Angstfrei im Job

Buch Angstfrei im Job

Überwindung typischer Ängste im Berufsalltag

Cornelsen Scriptor,


Rezension

In Zeiten, in denen Firmen selbst profitable Betriebe schließen, um anderswo noch mehr Kosten zu sparen, braucht es nicht einmal eine lahmende Konjunktur oder eine Finanzkrise, damit Menschen sich um ihren Ar­beit­splatz sorgen. Die Angst vor der Kündigung ist die häufigste Angst im Berufsleben. Während man sich darüber natürlich austauschen kann, sind andere Ängste mehr oder minder tabu. Wer weiß schon, warum Kollegen in Meetings plötzlich verstummen oder Konflikten grundsätzlich aus dem Weg gehen? Hinter diesen Symptomen stecken Ängste, die den beruflichen Erfolg torpedieren können. In Angstfrei im Job arbeiten die Autoren das Themenfeld weit ausholend auf (um die Angst am Ar­beit­splatz geht es erst nach rund der Hälfte des Textes): Woher kommen die Ängste, wie äußern sie sich, welche Folgen haben sie? Umso er­staunlicher, dass die Autoren zum Schluss ein Train­ing­spro­gramm unter dem etwas voll­mundi­gen Titel „In 30 Tagen frei von Angst“ anbieten. Solch übersteigerter Optimismus wirkt beinahe schon wieder beängstigend. BooksInShort empfiehlt das Buch dennoch allen, die sich ihrer Angst stellen wollen, aber auch Führungskräften, die die Angst-Mech­a­nis­men verstehen wollen.

Take-aways

  • Angst ist ein kollektives Problem: Zwei Drittel aller Ar­beit­nehmer tragen ihre Ängste ins Unternehmen.
  • Arbeitgeber, die das ignorieren, werden bestraft durch eine höhere Zahl kranker und un­pro­duk­tiver Mitarbeiter.
  • Ängste lähmen und schränken ein: Ein ängstlicher Mitarbeiter ist kein guter Mitarbeiter.
  • Die größte Angst der Ar­beit­nehmer ist die um den eigenen Ar­beit­splatz.
  • Viele in­di­vidu­elle Ängste sind gesellschaftlich tabuisiert. Das führt dazu, dass sie geleugnet und verdrängt werden.
  • Verdrängen und Vermeiden sind die falschen Strategien: Nur wer sich seinen Ängsten stellt, kann lernen, mit ihnen umzugehen.
  • Auf eine Ist-Analyse folgt die Suche nach einem konkreten Ziel, das innerhalb weniger Tage erreichbar ist.
  • Durch das Erreichen ständig neuer, zuvor angst­be­set­zter Ziele wird die Angst gebändigt.
  • Je offener und ver­trauensvoller der Umgang innerhalb des Un­ternehmens ist, desto weniger Ansatzpunkte haben Ängste.
  • Jedes Unternehmen kann Feed­back-Regeln festlegen, mit deren Hilfe der Austausch erleichtert wird.
 

Zusammenfassung

Angst = Schwäche?

Wir alle haben Angst – und gestehen uns das oft problemlos zu: Vor einem bissigen Hund oder am Rand eines Abgrunds Angst zu haben, ist gesellschaftlich akzeptiert. Doch oft genug heißt es auch „Stell Dich nicht so an“: Wer ungern in ein Flugzeug oder in einen Aufzug steigt, wird nur bedingt auf Verständnis treffen. Die Versuchung liegt nah, solche Ängste zu verdrängen und Situationen zu meiden, in denen sie auftreten können. Doch das ist genau der falsche Weg: Je länger die Angst verdrängt wird, desto stärker wird sie. Ein Teufel­skreis.

„Mit Angst wird häufig Schwäche assoziiert.“

Wir sind tough, haben alles im Griff: So sehen wir uns gern. Den Mut allerdings, unseren Ängsten nicht auszuwe­ichen, haben die wenigsten. Doch gerade diesen Mut brauchen wir. Das fällt vor allem im Beruf schwer. Häufig wird die Gleichung „Angst = Schwäche“ aufgestellt. Wer seine Ängste zugibt, läuft Gefahr, an Respekt zu verlieren. Neue Ängste tauchen auf: z. B. die, statt auf der Beförderungsliste plötzlich auf der Ab­schus­sliste zu stehen.

Das Barometer der Angst

Um Ihre Ängste kennen zu lernen und sie in den Griff zu bekommen, müssen Sie sich auf sie einlassen und her­aus­finden, woher sie kommen und wofür sie stehen. Der erste Schritt auf diesem Weg ist die Ist-Analyse. Legen Sie zu diesem Zweck ein persönliches Angst­barom­e­ter an, das von „angstfrei“ bis „Panik“ reicht. Darauf markieren Sie jeden Tag mit einem Stift oder Klebepunkt, wie ängstlich Sie heute sind. Bereits nach ein oder zwei Wochen lässt sich so das Ausmaß der Angst ziemlich genau bestimmen – das ist wesentlich genauer als die subjektive Erinnerung.

„Existenzängste sind die häufigsten Ängste in deutschen Büros.“

Ihr nächster Schritt ist ein Angst­tage­buch. Darin beschreiben Sie, wann, wo und weshalb die Angst auftritt. Halten Sie Datum, Situation, körperliche Angstreak­tion und Verhalten fest. So gewinnen Sie im Lauf der Wochen einen Überblick über Art und Ausmaß Ihrer Ängste. Am einfachsten festzu­machen sind spezielle Phobien (z. B. Angst vor Spinnen, Höhenangst); sie führen bei den Betroffenen dazu, dass sie bestimmte Situationen vermeiden. Die Angst, von anderen Menschen beobachtet und negativ bewertet zu werden, führt zu sozialen Phobien – ein echter Kar­ri­erekiller. Generell gilt: Reden hilft. Wer über seine Ängste reden kann und Zuhörer findet, ist nicht so allein.

Angst bei Ar­beit­nehmern

Arbeitgeber sind schlecht beraten, diese Probleme als „Privatsache“ abzutun. Denn Angststörungen treiben den Kranken­stand hoch, und nicht nur das: Selbst wenn sie anwesend sind, zeigen sich solche Mitarbeiter weniger ein­satzbereit als andere und ver­schlechtern das Be­trieb­sklima. Sie vermitteln Kunden dadurch indirekt, dass es um die Stimmung bei diesem Arbeitgeber nicht zum Besten stehen kann. All das fällt auf das Unternehmen zurück.

„Angst ist ein Energieräuber. Höchstleis­tun­gen sind da fast aus­geschlossen, Min­der­leis­tun­gen eher wahrschein­lich.“

Angst ist kein Randthema. Umfragen zeigen, dass rund zwei Drittel der Mitarbeiter Angst haben – vor Kündigung, vor ihrem Chef, vor einem überfordern­den Ar­beit­spen­sum. Jeder zweite Unternehmer oder Selbstständige ängstigt sich vor der wirtschaftlichen Zukunft. Ein Drittel der Manager sorgt sich um die Zukunft ihres Ar­beit­ge­bers. Angst ist weit verbreitet im Berufsleben. Nur an einem angemesse­nen Umgang mit ihr hapert es. Nicht einmal jedes zehnte Unternehmen in Deutschland setzt sich mit der Problematik auseinander.

„Wer seine Angst in den Griff bekommen möchte, muss diese zunächst genau kennen lernen.“

Zu den häufigsten Ängsten im Ar­beit­sleben zählen die Ängste vor be­trieb­s­be­d­ingter und selbst ver­schulde­ter Kündigung. Die Angst vor Entlassung ist – zumindest in dieser Massivität – ein neues Phänomen. Für ihr Entstehen sind zum einen Zeit- und befristete Verträge ve­r­ant­wortlich, zum anderen die Erfahrung, dass gute Leistung den Ar­beit­splatz keineswegs garantiert. Arbeitgeber forcieren diese Ängste zusätzlich, um die Zahl der Krankmel­dun­gen zu senken und die Bere­itschaft zu (auch unbezahlten) Überstunden zu erhöhen.

„Angstzustände und De­pres­sio­nen sind bei Menschen, die Arbeit haben, die vierthäufigste Krankheit.“

Wer sich vor einer Kündigung fürchtet, sollte im ersten Schritt die Situation analysieren: Wie steht es um die Firma, sind Ent­las­sun­gen geplant, und wenn ja, in welchem Bereich? Wie zufrieden sind Chefs und Mitarbeiter mit meinen Leistungen? Im nächsten Schritt heißt es: Augen auf! Welche Chancen gibt es – innerhalb und außerhalb der Firma? Es gilt, Einsatz zu zeigen und auf das Geleistete aufmerksam zu machen. Selb­st­be­wusst­sein schadet nie.

„Geholfen werden kann nur dem, der den Mund aufmacht.“

Je größer die persönliche Entschei­dungs­frei­heit ist, desto besser. Je machtloser sich Arbeiter und Angestellte fühlen, desto ausgeprägter sind ihre Ängste. Un­ter­suchun­gen zeigen, dass fehlende zeitliche Flexibilität, un­re­al­is­tis­che Vorgaben, unverständliche Ziele und eine als ungerecht erlebte Behandlung die Ängste der Mitarbeiter schüren.

Angst in den oberen Etagen

Auch Führungskräfte sind keineswegs vor Ängsten gefeit, wenngleich mit steigendem Einfluss der Angstpegel generell sinkt. Häufig müssen Manager ihr Privatleben hin­tanstellen, um den beruflichen An­forderun­gen zu genügen. Gle­ichzeitig kom­pen­sieren sie über ihr Gehalt ihr schlechtes Gewissen, weil die Familie zu kurz kommt. Der Betrieb als Er­satz­fam­i­lie – ein Trick vieler Angestell­ter und Arbeiter – ist für Führungskräfte keine Option. Jeder Chef muss ständig unpopuläre Entschei­dun­gen treffen oder durchsetzen, er wird automatisch zum Einzelkämpfer. Darum sind Treffen außerhalb des Un­ternehmens zum Austausch mit Menschen in ver­gle­ich­baren Positionen beliebt.

„Denken Sie die Worst-Case-Szenar­ien zu Ende, um zu erkennen, dass die Wahrschein­lichkeit sehr gering ist, dass auch nur eine Ihrer Befürchtungen Wirk­lichkeit wird.“

Unternehmer haben ver­gle­ich­bare Existenzängste: Sie sind für alles selbst ve­r­ant­wortlich. Die Vielzahl der Aufgaben führt zu einem immensen Stress- und häufig auch Angstpegel. Wer an Niederlagen und Fehlschlägen lange knabbert, statt mit ständig neuem Elan nach vorne zu schauen, wird irgendwann davon zerfressen.

Regeln für ein angstfreies Klima

Seit Urzeiten reagieren die Menschen auf Angst mit Flucht, Kampf oder Tot-Stellen. Diese Muster sind der Karriere alles andere als förderlich. Die Flucht führt in die Krankheit und zur Kündigung, der Kampf zu erbitterten Diskus­sio­nen mit Kollegen und Chefs (was sich auf das Be­trieb­sklima auswirkt), und Tot-Stellen entspricht dem Dienst nach Vorschrift.

„Nutzen Sie täglich die Gelegenheit, sich Ihrer Angst zu stellen.“

Sich aus diesen Mustern zu befreien, obliegt dem Einzelnen. In den meisten Unternehmen werden Konflikte eher verdrängt als gelöst. Ein Machtwort vom Chef nützt da gar nichts. Wenn Unternehmen sich des Problems annehmen wollen, bedarf es der Offenheit und des Vertrauens zwischen allen Beteiligten. Deshalb sind Chefs gefordert, möglichst transparent zu agieren und in Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen zu zeigen, dass es um die Sache geht, ohne dass im Hintergrund eine drohende Kündigung mitschwingt. Die zehn Chef-Regeln für ein angstfreies Klima lauten:

  1. Behandeln Sie die Mitarbeiter fair und freundlich.
  2. Re­spek­tieren Sie die Mitarbeiter als Menschen.
  3. Lassen Sie den Mi­tar­beit­ern so viel Ve­r­ant­wor­tung wie möglich.
  4. Seien Sie offen für kon­struk­tive Kritik.
  5. Sagen Sie im Gespräch, wie Sie die Leistung des Mi­tar­beit­ers einschätzen.
  6. Verteilen Sie Aufgaben, Lob und Kritik nach einem nachvol­lziehbaren Maßstab.
  7. Führen Sie Protokoll über Ihre Entschei­dun­gen und Ihre Ar­beit­saufträge.
  8. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit tun.
  9. Mitarbeiter müssen die Chance haben, Probleme und Fehler einzugeste­hen.
  10. Chefs auch.
„Lassen Sie nicht zu, dass die Angst Sie beherrscht. Beherrschen Sie die Angst!“

Um einen Austausch zu etablieren, der über „sich mal ordentlich die Meinung sagen“ hinausgeht, müssen Sie Feed­back-Regeln einführen. Die lauten: Vorwürfe vermeiden, sachlich bleiben und Ich-Botschaften senden. Eingehen auf das Gegenüber ist ebenfalls sinnvoll („Sie wirken auf mich momentan ...“). Es geht darum, zu beschreiben und nicht zu bewerten. Wer solch ein Feedback erhält, sollte es annehmen und nicht anfangen, sich zu recht­fer­ti­gen. Diese Form des Austauschs bietet sich nicht nur zwischen Chef und Angestell­tem an, sondern auch als Richtschnur für den Umgang unter Kollegen.

In 30 Tagen angstfrei

Flüchten oder Tot-Stellen hilft nicht, um die eigenen Ängste in den Griff zu bekommen. Der erste Schritt sollte sein, sich die Ängste einzugeste­hen und zu fragen: Was passiert da eigentlich? Wenn falsche Glaubenssätze die Angststörungen auslösen, sollten Sie das Gespräch mit Fachleuten suchen. Um eine über Jahre gewachsene Angststörung zu bewältigen, braucht es Monate, manchmal Jahre. Dabei gilt es, sich den eigenen Ängsten wieder und wieder zu stellen. Aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Hier das Train­ing­spro­gramm, um sich innerhalb von 30 Tagen spürbar von der Last der eigenen Ängste zu erleichtern:

  • Tag 1 bis 3: Holen Sie das Angst­tage­buch hervor, um den Status der Angst festzustellen. Daraus leiten Sie ein positives und konkretes Ziel ab, das Sie zu einem fest­gelegten Zeitpunkt erreichen wollen. Zum Beispiel: „Ich werde beim nächsten Meeting eine Präsentation halten und mich gut dabei fühlen.“
  • Ab Tag 4: Sport oder meditative Techniken wie Yoga oder autogenes Training helfen abzuschal­ten und gelassener zu werden. Gle­ichzeitig erlauben sie, Situationen im Job, die mit Stress verbunden sind, entspannter anzugehen.
  • Ab Tag 6: Die Angst kennen lernen bedeutet, sie sich konkret vorzustellen: Wie fühlt sie sich an, was ist zu schmecken, zu riechen? Gefühle dürfen nicht verdrängt, sondern müssen zugelassen werden. Welche Einschränkungen haben die Ängste zur Folge? Gibt es auch Vorteile? Auch das sollten Sie notieren und re­flek­tieren.
  • Ab Tag 10: „Stopp!“ lautet das Zauberwort, um das Grübeln zu beenden. Nur wer eine angst­be­set­zte Situation nach der anderen angeht und versucht, das Positive daran zu entdecken, wird diesen Kreislauf durch­brechen können. Das Negative wird benannt – und ins Positive gewendet. Erst im Kopf, dann in der Tat.
  • Ab Tag 12: Die Kopfarbeit läuft folgendermaßen ab: Sie spielen jede beängstigende Situation bis an ihr schlimmstes Ende durch. Wer beispiel­sweise Angst vor der Fahrt im Aufzug hat, soll sich die schlimmsten Folgen eines Unfalls in aller Konsequenz vorstellen – und sie dann mit der Realität abgleichen. Wie realistisch ist ein Absturz? Ein Steck­en­bleiben? Erst das Durchdenken bis zum Schluss sorgt dafür, dass sich das Angst­szenario auflösen kann. Daran knüpft die konkrete Handlung an: Stellen Sie sich Orten und/oder Situationen, die Ängste auslösen. Mit dem scheinbar Leichtesten sollten Sie anfangen, vielleicht auch nicht übermäßig lange. Wichtig ist, sich schrit­tweise zu steigern.
  • Ab Tag 28: Es wird Rückschläge geben. Deshalb ist es wichtig, dass Sie nicht ka­pit­ulieren. Damit das nicht passiert, helfen Übungen wie diese: Jeden Tag mit positiven Gedanken beginnen und eine aufrechte Körperhaltung einnehmen. Ähnlich wie das Angst­tage­buch kann Ihnen ein Mut­pro­tokoll helfen, die bisher verbuchten Erfolge nicht zu rel­a­tivieren. Erfolg ist schließlich das Resultat vieler kleiner Schritte.

Über die Autoren

Hans-Michael Klein leitet seit 1993 das Business Training Centre in Essen. Klein hat Philosophie, Psychologie und Kun­st­geschichte studiert. Christian Kolb ist Journalist, Kom­mu­nika­tion­sex­perte und Dozent. Seit vielen Jahren arbeitet er als Referent für politische Stiftungen und ver­schiedene regionale Bil­dungswerke.