Ich verlasse dich

Buch Ich verlasse dich

Ein Ratgeber für den, der geht

Krüger,


Rezension

Beziehungsrat­ge­ber gibt es wie Sand am Meer, und auch Tren­nungsrat­ge­ber sind keine Seltenheit mehr. Letztere richten sich aber fast immer an das „Tren­nung­sopfer“, nie an den „Trennungstäter“ (wenn man überhaupt immer sagen kann, wer das jeweils ist). Mit wie vielen Ängsten, Problemen und Fragen sich auch diejenigen herum­schla­gen, die eine Beziehung beenden möchten, und wie sehr auch diese Menschen Rat und Beistand benötigen, darauf richtet Sandra Lüpkes ihr Augenmerk. An vielen Stellen hat man zwar den Eindruck, dass die Autorin, die aus eigener Erfahrung schreibt, allzu deutlich auf der Seite der Ver­lassenden steht. Dennoch ist das Buch sachlich gehalten und beantwortet Fragen wie diese: Wie bereite ich mich auf das Tren­nungs­ge­spräch vor? Wie erleichtere ich den Kindern die Situation? Braucht jeder einen eigenen Anwalt? Immer wieder sind Er­fahrungs­berichte einge­flochten, die die Sichtweise der jeweiligen Kon­tra­hen­ten authentisch wider­spiegeln. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Tren­nungswilli­gen. Aber auch Verlassene können einen Blick hinein riskieren, um das Verhalten des „Trennungstäters“ besser einordnen zu können.

Take-aways

  • Wenn Sie spüren, dass Ihre Beziehung am Ende ist, Sie aber für die Trennung noch nicht bereit sind, suchen Sie Hilfe bei einer Be­ratungsstelle, einem Therapeuten oder Mediator.
  • Tren­nungsangst ist normal. Das sollte Sie aber nicht daran hindern, einen Neubeginn zu wagen.
  • Wer geht, hat ein schlechtes Gewissen. Aber wenn Sie die Entschei­dung nicht le­icht­fer­tig getroffen haben, brauchen Sie sich keine Vorwürfe zu machen.
  • Bereiten Sie die Trennung gut vor. Nehmen Sie eine Auszeit zum Nachdenken und planen Sie die nahe Zukunft, zur Not auch mit Zwischenlösungen.
  • Den optimalen Zeitpunkt für das Tren­nungs­ge­spräch gibt es nicht. Sorgen Sie aber dafür, dass die Kinder nicht im Haus sind.
  • Bleiben Sie konsequent und unmissverständlich, auch wenn der Partner tobt und droht.
  • Sie geben Ihren Kindern Sicherheit, wenn Sie zu Ihrer Tren­nungsentschei­dung stehen und trotzdem jederzeit ohne Schuldgefühle für sie da sind.
  • Wenn Ihr Umfeld Sie mit Fragen bedrängt, verkriechen Sie sich nicht; sprechen Sie über die Trennung aber erst dann, wann Sie es wollen.
  • Sie können mit oder ohne Scheidung getrennt leben. Merke: Zwei Schei­dungsanwälte kosten mehr als ein Mediator.
  • Erst wenn Sie die Trennung verarbeitet haben, hat eine neue Liebe eine Chance.
 

Zusammenfassung

Die Angst vor der Trennung

Sie wissen vermutlich schon längst, dass Sie so nicht weiterleben können und wollen, aber es offen auszus­prechen und auch noch danach zu handeln, das fällt schwer. Wenn eine Beziehung gescheitert ist, trennt man sich ja nicht nur von einem Menschen, sondern auch von einem Lebens­ab­schnitt, und der hat genauso wenig wie der Expartner nur negative Seiten, daran kleben auch viele positive Erin­nerun­gen. Außerdem gibt es keine Garantie, dass die Entschei­dung richtig ist, dass alles gut wird und das erhoffte Licht am Ende des Tunnels auch wirklich auftaucht. Solche Gedanken machen den Tren­nungsentschluss nicht gerade leicht. Manche verstecken sich da lieber vor der Wahrheit, bekommen Rück­en­schmerzen, Migräne oder Hau­tauss­chlag, nur um die Nähe des Partners zu vermeiden. Es gibt einige recht eindeutige Zeichen für das Scheitern einer Beziehung:

  • Sie haben sich kaum noch etwas zu sagen.
  • Sex wird zum Pflicht­pro­gramm.
  • Streit ist an der Tage­sor­d­nung.
  • Ihnen ist alles gleichgültig.
  • Sie sind sich selbst nichts mehr wert.
„Nichts wird mehr so sein, wie es war – das klingt gle­ichzeitig nach Her­aus­forderung und Warnung.“

Auch wer einen klaren Blick für diese Tatsachen hat, muss trotzdem nicht gleich alles hinschmeißen. Jede Beziehung ist es wert, gerettet zu werden, also sollten Sie das auf jeden Fall versuchen. Ob Sie dazu eine Be­ratungsstelle aufsuchen oder sich einen privaten Therapeuten bzw. Mediator leisten, hängt von Ihrem Geldbeutel ab. Vo­raus­set­zung für einen Erfolg ist auf jeden Fall der Wunsch beider Partner, an der Situation etwas zu ändern. Wenn aber alle Gespräche in einer Sackgasse enden, ist der Moment gekommen, wo nur noch die Trennung in Frage kommt. Dieser Schritt macht vielen Menschen Angst, mit guten Gründen: z. B. weil sie ein Tren­nungstrauma aus ihrer Kindheit mitschlep­pen oder weil sie sehr früh geheiratet haben und nie autonom waren. Auch eine kon­ser­v­a­tive Leben­se­in­stel­lung, Schuldgefühle oder mangelnde Konfliktfähigkeit tragen zur Tren­nungsangst bei.

Seien Sie stark und handeln Sie

Wenn Ihnen klar wird, dass es so wie bisher nicht mehr weitergeht, ergreifen Sie nicht kopflos die Flucht, sondern bereiten Sie die weiteren Schritte genau vor. Das ist die Basis für Ihr künftiges Leben. Sie sollten aber darauf vorbereitet sein, dass der Partner solche Aktivitäten im Vorfeld der Trennung später als kaltherzige Berechnung in­ter­pretiert. Planung bedeutet nicht, die gesamte Zukunft minuziös vorherzusagen, aber Sie sollten sich auf jeden Fall die eine oder andere Zwischenlösung überlegen, z. B. wieder bei den Eltern einzuziehen oder einen 400-Euro-Job anzunehmen.

„Das Unbewusste im Menschen ist sehr kreativ, wenn es Wege sucht, um eine heikle Tatsache zu umgehen.“

Das Wichtigste aber ist, dass Sie sich darüber klar werden, was Sie wirklich wollen. Wenn Sie können, genehmigen Sie sich eine Auszeit von der Part­ner­schaft, verbringen Sie also einige Zeit mit sich allein, um nachdenken zu können. Ein Wochenende auf einer Berghütte eignet sich genauso wie Garte­nar­beit oder abendliche Spaziergänge, um den Gedanken freien Lauf zu lassen. Anschließend denken Sie über Dinge wie Kindesun­ter­halt, Ehe­gat­te­nun­ter­halt, Sorge- und Um­gangsrecht, die Vermögensfrage und den Ver­sorgungsaus­gle­ich nach. Ein Recht­san­walt oder Steuer­ber­ater kann Ihnen dabei helfen.

Das Tren­nungs­ge­spräch

Jetzt sind Sie gerüstet für das Tren­nungs­ge­spräch. Platzen Sie keinesfalls im ungünstigsten Moment mit Ihren Tren­nungsab­sichten heraus, also nicht gerade an Weihnachten, beim Kinderge­burt­stag oder der Gold­hochzeit der Schwiegerel­tern. An­der­er­seits gibt es auch nicht den einen, einzig richtigen Tag dafür. Nur eines sollten Sie or­gan­isieren, nämlich dass die Kinder nicht im Haus sind. Fair ist es, den Partner darüber zu informieren, dass man ein Gespräch über die Beziehung führen möchte. Halten Sie das Gespräch so sachlich wie möglich und gehen Sie auf keinen Fall auf Flehen oder Drohen ein. Ihr Entschluss muss als unumstößlich verstanden werden.

„Sobald man sich selbst einge­s­tanden hat, dass die eigene Beziehung am Ende ist und man die Kon­se­quen­zen daraus ziehen wird, liegt die Wahrheit schon auf der Zunge.“

Glauben Sie nicht, dass es mit dem einen klärenden Gespräch schon erledigt ist. Nur sehr selten findet sich der Partner mit der Trennung einfach so ab. Weitere Gespräche sind wichtig, gerade in den ersten Wochen sollte man sehr viel miteinander reden. Diskutieren bis zum Umfallen ist damit aber nicht gemeint, das endet oft im verbalen Kleinkrieg. Lieber viele kurze Gespräche führen als sich in einem endlosen Zweikampf aufreiben.

Trauer­ar­beit

Ver­lassen­wer­den ist ein wenig so, als ob der andere stirbt; deshalb muss auch hier Trauer­ar­beit geleistet werden. Das geht nicht von heute auf morgen, im Regelfall dauert es drei bis vier Jahre und läuft in vier Phasen ab:

  1. Nicht­wahrhaben­wollen: Der Verlassene will die Trennung nicht akzeptieren, bestenfalls sieht er sie als Fehlentschei­dung des Expartners.
  2. Extremes Gefühlschaos: Wenn er die Realität erkennt, schwankt er zwischen Wut und Depression, hegt Mord- und Selb­st­mordgedanken.
  3. Neuanfang: Nach einiger Zeit wagt der Zurückgelassene erste vorsichtige Schritte in ein neues Leben.
  4. Verstehen und Akzeptieren: Die Trennung ist verarbeitet, man kann dem Expartner wieder in die Augen sehen, steht auf eigenen Füßen und plant die Zukunft.
„Man sollte es sich einfach machen und nur ein paar Regeln entwerfen, die einen auf dem neuen Weg begleiten sollen.“

Für den, der geht, bedeutet vor allem die An­fangsphase eine extreme Belastung, denn er sieht ja, wie sehr der andere leidet. Nehmen Sie das Häufchen Elend aber nicht in die Arme, denn das wird zu schnell als Versöhnung missver­standen, und schon Sie sind wieder da, wo Sie vor dem Tren­nungs­ge­spräch auch schon standen. Oft ist es am besten, sich ganz zurückzuziehen, auch räumliche Distanz zu suchen. Damit helfen Sie dem verzweifel­ten Expartner deutlich mehr als mit schein­heili­gen Frieden­sange­boten, die Sie dann wieder brechen. Auch wenn es sich brutal anhört, aber Sie müssen hart und absolut konsequent bleiben, egal wie sehr der andere heult, tobt und droht.

Eltern bleiben Eltern

Der Gedanke, dass die Kinder unter der Trennung leiden, liegt nahe. Ganz ohne Schmerz wird es für sie auf keinen Fall ablaufen, aber Sie können ihnen helfen. Legen Sie zunächst Ihre Schuldgefühle ab, versuchen Sie Konflikte mit dem Partner zu vermeiden und stellen Sie sich angstfrei der Zukunft. Was Ihr Kind jetzt braucht, ist Sicherheit, Unterstützung, Anteilnahme, Respekt, aber auch eine klare Linie für das tägliche Miteinander. Vor lauter schlechtem Gewissen jetzt alles zu erlauben, wäre jedenfalls der absolut falsche Weg mit u. U. schlimmen Folgen für das Kind.

„Ob es dem Expartner gelingt, die Trauer zu überwinden und einen neuen Weg einzuschla­gen, liegt allein in seiner Hand.“

Wenn Sie die Familie und damit Ihre Kinder verlassen, bleiben Sie für diese unbedingt erreichbar. Am besten gehen Sie gemeinsam zu einer Fam­i­lien­ber­atung. Damit kann in vielen Fällen verhindert werden, dass die Kinder zum Zankapfel werden. Geben Sie lieb gewordene Gewohn­heiten wie z. B. gemeinsame sportliche oder kulturelle Aktivitäten mit dem Kind wenn irgendwie möglich nicht auf. Wer sich aber schon in der Familie eher wenig mit dem Kind beschäftigt hat, dem wird ein in der Tren­nungssi­t­u­a­tion plötzlich aufge­set­ztes Interesse wahrschein­lich nicht helfen, ein Ver­trauensverhältnis aufzubauen.

„Als Faustregel gilt: Die Qualität des El­tern-Kind-Verhältnisses bleibt, wie sie zuvor gewesen ist.

Bleiben die Kinder bei Ihnen, haben Sie den Vorteil, dass keiner mehr in Ihren Erziehungsstil hineinredet. Dafür sind Sie aber auch für alltägliche Erziehungs­fra­gen allein zuständig und haben noch dazu den un­dankbar­eren Part: Haushalt, Schul­prob­leme und Kinderkrankheiten – während der „Woch­enend-El­tern­teil“ sich mit dem Kind durchweg angenehme Stunden macht. Umso wichtiger, dass auch Sie sich die Zeit nehmen, schöne Dinge mit dem Kind zu genießen. Die abendliche Vor­leses­tunde gehört dazu oder das Kuscheln am Son­ntag­mor­gen.

Die anderen und das schlechte Gewissen

Man hat gemeinsam gelacht, diskutiert und gefeiert. Ganz klar, dass die Umwelt auch an der Trennung eines Paares Anteil nimmt. Als derjenige, der geht, wird man schnell als Bösewicht abgestem­pelt und ist in ständiger Erklärungsnot. Sie sollten sich aber nicht in Ihr Sch­neck­en­haus verkriechen, sondern sich lieber den Gesprächen stellen, und wenn es nur dazu dient, die anderen zu vertrösten: „Vielleicht sprechen wir später darüber, im Moment kann ich nicht.“ Dagegen kann es sehr hilfreich sein, mit Menschen zu reden, die in einer ähnlichen Situation stecken oder schon getrennt sind. Das schlechte Gewissen, das an Ihnen nagt, wird sich dadurch allerdings zunächst nicht beruhigen lassen. Davon sollten Sie sich nicht run­terziehen lassen, sondern es als etwas natürlich Men­schliches ansehen. Es ist gut, wenn man sich damit au­seinan­der­setzt, allerdings ohne sich zu quälen. Natürlich leiden andere Menschen, wenn Sie die Familie au­seinan­der­brechen, aber fragen Sie sich auch, wie es gewesen wäre, die kaputte Beziehung weiterhin zu ertragen. Die Trennung ist oft das kleinere Übel, zumal Handeln die Chance auf einen Neubeginn mit sich bringt und Sie fortan aus gemachten Fehlern lernen können.

Scheidung und Neubeginn

Niemand zwingt einen zur Scheidung. Man kann auch einfach au­seinan­derge­hen und es dabei belassen. Die Fragen nach dem Unterhalt, der Vermögen­saufteilung und dem Umgang mit den Kindern kann man auch so klären. Auf jeden Fall spart diese Lösung eine Menge Geld. Solch eine ganz und gar friedliche Trennung ist aber meist nicht einfach bzw. oft gar nicht möglich. Zudem dürfen Sie nicht vergessen: Solange man auf dem Papier verheiratet ist, bleibt man für den Partner ve­r­ant­wortlich, sollte er in irgendeine Schieflage geraten. In der Regel wird man also auch einen formalen Schlussstrich ziehen und sich scheiden lassen. Hier bieten sich ver­schiedene Möglichkeiten, z. B. die Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt. Das macht aber nur Sinn, wenn man sich in den wichtigsten Fragen einig ist. Außerdem wird sich der Anwalt immer demjenigen mehr verpflichtet fühlen, der ihn beauftragt hat, der also den Schei­dungsantrag stellt. Ist das Ihr Expartner, müssen Sie schon genau hinsehen und -hören, damit Sie nicht über den Tisch gezogen werden. Vielleicht nehmen Sie sich doch lieber einen eigenen Anwalt. Strittige Punkte können die beiden Anwälte in einem außerg­erichtlichen Termin klären.

„Solange das Kind das Gefühl hat, die Ver­gan­gen­heit wie einen Schatz bewahren zu dürfen, kann es auch positiv in die Zukunft blicken.“

Wer die Trennung emotional schon gut verkraftet hat, kann einen Mediator zur Tren­nungsver­hand­lung hinzuziehen. Dabei geht es nicht um Vorwürfe und Forderungen, sondern um Bedürfnisse und Sorgen, für die der Mediator zusammen mit den Noch-Ehep­art­nern einen Kompromiss sucht. Zu einem be­friedi­gen­den Ergebnis kommen Sie nur, wenn beide Partner wirklich eine gemeinsame Lösung anstreben und sich keiner zum Me­di­a­tion­s­ge­spräch genötigt fühlt. Irgendwann haben Sie all das hinter sich und sind bereit für einen Neuanfang. An eine neue Liebe trauen sich viele nicht, das Thema Part­ner­schaft ist für sie noch zu negativ besetzt. Es ist tatsächlich besser, wenn man sich eine Zeit lang auf sich selbst konzen­tri­ert und die gescheit­erte Beziehung aufarbeitet. Wer sich zu schnell in ein neues Liebesaben­teuer stürzt, steht er­fahrungs­gemäß bald wieder als Single da. Sollte Ihnen aber die große Liebe über den Weg laufen, dann hat sie nur eine Chance, wenn die Probleme von gestern nicht Ihr ständiger Begleiter auf dem Weg in die Zukunft sind.

Über den Autor

Sandra Lüpkes ist Krim­i­au­torin. Die Idee zu ihrem ersten Sachbuch geht auf ihre eigenen Tren­nungser­fahrun­gen zurück.