Vernetztes Denken und Handeln in der Praxis

Buch Vernetztes Denken und Handeln in der Praxis

Mit Netmapping und Erfolgslogik schrittweise von der Vision zur Aktion

Versus,


Rezension

Sie suchen eine strategisch zielführende Un­ternehmensvi­sion? Einfach SMART die SWOTs analysieren, KPIs in die BSC eintragen, und alles wird gut. Dummes Zeug? Natürlich, aber nicht wenige Führungskräfte fühlen sich von den schnell wechselnden Man­age­ment­meth­o­den und -moden so erschlagen, dass sie selbst diesen Buch­staben­salat wider­stand­s­los schlucken würden. Und nun also Netmapping: Damit verspricht Jürg Honegger, Ordnung in das Durcheinan­der zu bringen und die Bewältigung komplexer Aufgaben zu erleichtern. Das gelingt ihm in gewissem Maß, auch wenn seine Methode vielen anderen Führungsin­stru­menten ähnlich sieht: ein buntes Gewusel aus Begriffen, Pfeilen, Kreisen und Tabellen, aus denen mal mehr, mal weniger tiefschürfende Erken­nt­nisse hervorgehen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften, die der Komplexität ihres Berufs Herr werden wollen.

Take-aways

  • Komplex ist nicht gleich kompliziert: In komplexen Systemen ändern sich im Lauf der Zeit die Beziehungen der Elemente zueinander.
  • Kein Problem ist für immer gelöst. Es taucht in anderer Form wieder auf.
  • Komplexitäts­man­age­ment ist wie Jonglieren: Man konzen­tri­ert sich auf gezieltes Werfen und fängt die Bälle wie von selbst.
  • In komplexen Systemen bilden sich Kreisläufe des Erfolgs oder Misserfolgs: Einmal ausgelöst, entwickeln sie eine Eigen­dy­namik.
  • Mit Netmapping können Sie Komplexität anschaulich machen.
  • Sie iden­ti­fizieren damit die richtigen Hebel, an denen Sie ansetzen können.
  • Die Wirkung von externen, nicht bee­in­fluss­baren Faktoren schätzen Sie mithilfe von Szenarien ein.
  • Im Man­age­ment-Cock­pit erkennen Sie anhand von Sig­nal­far­ben, wann und wo Hand­lungs­be­darf besteht.
  • Zielkon­flikte dürfen nicht verdeckt, sondern müssen aus­bal­anciert werden.
  • Netmapping macht andere Man­age­mentin­stru­mente nicht überflüssig, sondern führt sie auf einer Plattform zusammen.
 

Zusammenfassung

Komplexität managen

In vielen Unternehmen ist es in den letzten Jahren zu einer Inflation der Man­age­ment­meth­o­den gekommen: Balanced Scorecard, Management by Objectives, SWOT-Analyse usw. wurden je nach Mode eingeführt, ohne sie aufeinander abzustimmen. Das Ergebnis: Ori­en­tierungslosigkeit. Der ganzheitliche Ansatz des Netmapping hilft Ihnen beim Aufräumen. Zusammenhänge und Synergien zwischen den Methoden werden erkannt, komplexe Zusammenhänge visuell dargestellt und die Erken­nt­nisse in Handlungen umgesetzt.

„Die Methode Netmapping liefert keine Paten­trezepte zur Lösung von Un­ternehmen­sprob­le­men. Solche Rezepte gibt es nur ver­meintlich.“

Entschei­dend ist die Un­ter­schei­dung zwischen kom­plizierten und komplexen Aufgaben: Für kom­plizierte Fragen lassen sich optimale Lösungen finden, die immer funk­tion­ieren (z. B. beim Bau einer Maschine). In komplexen Systemen ändern sich hingegen im Lauf der Zeit die Beziehungen der Elemente zueinander. Das Ganze ist mit einem Segeltörn ver­gle­ich­bar: Ob und wie schnell das Schiff sein Ziel erreicht, hängt von der Ma­te­ri­alqualität, den Crewmit­gliedern, ihrer Führung und natürlich vom Wetter ab. Manager begehen im Umgang mit komplexen Situationen oft schwere Denkfehler: Sie glauben, sie könnten ein Problem entweder eindeutig definieren oder ganz ignorieren. Oder: Sie wollen nicht reden, sondern handeln: ein Blankoscheck für ziellosen Aktionismus. Oder: Sie möchten ein Problem für immer abhaken, sobald eine Lösung gefunden ist. Auf diese Weise tappen viele Führungskräfte in die Komplexitätsfalle. Wenn eine unerwartete Situation eine Eigen­dy­namik entwickelt, verstärken sich die Kausalket­ten. Beispiel Bankenkrise: Sobald das Vertrauen in das System sinkt, ziehen Anleger ihr Geld ab, was das Vertrauen weiter schwinden lässt usw. Die Zeit läuft davon und es gibt kaum noch Hand­lungsspiel­raum.

„Wer versucht, mit dem Schwamm einen Nagel einzuschla­gen oder mit dem Hammer die Fenster reinigt, wird zu Recht als verrückt angesehen und erreicht mit seiner Wahl nicht oder nur höchst mühsam das Ziel.“

Effektives Komplexitäts­man­age­ment hat viel mit der Jonglierkunst gemein: In beiden Fällen müssen Sie mit mehr Bällen oder Themen jonglieren, als Sie Hände oder Ressourcen haben. Anstatt sich auf die fallenden Bälle (Symptome) zu konzen­tri­eren, sollte Ihr Fokus auf den geworfenen Bällen (Hebeln) liegen, also darauf, richtig und zielo­ri­en­tiert zu werfen. Das Auffangen gelingt dann ganz von allein.

Die Netmap­ping-Meth­ode

Netmapping funk­tion­iert folgendermaßen:

  1. Formulieren Sie Ihre komplexe Fragestel­lung.
  2. Legen Sie die Be­tra­ch­tungsebene fest (z. B. Bereich, Unternehmen, Konzern).
  3. Iden­ti­fizieren Sie die Anspruchs­grup­pen: Wer hat an diesem Problem ein Interesse, wer fördert oder hemmt seine Lösung, und welche un­ter­schiedlichen Sichtweisen gibt es?
  4. Leiten Sie Er­fol­gs­fak­toren für jede Gruppe her: Für Kunden wäre das z. B. der Preis, für Eigentümer die Dividende, für Mitarbeiter die Motivation usw. Sie vermeiden so, ein Problem nur aus einer Perspektive zu betrachten.
  5. Erstellen Sie ein Glossar mit De­f­i­n­i­tio­nen, denn ver­schiedene Stakeholder sehen ein Konzept wie „Pro­duk­tqualität“ oft sehr un­ter­schiedlich. Das Glossar garantiert, dass alle Beteiligten die gleiche Sprache sprechen.
  6. Stellen Sie die Beziehungen zwischen den Er­fol­gs­fak­toren her: Sie können gleichläufig sein, z. B. wenn eine Zunahme der Aufträge den Umsatz steigen lässt, oder gegenläufig, z. B. wenn steigende Kosten den Gewinn senken. Komplexe Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass Kausal­beziehun­gen nicht linear, sondern kreisförmig verlaufen, sprich: dass sich die Wirkung im Lauf der Zeit verschärft. Ein berühmtes Beispiel hierzu stammt von Paul Watzlawick: Wenn ein Ehepartner nörgelt, zieht sich der andere zurück, worauf der erste noch mehr nörgelt usw. Gleichläufige Wirkungen werden mit einem Pfeil und gegenläufige mit einem durchgestrich­enen Pfeil dargestellt.
„Sicher gibt es für jede komplexe Prob­lem­stel­lung eine einfache Lösung ... und diese ist meistens falsch.“

Netmapping eignet sich besonders, wenn etwas Neues ansteht: Die Un­ternehmensvi­sion oder -strategie wird überarbeitet, ein neues Team zusam­mengestellt oder eine neue Man­age­ment­meth­ode eingeführt. Besonders hilfreich ist Netmapping bei der Frage, welche Zusammenhänge und Span­nungs­felder den Ausschlag für langfristi­gen Erfolg geben. Das gilt gleichermaßen für Wirtschaft­sun­ternehmen, Non­profit-Or­gan­i­sa­tio­nen oder Ökosysteme mit ihren hochkom­plexen Wirkungszusam­menhängen.

„Jeder Ve­r­ant­wortliche im Unternehmen ist geneigt, ,seinen‘ Hebel für den wichtigsten zu halten.“

Im Unternehmen leitet in der Regel ein externer Moderator den Netmap­ping-Work­shop, da den Betroffenen oft der nötige Abstand fehlt. Wenn Vision, Mission und Werte des Un­ternehmens noch nicht formuliert wurden oder erneuert werden sollen, muss dies zu Beginn des Workshops unbedingt geschehen. Sie stärken den Gemein­schaftssinn, erleichtern die Kom­mu­nika­tion und dienen als Entschei­dungs­grund­lage fürs Netmapping.

Ändern, was sich ändern lässt

Als Nächstes geht es darum, die Er­fol­gs­fak­toren genauer zu un­ter­schei­den. Da sind zunächst die Er­fol­gsindika­toren, die hart (z. B. Umsatz) oder weich (z. B. Image) sein können. Grundsätzlich sind sie eher abstrakt und müssen in konkrete, messbare Ziele um­for­muliert werden. Demgegenüber sind Hebel lenk- oder zumindest bee­in­fluss­bare Größen und bezeichnen die Stellen, an denen Sie direkt etwas verändern können, etwa im Marketing oder in der Per­son­alen­twick­lung. Da ein komplexes System niemals isoliert existiert, fügen Sie als Drittes noch die externen Einflüsse hinzu, z. B. Konjunktur, Demografie oder Nachfrage.

„Letztlich geht es immer darum, mit geeigneten Aktionen die gesteckten Ziele zu erreichen.“

Anschließend bestimmen Sie die Dauer (sofort, kurz-, mittel- oder langfristig) und die Intensität (stark, mittel, schwach) der geplanten Maßnahmen. Bei Ökosystemen kann es z. B. sehr lange dauern, bis eine Aktion sich auswirkt. Einige Faktoren haben eine starke Wirkung oder sind ihrerseits stark bee­in­fluss­bar, während andere kaum etwas bewirken oder nur schwer zu bee­in­flussen sind. Diese Un­ter­schei­dung ist wichtig, um gezielt in ein System einzu­greifen und eine Übers­teuerung zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür wäre eine allzu schlagkräftige Wer­bekam­pagne, die die Nachfrage rasch über die Pro­duk­tion­ska­pazitäten hinaus steigen ließe.

Szenarien und Frühindika­toren

Um die nicht bee­in­fluss­baren Faktoren besser einzuschätzen, erstellen Sie Szenarien. Entwickeln Sie ein op­ti­mistis­ches, ein pes­simistis­ches und ein re­al­is­tis­ches Zukun­fts­bild für einen bestimmten Zeitraum. Sie können sich dabei auf Prog­no­se­in­sti­tute und andere externe Berater stützen, doch den wesentlichen Teil sollte das Team beitragen, das direkt von der komplexen Her­aus­forderung betroffen ist. Auch hier sollten Sie in einem Glossar die Begriffe genau definieren. Dann entwickeln Sie für jedes Szenario die Chancen und Gefahren, indem Sie die Auswirkun­gen externer Einflüsse auf die Er­fol­gs­fak­toren abschätzen. Es ist wie beim Segeln: Anhand der Wetterverhältnisse und -vorher­sagen kann man ungefähr die Fahrtzeit berechnen und z. B. bei starkem Wind kleinere Segel setzen. Da aber das Wetter nie genau vorher­sag­bar ist, sollte man immer von ver­schiede­nen Szenarien ausgehen. Darum ist ein Früherken­nungssys­tem als Ergänzung sehr nützlich: Bestimmen Sie die Er­fol­gs­fak­toren, bei denen Sie frühzeitig gewarnt werden möchten, wenn etwas in die falsche Richtung geht. Für die Kun­den­zufrieden­heit etwa sind die fachlichen und sozialen Qual­i­fika­tio­nen Ihrer Mitarbeiter wichtige Frühindika­toren.

Erfolg vom Cockpit aus steuern

Nun ist der quantitativ messbare Teil an der Reihe. Legen Sie für jeden Er­fol­gsindika­tor ein Ziel, d. h. den Soll-Zu­s­tand fest. Dann ermitteln Sie den Ist-Zustand anhand konkreter Daten. Sie müssen genau festlegen, wer, wie, wann und wie oft misst und wer für die Auswertung ve­r­ant­wortlich ist. Ist Ihnen das zu aufwändig, können Sie sich für einige Indikatoren auch auf eine Selb­stein­schätzung beschränken. Schließlich geben Sie mithilfe von Sig­nal­far­ben an, wie weit Sie vom Ziel entfernt sind: Grün steht für „Auf Kurs“, gelb für eine geringe Abweichung vom Ziel und rot für einen großen Zielabstand und dringenden Hand­lungs­be­darf. Fertig ist Ihr Man­age­ment-Cock­pit: Anhand der Sig­nal­far­ben können Sie jederzeit den Hand­lungs­be­darf erkennen. Außerdem haben Sie die Hebel zur Hand, um Zielab­we­ichun­gen zu korrigieren.

„Im Pla­nungsraum wird die Arbeit an der Un­ternehmensstrate­gie zu einer ,Dauer­baustelle‘ – die Man­age­ment­doku­mente sind leicht veränderbar und lebendig.“

Eine große Hürde sind Zielkon­flikte. Ein klassisches Span­nungs­feld besteht zwischen Kosten, Lieferzeit und Qualität: Wird schnell geliefert, mangelt es u. U. an der Qualität; umgekehrt treibt ein hohes Qualitäts­be­wusst­sein oft Lieferzeiten und Kosten in die Höhe. Was tun? Fest steht: Alles auf einmal zu erreichen, ist unmöglich. Setzen Sie deshalb einen Schwerpunkt, z. B. schnell liefern, qualitativ hochwertige Ware, aber halt zu höheren Preisen als der Wettbewerb. Versuchen Sie niemals, Zielkon­flikte einfach zu verdecken. Irgendwie und irgendwann kommen sie immer zum Ausbruch. Beachten Sie beim Aus­bal­ancieren Ihre Un­ternehmenswerte: Liegt deren Priorität auf Zuverlässigkeit oder Preis­be­wusst­sein?

Wandel durch Handeln

Ausgehend von den iden­ti­fizierten Hebeln legen Sie nun die konkreten Maßnahmen fest. Zunächst erstellen Sie für die Hebel ein Glossar. Dann führen Sie mit Blick auf Ihre Ziele eine Stärken-Schwächen-Analyse für jeden Hebel durch. Wenn es z. B. um „Ser­vice­qualität“ geht, fragen Sie sich, was in der Aus- und Weit­er­bil­dung gut läuft und was besser werden muss. Im nächsten Schritt beschließen Sie spezielle Maßnahmen sowie generelle, immer gültige Hand­lungsan­weisun­gen, um Stärken zu fördern und Schwächen abzubauen.

„Es nützt nichts, nur einmal eine Er­fol­gslogik und ein Cockpit zu entwickeln, denn der Sinn besteht ja darin, täglich und langfristig damit zu arbeiten.“

Damit die Maßnahmen ihren Weg aus dem Workshop in den Ar­beit­sall­tag finden, sollten Sie einen Pla­nungsraum einrichten. Dieser funk­tion­iert wie die Nav­i­ga­tion­secke beim Segeln: Sie lösen operative Fragen des Tagesgeschäfts, diskutieren im Team und nehmen neue Stan­dortbes­tim­mungen vor – und das buchstäblich vor dem Hintergrund der er­ar­beit­eten Leitbilder, Szenarien, Ziele und Maßnahmen. Alles wird auf Stellwänden, Tafeln und Flipcharts dargestellt und mithilfe von farbigen Karten, Nadeln, Klebestiften etc. laufend verändert.

Ganzheitlich managen

Nun heißt es nur noch dranbleiben! Viele Man­age­mentin­stru­mente erweisen sich als nutzlos oder sogar schädlich, weil sie nicht kon­tinuier­lich gepflegt, ak­tu­al­isiert und kom­mu­niziert werden. Überlegen Sie sich deshalb noch während des Netmap­ping-Work­shops, wie Sie Netmapping ins Tagesgeschäft integrieren, wer intern dafür ve­r­ant­wortlich ist und in welchem Rhythmus Überprüfungen stattfinden. Ziel der Sig­nal­far­ben ist es ja gerade, frühzeitig gegen­zus­teuern und damit Energie, Zeit und Personal zu sparen. Führen Sie deshalb zweimal im Jahr einen Re­view-Work­shop durch und bestimmen Sie einmal im Monat Ihren Standort neu. Während eines Reviews überprüfen Sie die Er­fol­gsindika­toren, die Hebel und die externen Einflüsse, passen die Szenarien an und ak­tu­al­isieren die Sig­nal­far­ben. Falls nötig, beschließen Sie neue Ziele und Maßnahmen.

„Management heißt, das Schiff von der Brücke aus zu steuern, um sein(e) Ziel(e) zu erreichen.“

Bereits etablierte Man­age­mentin­stru­mente haben sich mit dem Netmapping übrigens nicht erledigt. Im Gegenteil: Wie die Methode Management by Objectives, bei der die Ziele aus dem Netmapping auf Teams und Mitarbeiter übertragen werden, lassen sich alle gängigen Instrumente problemlos integrieren. Ja, durch Netmapping können sie sich erst richtig entfalten, da es die Zusammenhänge und Wech­sel­wirkun­gen zwischen ihnen verdeut­licht und eine überge­ord­nete Plattform bietet. Diese hilft, typische Fehler wie etwa die Ver­wech­slung von Zielen und Maßnahmen zu vermeiden: Nicht der Besuch eines Seminars sollte das Ziel sein, sondern was ein Mitarbeiter dabei lernt.

Über den Autor

Jürg Honegger ist Berater für ganzheitliches Management. Ausgehend von seiner Erfahrung als Work­shop-Mod­er­a­tor hat er die Methode Netmapping entwickelt. Er ist Inhaber der Firma Netmap AG, die En­twick­lung­spro­gramme für Unternehmen und In­sti­tu­tio­nen anbietet.