Der Mensch als Herdentier
Menschen handeln als Teil einer Masse nicht so wie als Individuen. Man geht gemeinhin davon aus, dass Tiere von ihrem Instinkt getrieben werden, der Mensch aber seinen Verstand einsetzt. Dies ist jedoch nicht immer der Fall: Sobald der Mensch als Teil einer Masse auftritt, handelt auch er nur noch nach seinem Instinkt und setzt den Verstand außer Kraft.
„Wenn sie in die Gesellschaft von Heerscharen ihrer Mitmenschen geschleudert werden, verändert eine Chemie die Menschen, die als Einzelne von unfehlbarer Integrität und unbestreitbarer Vorsicht sind, in wahnsinnige Dummköpfe.“
Dieses Verhalten lässt sich mit der Evolution erklären. In frühen Phasen der menschlichen Entwicklung war die Gruppe für den Einzelnen von existenzieller Bedeutung. Ohne den Schutz des Kollektivs konnte ein Individuum kaum überleben. Deshalb neigen Menschen noch heute instinktiv dazu, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Eine Gruppe muss ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, das sie zusammenhält, sonst kann sie auf Dauer nicht bestehen. Dieses Gemeinschaftsgefühl entsteht dadurch, dass man die eigene Gruppe für besser hält als alle anderen. So bilden sich Vorurteile, und die Menschen empfinden die eigene Kultur, Religion, Rasse usw. als überlegen. Indem eine Gruppe ein Feindbild hat und andere ausgrenzt, wie etwa bei den Hexenverfolgungen, wird ihr innerer Zusammenhalt gestärkt und als Folge ihre Überlebenschance erhöht. Dieses Verhalten ist auch der Grund, weshalb Einzelne sich bedenkenlos für ihre Nation oder eine Idee aufopfern, etwa im Krieg. Zu Urzeiten zogen die Männer in Gruppen los, um zu jagen und zu sammeln. Der Einzelne hatte gegen Feinde und wilde Tiere nur dann eine Chance, wenn die anderen ihm halfen und dafür notfalls ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten. Also musste jeder auch die Bereitschaft haben, sein Leben für andere zu opfern. Diese Verhaltensmuster, die einmal überlebenswichtig waren, haben sich bis heute erhalten. Wer nach solchen Mustern handelt und zugleich rationale Begründungen für sein Verhalten sucht, täuscht sich selbst.
Geld, Sex und Erfolg
Vor allem von politischen Fragen und vom Thema Geld können die Menschen sich so sehr hinreißen lassen, dass sie ihr Denken komplett abschalten. Ähnlich kopflos ist man normalerweise in verliebtem Zustand. Letztlich besteht hier auch ein Zusammenhang: Im Grunde wird der Mensch nur von seinem Wunsch nach Sex gesteuert. Jeder möchte Sex haben und seine Gene möglichst erfolgreich weitergeben. Um das zu erreichen, muss man auffallen. Und um aufzufallen, geben die Menschen Geld aus: Frauen kaufen sich Schmuck, Männer Geländewagen. Sie leben über ihre Verhältnisse und verschulden sich. Wer auffallen will, muss grundsätzlich mehr haben als seine Nachbarn, d. h. es kommt zu einem Wettlauf. Selbstbewusste Männer, die sich herauszustellen wissen, bekommen jede Frau und machen Karriere, unabhängig von ihrem tatsächlichen Fachwissen. Die Managergehälter sind in den letzten Jahren übermäßig angestiegen, und das ist kein Wunder: Hier erhöhen nur selbstbewusste Männer ihren Marktwert bei den Frauen.
Weltverbesserer und ihre Anhänger
Als Weltverbesserer gelten Menschen, die anderen ihre eigene Vorstellung einer perfekten Welt aufzudrängen versuchen, notfalls mit Gewalt. Meistens sind solche Leute ziemlich dumm, aber wenn sie die Massen zu begeistern vermögen, merkt das niemand mehr, und sie werden bejubelt. Che Guevara wird heute noch als Held verehrt, dabei stellte er sich bei allen seinen Unternehmungen ziemlich dämlich an. Juan Perón schaffte es, die blühende Wirtschaft Argentiniens komplett zu ruinieren. Mao Tse-tung war ein grausamer Diktator, dessen Schreckensherrschaft Millionen von Menschen das Leben kostete. Trotzdem bewunderten ihn viele westliche Intellektuelle, und von den Chinesen hat nur ein einziger versucht, ihn zu töten. Die Beispiele zeigen, dass sich die Intelligenten von der Propaganda der Dummen mitreißen lassen. Wenn die Masse jubelt, schaltet der Einzelne seinen Verstand aus.
Die Angst vor dem Terror
Ein so genannter Weltverbesserer ist auch der amerikanische Präsident George W. Bush. Er träumte davon, dem Irak Freiheit und Demokratie zu bringen. Wirklich funktioniert hat das nicht. Die Sicherheitslage im Irak und im Nahen Osten allgemein ist heute sehr viel schlechter als zu Zeiten Saddam Husseins. Es ist auch gar nicht klar, ob freie und demokratische Wahlen den Irak so viel besser machen würden. Immerhin kamen in der Vergangenheit etliche Diktatoren ganz legal durch Wahlen an die Macht, darunter Hitler und Mussolini. Die Panik in den USA vor terroristischen Anschlägen nach dem 11. September 2001 war ein reines Massenphänomen. Die Furcht vor weiteren Attentaten war verständlicherweise groß und wurde von der Regierung noch geschürt. Um die Bevölkerung vor Terrorakten zu schützen, führte man zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen ein und begann schließlich den Krieg gegen den Irak. Keiner dachte mehr nüchtern darüber nach, wie gefährlich die Lage tatsächlich war. Beweise für eine wirkliche Gefahr gab es nie. Durch terroristische Anschläge sterben pro Jahr etwa so viele Menschen wie durch eine Allergie gegen Erdnussbutter – trotzdem werden keine Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung vor Erdnussbutter zu schützen. Der Krieg gegen den Irak aber hat jetzt schon mehr Tote gefordert als alle terroristischen Anschläge, die in den letzten 200 Jahren in den USA stattfanden.
Hexenjagden
Bei Massenphänomenen spielt auch die Presse eine wichtige Rolle. Der Konsument einer Nachricht geht wie selbstverständlich davon aus, dass ihm die Medien ein objektives Bild der Wirklichkeit vermitteln, deshalb glaubt er meistens, was er hört oder liest. Aber hier irrt er: Die Medien veröffentlichen am liebsten diejenigen Nachrichten, die ihnen Leser bringen, also Klatsch und Skandalberichte, und zeigen damit nur einen winzigen, verzerrten Ausschnitt der Wirklichkeit. Wie stark Medien wirken, beweisen schon die Hexenverfolgungen im Mittelalter. Damals wurden die Ideen Einzelner von den Massen aufgenommen und lösten eine kollektive Hysterie aus. Einer dieser Auslöser war das Buch Der Hexenhammer des Inquisitors Heinrich Kramer. Die Ängste und Fantasien dieses Einzelnen setzten sich so sehr in den Köpfen der Masse fest, dass irgendwann niemand mehr nüchtern über die Sache nachdachte. Ähnliches gibt es auch heute noch: In Kanada wurde 1980 ein Buch veröffentlicht, in dem eine junge Frau sexuellen Missbrauch im Zusammenhang mit einem Satanskult schildert. In den folgenden Jahren glaubte man in den USA zahlreiche solcher Missbrauchsfälle aufzudecken, man zwang Kinder zu Aussagen und verhaftete etliche Verdächtige. Die Presse schlachtete das Thema aus. Schließlich hieß es, dass pro Jahr wohl um die 50 000 Kinder bei satanischen Kulten getötet würden! Keiner dachte mehr darüber nach, inwieweit diese Zahlen überhaupt realistisch sein können. Am Ende erwiesen sich alle Vorwürfe als haltlos, selbst das Buch, das die ganze Hysterie ausgelöst hatte, entpuppte sich als Fälschung.
„Wir führen einen Krieg gegen den Terrorismus, den ohne ein ironisches Grinsen niemand erwähnt, weil er nur eine Kampagne zum Schutz der Flanken des großen Finanzimperiums darstellt. Wenn man feststellen sollte, er habe den Konsum eingedämmt, würde er morgen gestoppt.“
Bei einem Krieg wie dem im Irak ist die Presse ein wichtiges Propagandainstrument. Reporter holen sich ihre Informationen nicht vor Ort, sondern übernehmen die Mitteilungen des Verteidigungsministeriums und verbreiten sie. Durch Falschmeldungen wurde schon die Stimmung dafür geschaffen, dass der Irakkrieg überhaupt beginnen konnte. Die Strategie ist nicht neu: In der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs verbreitete England Berichte über angebliche Gräueltaten deutscher Soldaten in Belgien. Diese Meldungen waren mit ein Grund dafür, dass die USA schließlich in den Krieg eintraten. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass es diese Gräueltaten nie gegeben hatte.
Die Masse an der Börse
Statistiker rechnen häufig mit der Gauß’schen Normalverteilung, einer glockenförmigen Kurve: Durchschnittliche Werte treten gehäuft auf, Extremwerte nur selten. Für viele Phänomene mag diese Normalverteilung zutreffen, für die Börse gilt sie nicht. Börsencrashs liefern Extremwerte, die nach der Normalverteilung eigentlich nur alle paar Millionen Jahre auftreten dürften. Doch in der Realität passieren sie ziemlich häufig. Das liegt daran, dass auch hier das Verhalten der Masse eine ganz erhebliche Rolle spielt. Fallen die Kurse, so verkaufen alle ihre Aktien, ob das nun vernünftig ist oder nicht. Dadurch multiplizieren sich die einzelnen Effekte. Unvorhergesehene Ereignisse, die unmittelbar gar nichts mit der Wirtschaft zu tun haben, aber bei der Masse Panik auslösen, bringen die Börse ins Trudeln. Die Menschen neigen außerdem dazu, spektakuläre Risiken als wesentlich gefährlicher einzuschätzen als alltägliche. Ein Terroranschlag versetzt alle in Panik, dabei ist das Risiko, bei einem Unfall im eigenen Haus zu sterben, wesentlich höher.
Booms und Blasen
Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stiegen die Immobilienpreise in den USA rasant an. Im Glauben, dass diese Entwicklung sich fortsetzen würde, kauften sich viele Amerikaner ein Haus und nahmen dafür Kredite auf, auch wenn sie sich das eigentlich nicht leisten konnten. Die erwartete Wertsteigerung der Immobilie verlieh ihnen trügerische Sicherheit. In demselben Glauben vergaben die Banken Kredite, ohne die Bonität zu überprüfen. Einen Grund für diese Zuversicht gab es nicht. Als die Blase schließlich platzte, standen viele Hausbesitzer vor dem Ruin. Bei Hedgefonds ist die Lage zurzeit ähnlich. Der Derivate-Markt hat in den letzten Jahren einen nie da gewesenen Boom erlebt. Aber die Derivate sind letztlich nichts als Schulden, und wenn der Gläubiger nicht zahlen kann, sind sie nichts mehr wert. Die Hedgefonds-Manager sind allerdings immer die Gewinner. An sie geht ein Teil der Erträge, solange die Fonds etwas einbringen. Auf den Verlusten bleibt der Anleger allein sitzen. Warum lassen sich die Kunden auf so ein Geschäft ein? Weil sie wiederum als Teil einer Masse handeln. Wenn der Markt boomt, denkt niemand daran, dass auch wieder schlechtere Zeiten kommen. Das war schon während des Booms der US-Wirtschaft in den 1920er Jahren so, und was dann folgte, war die Weltwirtschaftskrise.
Investieren gegen den Strom
Unter den Finanzexperten gibt es viele sehr unterschiedliche Menschen, vom nüchternen Mathematiker bis zum Exzentriker. Jeder von ihnen hat seine eigene Theorie, wie man mit Aktien zu Geld kommen kann. Das Dumme ist nur: Der Markt ist nicht berechenbar. Es spielen einfach zu viele Faktoren zusammen, als dass man seine Entwicklung wirklich voraussehen könnte. Wer der Menge folgt und so investiert wie alle anderen, hat mit einiger Sicherheit keine Chancen auf hohe Gewinne. Dafür muss man sich schon anders verhalten als die Masse der Anleger.
„Wie Sie sehen, am Ende ist alles Biologie.“
Was können Sie also tun, um erfolgreich zu investieren? Zunächst einmal: Machen Sie sich die Massenphänomene bewusst. Halten Sie sich nicht an die Meinung der Medien und der Investmentgurus, sondern bilden Sie sich Ihre eigene. Sitzen Sie nicht dem weit verbreiteten Irrtum auf, dass ein Laie am Markt genauso erfolgreich sein kann wie ein Insider, das ist nicht der Fall. Investieren Sie dort, wo Sie sich auskennen und sich eine Meinung bilden können: in private Geschäfte, die Ihnen bekannt sind und bei denen Sie das Risiko abschätzen können. Legen Sie ihr Geld dort an, wo die Preise zurzeit niedrig sind und man damit rechnen kann, dass sie wieder steigen werden. Bei den Nahrungsmittelpreisen etwa ist abzusehen, dass sie weltweit ansteigen werden. Sogar Immobilien können noch immer ein gutes Geschäft sein. Aber kaufen Sie nicht dort, wo alle kaufen, sondern dort, wo die Preise noch niedrig sind. In den USA stehen die Aktien im Moment sehr hoch. Deshalb wäre es besser, anderswo zu investieren, z. B. in Argentinien, wo die Wirtschaft wächst. Kaufen Sie nichts, was man Ihnen aufdrängt, da ist meist etwas faul. Kaufen Sie auch nie etwas, was alle wollen und wofür groß Werbung gemacht wird. Je mehr Leute etwas wollen, umso teurer wird es und umso wahrscheinlicher ist ein Abschwung. Wenn die Aktien hoch stehen, kann es auch eine gute Wahl sein, erst einmal beim Bargeld zu bleiben und gar nicht zu investieren. Falls die Wertpapiere aber dann weiter steigen, verliert Ihr Bargeld an Wert. Sie können natürlich auch in Gold anlegen, das ist krisenfest, wirft aber keine Zinsen ab.