Eltern zwischen Liebe und Autorität

Buch Eltern zwischen Liebe und Autorität

Wie Erziehung gelingen kann

mvg,


Rezension

Das Buch ist ein Erziehungsrat­ge­ber für Eltern, die im pädagogischen Irrgarten aus Liebe und Vertrauen auf der einen sowie Autorität und Konsequenz auf der anderen Seite nach Ori­en­tierung suchen. Anhand zahlreicher Beispiele aus der alltäglichen erzieherischen Praxis erläutert die Autorin, wie es gelingt, eine gesunde Balance zwischen Liebe und Autorität herzustellen. Nachdem sie die un­ter­schiedlichen Aspekte der beiden Kern­be­griffe definiert hat, führt sie im letzten Teil ein „AK­TIV-Pro­gramm“ ein, mit dem es gelingen soll, die Gegensätze unter einen Hut zu bringen. Es fällt bei der Lektüre nicht immer leicht, den Ausführungen der Autorin zu folgen. Zwar betont Lem­per-Py­ch­lau stets die Komplexität selbst banal klingender Erziehungs­fra­gen. Ihre Fall­beispiele fallen dann aber z. T. überraschend plakativ aus. Auch hätte man sich eine andere Gesamt­struk­tur des Buchs gewünscht: Die Inhalte sind nach erzieherischen Schlag­worten, die sich zu häufig wiederholen, statt nach praktischen Gesicht­spunk­ten geordnet. Trotz dieser Schwächen empfiehlt BooksInShort das Buch allen Eltern, die Erziehung als ständiges Schwanken zwischen zwei Polen empfinden; sie werden hier sicher wertvolle Ratschläge finden.

Take-aways

  • Eltern müssen bei der Kinder­erziehung das richtige Maß an Liebe und Autorität finden.
  • Liebe lässt sich nicht durch Moral ersetzen. Diese kann immer nur eine ergänzende Rolle spielen.
  • Die bestmögliche Liebe für das Kind ist die, durch die es sich genährt fühlt. Eine solche Liebe berührt gleichermaßen Geist, Seele und Körper.
  • Bei aller Liebe müssen Kinder auch lernen, sich der Autorität der Eltern zu fügen.
  • Die innere Stärke des Erziehenden ist die Vo­raus­set­zung für eine gute Erziehung.
  • Statt stur an eingeschlif­f­e­nen Gewohn­heiten festzuhal­ten, sollten Sie auch offen für neue Lösungen sein.
  • Wer seine Kinder verstehen will, muss in erster Linie sich selbst verstehen.
  • Auf Strafen sollten Sie ganz verzichten. Machen Sie stattdessen Ihrem Kind stets die Kon­se­quen­zen seiner Handlung bewusst.
  • Miteinander reden und einander zuhören sind wichtige Elemente aktiver Erziehung.
  • Nur durch Vertrauen können Liebe und natürliche Autorität zur vollen Entfaltung gelangen.
 

Zusammenfassung

Das Wesen der Liebe

Die Liebe ist ein allgegenwärtiger Bestandteil des Lebens. Sie überwindet Hindernisse und führt zu echter Gemein­schaft. Liebe ist eine innere Haltung und darf kein Tauschgeschäft sein, bei dem keiner zu kurz kommen darf. Besitz- und Un­ter­hal­tungsansprüche sind natürliche Gegner der Liebe. Der Gedanke daran droht stets, uns abzulenken und unsere Gefühle zu beschränken. Für den, der liebt, ist moralisches Handeln selbstverständlich. Aus der elterlichen Liebe wächst die Kraft, die Sorge um das Kind nicht ausschließlich belastend zu empfinden. Der Nichtliebende hingegen braucht die Moral als Richtschnur seines Handelns. Moral ist aber immer nur die zweitbeste Lösung. Sie ist allerdings nicht wertlos, da sie in bestimmten Situationen die Liebe ergänzen kann.

„Erziehung bedeutet, liebevoll Ve­r­ant­wor­tung für die Entfaltung und das Glück der Kinder zu übernehmen, und zwar auf der Basis natürlicher Autorität.“

Man un­ter­schei­det ver­schiedene Arten der Liebe. Eros ist die begehrliche, lei­den­schaftliche Liebe, die sich häufig hinter dem Anschein selbstloser Zuneigung verbirgt. Sie beruht im Grunde auf Entbehrung und ist insofern auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt. Philia, griechisch für Fre­und­schaft, steht für die Freude an der Liebe bzw. an der Gegenwart des geliebten Menschen. In der El­tern-Kind-Liebe besteht Philia darin, dass man sich an der Existenz des Kindes, an seinem Wesen und an seinem Verhalten erfreut. In der Realität vermischen sich Eros und Philia. Entschei­dend ist, welche von beiden Arten der Liebe letztlich dominiert. Als weiterer Bestandteil dieser Liebe kommt die Liebe zu uns selbst dazu. Wir werden erst fähig, das Kind zu lieben, wenn wir uns selbst lieben. Die dritte Form der Liebe ist Agape. Sie ist die vollkommen vom Ich losgelöste Nächstenliebe, die den anderen so nimmt, wie er ist. Agape ist reine, göttliche Liebe und als solche ein un­err­e­ich­bares Ideal.

Wirkungen der Liebe

Für Kinder ist Körperkontakt sehr wichtig. Auch wenn die Kinder un­ter­schiedlich darauf reagieren, ist der Körperkontakt unerlässlich für eine funk­tion­ierende El­tern-Kind-Beziehung. Ähnliches gilt für Lob und Anerkennung, die Sie dem Kind aussprechen. Ein Kind, das stets aufs Neue hören muss, dass es den elterlichen Ansprüchen nicht genügt, wird auf Dauer immer mehr an sich und seinen Fähigkeiten zweifeln. Geschenke sind dagegen Symbole unserer Liebe; ihr materieller Wert spielt in dieser Hinsicht kaum eine Rolle. Als Ersatz für mangelnde Liebe können Geschenke allerdings nicht dienen; ihre Wirksamkeit wird zudem eingeschränkt, wenn sie an bestimmte Bedingungen gebunden sind.

„Kinder müssen ganz tief davon überzeugt sein, dass ihre Eltern das Gute für sie wollen und Gutes in ihnen sehen.“

Hilfe und Unterstützung sollten Sie Ihrem Kind vor allem dann gewähren, wenn Sie es dadurch weit­er­brin­gen, und nicht einfach, um ihm (und sich selbst) das Leben zu erleichtern. Von der El­tern-Kind-Liebe profitieren alle. Sie dient den Eltern, indem sie ihnen die Gelegenheit gibt, an den ver­schiede­nen neuen Her­aus­forderun­gen, mit denen sie kon­fron­tiert werden, zu reifen. Und sie dient dem Kind, indem sie sich­er­stellt, dass es körperlich, mental und emotional genährt wird.

„Indem der Erwachsene sein Glück vom Verhalten des Kindes abhängig macht, vertauscht er die Rollen. Er wird auf diese Weise selbst zum Bedürftigen und verlangt vom Kind, genährt zu werden.“

Lieben ist die wichtigste Aufgabe im Zusam­men­leben mit Kindern. Es ist insofern eine Aufgabe, als es die Eltern ständig zum Handeln zwingt. Wer liebt muss Entschei­dun­gen treffen und sich selbst Disziplin aufzuer­legen. Sie müssen sich z. B. gegen starke Stim­mungss­chwankun­gen wappnen, denn die Liebe zu Ihrem Kind darf ein bestimmtes Niveau nicht un­ter­schre­iten. Keiner findet immer die optimale Lösung im Umgang mit den eigenen Kindern. Wichtig ist, dass Sie sich den Erziehungsauf­gaben stellen und versuchen, neue, kreative Lösungen zu finden.

Autorität und autoritäres Verhalten

Ginge es heute noch nach den Vorstel­lun­gen des 19. Jahrhun­derts, dann würde Autorität nichts anderes als Un­ter­w­er­fung bedeuten, mit dem Ziel, dem Kind den Gehorsam einzuimpfen, der in einer streng hi­er­ar­chisch gegliederten Gesellschaft gefordert wird. Heute wird Autorität zwar anders verstanden, ist aber nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der Erziehung. Vo­raus­set­zung, um Autorität ausüben zu können, ist der Respekt Ihres Kindes Ihnen gegenüber. Wenn Sie natürliche Autorität ausstrahlen wollen, müssen Sie autoritäres Erziehungsver­hal­ten vermeiden. Es ist meistens nicht nur kon­trapro­duk­tiv, sondern schadet in der Regel schadet den Kindern. Sie reagieren mit Kampf, Flucht oder Un­ter­w­er­fung, wobei keine dieser Reaktionen dem El­tern-Kind-Verhältnis zuträglich ist.

„Disziplin ist immer eine Art Investition, die wir vornehmen, um etwas Besseres zu erreichen. Man muss investieren, um schließlich profitieren zu können. Das gilt auch für die Erziehung.“

Natürliche Autorität besteht aus drei Faktoren: dem Bemühen um kluge Entschei­dun­gen, der maßgeblichen Ein­flussnahme und dem Respekt des Kindes gegenüber den Eltern. Natürliche Autorität ist das Ergebnis der Mul­ti­p­lika­tion von Sachkom­pe­tenz, Beziehungskom­pe­tenz und innerer Stärke. Tendiert einer der Faktoren gegen null, so geht das Ergebnis der gesamten Mul­ti­p­lika­tion gegen null. Wichtig in diesem Zusam­men­hang ist ein proaktives Verhalten dem Kind gegenüber. Sehen Sie beispiel­sweise, wie Ihr Kind in eine frus­tri­erende Situation gerät, so haben Sie als Elternteil die Möglichkeit, dem Kind Hand­lungsalter­na­tiven aufzuzeigen, die ihm die Möglichkeit bieten, mit Freude an eine neue Sache her­anzuge­hen.

Beziehungskom­pe­tenz

In der Kinder­erziehung müssen Eltern immer wieder über den eigenen Schatten springen können. Dies darf jedoch nicht so weit gehen, dass Sie sich selbst überfordern, denn dies nutzt in aller Regel weder Ihnen noch Ihrem Kind. Daher sollten Sie ab und zu die Rolle, die Sie dem Kind gegenüber annehmen, auf ihren Sinn überprüfen, denn Rollen werden häufig aus den eigenen Bedürfnissen abgeleitet und nicht aus den Bedürfnissen des Kindes. Auch sollten Sie Ihr Rol­len­ver­hal­ten Ihren Fähigkeiten anpassen. Wenn Sie es z. B. nicht mögen, Kindern vorzulesen, dann sollten Sie sich auch nicht dazu zwingen, sondern sich auf Ihre Stärken besinnen, also auf das, womit Sie sich gerne gemeinsam mit Ihrem Kind beschäftigen.

„Das Gespräch ist für die Kinder ein Mittel, sich den Erwachsenen zu öffnen und verständlich zu machen. Wir sollten ihnen viele solcher Möglichkeiten anbieten.“

Zur Beziehungskom­pe­tenz gehört es, Verständnis zu zeigen. Für die Entwicklung des Kindes ist es wichtig, dass Sie es ernst nehmen. Verständnis ist Ausdruck von Liebe, es unterstützt die Selb­st­wahrnehmung und -erkenntnis. Verständnis ermöglicht es, Bedürfnisse angemessen zu befriedigen. Wenn Sie Ihr Kind verstehen, wissen Sie auch, was es braucht.

Innere Stärke

Wie sollten Sie sich verhalten, wenn Sie Ihre Kinder bestmöglich erziehen wollen? In jedem Fall sollten Sie sich an den folgenden sechs Faktoren orientieren:

  1. Wer als Elternteil Ve­r­ant­wor­tung für sein eigenes Leben übernimmt, ist auch in der Lage, die volle Ve­r­ant­wor­tung für die Erziehung seiner Kinder zu übernehmen.
  2. Selb­stken­nt­nis ist notwendige Vo­raus­set­zung, um zu wissen, was man sich und dem Kind zumuten kann.
  3. Das eigene Selb­st­wert­gefühl ist für den Umgang mit Kindern fundamental. Ist es stark angeschla­gen, so hat dies negative Folgen für die Erziehungsar­beit.
  4. Optimismus ist wertvoll, weil er die Chance erhöht, dass auch das Kind eine grundsätzlich bejahende Weltsicht entwickelt.
  5. Die Fähigkeit zu zweifeln kann helfen, mit vertrauten Gewohn­heiten zu brechen. So sind gemeinsame Mahlzeiten grundsätzlich eine wünschenswerte Institution. Fühlt sich aber keiner wohl dabei, sollte man den Sinn dieser Gewohnheit ruhig in Frage stellen.
  6. Sinn und Erfüllung sucht jeder in seinem Leben. Wenn Sie sie für sich selber gefunden haben, fallen Ihnen die Erziehungsauf­gaben leichter.

Die AK­TIV-Formel

Wenn Sie die Erziehung aktiv gestalten wollen, sollten Sie eine Reihe von Vorgaben beachten, die sich in der AK­TIV-Formel zusam­men­fassen lassen: Die Abkürzung steht für Aufmerksam sein, Klarheit herstellen, Taten folgen lassen, Im Gespräch bleiben, Vertrauen schaffen.

  • Aufmerksam sein: Wenn Sie Ihren Kindern gegenüber aufmerksam sind, gelingt es Ihnen, die richtigen Fragen zu stellen und die richtigen Antworten zu finden. Ebenso wichtig ist Einfühlungsvermögen, denn dadurch lernen Sie zu verstehen, wie Ihr Kind mit bestimmten Situationen umgeht. Vo­raus­set­zung für gelungenes Einfühlen ist das Verständnis der eigenen Gefühle. Wenn es Ihnen einmal nicht gut geht und Sie auch dem Kind gegenüber nicht in der Lage sind, Höchstleis­tun­gen zu erbringen, sollten Sie das akzeptieren. Überforderte Eltern sind in der Regel keine guten Eltern. Ein weiteres Kriterium im Bereich Aufmerk­samkeit ist die Fähigkeit, die „Hub­schrauber­per­spek­tive“ einzunehmen. Das gilt besonders für Situationen, in denen Ihnen die Kontrolle über Ihre Emotionen abhanden zu kommen droht.
  • Klarheit herstellen: Um Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen dauerhaft zu meistern, müssen zunächst einmal die eigenen Ziele und die der Kinder abgesteckt werden. Erst wenn Sie die Ziele kennen, können Sie die Wege finden, die Sie dorthin bringen. Wer die notwendige Klarheit für sich und seine Kinder geschaffen hat, ist fähig, Grenzen zu ziehen und gewisse Regeln für das gemein­schaftliche Zusam­men­leben aufzustellen. Nur wer seine Regeln dem Kind erklären kann, schafft es, Verständnis dafür zu wecken. Dazu gehört es, dem Kind mögliche Hand­lungsalter­na­tiven aufzuzeigen, mit denen es gle­ichzeitig ein Problem lösen und die entsprechende Regel befolgen kann. Sonst wird die Regel zur Sackgasse, in die Ihr Kind immer wieder gerät.
  • Taten folgen lassen: Wer erzieht, muss sich auch über die eigene Vor­bild­funk­tion im Klaren sein. Für das Kind ist es entschei­dend zu erkennen, dass die Eltern sich an ihre eigenen Vorgaben halten. Wer z. B. haufenweise Süßigkeiten isst, sie dem Kind aber mit dem Argument verweigert, Süßes sei ungesund, wirkt unglaubwürdig. Auf Strafen im klassischen Sinne sollte bei der Erziehung generell verzichtet werden. Sinnvoller ist es, die Kinder mit den Folgen ihrer Handlungen zu kon­fron­tieren. So können sie selbst aus ihren Fehlern lernen. Wenn Sie Ihr Kind einmal ungerecht oder unangemessen behandeln, sollten Sie es um Verzeihung zu bitten.
  • Im Gespräch bleiben: Immer wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, ist ein wichtiger Bestandteil der Erziehung. Dies gilt gerade für Eltern, die vom Ar­beit­sleben sehr stark in Anspruch genommen sind. Wichtig ist die Qualität der Kom­mu­nika­tion, nicht die Häufigkeit. Es nützt nichts, viel miteinander zu reden, wenn der eine dem anderen nicht zuhört. Gute Kom­mu­nika­tion entsteht, wenn einer den anderen an seinem Leben teilhaben lässt. Was für Kinder eine Selbstverständlichkeit ist, müssen Erwachsene oft erst lernen. Kinder haben z. B. ein starkes Interesse, etwas über das Berufsleben ihrer Eltern zu erfahren.
  • Vertrauen schaffen: Liebe und Vertrauen ergänzen sich und sind naturgemäß eng miteinander verbunden. Wenn Sie Ihr Kind lieben und ver­trauensvoll behandeln, stärken Sie Ihre natürliche Autorität. Diese können Sie dann in entschei­den­den Phasen der Erziehung zum Wohl der Kinder geltend machen.

Über die Autorin

Marion Lem­per-Py­ch­lau hat Psychologie studiert und Fort­bil­dun­gen u. a. in klien­ten­zen­tri­erter Gesprächstherapie und sys­temis­chem Coaching absolviert. Sie arbeitet als Coach mit Unternehmen, öffentlichen Or­gan­i­sa­tio­nen und karikativen Ein­rich­tun­gen zusammen.