Der Lovemarks-Effekt

Buch Der Lovemarks-Effekt

Markenloyalität jenseits der Vernunft

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Werbung, die ar­gu­men­tiert, hat schon verloren. Gefühle müssen her, je heißer, desto besser. Nur so kann man sich gegen die – hoffentlich lang­weiligere – Konkurrenz behaupten. Dies ist die Kernaussage von Kevin Roberts’ Buch, das auch gleich selbst den Love­marks-Ansatz umzusetzen versucht und mit vielen bunten Bildern direkt auf die Emotionen des Lesers zielt. Dass Roberts und seine Koautoren aus dem Umfeld des Wer­be­gi­gan­ten Saatchi & Saatchi in den höchsten Tönen von diesem Konzept schwärmen, ist kein Wunder – dient es ihnen doch als perfekte Plattform zur Selb­st­darstel­lung. Bauch­men­schen und Kreative werden das Buch lieben und Saatchi & Saatchi für ihre cleveren Strategien bewundern. Skeptiker und Kopf­men­schen hingegen mögen die mangelnde Substanz beanstanden, denn bei genauerem Hinsehen bietet das Werk gar nicht so viel Neues zum Thema Branding. Auch bei den Tipps zur Umsetzung hapert es: Die vielen Beispiele sind bestechend, aber wie man selbst auf dieses Niveau gelangt, bleibt weitgehend offen. Trotzdem: Die Werbe-Botschaft des Buches ist richtig, meint BooksInShort und empfiehlt es allen Mar­ket­ingleuten und Un­ternehmern, die bei ihren Kunden Schmetter­linge im Bauch flattern lassen wollen.

Take-aways

  • Auf den gesättigten Märkten von heute entscheidet das Gefühl.
  • Er­fol­gre­iche Marken sind „Lovemarks“: Der Kunde respektiert sie nicht nur, sondern liebt sie.
  • Lovemarks sind geheimnisvoll: Sie machen neugierig, verblüffen mit Geschichten und Überraschun­gen. So bleiben sie auch langfristig interessant.
  • Lovemarks sind sinnlich: Geruch, Geschmack, Bilder und Musik sorgen für ein un­vergessliches Run­dum-Er­leb­nis.
  • Lovemarks sind intim: Kunden betrachten sie als ihr Eigentum, weil sie ihnen genau das bieten, was sie wünschen.
  • Lovemarks leben von der Mund­pro­pa­ganda engagierter Konsumenten.
  • Es gibt kein Paten­trezept zum Aufbau von Lovemarks, wohl aber bewährte Strategien.
  • Bildschirme sind ein zentrales Kom­mu­nika­tion­s­medium. Nur hier können Sie SiSoMo nutzen: Sight, Sound, Motion – Bild, Ton und Bewegung.
  • Der zweite wichtige Ort für die In­sze­nierung von Lovemarks ist der Verkauf­spunkt: Die öde Einkaufsstätte muss zur verführerischen Marken­traumwelt werden.
  • Die Mark­t­forschung zeigt: Lovemarks erzielen erhöhte Kaufwahrschein­lichkeiten und beein­druck­ende Steigerun­gen der Ab­satz­zahlen.
 

Zusammenfassung

Die Liebe macht den Unterschied

Klar, schlechte Produkte braucht kein Mensch. Doch Ihr Angebot kann noch so gut sein – die Produkte der Konkurrenz sind auch nicht schlechter. Auf den gesättigten Märkten von heute weiß König Kunde oft gar nicht mehr, wo ihm der Kopf steht: Niemand kann noch ernsthaft Qualitätsun­ter­schiede zwischen Hunderten gle­ichar­tiger Produkte ausmachen, egal ob es sich um Shampoos, Waschmittel, Reini­gung­spro­dukte, Lip­pen­s­tifte oder Handy-Abos handelt. Trotzdem muss der Kunde jeden Tag aufs Neue auswählen, und das oft noch unter Zeitdruck. Also regiert die Emotion. Experten wissen, dass rund 80 % einer Entschei­dung vom Gefühl bestimmt sind. Die 20 % Kopfanteil dienen eher der in­tellek­tuellen Absicherung und der Recht­fer­ti­gung einer gefühlsmäßig getroffenen Entschei­dung als der eigentlichen Entschei­dungs­find­ung.

Die Grundzu­taten: Geheimnis, Sinnlichkeit, Intimität

Das Za­uber­mit­tel gegen den Ange­bots-Ein­heits­brei heißt Marke. Nur mithilfe des Branding sind Produkte heutzutage überhaupt noch un­ter­schei­d­bar. Das Ziel: Positive Emotionen auf die Marke zu lenken. Noch besser aber ist es, wenn der Kunde regelrecht in die Marke verliebt ist, also eine starke und dauerhafte emotionale Bindung zum Produkt eingeht. Eine solche Lovemark entsteht, wenn drei Eigen­schaften zusam­men­fallen:

  1. Geheimnis: Lovemarks machen neugierig, verlocken, verblüffen mit Geschichten, Symbolen und Metaphern. Sie sorgen für Überraschun­gen und werden nicht langweilig. Nur das garantiert langfristige Kun­den­beziehun­gen.
  2. Sinnlichkeit: Lovemarks sprechen die Kunden ganzheitlich, d. h. mit allen Sinnen an: Geruch, Geschmack, Bilder und Musik verbinden sich zu einem un­vergesslichen Run­dum-Er­leb­nis.
  3. Intimität: Lovemarks scheinen wie für ihre Kunden gemacht zu sein. Sie entsprechen deren in­di­vidu­ellen Wünschen und sorgen damit für Iden­ti­fika­tion, für die wichtige Empfindung, die Marke „zu besitzen“.

Lovemarks, Marken und Moden

Wie auch im wirklichen Leben gilt: Respekt ist die Basis der Liebe. Leistung, Innovation, Ehrlichkeit und ein guter Ruf sind die Grundzu­taten. Und nicht zuletzt: die Nach­haltigkeit. Nur gesunde, sichere und moralisch einwandfrei produzierte Produkte haben das Zeug zur Lovemark: Wer in Aus­beuter­be­trieben produziert oder die Umwelt ruiniert, hat wenig Chancen, das Herz der Kunden zu erobern.

„Lovemarks sind Marken, Events und Erlebnisse, die von den Menschen geliebt werden.“

Lovemarks sind ein Ergebnis der hohen Kunst des Branding. Sie können Topwerte bei beiden Faktoren – Respekt und Liebe – vorweisen. Normale Marken können zwar Respekt erwarten, weil die funk­tionalen Leis­tungs­daten stimmen, doch rein gefühlsmäßig lassen sie den Kunden kalt. Bei Moden wiederum ist es genau umgekehrt: Der Kunde ist zwar kurzfristig total verliebt, doch wirklicher Respekt will nicht aufkommen. Das Ergebnis: heute top, morgen hopp.

Überleben in der At­trac­tion-Econ­omy

Wir leben in einer „At­trac­tion-Econ­omy“. Kunden, die mit Wer­be­botschaften überschwemmt und regelrecht um Aufmerk­samkeit angebettelt werden, verweigern sich. Sie wollen sich aus eigenem Antrieb dem Produkt, der Marke zuwenden. Nicht das Unternehmen bestimmt, wann, wie und wo dieser Kontakt stattfindet, sondern der Kunde. Interaktive Kom­mu­nika­tion statt In­for­ma­tions­flut nach dem Einbahnstraßenprinzip ist gefragt. Wie bringt man Kunden dazu? Indem man unterhält und Überraschun­gen bietet. Mit Musik, tollem Design, Empathie und Verständnis für die in­di­vidu­ellen Bedürfnisse des Kunden. Und indem man die Gelegenheit zum in­ter­ak­tiven Dialog bietet, etwa mit Chats und Communitys.

„Rationale Faktoren dienen überwiegend dazu, emo­tion­s­getriebene Entschei­dun­gen zu recht­fer­ti­gen.“

Den Lovemarks gehört die Zukunft, einfache Produkte dagegen haben es zunehmend schwer, überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Lovemarks sind in jeder Branche und bei jedem Produkt möglich: Benetton (Kleidung), MAC (Kosmetik), Starbucks (Kaffee), Wikipedia (In­ter­netlexikon) oder T-Online (Telekom­mu­nika­tion) sind bekannte Beispiele. Aber auch Kleinere können Lovemarks werden, wie etwa Lush oder Kiehl’s (beide Kosmetik), Remo (Online-Shop) und Slingfings (Taschen) gezeigt haben. Und schließlich können auch Non-Profit-Or­gan­i­sa­tio­nen wie Amnesty In­ter­na­tional oder sogar Einzelper­so­nen, wie der politisch und sozial engagierte Sänger Bono, Lovemarks werden.

Ewiges Er­fol­gsrezept: Mund-zu-Mund-Pro­pa­ganda

Das zentrale Er­fol­gs­ge­heim­nis von Lovemarks sind engagierte Konsumenten: Sie mischen sich ein, wollen mit­gestal­ten, kritisieren und, wichtiger noch, sie empfehlen das Produkt, wenn sie wirklich verliebt sind. Damit starten sie eine Mund-zu-Mund-Pro­pa­ganda, die viel wirkungsvoller ist als jede Kampagne und die immer wichtiger wird: Bei ständig steigendem Entschei­dungs-Overkill hört man lieber auf die Empfehlung einer Person, die man kennt. Da spielt es keine Rolle, ob der Profi-Verkäufer tausendmal mehr Pro­duk­t­in­fos abspulen kann: Vertrauen schlägt Fachwissen. Dummerweise kann man diese engagierten Konsumenten nicht pauschal nach Einkommen, Alter oder anderen „hard facts“ klas­si­fizieren. Je nach Produkt sind sie mal alt, mal jung, mal reich, mal arm – und entsprechend schwer zu iden­ti­fizieren.

So schaffen Sie eine Lovemark

Jeder will eine Lovemark haben. Als Grundlage ist die eigene Stan­dortbes­tim­mung wichtig. Man sollte genau wissen, ob man eine normale Marke, eine Mod­eer­schei­n­ung oder schon eine stolze Lovemark ist. Will man eine Marke zur Lovemark machen, kann man nicht nach Schema F vorgehen. Trotzdem: Es gibt einige bewährte Strategien, die dafür sorgen, dass das Liebes­barom­e­ter steigt.

„Es geht heute darum, Anziehungskraft auszuüben, statt Aufmerk­samkeit einzu­fordern.“

Neben dem Respekt, den Sie sich immer wieder neu erarbeiten müssen, ist der enge Kun­denkon­takt von Bedeutung. Nur wer ständig mitbekommt, was die Kunden wirklich denken, fühlen, brauchen und wollen, wird Erfolg haben. Als Nächstes müssen Sie die drei Grund­di­men­sio­nen Geheimnis, Sinnlichkeit und Intimität aufbauen. Geheimnisvoll werden Sie beispiel­sweise durch in­ter­es­sante Geschichten, die sich um das Produkt ranken, durch die gezielte Nutzung von Ikonen oder durch das Erfüllen geheimer Kundenträume. Sinnlichkeit entsteht durch Musik, durch verführerische Präsentation, vor allem auf Bild­schir­men, durch ein attraktives, auch die Haptik ansprechen­des Design von Produkten und Ver­pack­un­gen, durch die Ein­beziehung des oft vernachlässigten Geschmackssinnes und durch die Beteiligung der Verbraucher bei der Pro­duk­ten­twick­lung. Daraus ergibt sich prak­tis­cher­weise auch gleich die so wichtige Intimität. Weitere Methoden, um diese zu steigern, sind: Anteilnahme und aktives Handeln, Fürsor­glichkeit und nicht zuletzt in­di­vidu­elle Maßanfertigung statt stan­dar­d­isierter Massenware.

Attraktive Bildschirme und Läden

Die wichtigsten Kanäle, über die Lovemarks in der At­trac­tion-Econ­omy kom­mu­niziert werden, sind Bildschirme und Geschäfte. Bildschirme haben heute eine größere Bedeutung denn je, sie sind einfach überall: Computer, Fernseher, Handys, digitale Reklametafeln. Das Zauberwort für den er­fol­gre­ichen Einsatz dieser Medien heißt SiSoMo: Sight, Sound, Motion. Also genau das, was einen Bildschirm so attraktiv macht: bewegte Bilder plus Ton, vor allem Musik. Im Gegensatz etwa zu einem statischen Plakat können Sie auf dem Bildschirm auch Geschichten erzählen. So bahnen Sie sich den Weg direkt in die Herzen der Konsumenten.

„Engagierte Kunden umgibt eine Art Aura: Ihr heller Schein lockt andere Menschen an und führt sie zur Marke hin.“

Der andere Kanal ist – ganz konservativ – das Geschäft. Hier werden 80 % aller Kaufentschei­dun­gen getroffen und hier findet rund die Hälfte der Marken­wech­sel statt. Mit lang­weili­gen Regalen reißen Sie keinen Kunden mehr vom Hocker. Das Ziel sind Einkauf­ser­leb­nisse, die aus der Sicht des Kunden gestaltet werden, seine Emotionen ansprechen und mit seinen Bedürfnissen übere­in­stim­men. Und natürlich muss jedem Käufertyp etwas geboten werden. Oder besser: jedem Käuferin­nen­typ, denn mehr als 80 % der Kaufentschei­dun­gen werden von Frauen getroffen. Un­ter­suchun­gen zeigen: Einkaufen ist viel mehr als die effiziente Besorgung von Gütern; es bedeutet Abenteuer und Spiel, ermöglicht das Abschalten oder soziale Kontakte, es gibt Sicherheit, bestätigt die eigene soziale Stellung und vieles mehr – je nach Persönlichkeit der Kundin. Wichtig ist außerdem, dass Sie alle Ebenen der Kun­denkom­mu­nika­tion abdecken: Ori­en­tierung, Information und Inspiration. Vor allem bei Letzterer hapert es oft noch gewaltig. Dabei ist die In­sze­nierung einer Marke im Laden, die sinnliche, kreative Verführung vor Ort für den Erfolg einer Lovemark entschei­dend.

„Es gibt schlüssige Belege dafür, dass die Schaffung einer Lovemark den Umsatz steigert.“

Bei der Ladengestal­tung gilt: Die drei Grund­kom­po­nen­ten Geheimnis, Sinnlichkeit und Intimität müssen gezielt in den ver­schiede­nen Aufmerk­samkeit­szo­nen des Kunden inszeniert werden. In der Ein-Me­ter-Zone, also wenn der Kunde direkt am Regal steht, ist die Sinnlichkeit zentral: Verpackung, Design und Haptik entscheiden über Kauf oder Nichtkauf. Wichtig ist, dass Sie die Ver­pack­ungs­gestal­tung nicht isoliert betrachten, sondern sie auf die Umgebung im Laden abstimmen. In der Drei-Me­ter-Zone geht es in erster Linie um Intimität, um Ver­trautheit. Der Kunde entdeckt das Produkt nur, wenn es sich ausreichend von den anderen abhebt. Geheimnisvoll soll die Zehn-Me­ter-Zone sein. Hier geht es darum, durch gezielten Einsatz von Geruch, Bewegung und Klang Neugier zu wecken. Und hier lässt sich auch die Technik einsetzen – op­ti­maler­weise Bildschirme, auf denen Sie mit SiSoMo spielen können.

Heiße Emotionen und harte Fakten

Bei alledem geht es nicht um Gefühlsduselei, sondern um harte Fakten: Sind die Kunden erst einmal für die Lovemark entflammt, schnellen Umsätze und Gewinne steil nach oben. Die Preise dürfen dann auch höher sein als woanders, und selbst Fehler werden einem weniger übel genommen. Liebende verzeihen bekanntlich so manches – sogar Dinge, die kritische Geister sofort zum Marken­wech­sel veranlassen würden, wie beispiel­sweise eine eher durch­schnit­tliche Pro­duk­tqualität. Was nicht heißt, dass Sie bei den Leis­tungs­daten schlampen dürfen: Schrott kann man nicht zur Lovemark machen.

„Ist die Marke erst mal zur Lovemark geworden, werden ihr auch Fehler verziehen.“

Der Love­marks-Ef­fekt lässt sich belegen. Mittels As­sozi­a­tion­stech­nik etwa kann man die Qualität der Beziehung zwischen Kunde und Produkt messen. Effizient und wenig anfällig für Verz­er­run­gen sind auch Com­put­er­fragebögen zum Selbstausfüllen. Mithilfe neuer Methoden, ins­beson­dere der so genannten multiplen Regression, kann man aus solchen Daten die un­ter­schiedlichen Kaufwahrschein­lichkeiten für Lovemarks, Marken, Mod­eer­schei­n­un­gen und Produkte berechnen – und beweisen, dass beispiel­sweise bei Lebens­mit­teln Lovemarks viermal häufiger gekauft werden als Stan­dard­pro­dukte. Und der früher als etwas langweilig geltende Toyota Corolla wurde dank der Love­mark-ori­en­tierten Kampagne von Saatchi & Saatchi zum Kult: Von Platz sieben kletterte er hoch zum zweitbestverkauften Auto Großbritanniens. Der Absatz stieg um 50 %, und das bei einer Preis­steigerung von 20 %.

Über den Autor

Kevin Roberts ist CEO Worldwide der Saatchi & Saatchi Ideas Company. Außerdem ist er CEO in Residence am Judge Institute of Management der Cambridge University sowie Professor für nachhaltige Un­ternehmensführung an der Waikato Management School in Neuseeland.