Die Angst vor der Trennung
Sie wissen vermutlich schon längst, dass Sie so nicht weiterleben können und wollen, aber es offen auszusprechen und auch noch danach zu handeln, das fällt schwer. Wenn eine Beziehung gescheitert ist, trennt man sich ja nicht nur von einem Menschen, sondern auch von einem Lebensabschnitt, und der hat genauso wenig wie der Expartner nur negative Seiten, daran kleben auch viele positive Erinnerungen. Außerdem gibt es keine Garantie, dass die Entscheidung richtig ist, dass alles gut wird und das erhoffte Licht am Ende des Tunnels auch wirklich auftaucht. Solche Gedanken machen den Trennungsentschluss nicht gerade leicht. Manche verstecken sich da lieber vor der Wahrheit, bekommen Rückenschmerzen, Migräne oder Hautausschlag, nur um die Nähe des Partners zu vermeiden. Es gibt einige recht eindeutige Zeichen für das Scheitern einer Beziehung:
- Sie haben sich kaum noch etwas zu sagen.
- Sex wird zum Pflichtprogramm.
- Streit ist an der Tagesordnung.
- Ihnen ist alles gleichgültig.
- Sie sind sich selbst nichts mehr wert.
„Nichts wird mehr so sein, wie es war – das klingt gleichzeitig nach Herausforderung und Warnung.“
Auch wer einen klaren Blick für diese Tatsachen hat, muss trotzdem nicht gleich alles hinschmeißen. Jede Beziehung ist es wert, gerettet zu werden, also sollten Sie das auf jeden Fall versuchen. Ob Sie dazu eine Beratungsstelle aufsuchen oder sich einen privaten Therapeuten bzw. Mediator leisten, hängt von Ihrem Geldbeutel ab. Voraussetzung für einen Erfolg ist auf jeden Fall der Wunsch beider Partner, an der Situation etwas zu ändern. Wenn aber alle Gespräche in einer Sackgasse enden, ist der Moment gekommen, wo nur noch die Trennung in Frage kommt. Dieser Schritt macht vielen Menschen Angst, mit guten Gründen: z. B. weil sie ein Trennungstrauma aus ihrer Kindheit mitschleppen oder weil sie sehr früh geheiratet haben und nie autonom waren. Auch eine konservative Lebenseinstellung, Schuldgefühle oder mangelnde Konfliktfähigkeit tragen zur Trennungsangst bei.
Seien Sie stark und handeln Sie
Wenn Ihnen klar wird, dass es so wie bisher nicht mehr weitergeht, ergreifen Sie nicht kopflos die Flucht, sondern bereiten Sie die weiteren Schritte genau vor. Das ist die Basis für Ihr künftiges Leben. Sie sollten aber darauf vorbereitet sein, dass der Partner solche Aktivitäten im Vorfeld der Trennung später als kaltherzige Berechnung interpretiert. Planung bedeutet nicht, die gesamte Zukunft minuziös vorherzusagen, aber Sie sollten sich auf jeden Fall die eine oder andere Zwischenlösung überlegen, z. B. wieder bei den Eltern einzuziehen oder einen 400-Euro-Job anzunehmen.
„Das Unbewusste im Menschen ist sehr kreativ, wenn es Wege sucht, um eine heikle Tatsache zu umgehen.“
Das Wichtigste aber ist, dass Sie sich darüber klar werden, was Sie wirklich wollen. Wenn Sie können, genehmigen Sie sich eine Auszeit von der Partnerschaft, verbringen Sie also einige Zeit mit sich allein, um nachdenken zu können. Ein Wochenende auf einer Berghütte eignet sich genauso wie Gartenarbeit oder abendliche Spaziergänge, um den Gedanken freien Lauf zu lassen. Anschließend denken Sie über Dinge wie Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Sorge- und Umgangsrecht, die Vermögensfrage und den Versorgungsausgleich nach. Ein Rechtsanwalt oder Steuerberater kann Ihnen dabei helfen.
Das Trennungsgespräch
Jetzt sind Sie gerüstet für das Trennungsgespräch. Platzen Sie keinesfalls im ungünstigsten Moment mit Ihren Trennungsabsichten heraus, also nicht gerade an Weihnachten, beim Kindergeburtstag oder der Goldhochzeit der Schwiegereltern. Andererseits gibt es auch nicht den einen, einzig richtigen Tag dafür. Nur eines sollten Sie organisieren, nämlich dass die Kinder nicht im Haus sind. Fair ist es, den Partner darüber zu informieren, dass man ein Gespräch über die Beziehung führen möchte. Halten Sie das Gespräch so sachlich wie möglich und gehen Sie auf keinen Fall auf Flehen oder Drohen ein. Ihr Entschluss muss als unumstößlich verstanden werden.
„Sobald man sich selbst eingestanden hat, dass die eigene Beziehung am Ende ist und man die Konsequenzen daraus ziehen wird, liegt die Wahrheit schon auf der Zunge.“
Glauben Sie nicht, dass es mit dem einen klärenden Gespräch schon erledigt ist. Nur sehr selten findet sich der Partner mit der Trennung einfach so ab. Weitere Gespräche sind wichtig, gerade in den ersten Wochen sollte man sehr viel miteinander reden. Diskutieren bis zum Umfallen ist damit aber nicht gemeint, das endet oft im verbalen Kleinkrieg. Lieber viele kurze Gespräche führen als sich in einem endlosen Zweikampf aufreiben.
Trauerarbeit
Verlassenwerden ist ein wenig so, als ob der andere stirbt; deshalb muss auch hier Trauerarbeit geleistet werden. Das geht nicht von heute auf morgen, im Regelfall dauert es drei bis vier Jahre und läuft in vier Phasen ab:
- Nichtwahrhabenwollen: Der Verlassene will die Trennung nicht akzeptieren, bestenfalls sieht er sie als Fehlentscheidung des Expartners.
- Extremes Gefühlschaos: Wenn er die Realität erkennt, schwankt er zwischen Wut und Depression, hegt Mord- und Selbstmordgedanken.
- Neuanfang: Nach einiger Zeit wagt der Zurückgelassene erste vorsichtige Schritte in ein neues Leben.
- Verstehen und Akzeptieren: Die Trennung ist verarbeitet, man kann dem Expartner wieder in die Augen sehen, steht auf eigenen Füßen und plant die Zukunft.
„Man sollte es sich einfach machen und nur ein paar Regeln entwerfen, die einen auf dem neuen Weg begleiten sollen.“
Für den, der geht, bedeutet vor allem die Anfangsphase eine extreme Belastung, denn er sieht ja, wie sehr der andere leidet. Nehmen Sie das Häufchen Elend aber nicht in die Arme, denn das wird zu schnell als Versöhnung missverstanden, und schon Sie sind wieder da, wo Sie vor dem Trennungsgespräch auch schon standen. Oft ist es am besten, sich ganz zurückzuziehen, auch räumliche Distanz zu suchen. Damit helfen Sie dem verzweifelten Expartner deutlich mehr als mit scheinheiligen Friedensangeboten, die Sie dann wieder brechen. Auch wenn es sich brutal anhört, aber Sie müssen hart und absolut konsequent bleiben, egal wie sehr der andere heult, tobt und droht.
Eltern bleiben Eltern
Der Gedanke, dass die Kinder unter der Trennung leiden, liegt nahe. Ganz ohne Schmerz wird es für sie auf keinen Fall ablaufen, aber Sie können ihnen helfen. Legen Sie zunächst Ihre Schuldgefühle ab, versuchen Sie Konflikte mit dem Partner zu vermeiden und stellen Sie sich angstfrei der Zukunft. Was Ihr Kind jetzt braucht, ist Sicherheit, Unterstützung, Anteilnahme, Respekt, aber auch eine klare Linie für das tägliche Miteinander. Vor lauter schlechtem Gewissen jetzt alles zu erlauben, wäre jedenfalls der absolut falsche Weg mit u. U. schlimmen Folgen für das Kind.
„Ob es dem Expartner gelingt, die Trauer zu überwinden und einen neuen Weg einzuschlagen, liegt allein in seiner Hand.“
Wenn Sie die Familie und damit Ihre Kinder verlassen, bleiben Sie für diese unbedingt erreichbar. Am besten gehen Sie gemeinsam zu einer Familienberatung. Damit kann in vielen Fällen verhindert werden, dass die Kinder zum Zankapfel werden. Geben Sie lieb gewordene Gewohnheiten wie z. B. gemeinsame sportliche oder kulturelle Aktivitäten mit dem Kind wenn irgendwie möglich nicht auf. Wer sich aber schon in der Familie eher wenig mit dem Kind beschäftigt hat, dem wird ein in der Trennungssituation plötzlich aufgesetztes Interesse wahrscheinlich nicht helfen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
„Als Faustregel gilt: Die Qualität des Eltern-Kind-Verhältnisses bleibt, wie sie zuvor gewesen ist.
Bleiben die Kinder bei Ihnen, haben Sie den Vorteil, dass keiner mehr in Ihren Erziehungsstil hineinredet. Dafür sind Sie aber auch für alltägliche Erziehungsfragen allein zuständig und haben noch dazu den undankbareren Part: Haushalt, Schulprobleme und Kinderkrankheiten – während der „Wochenend-Elternteil“ sich mit dem Kind durchweg angenehme Stunden macht. Umso wichtiger, dass auch Sie sich die Zeit nehmen, schöne Dinge mit dem Kind zu genießen. Die abendliche Vorlesestunde gehört dazu oder das Kuscheln am Sonntagmorgen.
Die anderen und das schlechte Gewissen
Man hat gemeinsam gelacht, diskutiert und gefeiert. Ganz klar, dass die Umwelt auch an der Trennung eines Paares Anteil nimmt. Als derjenige, der geht, wird man schnell als Bösewicht abgestempelt und ist in ständiger Erklärungsnot. Sie sollten sich aber nicht in Ihr Schneckenhaus verkriechen, sondern sich lieber den Gesprächen stellen, und wenn es nur dazu dient, die anderen zu vertrösten: „Vielleicht sprechen wir später darüber, im Moment kann ich nicht.“ Dagegen kann es sehr hilfreich sein, mit Menschen zu reden, die in einer ähnlichen Situation stecken oder schon getrennt sind. Das schlechte Gewissen, das an Ihnen nagt, wird sich dadurch allerdings zunächst nicht beruhigen lassen. Davon sollten Sie sich nicht runterziehen lassen, sondern es als etwas natürlich Menschliches ansehen. Es ist gut, wenn man sich damit auseinandersetzt, allerdings ohne sich zu quälen. Natürlich leiden andere Menschen, wenn Sie die Familie auseinanderbrechen, aber fragen Sie sich auch, wie es gewesen wäre, die kaputte Beziehung weiterhin zu ertragen. Die Trennung ist oft das kleinere Übel, zumal Handeln die Chance auf einen Neubeginn mit sich bringt und Sie fortan aus gemachten Fehlern lernen können.
Scheidung und Neubeginn
Niemand zwingt einen zur Scheidung. Man kann auch einfach auseinandergehen und es dabei belassen. Die Fragen nach dem Unterhalt, der Vermögensaufteilung und dem Umgang mit den Kindern kann man auch so klären. Auf jeden Fall spart diese Lösung eine Menge Geld. Solch eine ganz und gar friedliche Trennung ist aber meist nicht einfach bzw. oft gar nicht möglich. Zudem dürfen Sie nicht vergessen: Solange man auf dem Papier verheiratet ist, bleibt man für den Partner verantwortlich, sollte er in irgendeine Schieflage geraten. In der Regel wird man also auch einen formalen Schlussstrich ziehen und sich scheiden lassen. Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten, z. B. die Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt. Das macht aber nur Sinn, wenn man sich in den wichtigsten Fragen einig ist. Außerdem wird sich der Anwalt immer demjenigen mehr verpflichtet fühlen, der ihn beauftragt hat, der also den Scheidungsantrag stellt. Ist das Ihr Expartner, müssen Sie schon genau hinsehen und -hören, damit Sie nicht über den Tisch gezogen werden. Vielleicht nehmen Sie sich doch lieber einen eigenen Anwalt. Strittige Punkte können die beiden Anwälte in einem außergerichtlichen Termin klären.
„Solange das Kind das Gefühl hat, die Vergangenheit wie einen Schatz bewahren zu dürfen, kann es auch positiv in die Zukunft blicken.“
Wer die Trennung emotional schon gut verkraftet hat, kann einen Mediator zur Trennungsverhandlung hinzuziehen. Dabei geht es nicht um Vorwürfe und Forderungen, sondern um Bedürfnisse und Sorgen, für die der Mediator zusammen mit den Noch-Ehepartnern einen Kompromiss sucht. Zu einem befriedigenden Ergebnis kommen Sie nur, wenn beide Partner wirklich eine gemeinsame Lösung anstreben und sich keiner zum Mediationsgespräch genötigt fühlt. Irgendwann haben Sie all das hinter sich und sind bereit für einen Neuanfang. An eine neue Liebe trauen sich viele nicht, das Thema Partnerschaft ist für sie noch zu negativ besetzt. Es ist tatsächlich besser, wenn man sich eine Zeit lang auf sich selbst konzentriert und die gescheiterte Beziehung aufarbeitet. Wer sich zu schnell in ein neues Liebesabenteuer stürzt, steht erfahrungsgemäß bald wieder als Single da. Sollte Ihnen aber die große Liebe über den Weg laufen, dann hat sie nur eine Chance, wenn die Probleme von gestern nicht Ihr ständiger Begleiter auf dem Weg in die Zukunft sind.