Komplexität erfahren
Komplex ist ein System oder eine Situation, die unüberschaubar, vernetzt, eigendynamisch, undurchsichtig, wahrscheinlichkeitsabhängig und instabil ist. Die Tatsache, dass Sie in der Businesswelt der Komplexität nicht entgehen können, führt zu einem Zwang zur Auswahl, denn es ist nicht mehr möglich, „alles“ zu wissen, was Sie zur Problemlösung gerne wissen würden. Sie müssen sich entscheiden, welches Wissen für Sie relevant ist, und damit bestimmbare gegen unbestimmte Komplexität abgrenzen. Denn die Dimensionen von Komplexität im Business lassen sich deutlich zeigen. Beispiele sind die immer schnellere Informationszunahme, die immer differenzierteren, sich ständig ändernden Inhalte oder auch die Multikulturalität, die im Unternehmen zu einem gordischen Knoten werden kann.
Von der Informations- zur Imaginationsgesellschaft
Der Höhepunkt der Informationsgesellschaft ist bereits überschritten. Zwar wird die Informationstechnologie durch Innovationen immer weiterentwickelt und beschleunigt, doch ist das Ziel, die Automation zu beschleunigen und komplexe Informationen immer globaler verarbeiten zu können, längst erreicht. Bei all dieser Beschleunigung wird ein grosser Mangel an Inhalten sichtbar. Es kommt daher zu einem Wandel von der Informations- zur Imaginationsgesellschaft, denn deren Inhalte, Bilder und Emotionen sind ein Gegengewicht zu Angst, Entleerung und Überinformation. Der Gebrauch der Imagination ist Kernbestandteil der Komplexitäts-Fitness, denn mit Imagination gestalten Sie Komplexität. Anstatt Inhalte immer länger zu managen und damit zu reduzieren, wirken Sie auf ein lebendiges System in kreativer Weise ein.
Komplexität verstehen
Herkömmlicherweise reduzieren wir Probleme, bis sie in unser Entscheidungsmuster passen. Erkennen wir, dass das nicht geht, delegieren wir das Problem zurück auf eine Ebene, die es für uns entscheiden soll. Diese selektive und damit destruktive Art der Betrachtung muss unweigerlich zu Fehlentscheidungen führen, denn sie zerstört die Lebendigkeit komplexer Systeme. Anstatt Komplexität als Problem zu beschreiben, dessen Lösung in bestimmten Formen des Managements zu suchen ist, kann Komplexität als Lösung verstanden werden, deren Problem erst noch zu finden ist. Damit ist Komplexität nicht länger ein unerwünschter Nebeneffekt in einer sonst geordneten Welt, sondern stellt vielmehr die Form der Welt selbst dar. Durch die veränderte Wahrnehmung des Problems ändert sich das Problem. Hierfür muss ein Unternehmen stets in der Lage sein, kombinations- und lernfähig zu sein, z. B. durch die Überprüfung und Anpassung der eigenen Einschätzungsparameter und Wertesysteme.
Dilemma-Prozesse
Im modernen Managementalltag werden Paradoxa und Dilemmata zu ständigen Wegbegleitern. Statt „Entweder-Oder-Entscheidungen“ müssen in einem lebendigen System voller komplexer Optionen zumeist „Entweder-Und-Entscheidungen“ getroffen werden. Durch die Gestaltung und das veränderte Verständnis für Komplexität verstehen Sie Paradoxa und Dilemmata und damit Instabilität und Stabilität nicht länger als zwei entgegengesetzte Pole, sondern vielmehr als befruchtende, zusammenhängende Aspekte. Sieben Schritte verdeutlichen Ihnen, wie solche Fragen angegangen werden können:
- Was ist der Kernpunkt? Listen Sie alle relevanten Elemente auf.
- Wer ist betroffen? Dies können Individuen, Abteilungen, Medien etc. sein.
- Wer ist verantwortlich? Welche Personen, Gremien, Instanzen haben welche Entscheidungsbefugnis? Unterscheiden Sie dabei die unternehmerische, hierarchische, kollektive und individuelle Verantwortung.
- Welche Informationen sind notwendig? Benennen Sie sowohl faktische als auch ethische Informationen. Was sind zusätzliche Informationsquellen?
- Welche Argumente sind notwendig? Benennen Sie die Natur des Problems und mögliche positive oder negative Wirkungen Ihrer Argumente. Was sind mögliche Alternativen?
- Was ist das Ergebnis? Wie klar und überzeugend ist es? Welche (auch persönlichen) Konsequenzen sind notwendig?
- Wie fühle ich mich jetzt? Gibt es Gewinner und Verlierer? Können Sie das Ergebnis offen, ehrlich und öffentlich vertreten?
„Die Erkenntnis, dass wir ‚Human beings’ sind und nicht ‚Human doings’, ist die entscheidende Weichenstellung zur Steigerung der Komplexitäts-Fitness.“
Der Erfolg dieses Prozesses hängt entscheidend davon ab, wie offen Handlungsalternativen diskutiert werden bzw. diskutiert werden können und dürfen. Denn damit wird nicht nur das System durchbrochen, das zum Dilemma beigetragen hat, sondern es werden auch Alternativen gesucht, die letztlich den kreativen Weg aus dem Dilemma weisen. Dilemmaprozesse fordern die Konfliktfähigkeit und das Erkennen emotionaler Ebenen und Barrieren der Beteiligten.
Komplexität gestalten
Komplexitäts-Fitness ist die Fähigkeit, Komplexität nicht länger zu verwalten, sondern sie aktiv und kreativ zu gestalten und damit Teil davon zu sein. Verwalten ist auf Anpassung, auf Überleben ausgerichtet, Gestaltung hingegen auf Eingriff, auf Lebendigkeit und auch auf Emotionalität. Die möglichen Gestaltungsebenen komplexer Systeme sind daher nicht linear-kausal, sondern weisen autonome und selbststeuernde Strukturen auf. Erfolgreiche Steuerungs- und Gestaltungsmassnahmen müssen sich deshalb auf subtilen und sowohl bewussten als auch unbewussten Ebenen bewegen. Komplexitätsgestaltung braucht deshalb v. a. emotionale Intelligenz, ihre Durchsetzung ist eine Frage des Emotional Selling. Als Gestaltungsebenen dienen die Kommunikations- und die Wahrnehmungsebene.
Kommunikation
Die Kommunikation ist der Motor der Komplexitäts-Gestaltung. Kommunikation dient nicht allein der reinen Informationsvermittlung, sondern steuert Wahrnehmung und unser Bild von der Wirklichkeit. Damit wird kommunikative Kompetenz zur personalen und sozialen Kernkompetenz der Komplexitäts-Fitness:
- Berücksichtigen Sie Unterschiede zwischen informeller und formeller Kommunikation, differenzieren Sie nach der jeweiligen Empfängergruppe.
- Kommunizieren Sie, um Imagination und Werte zu stimulieren, weniger zur Wissensvermittlung.
- Kommunizieren Sie mit dem Ziel des Aufbaus, der Pflege und der Entwicklung von Beziehungen.
- Emotionalisieren Sie Inhalte und erschaffen Sie Bilder, die verständlich sind und nachhaltig kommuniziert werden können.
Wahrnehmung
Die Wahrnehmung eines Unternehmens in der Öffentlichkeit schliesst neben den Finanzinformationen auch das Resultat von Imagination mit ein. Mit einem Wahrnehmungs-Management gelingt es, Inhalte zu emotionalisieren, Einstellungen zu ändern und Handlungen auszulösen. Als Werkzeuge der Imagination dienen Spins und Slots. Diese wirken als subtile Transmitter, um Denk-, Lern-, Fühl- und Handlungsinstruktionen weiterzugeben und komplexe Prozesse zu beeinflussen. Ein Spin ist ein Dreh, ein Antrieb, der längerfristig hält. Er wirkt auf der Vertrauensebene, d. h. er stimuliert die Phantasie und schafft Identität. Ein Spin hilft, eine gemeinsame Geschichte zu erfinden, die dem Mitarbeiter und Kunden Sicherheit gibt und Orientierung und Geborgenheit innerhalb des Unternehmens vermittelt. Der Spin sorgt für Werte-Synchronität oder für emotionale Synchronität in einer komplexen Welt.
„Reduktion heisst Selektion und damit meist Willkür, Bequemlichkeit und vor allem die Zerstörung der Lebendigkeit komplexer Systeme.“
Ein Slot ist eine Kerbe, mit der Sie direkt und unmittelbar einwirken. Er arbeitet auf der Gestaltungsebene, denn er fördert direkt Verhalten, Beziehungen und Handlungen. Die Wirkungen von Slots in Unternehmen sind v. a. als Negativ-Slots im Sinne von Mobbing, Feindbildern oder Gerüchten bekannt.
„Viele Vorgänge – in der Natur wie im Management – brauchen ein neues Steuerungsverständnis, denn sie sind nicht linear-kausal, sondern lebendig, im Fluss, selbststeuernd und autonom.“
Spins und Slots geben einen gestaltenden Stoss auf drei Wirkungsebenen:
- In der Organisation: Komplexitätsgestaltung erfordert neben klaren, direkten Eingriffen in der Führungsetage auch subtile Gestaltungs-Eingriffe auf allen Ebenen eines Unternehmens. Hier dienen Spins und Slots zur Sinnorientierung und damit zur Motivation der Mitarbeiter. Legenden, Traditionen und Mythen schaffen Bindung.
- Im Marktmanagement: Emotionale Spins im Marketing- und Kommunikationsbereich helfen dem Kunden, das Image einer Marke oder eines Unternehmens mit einer Geschichte zu verbinden. Slot-Techniken entsprechen Loyalty-Marketing, d. h. es gelingt, den Kunden sowohl emotional als auch funktional an einen Markennamen zu binden und damit seine Handlungsmuster zu steuern.
- Im Imaginationskrieg: In der Imaginationsgesellschaft eröffnen sich neue Möglichkeiten für Spins und Slots durch die gezielte Steuerung von Aufmerksamkeit. Moderne, erfolgreiche Unternehmen sind darin stark, Geschichten zu erfinden und ihren Kunden Sinnerfüllung und Gemeinsamkeit zu bieten. Durch gezielte Manipulationen der Information wird Imagination gesteuert, neue Realitäten werden erfunden, uminterpretiert und vermittelt.
Spin-Doctors
Als Manager der Zukunft agieren Sie als Spin-Doctor, als Synchronisator: Sie suchen, gewichten und verarbeiten Informationen, Gerüchte und Geschichten und steuern damit die Aufmerksamkeit und beschleunigen Veränderungsprozesse. Sie stehen für Verlässlichkeit gegenüber Kunden und Mitarbeitern, denn im Spannungsfeld von Realität, Wahrheit und Desinformation sorgen Sie für die Themenführerschaft.
„Ein Unternehmen, das nicht nur seine Stärken und Schwächen im Markt kennt, sondern auch die Qualitäten seiner Unternehmenskultur, ist besser am Markt und stärkt nachhaltig Komplexitäts-Fitness.“
Sie müssen bereit sein, aus der nichtlinearen Dynamik zu lernen und sich auf die kontinuierliche Steigerung der Komplexität immer wieder einzulassen. Damit wird Ihr Tun zu einem kreativen Akt, mit dem Sie Komplexität in Ihrem Sinne und auf Ihre Art beeinflussen.
Komplexität nutzen
Erfolgreich Komplexität nutzen können Sie nur durch die Fähigkeit, Wandel imaginativer zu gestalten als andere: Hierbei ist ChangeAbility die Schlüsselkompetenz für Komplexitäts-Fitness, denn nur wer den Wandel aktiv gestaltet und Komplexität in sich verändernden Prozessen zu beeinflussen vermag, hat die Fähigkeit, durch Veränderung neue Erfolgspositionen zu schaffen. ChangeAbility können Sie in drei Bereichen entwickeln und stärken:
- Durch mentale und geistige Mobilität: Fördern Sie ein Klima der Innovation und lassen Sie Trial-and-Error als Prinzip zu. Konsequente Kundenorientierung und Ausrichtung auf den Markt, so genannte Market-Fitness, lässt Sie nicht nur am Markt erfolgreich agieren, sondern wirkt auch als Stimulans für mentale und geistige Mobilität innerhalb Ihres Unternehmens.
- Durch Werte- und Sinnorientierung: Dokumentieren Sie Ihre Corporate Fitness durch die regelmässige Erfassung und Dokumentation des kulturellen und intellektuellen Kapitals Ihres Unternehmens. Dies schafft Verlässlichkeit und Vertrauen für Mitarbeiter und Kunden.
- Durch Vitalität: Wissen als Wert entscheidet über Ihre Wettbewerbsposition. Dabei ist Wissen nicht nur Information und Erkenntnis, sondern vielmehr das Verständnis eines Unternehmens als lebendiges System von Menschen, die zu besseren Leistungen fähig sind, wenn sie ihre Vitalität einbringen und leben können. Fördern Sie Vitalität durch eine Kultur der Kreativität, Risikobereitschaft, Neugier und Mut.
Messbarkeit von Komplexitäts-Fitness
Die Darstellung der materiellen und immateriellen Werteproduktion eines Unternehmens schliesst neben Erfolgsrechnungen und Bilanzen auch eine Analyse des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens mit ein.
„Wenn ich die Wahrnehmung über ein Problem verändere, verändere ich das Problem.“
Die Kenntnisse der weichen Faktoren sind die erfolgsentscheidenden Kriterien für ein Unternehmen im Veränderungsprozess.