Systematisch zu Lösungen führen

Buch Systematisch zu Lösungen führen

Führungskräfte im unternehmenspolitischen Umfeld

vdf Hochschulverlag,


Rezension

„Wenn du sie nicht überzeugen kannst, dann verwirre sie“ – dieser Spruch kommt einem beim Lesen dieses Buches mehrfach in den Sinn. Viele Beispiele und Kommentare des Autors lesen sich zwar durchaus interessant. Doch es ist auch ein wahrer Par­forceritt durch nahezu alle his­torischen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen der Welt. Den direkten Zusam­men­hang mit dem Titel des Buchs, ein Fazit oder handfeste Anleitungen für die Führung­spraxis sucht man vergeblich. Der Titel Sys­tem­a­tisch zu Lösungen führen leitet hier eher in die Irre. Zwar braucht es zum Führen umfassendes Wissen über Konflikte, Grup­pen­dy­namik, Umgang mit Macht, Mobbing, historische En­twick­lun­gen usw. Aber ohne roten Faden und erläuternde Worte, die die Verbindung zwischen den disparaten Ausführungen schaffen, fragt man sich doch häufiger: „Was will uns der Autor damit sagen?“ Empfehlenswert ist das Buch nach Meinung von BooksInShort allenfalls für Ingenieure und Natur­wis­senschaftler, die das soziale und politische Umfeld, das eine Führungskraft umgibt, besser verstehen wollen.

Take-aways

  • Eine Führungskraft muss jenseits der Führung­spraxis Kenntnisse in vielen weiteren gesellschaftlichen Wis­sens­ge­bi­eten haben.
  • Wenn Sie ein neues Team schaffen, geben Sie ihm am besten zuerst eine „Dummy-Auf­gabe“, durch die sich die Hackordnung festlegen wird.
  • Keine Führungspo­si­tion ohne Macht – wichtig ist es, ve­r­ant­wor­tungsvoll mit ihr umgehen.
  • Wer einmal Macht erlangt hat, wird sich immer bemühen, sie zu sichern.
  • Als Führungskraft sollten Sie die Strategeme (Kniffe) der Chinesen kennen und falls nötig einsetzen.
  • Mitarbeiter wollen geführt werden. Sie brauchen Anleitung, Lob und Kritik, um sich weit­er­en­twick­eln zu können.
  • Ihr Men­schen­bild spiegelt sich in Ihrem Führungsver­hal­ten wider.
  • Meiden Sie ver­wandtschaftliche oder zwis­chengeschlechtliche Beziehungen im Unternehmen, in dem Sie Karriere machen wollen.
  • Führungskräfte sind prädestiniert für die Politik.
  • Übernehmen Sie auch gesellschaftliche Ve­r­ant­wor­tung und gestalten Sie Ihr politisches Umfeld mit.
 

Zusammenfassung

Polit-En­gi­neer­ing

Unsere Gesellschaft besteht aus äußerst komplexen Systemen, die sich auch auf die Aufgaben von Führungskräften auswirken. Daher müssen diese jenseits der praktischen Führungser­fahrung Kenntnisse über politische und soziale Systeme besitzen. Zum so genannten „Polit-En­gi­neer­ing“ gehören Wis­sens­ge­bi­ete wie Grup­pen­prozesse, Umgang mit Macht, Konfliktbewältigung oder Normen und Gesetze. Als Führungskraft sind Sie aufgerufen, nicht mehr nur un­ternehmensin­terne Systeme zu managen, sondern zunehmend auch Ihre Rolle im politischen Umfeld wahrzunehmen.

Von der Gruppe zum Team

Als Führungskraft müssen Sie häufig aus Gruppen Teams entwickeln. Eine Gruppe besteht aus einer Vielzahl von Individuen mit einem gemeinsamen Ziel. Ein Team hingegen besteht aus wenigen Individuen, ist im Idealfall gut eingespielt und bearbeitet gemeinsam bestimmte Aufgaben. In jeder Gruppe gibt es dynamische En­twick­lun­gen und bestimmte Rollen. Erst die Verkörperung dieser fest­gelegten und in jeder Gruppe vork­om­menden Rollen bewirkt, dass eine Gruppe arbeitsfähig ist. So gibt es den Führer bzw. das Alphatier oder den informellen Führer, der auch als Betatier bezeichnet wird. Weitere Rollen sind: der Beliebte, der Tüchtige und der Sündenbock. Aus einer Gruppe wird dann ein Team, wenn die Rol­len­zuord­nun­gen erfolgt sind und sich die Grup­pen­mit­glieder mehr um Sachauf­gaben kümmern können als um ihre persönlichen Ab­gren­zun­gen oder Befind­lichkeiten.

„Über Strategeme spricht man nicht. Man wendet sie an!“

Jede Gruppe durchläuft ver­schiedene inhaltliche Phasen: testen, kämpfen, or­gan­isieren, arbeiten. Ein Teamleiter, der das weiß, gibt einem neuen Team zu Anfang am besten eine „Dummy-Auf­gabe“. Im Rahmen ihrer Bearbeitung wird sich die Hackordnung der Gruppe festlegen. Erst danach ist sie wirklich arbeitsfähig. Dann können echte Aufgaben erfolgreich bewältigt werden.

Ethik und Moral

Das Zusam­men­leben der Menschen wird durch ethische Vorstel­lun­gen, Moral und Tugenden bestimmt und diese werden kulturell überaus un­ter­schiedlich ausgelegt. Ethik und Moral sta­bil­isieren eine Gesellschaft. Wo sie bröckeln, ist Raum für Ori­en­tierungslosigkeit, un­moralis­ches Handeln und Sit­ten­ver­fall. Gerade in der Politik können unliebsame Gegner leicht mit der Moralkeule zur Strecke gebracht werden. In den USA stolpern Politiker häufig über Sexskandale, ob diese nun wahr oder erfunden sind. In Europa hingegen straucheln sie eher über Ko­r­rup­tions- oder Finanzaffären. Die Medien spielen dabei meist eine ambivalente Rolle: Sie decken einerseits Skandale auf, werden aber an­der­er­seits auch häufig in­stru­men­tal­isiert und machen sich zum Mittäter des „sozialen Todes“, den das Medienopfer stirbt.

Macht

Macht ist etwas sehr Zwiespältiges. Einerseits benötigen Sie Macht, um Ziele zu erreichen und Veränderungen durchzuset­zen. An­der­er­seits wird Macht häufig missbraucht und zu unlauteren Zwecken angestrebt und eingesetzt. Im deutschen Sprachraum ist Macht eher negativ besetzt. Power oder Pouvoir haben dagegen eine positive Bedeutung. Macht kann auf Repression, Belohnung oder Loyalität basieren. In jedem Fall benötigt sie Akzeptanz – auch durchaus stillschweigende –, um zu wirken. Macht kann ver­schiedene Quellen haben: Beziehungen, Wählerstimmen, Autorität, Persönlichkeit oder materieller Besitz. Gestörte Persönlichkeiten brauchen Macht, um ihre Komplexe wie z. B. geringe Körpergröße oder eine schlechte Kindheit zu kom­pen­sieren. Mit Macht vernünftig umgehen kann nur derjenige, der über ein stabiles Selb­st­be­wusst­sein verfügt und nicht von Min­der­w­er­tigkeits­gefühlen getrieben ist.

„Das bewährte militärische Schema ,KKK‘ (Kom­mandieren, Kon­trol­lieren, Korrigieren) bewährt sich auch in zivilen Bereichen immer wieder.“

Im un­ternehmerischen Umfeld kann man Macht demon­stri­eren, indem man z. B.:

  • den Gegner unterbricht bzw. nicht ausreden lässt,
  • die Ideen des Gegners sachlich angreift,
  • Präsenz markiert und in Be­sprechun­gen viel Redezeit in Anspruch nimmt,
  • viele Pres­tigeauf­gaben übernimmt,
  • deutlich demon­stri­ert, dass man eine Aufgabe besser macht als der Gegner
  • Aufgaben delegiert,
  • Fragen stellt,
  • Ideen des Gegners herun­ter­ma­cht.
„Beziehungen sind nicht nur wichtig zur Durch­set­zung der eigenen Entscheide, sondern auch zur Absicherung der eigenen Position.“

Solche Angriffe lassen sich parieren, indem man:

  • Nein sagt,
  • sich auf die Metaebene begibt und auf das, was da gerade auf der Kom­mu­nika­tion­sebene abläuft, hinweist,
  • den Gegner ins Leere laufen lässt,
  • ihn ignoriert,
  • den Gegner vor vollendete Tatsachen stellt,
  • die Zusam­me­nar­beit beendet.
„In der Firma, in der Sie Karriere machen wollen, hat Ihre Frau nichts zu suchen.“

Wer einmal Macht erlangt hat, wird sich immer bemühen, diese abzusichern. Dabei helfen ver­schiedene Methoden, beispiel­sweise die Bildung von Seilschaften, die Neube­set­zung wichtiger Posten, das Erlassen neuer Regeln, die es für Rivalen schwieriger machen, ebenfalls aufzusteigen, oder schließlich der Einsatz eines „Fall-Man“, eines ausgewählten Bauernopfers, das den Kopf hinhalten muss, wenn es brenzlig wird.

„Konflikte sind manchmal produktiv nutzbar.“

Oft zeigt sich Macht von ihrer negativen Seite. Falsch ausgeübte Macht kann unterlaufen werden, indem man Widerstand gegen Positions- und Rang­miss­brauch leistet, oder indem man vorhandene Op­po­si­tio­nen unterstützt. Wer als Führungskraft zu Macht gelangt ist, sollte diese als nur geliehen ansehen und versuchen, sie im positiven Sinne einzusetzen.

Konflikte bearbeiten

Konflikte sind nicht per se negativ. Sie können in zwei un­ter­schiedlichen Dimensionen betrachtet werden: vor dem psy­chol­o­gis­chem Hintergrund und unter Gesicht­spunk­ten der Spielthe­o­rie.

„Gemeinsame Feinde und gemeinsame Geschäfte verbinden. Deshalb sind Gruppen in­ter­essiert, sich zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusam­men­zuschließen.“

Konflikte lassen sich dann am besten lösen, wenn sie nahe am tatsächlichen Kon­flik­to­b­jekt ausgetragen und nicht über eine „hidden agenda“ verkom­pliziert werden. Nur wirklich Beteiligte sollten an einer Konfliktlösung arbeiten. Zu viele marginal Betroffene erschweren die Lösungs­find­ung. Konflikte lassen sich am besten beilegen, wenn es allen Beteiligten gelingt, sachlich über die Ursachen des Konflikts zu sprechen und die Emotionen nicht überhand nehmen zu lassen. Wer sich mit Ag­gres­sio­nen – ob physisch oder verbal – zurückhalten kann, hat gute Chancen auf die Beilegung eines Konflikts. Eine Alternative ist es, einen Mediator hinzuzuziehen, der für eine sachlichere Au­seinan­der­set­zung sorgen kann.

„Die Haupt­funk­tion des Chefs besteht in der Ko­or­di­na­tion seiner Mitarbeiter, damit sie gemeinsam mit anderen beteiligten Gruppen die Ziele der Or­gan­i­sa­tion erreichen.“

In der Spielthe­o­rie gibt es andere Ansätze der Konfliktlösung. Das bekannte Beispiel „Tit for tat“ (Wie du mir, so ich dir) gilt als dauerhaft beste Strategie. Dieses besagt, dass Sie zunächst kooperieren, in weiteren Spielen/Aktionen/Geschäften aber jeweils genauso reagieren, wie Ihr Partner.

„Macht, die nicht ausgeübt wird, geht mit der Zeit verloren.“

Das Har­vard-Konzept ist eine Ver­hand­lungs- und Konfliktlösungsmeth­ode, bei der der zu verteilende Kuchen zunächst vergrößert und erst dann aufgeteilt wird. Hierbei geht es darum, die tatsächlichen Interessen der streitenden oder ver­han­del­nden Parteien her­auszufinden, um danach eine gemeinsam getragene Lösung zu entwickeln.

„Wer Erfolg haben will, muss Leistungen erbringen, die die Gesellschaft honoriert.“

Konflikten, die mit Mobbing einhergehen, sollte man am besten mit einem Coach begegnen, damit die eigene Psyche keinen Schaden nimmt. Als Führungskraft sollten Sie in Mobbingfällen mit harter Hand durch­greifen.

Strategeme einsetzen

Die Chinesen setzten bereits 500 Jahre v. Chr. listig und trickreich so genannte Strategeme ein, um in Krieg, Handel und Wirtschaft erfolgreich zu sein. Sie dienen dazu, das eigene Ziel zu erreichen und, wo nötig, dem Gegner zu schaden. 36 dieser Hand­lungsmuster sind bekannt und auch heute noch im Einsatz, z. B.: „Den Tragbalken stehlen und die Stützpfosten austauschen.“ Man findet dieses Strategem heutzutage umgesetzt, wenn Unternehmen übernommen, ausgehöhlt und zerstückelt verkauft werden. Zurück bleibt eine Firmenhülle, die wertlos ist.

„Wer wirtschaftet, ist mit Politik kon­fron­tiert. Wer weitre­ichende wirtschaftliche Entscheide trifft, handelt politisch.“

Bei uns wird die Strategie der List zwar häufig als moralisch zweifelhaft bewertet; in China wird sie viel positiver gesehen. In Führungspo­si­tio­nen und in der Politik tut man gut daran, die Strategeme zu kennen und zu beherrschen.

Die eigentliche Führungsar­beit

Mitarbeiter wollen geführt werden. Sie brauchen Anleitung, Feedback, Lob und angebrachte Kritik, um sich entwickeln zu können. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, Ihren Mi­tar­beit­ern den Sinn der Arbeit in ihrer Abteilung zu vermitteln. Sie sind gefordert zu kom­mu­nizieren, eine klare Vision zu vermitteln, Vertrauen zu erwerben und Position zu beziehen. Dabei lassen sich Ihr Men­schen­bild und Ihre Ein­stel­lun­gen an Ihrem Führungsver­hal­ten ablesen. Mit Kom­mandieren allein ist es nicht getan. Sie sollten Fragen stellen, um zu führen und zu verstehen. Und Sie sollten für Klarheit in der Sache und in der Sprache sorgen. Unklare Aufträge führen zu unklaren Ergebnissen.

„Probleme sind Chancen. Wo es große Probleme gibt, gibt es auch große Bedürfnisse und damit große Chancen und große Geschäftspoten­ziale. Man muss sie nur wahrnehmen.“

Darüber hinaus gilt es, über die Iden­ti­fika­tion der Mitarbeiter mit Ihnen und der Firma Macht aufzubauen, diese durch Netzwerke abzusichern und mit klarer Zielsetzung Leistung einzu­fordern. Lernen Sie, Mobbing zu erkennen und hart durchzu­greifen, lernen Sie, sich von un­brauch­baren Mi­tar­beit­ern zu trennen, und hüten Sie sich vor ver­wandtschaftlichen oder zwis­chengeschlechtlichen Beziehungen in der Firma.

Politische Ve­r­ant­wor­tung übernehmen

Als Führungskraft treffen Sie Entschei­dun­gen, mitunter solche, die weit über Ihr Unternehmen hinaus Auswirkun­gen in Wirtschaft und Gesellschaft haben. Sie handeln dann, ohne es vielleicht zu be­ab­sichti­gen, politisch. Auch alle Führungskräfte kleinerer Unternehmen sind dazu aufgerufen, sich politisch zu engagieren. Sei es durch die Wahrnehmung des Stimm- und Wahlrechts, durch Zivil­courage, durch zivilen Ungehorsam oder auch durch „Whis­tle-Blow­ing“ (Verpfeifen), wenn ein Vorge­set­zter kriminell handelt. Eine eigene Meinung zu vertreten, erfordert Selb­st­be­wusst­sein und Stand­haftigkeit. Sie sollten die Politik nicht allein den Beruf­spoli­tik­ern überlassen, sondern, da Sie als Führungskraft dazu prädestiniert sind, selber politisch aktiv werden.

Über den Autor

Peter Schweizer ist Geschäftsführer der MethoSys GmbH in Zürich. Als Dipl. Elektro- und Dipl. Be­trieb­sin­ge­nieur sowie Professor an der Fach­hochschule beider Basel vereint er Theorie und Praxis der Pro­duk­ten­wick­lung.