Controlling muss diese Werte iden­ti­fizieren, monetär beziffern und steuern.
  • Eine fahrlässige Überbe­w­er­tung im­ma­terieller Vermögenswerte kann schlimme Folgen haben – siehe New Economy.
  • Die erste Aufgabe des Con­trol­lings von Schutzrechten ist es, die nicht mehr benötigten auszu­sortieren.
  • Das Management von Patenten, Geschmacksmustern etc. ist eine in­ter­diszi­plinäre Aufgabe von Ökonomen, Juristen und Technikern.
  • Das Marken­con­trol­ling darf sich nicht im Quan­ti­ta­tiven erschöpfen, sondern muss qualitative Kennzahlen erarbeiten.
  • In der Me­di­enin­dus­trie spielen Lizenzen eine zentrale Rolle, die monetäre Bewertung ergibt sich durch den Handel von selbst.
 

Zusammenfassung

Controlling von im­ma­teriellen Vermögenswerten

Die Bedeutung der im­ma­teriellen Vermögenswerte für die Unternehmen ist weitgehend unbe­strit­ten. Gerade kleinere Firmen verdanken ihre her­aus­ra­gende Mark­t­stel­lung oft diesen „weichen Faktoren“. Trotzdem konzen­tri­ert sich die be­triebliche Rech­nungsle­gung immer noch fast ausschließlich auf die materiellen Aspekte des Un­ternehmens und blendet damit einen wesentlichen Teil der fir­men­spez­i­fis­chen Wirk­lichkeit aus.

„Un­ternehmens­be­w­er­tun­gen zeigen eine zunehmende Differenz zwischen dem Marktwert eines Un­ternehmens und dem Wert seiner physischen Vermögensgegenstände (dem so genannten Buch- oder Sachwert).“

Der Grund für das Versäumnis ist leicht ausgemacht: Die Methoden zur Erfassung der im­ma­teriellen Vermögenswerte gelten als zu kompliziert, zu teuer und nur bedingt aussagefähig. Meistens greift die Un­ternehmensführung beim Management dieser Werte auf Fin­ger­spitzengefühl, Erfahrung oder Inspiration zurück. Das kann allerdings gefährliche Auswirkun­gen haben. Da der Wert des im­ma­teriellen Kapitals nicht in Heller und Pfennig ausgewiesen werden kann, wird es – beispiel­sweise bei In­vesti­tio­nen – auch leicht übersehen. Die Folge: Zu wenige oder sogar un­ter­lassene In­vesti­tio­nen ins im­ma­terielle Vermögen führen zu einem realen Verlust, der sich in der Zukunft als verhängnisvoll erweisen könnte.

„Das be­triebliche Rech­nungswe­sen gibt ein unvollständiges Bild des Un­ternehmens, und der Un­ternehmensführung fehlen Instrumente, um bei be­trieblichen Entschei­dun­gen die oft langfristig wirksamen Auswirkun­gen auf die im­ma­teriellen Vermögenswerte systematis

Mit dem Controlling im­ma­terieller Un­ternehmenswerte können Sie dieser Falle entkommen. Sie müssen jedoch Methoden und Konzepte entwickeln, die diese Aufgabe effizient erledigen können.

Was sind im­ma­terielle Vermögenswerte?

Ein Controlling, das diesen Namen verdient, muss zuallererst die im­ma­teriellen Vermögenswerte iden­ti­fizieren. Dafür ist die folgende Definition hilfreich: Im­ma­terielle Vermögenswerte sind alle nicht­ph­ysis­chen und nichtmonetären Güter, die zukünftig wirtschaftlich genutzt werden können. Wichtig ist vor allem der letzte Halbsatz, denn nicht alles, was in einer Firma immateriell ist, ist deshalb schon ein Vermögenswert.

„Wenn ein Leiter eines Un­ternehmens­bere­ichs anhand (kurzfristiger) fi­nanzieller Ergebnisgrößen beurteilt wird, ist die Gefahr groß, dass er In­vesti­tio­nen in (langfristig wirksame und wichtige) im­ma­terielle Vermögenswerte vernachlässigt.“

Die im­ma­teriellen Vermögenswerte gliedern sich im Wesentlichen in die folgenden drei Bereiche:

  1. Mark­t­beziehun­gen: Dazu zählen die Beziehungen zu Lieferanten im Beschaf­fungs­markt, die Stellung auf dem Arbeits- und dem Kap­i­tal­markt, die Kun­den­beziehun­gen auf dem Absatzmarkt, die Vernetzung mit Partnern, Ko­op­er­a­tio­nen und die Beziehungen zu örtlichen Gruppen und zur Politik.
  2. Interne Strukturen: Dies sind be­triebliche Abläufe, Berichtswe­sen, Un­ternehmen­skul­tur, Mi­tar­beit­erqualität (ins­beson­dere Loyalität, Iden­ti­fika­tion, Ar­beit­szufrieden­heit), Flexibilität der Or­gan­i­sa­tion und In­no­va­tionsfähigkeit.
  3. Wissen und geistige Produkte: Dieser Bereich umfasst das Wissen über Pro­duk­tion­s­abläufe und Produkte, das soziale Wissen (Führungskom­pe­tenz) und den Besitz von Marken, Patenten, Geschmacksmustern oder Lizenzen.

Umrechnung von im­ma­teriellen in monetäre Werte

Die zentrale Aufgabe des Con­trol­lings besteht darin, diese zunächst nicht so leicht fassbaren Werte transparent und somit für das Management steuerbar zu machen. Daher muss es zunächst erkennen, welche dieser Werte im Unternehmen vorhanden sind und welche für den Un­ternehmenser­folg erst noch aufgebaut oder entwickelt werden müssen. Das Controlling muss außerdem Methoden bere­it­stellen, die die Vermögenswerte zuverlässig im Blick behalten, damit sie kon­trol­liert und beeinflusst werden können. Und schließlich sollte es versuchen, den Geldwert der Intangible Assets zu ermitteln. Denn ohne einen Bezug zu einem realen Wert, der in Euro und Cent ausgedrückt werden kann, ist ein fundiertes, Al­ter­na­tiven abwägendes und auch In­vesti­tio­nen tätigendes Management des im­ma­teriellen Kapitals im Unternehmen nur schwer durchzuset­zen.

„Controlling hat als Teilbereich der Un­ternehmensführung die Aufgabe, das be­triebliche Geschehen durch In­for­ma­tionsver­sorgung, Planung und Kontrolle zu ko­or­dinieren.“

Genau hier liegt jedoch auch der Schwach­punkt des Con­trol­lings im­ma­terieller Werte. Es gibt zwar eine Menge Methoden und Verfahren, einzelne Assets zu prüfen (etwa eine Im­age­analyse bei Kunden oder Kap­i­ta­lan­legern), sie bleiben jedoch meist bei qual­i­ta­tiven In­ter­pre­ta­tio­nen stehen. Das hat seine Gründe: Wird der Übergang in die materielle Welt zu schnell gewagt, drohen Gefahren wie zu Zeiten der New Economy, als potenzielle Kun­den­beziehun­gen abstrus hoch taxiert wurden und so zu unhaltbaren Un­ternehmenswerten führten, die an der Börse tatsächlich gehandelt wurden – mit den bekannten katas­trophalen Folgen.

„Die Marke als un­ver­wech­sel­bares Kennzeichen für Produkte, Di­en­stleis­tun­gen und das gesamte Unternehmen stellt einen bedeutsamen im­ma­teriellen Vermögenswert dar.“

Es geht jedoch auch seriöser: Mithilfe mehrerer Parameter, die Sie aus der realen Kun­denkartei gewinnen (u. a. Jahre­sum­satz, Um­satzrentabilität, Um­satzan­teil der Bestands- und der Empfehlungskun­den, Kap­italkosten­satz), können Sie eine Formel für den Kun­den­beziehungswert (KBW) errechnen, der eine relativ re­al­is­tis­che, in Geld ausgedrückte Poten­zial­analyse der Kunden ergibt.

Soziale Kompetenz

Für die langfristige Ex­is­ten­zsicherung eines Un­ternehmens ist der sys­tem­a­tis­che Ausbau von sozialer Kompetenz, d. h. die Übernahme von Ve­r­ant­wor­tung für die sozialen Belange innerhalb und außerhalb des Betriebs, von großer Bedeutung. Un­ter­suchun­gen zeigen, dass Unternehmen mit einer ausgeprägten Corporate Social Re­spon­si­bil­ity (CSR) im Schnitt besser am Markt abschneiden als ihre Konkur­renten, die sozialen Themen keine Wichtigkeit beimessen. Ein bekanntes Beispiel ist der Drogeriemarkt-Be­treiber Götz W. Werner, der mit seiner an­thro­posophis­chen Einstellung eine ausgeprägte, auch von der Öffentlichkeit stark wahrgenommene CSR-Politik betreibt und daraus auch Mar­ket­ingvorteile zieht. Auf dem Markt der Mi­tar­beit­er­rekru­tierung macht sich ein Engagement für die Gle­ich­stel­lung der Frau durch Förderung fam­i­lien­fre­undlicher Arbeitsplätze bemerkbar. Beim Kampf um die Talente der Zukunft gewinnt das sozial kom­pe­ten­tere Unternehmen die besseren Leute.

„In manchen Me­di­enun­ternehmen sind bis zu 70 % der Vermögenswerte immateriell.“

Das Controlling der sozialen Kompetenz un­ter­schei­det drei Ebenen, die analysiert und bearbeitet werden:

  1. Das Individuum: Der Einzelne, sei es ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft, ist sowohl Träger als auch Ziel der Maßnahmen, die soziale Kompetenz ausbilden sollen. Strategisch gezielte und kon­trol­lierte Weit­er­bil­dungsmaßnahmen sind darum die Instrumente des Con­trol­lings im­ma­terieller Werte.
  2. Das Team: Der be­triebliche Ar­beit­sall­tag besteht schon seit Langem aus Ar­beits­grup­pen, Pro­jek­t­teams und ko­op­er­a­tiver Arbeit über Hi­er­ar­chiegren­zen hinweg. Die Aufgabe des Con­trol­lings ist es, die Qualität solcher Gruppen, die Fähigkeiten zur Vernetzung und die Ansätze zu einer lernenden Or­gan­i­sa­tion zu erkennen, zu begleiten und auszubauen.
  3. Das Unternehmen: Es steht einem Betrieb nicht frei, sozial zu sein. Er ist eine soziale Einheit, so oder so, nach innen wie nach außen. Modernes Management und Controlling sehen diese Gegebenheit als Chance der bewussten Gestaltung.
„Eine Grundlage für innovatives Verhalten ist eine in­no­va­tionsfördernde Un­ternehmen­skul­tur.“

Das Controlling der Intangible Assets arbeitet die nötigen In­for­ma­tio­nen und Wirkungsweisen heraus und stellt sie zur Verfügung. Außerdem muss es die Ergebnisse sinnvoll den strate­gis­chen Zielen des Un­ternehmens zuordnen. Dafür gibt es eine Fülle von In­stru­menten: Kunden- und Mi­tar­beit­er­be­fra­gun­gen, Sym­pa­thie-Er­he­bun­gen bei Stake­hold­ern, Ver­gle­ichsstu­dien mit anderen Unternehmen, aber auch interne per­son­alpoli­tis­che oder psy­chol­o­gis­che Studien, soweit sie objektive Daten liefern. All diese Ergebnisse werden den einzelnen Zielen zugeordnet und durch Kennzahlen ausgedrückt. Eine Sys­tem­a­tisierung dieser Kennzahlen und ihre zeitliche Fortschrei­bung ermöglicht ein Bild über den Stand und die Entwicklung der sozialen Kompetenz, die im Unternehmen anzutreffen ist.

Erfindungen, Designs und Schutzrechte

Für viele Firmen sind sie der eigentliche Gründungsgrund, andere stoßen zufällig auf sie und wieder andere greifen sys­tem­a­tisch die Forschungsergeb­nisse anderer ab: Die Rede ist von Erfindungen, Patenten, Ge­brauchsmustern, Design, Geschmacksmustern und Lizenzen. Dies sind verbriefte Schutzrechte, die zu den am deut­lich­sten erkennbaren im­ma­teriellen Werten eines Un­ternehmens gehören. Trotzdem ist es erstaunlich schwierig, den Wert eines solchen Schutzrechts zu ermitteln. Ein Patent z. B. kann über viele Jahre eine Menge Geld einbringen, läuft aber zwangsläufig irgendwann aus oder wird von der technischen Entwicklung überholt. Dann war das Patent einmal wertvoll, könnte für die Zukunft aber eine Belastung sein. Zum Controlling von Schutzrechten gehört es daher, her­auszufinden, welche Rechte sich nicht mehr lohnen, weil sie mehr Gebühren für Patentämter oder Rechtsstre­it­ereien kosten, als sie an Einnahmen bringen.

„Schutzrechte können das Image der Un­ternehmung steigern oder die Motivation der Mitarbeiter erhöhen, was einen positiven Effekt auf die Ertragsstärke des Un­ternehmens bewirkt. Dies festzustellen und abzugrenzen ist in der Praxis jedoch kaum möglich.“

Schwieriger ist es, den Wert von In­no­va­tio­nen zu taxieren. Lohnt es sich, ein Patent weltweit anzumelden? Die Kosten sind hoch, man weckt evtl. schlafende Hunde, und die Rechtssicher­heit ist bisweilen nicht gegeben oder kann nur mit erheblichem Aufwand eingeklagt werden. Das Controlling von Schutzrechten ist ein Grenzgebiet zwischen Technik, Ökonomie und Jura. Hier stellen sich z. B. Fragen wie diese: Weiß der Mar­ket­ing­mi­tar­beiter, dass ein Patent nicht mehr angemeldet werden kann, wenn die Firma das neue Produkt schon vorher auf einer Messe präsentiert hat? Oder: Sind sich die Beteiligten darüber im Klaren, dass es satte Geldstrafen hageln kann, wenn die Erfindung eines Mi­tar­beit­ers als Firmen­erfind­ung eingetragen wird? Neben den ju­ris­tis­chen Fall­stricken muss das Controlling auch die Mark­tbe­din­gun­gen im Auge behalten. Außerdem gilt es, den In­no­va­tion­sprozess lebendig zu halten und im Unternehmen dauerhaft zu im­plantieren.

Marken

Das bekannteste Schutzrecht ist die Marke. Gle­ichzeitig ist sie viel mehr als ein bloßes Schutzrecht: Sie ist eher einem ökonomischen Organismus oder einer Persönlichkeit ver­gle­ich­bar. Die Marke kann sich in Familien, Ober- und Untermarken teilen, Abkömmlinge zeugen, eines plötzlichen Todes sterben oder in der Be­deu­tungslosigkeit ver­schwinden. Die wirtschaftliche Bedeutung von Marken ist so enorm, dass über ihren Wert kein Zweifel herrscht. Die Methoden zur Wert­berech­nung sind mit­tler­weile sehr vielfältig geworden. „Eine Marke, 30 Modelle zur Wert­berech­nung, 30 ver­schiedene Ergebnisse“, so ein Bonmot aus der Mar­ket­ing­welt. Für das Controlling ist daher die monetäre Bewertung einer Marke nicht das vorherrschende Ziel, vielmehr sollte es zur Absicherung qual­i­ta­tiver Merkmale beitragen.

Rechte und Lizenzen in der Me­di­enin­dus­trie

In der Me­di­enin­dus­trie ist die monetäre Bewertung von Rechten und Lizenzen meistens kein Problem. Was die Lizenzen wert sind, steht in den Büchern – nämlich das, was sie kosten oder gekostet haben. Das kann zu enormen Gewinnen führen, wenn die Lizenz billig war, der Ertrag aber riesig ist. Nicht selten müssen auch Ab­schrei­bun­gen in großem Ausmaß getätigt werden, nämlich dann, wenn sich der Verlags- oder Filmmanager beim Kauf eines Stoffes getäuscht hat. Daher ist das Controlling der im­ma­teriellen Werte gefordert, eine möglichst rationale Einschätzung des gehandelten Rechts oder der zum Kauf stehenden Lizenz vorzunehmen.

Über die Autoren

Prof. Dr. Jürgen Bischof lehrt Controlling an der Hochschule Aalen im Studiengang Be­trieb­swirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen. Prof. Dr. Frederic Fredersdorf leitet den Diplom­stu­di­en­gang Sozialar­beit und den Forschungss­chw­er­punkt Gesellschaftliche und sozial­wirtschaftliche Entwicklung an der Fach­hochschule Vorarlberg.