Six Sigma

Buch Six Sigma

Prozesse optimieren, Null-Fehler-Qualität schaffen, Rendite radikal steigern

Campus,


Rezension

Die Autoren reduzieren das Un­ternehmen­sziel auf eine einfache Formel: Null Fehler. Bessere Qualität, höhere Kun­den­zufrieden­heit und mehr Gewinn seien dann die natürlichen Folgen. Sie erklären die Six-Sigma-Strate­gie anschaulich, liefern viele Er­fol­gs­geschichten aus der Praxis und bieten dem Leser Check-Lis­ten für den eigenen Betrieb. Kritische Reflexionen und die Diskussion möglicher Widerstände gegen Six Sigma werden jedoch gänzlich un­ter­schla­gen: Mikel Harry und Richard Schroeder sind zu sehr parteiische Verfechter ihrer eigenen Vision. Un­beant­wortet bleibt z. B. die Frage, wie Gew­erkschaften und Betriebsräte auf Ziele wie radikale Prozes­sop­ti­mierung und grösstmögliche Kosten­erspar­nis durch Abbau an Arbeitsplätzen reagieren. BooksInShort empfiehlt das Buch Managern und technischen Führungskräften mittlerer und grosser Unternehmen, die Qualitätskosten senken und so ihre Rendite langfristig steigern wollen.

Take-aways

  • Six Sigma steigert die Gewinnspanne eines Un­ternehmens um jährlich bis zu 20 %.
  • Six Sigma erfordert einen aussergewöhnlichen Verstand. Dieser ist weit vom gesunden Men­schen­ver­stand entfernt.
  • Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Statistik: Was ich nicht weiss, kann ich nicht verbessern.
  • Unternehmen sollten nicht auf Fehler reagieren, sondern sie an­tizip­ieren.
  • Die wichtigsten En­twick­lungsstufen der Six-Sigma-Durch­bruch­strate­gie sind: Messen, Analysieren, Verbessern und Kon­trol­lieren (MAVK).
  • Besser ist billiger, weil die Kosten für Test- und Prüfverfahren mit jeder Qualitätssteigerung sinken.
  • „Verborgene Fabriken“ zum Aufdecken und Korrigieren von be­trieb­sin­ter­nen Fehlern sind Zeit- und Geld­ver­schwen­dung.
  • 80 % aller Fehler sind auf 20 % möglicher Fehlerarten zurückzuführen.
  • Die Initiative zu Six Sigma muss vom Top-Man­age­ment ausgehen. Sie wird nicht von unten an die Oberfläche „blubbern“.
  • Die Black Belts sitzen am Hebel zum Erfolg: Sie setzen Absichten in die Wirk­lichkeit um.
 

Zusammenfassung

Six Sigma – wirtschaftliche Un­fehlbarkeit

Liebling der Wallstreet, Man­age­ment-Bibel für Jack Welch von General Electric, Garant für radikale Gewinnsteigerun­gen: das sind die Attribute, mit denen die Six-Sigma-En­twick­ler ihre Man­age­ment-Meth­ode umschreiben. Das Ziel von Six Sigma lautet schlicht: Die Gewinnspanne unmittelbar steigern. Richtwert ist das Sigma-Niveau, eine Qualitätsmetrik für Produkte und Unternehmen. Ein Zugewinn von einem Sigma auf dieser Metrik bedeutet ganz konkret:

  • 20 % Verbesserung der Gewinnspanne,
  • 12 – 18 % Kapazitätszuwachs,
  • 12 % weniger Beschäftigte,
  • 10 – 30 % weniger laufendes Kapital.
„Six Sigma bedeutet eine Steigerung der Rentabilität; verbesserte Qualität und Effizienz sind un­mit­tel­bare Neben­pro­dukte von Six Sigma.“

Ein Unternehmen, das auf einem Niveau von 3 Sigma operiert (= un­ter­durch­schnit­tlich rentabel), wird sich im ersten Jahr leicht auf 4 Sigma steigern können. Je näher es an die 6-Sigma-Marke heranrückt, desto grösser sind die Her­aus­forderun­gen an weitere Veränderungen und desto länger dauert ein Punktgewinn auf der Sigma-Skala.

„Messungen lassen eine Verbindung zwischen Denkprozess und Handlung entstehen. Die Unternehmen können nicht das verbessern, was sie nicht messen.“

Der Weg zur Ren­ditesteigerung: Wichtiges messen und Qualität neu definieren. Mi­tar­beiter- und Kun­den­zufrieden­heit sowie Cashflow müssen Wertskalen zugeordnet werden. Auch Qualität wird quantitativ bewertet – und zwar in Abhängigkeit zu den Kosten für Hersteller und Konsumenten. Ein Wet­tbe­werb­svorteil entsteht nur dann, wenn technische und kaufmännische Fehler so gut wie nicht mehr vorkommen. Produkte, die auf einem Niveau von 6 Sigma hergestellt werden, funk­tion­ieren quasi ohne Fehler – definiert ist dieser Wert mit 3,4 Fehlern für jede Million an Möglichkeiten. Der klassische Standard, nach dem die meisten Unternehmen streben, liegt bei 4 Sigma, d. h. 6210 Fehlern für jede Million. Unternehmen unter einem Wert von 3 Sigma sind in der Regel nicht überlebensfähig.

Der Ursprung

Geboren wurde Six Sigma 1979 bei Motorola. Ein Ingenieur fand heraus, dass Produkte, die während der Fertigung schon repariert werden mussten, viel häufiger auch beim Kunden versagten. Motorola begann daraufhin, Probleme bei der Fertigung durch genaue Messungen vor­wegzunehmen, anstatt auf Fehler zu reagieren. Mo­torola-Mi­tar­beiter per­fek­tion­ierten das Six-Sigma-Prinzip so lange, bis es sich ab 1993 auch auf andere Branchen ausweitete. Die Erfahrung zeigt: Es genügt nicht, Six-Sigma-Pro­dukte herzustellen. Im Idealfall sollte das ganze Unternehmen nach diesem Prinzip funk­tion­ieren. Denn auch das beste Six-Sigma-Pro­dukt wird versagen, wenn z. B. das Marketing nicht mitspielt und es zu spät auf den Markt kommt.

Die Strategie zum Durchbruch

Die Kernphasen der Durch­bruch­strate­gie sind: Messen, Analysieren, Verbessern und Kon­trol­lieren (MAVK). Hoch qual­i­fizierte Schlüsselkräfte, die so genannten Black Belts (Schwarze Gürtel), beauf­sichti­gen Six-Sigma-Pro­jekte und führen ihre Mitarbeiter durch alle vier En­twick­lungsstufen. Das Geheimnis der Strategie beruht auf dem scheinbar Banalen: der Statistik. Auf diesem gemeinsamen Nenner treffen sich Ingenieure und Mar­ket­ing­fachkräfte, einfache Arbeiter und Geschäftsführer sowie das Unternehmen mit den Kunden. Zunächst einmal gilt es, Qualitätskosten tatsächlich realistisch zu beurteilen, ohne – wie tra­di­tionell üblich – versteckte Faktoren zu un­ter­schla­gen. Ein Beispiel für verborgene Kosten sind Kunden, die durch fehlerhafte Produkte oder schlechten Service verloren gehen. Noch immer glauben viele Unternehmen, dass die Kosten für eine Fehlerre­duk­tion höher sind, als min­der­w­er­tige Qualität zu produzieren.

„Six Sigma erlaubte dem Leiter eines Geschäfts, in Fragen der Qualität eher aktiv als reaktiv zu sein.“

Six Sigma geht von dem Gegenteil aus: Ein Leis­tungsniveau von 5 oder 6 Sigma senkt die Kosten, da Schätzung und Vermeidung von Fehlern nahezu überflüssig werden. Ein 3-Sigma-Un­ternehmen muss mit Qualitätskosten von 25 – 40 % rechnen. Erreicht es dagegen die 6-Sigma-Marke, sinken diese auf weniger als 1 % des Umsatzerlöses. Fazit: Besser ist billiger. Dieses Prinzip muss schon auf dem Reissbrett beginnen: 70 % der Gesamtkosten eines Produkts werden vom Design bestimmt. Die durch­schnit­tlichen 30 – 40 % an Geldmitteln, die ein Unternehmen zu Test- und Ko­r­rek­turzwecken ausgibt, könnten durch optimiertes Design eingespart werden.

„Ähnlich wie die Karate-Black-Belts, die ihren Körper ständig mit den Schwankun­gen ihres Körperzen­trums neu po­si­tion­ieren müssen, müssen Black Belts fähig sein, sich physisch und mental neu zu po­si­tion­ieren, wenn sie sich von Projekt zu Projekt bewegen.“

Das Sprungbrett zu Six Sigma liegt im quan­ti­ta­tiven internen und externen Bench­mark­ing. Dieses etabliert Fehlerquote und Fehlermöglichkeit von Produkten getrennt voneinander und verhindert so, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden. Mit Hilfe stan­dar­d­isierter Indices wird die Leistung von Un­ternehmenss­parten mit der „klassenbesten“ Konkurrenz verglichen.

„Verborgene Fabriken“ entdecken und ausschalten

Aktivitäten rund ums Aufdecken und Korrigieren von Fehlern entwickeln oft eine ungesunde Eigen­dy­namik. Unmengen an Zeit und Ressourcen werden durch sie ver­schwen­det. Drei grundle­gende Six-Sigma-Metriken enthüllen diese „verborgenen Fabriken“: die Durch­gangsaus­beute, laufende Durch­gangsaus­beute und nor­mal­isierte Ausbeute. Diese Metriken basieren auf den pro­duzierten Fehlern statt auf der Zahl der pro­duzierten Einheiten. Der Messs­chw­er­punkt liegt auf dem Ergebnis und nicht auf der Tätigkeit an sich. Auch für Fehler gilt die berühmte 80/20-Regel des ital­ienis­chen Ökonomen Vilfredo Pareto: 80 % der Fehler sind auf 20 % möglicher Fehlerarten zurückzuführen. Unternehmen müssen die ständigen Probleme von den belanglosen trennen und die Durch­bruch­strate­gie zunächst auf die hartnäckigen Fehler konzen­tri­eren: als Hebel, um maximale Ergebnisse zu erzielen.

Richtige Pro­jek­tauswahl

Bevor die Geschäftsleitung den „verborgenen Fabriken“ den Kampf ansagt, sollte sie die Leis­tungsmetriken bestimmen, die die Rendite ihres Un­ternehmens erhöhen können. Die Schlüssel­metriken sind:

  • Fehler pro Million Fehlermöglichkeiten,
  • Net­tokosten­erspar­nis – fest­stell­bare Ver­ringerung der festen oder variablen Kosten,
  • Cost of Poor Quality – scheinbar verborgene Kosten für ein fehler­haftes Produkt,
  • Kapazität – Zahl der „guten Produkte“, die ein Prozess in einer bestimmten Zeit erzeugt,
  • Zykluszeit – die Zeit, die bis zur Fer­tig­stel­lung des Produkts verstreicht.

Six Sigma – Schritt für Schritt

Die Inititative muss von oben nach unten fliessen – Six Sigma ist kein Man­age­ment-Mod­ell, das einfach an die Oberfläche „blubbert“. Im ersten Schritt sollten die Geschäftsprioritäten definiert werden: Egal ob kurzfristige Kostenre­duzierung, langfristige Verbesserung der Kun­den­zufrieden­heit oder Ver­ringerung der Zykluszeit von Produkten – wichtig ist, sich zu Beginn auf ein oder zwei Gebiete zu konzen­tri­eren. Im zweiten Schritt sollte Six Sigma dann auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet werden. Die Er­fol­gskri­te­rien sind:

  • Top-down-Man­age­ment,
  • ein Messsystem, um den Fortschritt zu verfolgen,
  • internes und externes Bench­mark­ing der Produkte, Di­en­stleis­tun­gen und Or­gan­i­sa­tion­sprozesse,
  • „Stretch-Ziele“ setzen – sie verpflichten Mitarbeiter dazu, scheinbar un­re­al­is­tis­che Gewinne zu erzielen, ohne dass diese vorher wissen, wie sie diese erreichen sollen,
  • Weit­er­bil­dung der Mitarbeiter auf allen Or­gan­i­sa­tion­sebe­nen,
  • Er­fol­gs­geschichten kom­mu­nizieren,
  • fähige Champions und Black Belts ernennen und fördern.

Die Six-Sigma-Pyra­mide

Zwar sollten alle Mitarbeiter eines Un­ternehmens Six Sigma verstehen und mittragen. Doch eine klare Rol­len­verteilung von Anfang an ist un­ver­mei­dlich, um es zum Erfolg zu führen. Dabei gilt das Prinzip der umgekehrten Pyramide: In der nach unten gekehrten Spitze stützt die Geschäftsführung das Six-Sigma-Un­ternehmen. Nach oben hin folgen jeweils Senior Champion, Ein­satzscham­pion und Pro­jek­tcham­pion, die in engem Kontakt mit dem Management stehen und ihrerseits die mehr technisch ori­en­tierten Black Belts (Black-Belt-Ein­satzmeis­ter, Black-Belt-Pro­jek­t­meis­ter, Pro­jekt-Black-Belts) führen und beauf­sichti­gen. Die Champions legen fest, was getan werden muss, während Black Belts sich um die Umsetzung kümmern. Letztere arbeiten deshalb Vollzeit an Six-Sigma-Pro­jek­ten. An der Basis wiederum operieren die Prozess-Be­sitzer, Green Belts und Pro­jek­t­team­mit­glieder. Diese führen Six Sigma als Teil ihrer normalen Arbeit aus. In jedem Unternehmen sollte ein Black Belt 100 Mitarbeiter und ein Green Belt 20 Mitarbeiter unter sich haben.

„Die Di­en­stleis­tungsin­dus­trie enthält viele unsichtbare Prozesse. Das kommt daher, dass ihre Produkte nicht so greifbar sind wie die aus der Fabrik.“

Der Six-Sigma-Ein­satz­plan sieht vor, die einzelnen Akteure je nach Position in der Hierarchie sukzessive zu trainieren und in einer Kon­troll­phase zu testen. Nach rund einem halben Jahr kann die Durchführung von Six Sigma in einer einzelnen Geschäftseinheit abgeschlossen sein. Entschei­dend ist auch der unabhängige Finanzrepräsentant: Six-Sigma-Prof­ite dürfen nicht ohne weiteres „geschluckt“ werden, indem sie Fehler in anderen Un­ternehmensfeldern kom­pen­sieren. Sie müssen auf der „bottom line“ erscheinen.

Lieferanten mit ins Boot holen

Nicht selten ist mangelhaft gelieferte Qualität die Ursache für das stag­nierende Sigma-Niveau eines Un­ternehmens. Anstatt den Lieferanten Druck zu machen, sollten Six-Sigma-Un­ternehmen ihre Partner ebenfalls trainieren. Allerdings erst etwa zwei Jahre, nachdem die eigenen Prozesse unter Kontrolle gebracht wurden – viele Liefer­an­ten­fehler lassen sich nämlich auf schlampige Anweisungen zurückführen.

Zünglein an der Waage: Die Schwarzen Gürtel

Selbst wenn die Initiative zur Veränderung von der Geschäftsführung ausgeht – die eigentliche Sigma-Ver­schiebung liegt in der Hand der Black Belts. Wie im Kampfsport Karate führen auch bei der Durch­bruch­strate­gie mentale Disziplin und intensives Training zum Erfolg. Sie sind die Schlüsselfiguren, die Kom­mu­nika­tion­skanäle zwischen Belegschaft und Geschäftsführung legen. Unterm Strich spart jeder voll trainierte Black Belt dem Unternehmen durch vier bis sechs Projekte im Jahr mindestens 1,2 Millionen und oft weit über 2 Millionen DM. Es ist die Rolle der Champions, für die richtige Mischung aus erfahrenen und neuen Mi­tar­beit­ern unter den Black Belts zu sorgen. Auch sollten Black Belts ihren Leistungen entsprechend belohnt und als „Helden“ des Un­ternehmens gefeiert werden.

Six Sigma in der Di­en­stleis­tung

Mangelnder Service ist teuer – ein Unternehmen verliert schätzungsweise 10 Milliarden DM, wenn es Six Sigma im Kaufmännischen nicht genauso engagiert umsetzt wie in der in­dus­triellen Fertigung. Die meisten Kunden sank­tion­ieren schlechte Ser­viceleis­tun­gen weitaus heftiger als ein fehlerhaft geliefertes Produkt. Six Sigma ist aber keinesfalls auf in­dus­trielle Fertigung beschränkt. Scheinbar unsichtbare Prozesse in der Di­en­stleis­tungsin­dus­trie lassen sich in einzelne Prozesss­chritte aufbrechen. Bei der Berechnung von Fehlerhäufigkeit wird das „Teil“ aus der in­dus­triellen Sprache durch die „Transaktion“ ersetzt. Diese „Pro­duk­tein­heit“ kann so ziemlich alles sein: ein Reg­istri­er­for­mu­lar für Gäste, eine Kassen­quit­tung oder ein Strafzettel. Auf diese Weise lassen sich quan­ti­ta­tive Metriken auch auf Di­en­stleis­tun­gen anwenden.

Über die Autoren

Mikel Harry, Ph.D., ist Gründer und CEO der Six-Sigma-Akademie Inc. in Scottsdale, Arizona. Er entwickelte die Strategie während seiner Tätigkeit bei Motorola. Später arbeitete er im Vorstand von ABB. Richard Schroeder ist Präsident der Akademie. Zuvor war er Vizepräsident bei Motorola und Al­liedSig­nal.