Finanzblasen

Buch Finanzblasen

... und warum sie so wichtig für die Wirtschaft sind

FinanzBuch,


Rezension

Daniel Gross ist ein Optimist. Der amerikanis­che Fi­nanzkolum­nist kann selbst den größten Fi­nanzblasen der letzten 150 Jahre etwas Positives abgewinnen. Seine These: Der irrationale Überschwang beim Aufbau einer Blase ist nur das Vorspiel. Erst wenn die meisten Unternehmen in Trümmern liegen, Milliarden die Besitzer gewechselt haben und die Branche brachliegt, kommen die eigentlichen Nutzer zum Zuge. Gross nimmt seine Leser mit auf einen Ritt durch die Geschichte und demon­stri­ert seine These anhand der Speku­la­tions­blasen, die den Aufstieg der Telegrafie, der Eisenbahn, der billigen Kredite vor dem Börsencrash 1929 und schließlich der New Economy und des Im­mo­bilien­booms begleitet haben. Die deutsche Übersetzung des Buchs ist leider nicht durchweg gelungen und lässt den saloppen, frechen Stil des Autors hin und wieder gestelzt klingen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Anlegern, privaten wie in­sti­tu­tionellen, als un­ter­halt­same Lehrstunde in Sachen Fi­nanzblasen.

Take-aways

  • Fi­nanzblasen treten in unregelmäßigen Abständen unverhofft auf.
  • Eine Blase kann entstehen, wenn einige wenige einen Trend ausfindig machen und immer mehr Investoren und Spekulanten sich ihnen anschließen.
  • Je mehr Leute auf den fahrenden Zug aufspringen und Gewinne abschöpfen können, umso mehr bläht sich die Blase auf – bis sie platzt.
  • Nicht immer ist das Platzen der Blase eine Katastrophe; manchmal kann danach erst die entstandene Technologie oder In­fra­struk­tur sinnvoll genutzt werden.
  • Die Erfindung der Telegrafie beflügelte um 1850 Amerika. Viele Unternehmen in­vestierten reichlich Geld, das sie schließlich verloren.
  • Auch im Eisen­bah­n­we­sen der USA gab es Ende des 19. Jahrhun­derts einen Crash; danach entstanden ganz neue Geschäftsmodelle, z. B. der Ver­sand­han­del.
  • Der Börsenkrach von 1929 förderte die Einführung der Börse­nauf­sicht und die Ein­la­gen­sicherung der Banken.
  • Die Dot­com-Blase hinterließ nach ihrem Platzen schnelle Glas­faserverbindun­gen, die heute vielen Menschen einen günstigen In­ter­net­zu­gang bescheren.
  • Nach der Im­mo­bilien­blase folgt bereits ein neuer Megatrend, der schnell zu einer Finanzblase werden kann: das Boomthema „erneuerbare Energie“.
  • Als Anleger sollten Sie Unternehmen meiden, die während des Aufbaus der Blase fusionieren, und stattdessen auf solche setzen, die im Abschwung fusionieren.
 

Zusammenfassung

Die Nachwehen des In­ter­net-Hy­pes

Als Google im Oktober 2006 für as­tronomis­che 1,65 Milliarden Dollar das erst eineinhalb Jahre alte Videoportal YouTube kaufte, war es wieder da: das Fi­nanzblasen­gefühl aus der Zeit der New Economy. Hier wechselte ein Unternehmen den Besitzer, das bis dahin ein großes Geheimnis aus seinen Finanzen gemacht hatte. Dennoch: Googles Aktie machte einen 8,5-%-Sprung nach oben und ließ damit den Wert des Un­ternehmens so stark steigen, dass der Deal quasi gratis war. Wie in den 90ern, könnte man denken. Google entfacht aber selbst keine In­vesti­tions­blase. Das Unternehmen profitiert eher vom In­ter­net-Hype, der Ende der 90er Jahre dazu geführt hat, dass eine große Anzahl amerikanis­cher Haushalte heute über das schnelle Glas­faser­netz verfügt. Dadurch wird das Streamen von Videos über das Internet überhaupt erst möglich.

Was sind Fi­nanzblasen?

Irgendwie scheint das keiner genau sagen zu können, und Lehrbücher sind ratlos, wenn es um die Definition dieses ganz realen Phänomens geht. Alles fängt mit einer neuen Idee, einer neuen Technologie oder einem Trend an. Es gibt zunächst nur wenig En­thu­si­as­ten, die glauben, dass sich daraus etwas zum Hit entwickeln und einigen Leuten richtig viel Geld in die Taschen spülen wird. Manchmal sind die Indizien sehr vage. Da werden beispiel­sweise kurzfristige En­twick­lun­gen ewig in die Zukunft fort­geschrieben, oder es kommen selbst ernannte Experten zu Wort, die einen Megatrend voraussagen. Langsam bläht sich die Blase auf: Immer mehr Anhänger, Experten und Gläubige kommen dazu, die wirklich glauben, dass da etwas ganz Großes entsteht. Man bestätigt sich gegenseitig und schürt große Erwartungen. Wie ließe sich sonst erklären, dass 1998 ganz normale Kneipenbe­sucher, die sich sonst über Sport oder Filme unterhalten hätten, plötzlich über Sinn und Zweck von Ak­tienop­tio­nen disku­tierten und dabei im Hintergrund der Börsenticker im Fernseher lief?

„Blasen erzeugen Me­di­en­rum­mel, Pro­jek­tio­nen und Träume in Hülle und Fülle.“

Die Blase wird zum Massenphänomen, und immer mehr wollen am Trend teilhaben. Es hält sich das Gerücht, dass nicht nur die Ersten, sondern auch die Fünften und Sechsten noch gewaltige Gewinne machen können. Plötzlich haben alle möglichen Unternehmer ähnliche Ideen und – obwohl die Nachfrage erst einmal beschränkt sein dürfte – starten dutzendweise ähnliche In­vesti­tion­spro­jekte, die von den inzwischen ebenfalls alarmierten Kap­i­tal­ge­bern finanziert werden. Handelt es sich beispiel­sweise um eine neue Technologie, steigt die Nachfrage in allen beteiligten Branchen spürbar an. Es gibt immer mehr neue Mitbewerber, die sich ab einer kritischen Masse einen ruinösen Preiskampf liefern. Das ist gut für die Kunden, aber schlecht für die Anbieter; diese müssen sich sogar mitunter auf Geschäfte mit negativer Gewinnspanne einlassen, um Mark­tan­teile zu gewinnen. Irgendwann holt die Realität die von den Medien und der Öffentlichkeit angeheizten Erwartungen ein, und die Blase platzt. Die aufgeblähten Börsenwerte lösen sich binnen kurzer Zeit in nichts auf. Obwohl sehr viele Leute dabei ihr Geld verlieren, haben viele dieser Blasen auch etwas Gutes: Sie schaffen oft eine In­fra­struk­tur, auf der man eine tragfähige Zukunft aufbauen kann.

Der Telegraf

Gehen wir zurück in die Geschichte und sehen uns einige historische In­vesti­tions­blasen an, beispiel­sweise die des Telegrafen, der ersten Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gie der modernen Welt. Der Telegraf wurde 1998 vom Autor Tom Standage als „vik­to­ri­an­is­ches Internet“ bezeichnet. Mitte des 19. Jahrhun­derts ex­per­i­men­tierte Samuel Morse mit den Möglichkeiten, Tonsignale über weite Ent­fer­nun­gen zu trans­portieren. Der Elek­tro­mag­net­ismus kam ihm dabei zu Hilfe. Zunächst musste er beim Senat in Washington vorsprechen, damit man ihm den Bau einer 40 Meilen langen Teststrecke zwischen Baltimore und Washington finanzierte. Am 1. Mai 1843 feierten der Telegraf und das von Morse ersonnene Ton-Al­pha­bet ihre Premiere. Als die Regierung den Geldhahn zudrehte, beschaffte sich die – von Morse gegründete – Magnetic Telegraph Company Geld von Geschäftsleuten, denen viel daran lag, bestimmte Nachrichten schnell zu erhalten. Ins­beson­dere die Übermittlung von Börsendaten beflügelte das Unternehmen. Viele Klein- und Kle­in­stun­ternehmer wollten auf den Zug aufspringen und bastelten an Telegrafen­verbindun­gen zwischen Orten, in denen überhaupt keine Nachfrage herrschte. Das Telegrafen­fieber brach aus und forderte seine ersten Opfer. Zwischen 1846 und 1852 vervielfachten sich die Meilen, die mit Telegrafen abgedeckt waren von 2000 auf 23 000. Viele davon wurden wieder gekappt. Zahlreiche Unternehmen gingen Pleite. Die Überkapazitäten ließen nämlich die Preise ins Bodenlose stürzen.

„In jeder Generation tauchen Leute auf, die erklären, dass eine neue Technik, neue ökonomische Annahmen oder Fi­nanzin­stru­mente uner­messlichen Reichtum versprächen.“

Auftritt Western Union: Das Unternehmen dominierte ab 1866 den Markt der Telegrafie und war damit der große Gewinner der geplatzten Blase. Mit der zunehmenden Verbreitung dieser Technik en­twick­el­ten sich Unternehmen wie Associated Press, und die Unternehmer bekamen schließlich die Möglichkeit, schnell wichtige In­for­ma­tio­nen – nach der Verlegung des Überseek­a­bels sogar in­ter­na­tional – zu erhalten.

Die Eisenbahn

Die Entwicklung des Telegrafen und der Eisenbahn verlief zunächst parallel. Als die Finanzblase des Telegrafen platzte, ging es mit der Eisenbahn jedoch immer noch steil bergauf. War der Telegraf ein Quan­ten­sprung für die Beförderung von In­for­ma­tio­nen, so spielte die Eisenbahn die gleiche Rolle für materielle Güter. Das weiträumige Amerika war auf schnelle und verlässliche Transportmöglichkeiten angewiesen: In den 1840er Jahren dauerte ein War­en­trans­port von Chicago nach Philadel­phia mit der Pfer­dekutsche und mit Kähnen rund drei Wochen. Bis zum Bürgerkrieg entwickelte sich darum ein buntes Nebeneinan­der von ver­schiede­nen Eisen­bahn­sys­te­men und Spurweiten. Der kap­i­tal­in­ten­sive Prozess der Schienen­ver­legung wurde von der Regierung mit Land­schenkun­gen entlang der Strecken angeschoben. Aber da es – anders als im alten Europa – keine staatliche Leitung gab, waren die ver­schiede­nen Eisen­bahn­sys­teme nicht kompatibel und es kam nicht selten vor, dass eine Stadt an dreierlei un­ter­schiedliche Schienen­netze angeschlossen wurde.

„Der Telegraf hat den Geschäft­skreis­lauf nicht besser im Griff gehabt als das Internet.“

Mit dem Amerikanis­chen Bürgerkrieg entwickelte sich die Notwendigkeit, eine konsistente In­fra­struk­tur aufzubauen. Die rechtliche Grundlage schufen die Pacific Railroad Bill von 1862 und der Pacific Railroad Act von 1864. Das Ergebnis waren zwei in­terkon­ti­nen­tale Strecken vom Atlantik zum Pazifik. Viele Unternehmer witterten im Eisen­bahn­bau eine Goldader, denn mit den Strecken stieg der Verkehr, ins­beson­dere der von Gütern. Die regelrechte Bauhysterie in den frühen 1880ern wich der Ernüchterung, da viele der Strecken nicht unterhalten werden konnten. Die Blase platzte: 1893 lag ein Viertel der Eisen­bah­nge­sellschaften (immerhin 192 Unternehmen) in den letzten Zuckungen des Konkurses. Wieder griffen Kon­so­li­dierer wie J. P. Morgan zu, re­struk­turi­erten, verkauften und verdienten. Im Schlepptau des Eisen­bahn­booms kamen die ersten Ver­sand­han­del­sun­ternehmen. Montgomery Ward und R. W. Sears belieferten Farmer in ganz Amerika mit allem, was sie brauchten. Der erste Katalog aus dem Jahr 1872 umfasste eine Seite, zur Jahrhun­der­twende waren es schon 1200.

Der Börsenkrach und der finanzielle New Deal

Gab es überhaupt etwas, das vom großen Krach 1929 und der anschließenden Depression übrig blieb und das der nach­fol­gen­den Generation nützlich war? Zum Zusam­men­bruch hatten vor allem faule Kredite geführt, die die Aktienkurse ins Bodenlose sinken ließen. Noch 1928 erschien es geradezu grotesk, an einen Abschwung zu denken oder gar etwas für diesen Fall vorzu­bere­iten. Hedging, also die Absicherung von Krediten, war etwas für Angsthasen.

„Chaotisch und ungestüm erzeugte der Eisen­bahn­boom Überkapazitäten, Über-Nacht-Re­ich­tum, brutale Preiskriege, finanzielle Betrügereien und sinkende Preise.“

Die positiven Seiten dieser Blase findet man nicht in ihr selbst, sondern in der Reaktion des amerikanis­chen Präsidenten Roosevelt und seiner Regierung. Neben der Einführung der Sozialver­sicherung und der Agrar­refor­men wurde vor allem eine staatliche Börse­nauf­sicht etabliert. Es sollte sich schließlich wieder lohnen zu investieren. Darum mussten die Unternehmen, die an der Börse gehandelt wurden, fortan bestimmte Auflagen erfüllen und Einblick in ihre finanzielle Situation gewähren. Die entsprechende staatliche Behörde war die Securities and Exchange Commission. Im liberalen New York schrien die Wall-Street-Bro­ker Zeter und Mordio, fühlten sich staatlich gegängelt, beschimpften Roosevelt als verkappten Kommunisten und schreckten selbst vor einem Boykott der Ak­tien­aus­gabe nicht zurück. Im Endeffekt war alles nur heiße Luft, denn schon nach wenigen Wochen verpufften diese Aktionen, und die Börse war wieder im Geschäft. Im Januar 1934 trat überdies unter dem Kommando der Federal Deposit Insurance Corporation eine Ein­la­gen­sicherung in Kraft. Diese war ein voller Erfolg, denn nun konnte der Bankrott einer Bank nicht mehr die halbe Branche lähmen.

Das Internet und die Dot­com-Blase

Ähnlich wie der Telegraf und die Eisenbahn schuf das Internet eine völlig neue In­fra­struk­tur, die die blitzschnelle Verteilung von In­for­ma­tio­nen ermöglichte. Doch auch in diesem Fall füllte sich zunächst eine gewaltige Blase mit viel heißer Luft. Die technische Vo­raus­set­zung für den prog­nos­tizierten In­ter­netverkehr war ein Hochgeschwindigkeit­snetz. Als klar war, dass das Internet die Welt verändern würde, setzte darum ein gewaltiger Glas­faser-Bauboom ein. Es wurden Leitungen gelegt, die zum damaligen Zeitpunkt niemand wirklich brauchen konnte. Die Geschäftsmodelle vieler In­ter­ne­tun­ternehmen waren mehr als fragwürdig. Wie bei der Eisenbahn wurden zu viele Strecken in zu kurzer Zeit gebaut. Und genauso versponnen sich die Net­zw­erk­be­treiber in haarsträubende Betrügereien. So gelang es Global Crossing und MCI WorldCom, mehrere Milliarden Dollar an Profiten einfach zu erfinden. Der vorge­gaukelte Marktanteil der Betrüger führte dazu, dass kleine Unternehmen ihre Preise senken mussten. Damit setzte die Abwärtsspirale von Konkursen und Kon­so­li­dierun­gen erneut ein.

„Der abgerutschte NASDAQ mag die Serie der Er­ste­mis­sio­nen halbiert haben, und die Pleiten brachten Risikokap­i­tal­ge­ber dazu, ihren En­thu­si­as­mus zu zügeln. Aber die Menschen hörten nicht auf, E-Mails zu schicken, Bre­it­ban­dan­schlüsse in­stal­lieren zu lassen oder online einzukaufen.“

Im Schlepptau der In­fra­struk­tu­ran­bi­eter kamen die In­halt­san­bi­eter, die alles daran setzten, ihre Kunden davon zu überzeugen, Lebens­mit­tel, Bücher, Traumreisen, Hundefutter und Ge­braucht­wa­gen fortan im Web zu kaufen. Das Fieber stieg an, das Risikokap­i­tal floss. Doch dann knallte es, und die Überkapazitäten wurden unübersehbar. Fir­men­lenker, die die Titelblätter der Wirtschafts­magazine geziert hatten, entpuppten sich als gewöhnliche Betrüger.

„Mithilfe des Vor­sitzen­den der Federal Reserve Bank, Alan Greenspan, segelte die amerikanis­che Wirtschaft fast direkt von der Dot­com-Manie in eine Immobilien- und Woh­nungskredit-Blase.“

Dennoch hat der Glas­faser-Hype der 90er Jahre einen nach­halti­gen Nutzen. Damals wurden unglaublich viele Meilen Kabel verlegt, die niemand brauchte. Heute hingegen, wo es auch die entsprechen­den schnellen In­ter­ne­tan­wen­dun­gen gibt, profitieren Millionen Menschen vom rasanten Internet.

Blasen von heute und morgen

Auch wenn das Zerplatzen der Dot­com-Blase das markanteste Ereignis der letzten Jahre darstellt, gab es danach noch manche Finanzblase. Dazu gehörte die Im­mo­bilien­hys­terie in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends. Derzeit erleben wir einen Boom im Bereich der al­ter­na­tiven Energien. Auch dieser erfüllt alle Vo­raus­set­zun­gen, zu einer Finanzblase zu werden, denn wieder wird überschwänglich von einem „ewigen Trend“ gesprochen.

„Vermeiden Sie während des Aufschwungs die Fu­sion­sun­ternehmen.“

Seien Sie vorsichtig, und versuchen Sie, sich vor Blasen aller Art zu schützen. Lassen Sie die Finger von Fu­sion­sun­ternehmen, wenn sich die Blase aufbaut. Setzen Sie dagegen auf Fu­sion­skan­di­daten im Abschwung. Warum? Im Boom verschulden sich solche Unternehmen meist bis über beide Ohren. Wer jedoch nach dem Niedergang noch die Kraft für Fusionen hat, der wird im kon­so­li­dierten Markt eine große Nummer.

Über den Autor

Daniel Gross hat an der Cornell University studiert und sein Examen in amerikanis­cher Geschichte in Harvard gemacht. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Journalist, Autor und Herausgeber hat er sich auf Wirtschafts­geschichte und Wirtschaft­spoli­tik spezial­isiert.