Chinas Boom
China ist die drittgrößte Handelsnation der Erde. Es gibt dort 170 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern – in den USA sind es nur zehn. 400 Millionen Chinesen telefonieren schnurlos – ein Viertel mehr Menschen als in den USA überhaupt leben. Speziell die chinesische Autobranche ist beeindruckend: Noch Anfang der 1970er Jahre, also zu Zeiten Maos, war die Automobilindustrie verglichen mit dem Westen auf dem Stand der 1930er Jahre. Doch dann ging es steil bergauf: 2005 war China erstmals Nettoexporteur für Lkws und Pkws.
„2005 überholte das so genannte ‚kommunistische‘ Land die gewaltigen ‚kapitalistischen‘ Vereinigten Staaten als größter Empfänger ausländischer Direktinvestitionen.“
Dieses Wirtschaftswunder hängt eng mit der großen Bevölkerungszahl des Landes zusammen. In China gibt es jährlich die meisten Universitätsabsolventen. Die Alphabetisierungsquote lag 2003 bei 89 %. Und je besser die Bevölkerung ausgebildet ist, desto höher dotierte Jobs bekommt sie. Das fördert wiederum den Konsum und die Produktion.
„Bentley ist stolzer Hersteller des teuersten Autos der Welt – der 728er Stretch-Limousine im Wert von 1,2 Millionen Dollar – und hat davon durch seine Niederlassung in Peking mehr Exemplare verkauft als durch irgendeine andere Zweigstelle der Welt.“
Erinnern wir uns: Vor gar nicht allzu langer Zeit galt das wirtschaftliche Klima in China als ausgesprochen unternehmensfeindlich. Heute ist die asiatische Nation die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und sogar das Land, in das in den vergangenen Jahren die meisten ausländischen Direktinvestitionen geflossen sind. Wer diesen unglaublichen Wandel verstehen will, sollte sich die Geschichte Chinas näher ansehen.
„China ist nun die drittgrößte Handelsnation der Welt.“
Chinas vier K’s
- Konfuzianismus: Vor Christi Geburt war China in Feudalstaaten zersplittert, die sich gegenseitig bekriegten. Konfuzius wurde 551 v. Chr. geboren, war Buchhalter und später Justizminister. Er führte in seiner Philosophie zwei Konzepte ein: ren und li. Ersteres steht für Nächstenliebe, Letzteres für Respekt. Beides hatte zu seiner Zeit zwar wenig Auswirkungen auf die Kriegsparteien, aber großen Einfluss auf Chinas Geschichte. Lange nach Konfuzius’ Tod eroberte Qin Shi Huang, 259 v. Chr. geboren, die Feudalstaaten und vereinte sie zu einem Reich. Er vereinheitlichte die Schrift und erweiterte die Chinesische Mauer. Im Laufe der Zeit erfanden die Chinesen Porzellan, Schießpulver, Schubkarre, Kompass, Steigbügel, Papier und Spinnrad. Außerdem exportierte das Land Seide und Tee und war Anfang des 19. Jahrhunderts die größte Volkswirtschaft der Welt.
- Kolonialismus: Die Briten trieben eifrig Handel mit den Chinesen. Als Silber zu teuer wurde, stiegen sie auf Opium als Handelsware um. Das wurde exklusiv nach China vertrieben, und mehrere Tausend Menschen erfreuten sich daran. Doch die Sucht nahm solche Dimensionen an, dass Opium 1838 vom Kaiser verboten wurde. Das war der Auftakt zu den Opiumkriegen, in deren Folge die Briten und die Franzosen sich Teile des Landes unterwarfen. 1931, 1932 und 1937 fielen zudem die Japaner in Teile Chinas ein.
- Kommunismus: 1945 unterlagen die Japaner schließlich. Jetzt nutzten die Kommunisten unter Mao ihre Chance: 1949 gründeten sie die Volksrepublik China und führten die Planwirtschaft ein. Ab 1956 durfte im Land nur noch mit behördlicher Erlaubnis gereist werden, alle Titel oder Stellungen wurden ungültig. Zwar wurden den Frauen mehr Rechte zugesprochen, aber alles in allem führten die Neuerungen in unglücklicher Kombination mit heftigen Unwettern zu einer Hungersnot, in der bis zu 30 Millionen Menschen starben. Ab 1966 lief der dritte Fünfjahresplan, und im selben Jahr startete Mao die Kulturrevolution. Dadurch versank das Land im Chaos. Börsen gab es in dieser Zeit keine mehr und somit auch keinen Aktienhandel.
- Kapitalismus: 1976 starb Mao. Einige Jahre danach kam Deng Xiaoping an die Macht, und mit ihm begann der Aufschwung. Unter anderem wurden jetzt Aktien eingeführt, da man sich von ihnen finanzielle Disziplin für Unternehmen erhoffte. Außerdem sind die Manager bei diesem System den Aktionären verpflichtet und können nicht so leicht in die eigene Tasche wirtschaften. 1990 wurde die Shanghaier Börse nach rund 50 Jahren wiedereröffnet.
Die Olympischen Spiele 2008
Für die vielen Besucher, die zu den Olympischen Spielen erwartet werden, wird Peking auf Hochglanz poliert. Es entstehen neue Fußgängerunterführungen, Hotels und Wohnkomplexe. Während der Spiele darf nur derjenige in die Stadt, der dort wohnt oder Eintrittskarten für die Sportveranstaltungen hat. Um die Luftverschmutzung zu reduzieren, wurden ganze Fabriken um Hunderte von Kilometern verlegt. Der Benzinverkauf soll für die Dauer der Großveranstaltung streng reglementiert werden.
Chancen und Risiken
Nicht alle glauben an das weitere Wachstum Chinas. Immer wieder werden Argumente vorgebracht, die dagegen sprechen. Manche davon lassen sich leicht entkräften, andere dagegen tragen einen wahren Kern in sich:
- Richtig ist, dass die Beziehungen zu Japan und Taiwan historisch bedingt angespannt sind. Allerdings sind die Länder wirtschaftlich miteinander verflochten. Ein Krieg, der die Länder und ihre Wirtschaft zerstören könnte, ist eher unwahrscheinlich.
- Es stimmt, dass China sich in einem betrüblichen Zustand befindet, was die Umweltzerstörung anbelangt. Aber: Die Gefahr ist immerhin erkannt, und man geht dagegen an.
- Ebenfalls richtig ist, dass es in China ein steiles Gefälle zwischen Arm und Reich gibt, was zu Unruhen führen könnte. Doch auch hier gilt: Die Regierung arbeitet daran, die Kluft zu verringern.
- Die Ein-Kind-Politik ist weitgehend außer Kraft gesetzt. Die Geburtenrate Chinas ist derzeit höher als die Italiens. Somit wird das Land künftig nicht unter einer zu großen Überalterung der Bevölkerung leiden.
- Die Chinesen haben weltweit betrachtet eine sehr hohe Sparquote, und die chinesische Regierung unterstützt den Auf- und Ausbau des Bankensystems mit allen Mitteln. Außerdem haben internationale Investoren großes Interesse an China. So genannte uneinbringliche Forderungen werden der chinesischen Wirtschaft somit keinen Schaden zufügen.
- Natürlich steigen in China die Löhne. Doch das wird die boomende Wirtschaft nicht negativ beeinflussen, denn damit wächst die Kaufkraft im eigenen Land.
- Zwar werden künftig weder die privaten noch die öffentlichen Investitionen oder die Exporte im gleichen Tempo weiterwachsen. Aber eine Wirtschaft kann auch im Land selbst gedeihen. Erste Anzeichen sind zu sehen: Die jüngeren Jahrgänge sind sehr konsumfreudig.
- Korruption ist in China ein großes Problem. Doch auch hier gibt es bereits Gegenmaßnahmen.
Investieren in China
Es gibt also eigentlich keine schlagkräftigen Gründe, die gegen ein Investment in China sprechen. Allerdings ist eine Investition in China auch nicht so einfach, wie man annehmen sollte. Es gibt dort z. B. eine verwirrende Anzahl von unterschiedlichen Aktien und Benennungen: A-Aktien sind für Einheimische und einige wenige ausländische Investoren bestimmt, H-Aktien bekommen Investoren aus Hongkong, L-Aktien sind an der Börse in London notiert, T-Aktien in Tokio. Und das sind nur einige Beispiele. Diese Aktien werden häufig auch zu unterschiedlichen Preisen verkauft. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft in großen Teilen noch immer der staatlichen Kontrolle unterliegt. Darüber hinaus werden chinesische Aktienkurse manchmal manipuliert, auch wenn es Bestrebungen von Regierungsseite gibt, dies zu unterbinden. All das macht es für den Privatinvestor schwierig, die richtigen Wertpapiere zu kaufen.
„Zweifellos wird Chinas Wandel vom exportorientierten Niedriglohnland zu einem wohlhabenderen, stärker konsumorientierten Land Störungen hervorrufen und auf persönlicher Ebene auch zu Tragödien führen.“
Die entscheidende Frage lautet aber: Wie kann ich wissen, welche Papiere Potenzial für die Zukunft haben? Eine Möglichkeit ist, das Modell des Finanzökonomen Myron Gordon zu Rate zu ziehen. Danach schätzen Sie die langfristige Ertragsrate, indem Sie zur Dividendenrendite zum Zeitpunkt des Aktienkaufs die langfristige Wachstumsrate der Erträge und Dividenden addieren. Die Dividendenrendite ergibt sich, wenn Sie die erreichte Dividende eines Wertpapiers durch den Kurs der Aktie teilen. Die Wachstumsrate ist die durchschnittliche jährliche Rate, mit der Erträge und Dividenden wachsen. Ein Beispiel für den US-amerikanischen Aktienmarkt im Jahr 2007: Die Dividendenrendite amerikanischer Stammaktien lag bei 2 %, die erwartete Wachstumsrate bei 5,5 %. Das ergibt nach Gordon eine langfristige Wertpapierrendite von 7,5 %. Schaut man nach China, lag die Dividendenrendite chinesischer Stammaktien bei 1,5 %, die Wachstumsrate aber bei 7,5 % – das macht eine langfristige Rendite von 9 %. Chinesische Wertpapiere sind außerdem auch geeignet, das Portfolio zu diversifizieren. Der Korrelationskoeffizient zeigt, dass beispielsweise der US-amerikanische und der chinesische Aktienmarkt nicht den gleichen Rhythmus haben. Stark vereinfacht bedeutet das: Brummt der eine Markt, ist der andere zurückhaltend, und umgekehrt.
„In China spielt die Musik, und wir glauben, dass diejenigen, die jetzt in China investieren, in den kommenden Jahren reich belohnt werden.“
Wer sich China ins Depot holen möchte, sollte einige Punkte beachten: Fonds, die eine Verkaufsgebühr erheben und jährliche hohe Verwaltungsgebühren verlangen, schmälern die Rendite. Zu empfehlen ist die Investition in Indexfonds, denn die Kosten sind hier in der Regel sehr niedrig. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Frage der Risikobereitschaft. Kleine oder junge Unternehmen bieten oft hohe Renditen. Doch je höher die Rendite, desto höher im Regelfall auch das Risiko. Je nach Ihrer Risikobereitschaft und Risikofähigkeit sollte Ihr Portfolio 5–20 % China-Aktien enthalten. Übrigens: Weniger riskant und einfacher als die Anlage in chinesische Papiere ist das Investment in Aktien von US-amerikanischen oder europäischen Unternehmen, die sich stark in China engagieren und dadurch satte Gewinne erzielen. Zu den Branchen mit besonders guten Aussichten gehören im Reich der Mitte Konsumgüter, Finanz- und Infrastrukturunternehmen, also Firmen, die z. B. Züge herstellen, Straßen bauen oder die Wasserversorgung des Landes vorantreiben. Auch die Energie- und Freizeitwirtschaft wird in China weiter wachsen.
Alternative Investments in China
Immobilien haben in China eine große Zukunft, denn der Bauboom nimmt kein Ende. Allerdings ist es für Privatinvestoren sehr schwierig, sich direkt daran zu beteiligen. Die beste Möglichkeit, in Immobilien in China zu investieren, ist die Anlage in REITs (Real Estate Investment Trusts), also Immobilienfonds, die professionell gemanagt und in Aktienform an die Börse gebracht werden.
„Während es unsinnig wäre zu glauben, die Wachstumsraten blieben für immer bei 9–10 %, so sind wir doch recht zuversichtlich, dass die Wachstumsraten in den kommenden 20 Jahren weiter im hohen einstelligen Bereich liegen werden und China sich als die am s
Erstaunliche Wertsteigerungen haben in der letzten Zeit auch chinesische Kunstgegenstände erzielt. Allerdings ist es sehr schwierig vorauszusehen, was an Wert gewinnt, und was nicht. Kunst sollte darum primär als Sammlerobjekt verstanden werden: Man kauft sie in erster Linie, weil sie einem gefällt. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, sich bei Online-Auktionshäusern zu informieren, was dort gut ankommt, und dann ein Werk zu kaufen, an dem man Gefallen gefunden hat und das den eigenen Preisvorstellungen entspricht. Mit etwas Glück steigt sein Wert in den kommenden Jahren an.
„Die Risikofähigkeit hat damit zu tun, wie viel Risiko Sie eingehen können, ohne entweder Ihre finanzielle Stabilität oder die Aufrechterhaltung Ihres gewohnten Lebensstils zu gefährden.“
Wer sich für chinesische Anleihen interessiert, tut seinem Portfolio in Form einer Diversifizierung etwas Gutes, denn diese Papiere können das Risiko mindern. Allerdings bleibt hier im Regelfall nur der Gang zum institutionellen Anleger, denn Privatleute haben so gut wie keine Chance, Anleihen zu erwerben.