Die Liebe macht den Unterschied
Klar, schlechte Produkte braucht kein Mensch. Doch Ihr Angebot kann noch so gut sein – die Produkte der Konkurrenz sind auch nicht schlechter. Auf den gesättigten Märkten von heute weiß König Kunde oft gar nicht mehr, wo ihm der Kopf steht: Niemand kann noch ernsthaft Qualitätsunterschiede zwischen Hunderten gleichartiger Produkte ausmachen, egal ob es sich um Shampoos, Waschmittel, Reinigungsprodukte, Lippenstifte oder Handy-Abos handelt. Trotzdem muss der Kunde jeden Tag aufs Neue auswählen, und das oft noch unter Zeitdruck. Also regiert die Emotion. Experten wissen, dass rund 80 % einer Entscheidung vom Gefühl bestimmt sind. Die 20 % Kopfanteil dienen eher der intellektuellen Absicherung und der Rechtfertigung einer gefühlsmäßig getroffenen Entscheidung als der eigentlichen Entscheidungsfindung.
Die Grundzutaten: Geheimnis, Sinnlichkeit, Intimität
Das Zaubermittel gegen den Angebots-Einheitsbrei heißt Marke. Nur mithilfe des Branding sind Produkte heutzutage überhaupt noch unterscheidbar. Das Ziel: Positive Emotionen auf die Marke zu lenken. Noch besser aber ist es, wenn der Kunde regelrecht in die Marke verliebt ist, also eine starke und dauerhafte emotionale Bindung zum Produkt eingeht. Eine solche Lovemark entsteht, wenn drei Eigenschaften zusammenfallen:
- Geheimnis: Lovemarks machen neugierig, verlocken, verblüffen mit Geschichten, Symbolen und Metaphern. Sie sorgen für Überraschungen und werden nicht langweilig. Nur das garantiert langfristige Kundenbeziehungen.
- Sinnlichkeit: Lovemarks sprechen die Kunden ganzheitlich, d. h. mit allen Sinnen an: Geruch, Geschmack, Bilder und Musik verbinden sich zu einem unvergesslichen Rundum-Erlebnis.
- Intimität: Lovemarks scheinen wie für ihre Kunden gemacht zu sein. Sie entsprechen deren individuellen Wünschen und sorgen damit für Identifikation, für die wichtige Empfindung, die Marke „zu besitzen“.
Lovemarks, Marken und Moden
Wie auch im wirklichen Leben gilt: Respekt ist die Basis der Liebe. Leistung, Innovation, Ehrlichkeit und ein guter Ruf sind die Grundzutaten. Und nicht zuletzt: die Nachhaltigkeit. Nur gesunde, sichere und moralisch einwandfrei produzierte Produkte haben das Zeug zur Lovemark: Wer in Ausbeuterbetrieben produziert oder die Umwelt ruiniert, hat wenig Chancen, das Herz der Kunden zu erobern.
„Lovemarks sind Marken, Events und Erlebnisse, die von den Menschen geliebt werden.“
Lovemarks sind ein Ergebnis der hohen Kunst des Branding. Sie können Topwerte bei beiden Faktoren – Respekt und Liebe – vorweisen. Normale Marken können zwar Respekt erwarten, weil die funktionalen Leistungsdaten stimmen, doch rein gefühlsmäßig lassen sie den Kunden kalt. Bei Moden wiederum ist es genau umgekehrt: Der Kunde ist zwar kurzfristig total verliebt, doch wirklicher Respekt will nicht aufkommen. Das Ergebnis: heute top, morgen hopp.
Überleben in der Attraction-Economy
Wir leben in einer „Attraction-Economy“. Kunden, die mit Werbebotschaften überschwemmt und regelrecht um Aufmerksamkeit angebettelt werden, verweigern sich. Sie wollen sich aus eigenem Antrieb dem Produkt, der Marke zuwenden. Nicht das Unternehmen bestimmt, wann, wie und wo dieser Kontakt stattfindet, sondern der Kunde. Interaktive Kommunikation statt Informationsflut nach dem Einbahnstraßenprinzip ist gefragt. Wie bringt man Kunden dazu? Indem man unterhält und Überraschungen bietet. Mit Musik, tollem Design, Empathie und Verständnis für die individuellen Bedürfnisse des Kunden. Und indem man die Gelegenheit zum interaktiven Dialog bietet, etwa mit Chats und Communitys.
„Rationale Faktoren dienen überwiegend dazu, emotionsgetriebene Entscheidungen zu rechtfertigen.“
Den Lovemarks gehört die Zukunft, einfache Produkte dagegen haben es zunehmend schwer, überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Lovemarks sind in jeder Branche und bei jedem Produkt möglich: Benetton (Kleidung), MAC (Kosmetik), Starbucks (Kaffee), Wikipedia (Internetlexikon) oder T-Online (Telekommunikation) sind bekannte Beispiele. Aber auch Kleinere können Lovemarks werden, wie etwa Lush oder Kiehl’s (beide Kosmetik), Remo (Online-Shop) und Slingfings (Taschen) gezeigt haben. Und schließlich können auch Non-Profit-Organisationen wie Amnesty International oder sogar Einzelpersonen, wie der politisch und sozial engagierte Sänger Bono, Lovemarks werden.
Ewiges Erfolgsrezept: Mund-zu-Mund-Propaganda
Das zentrale Erfolgsgeheimnis von Lovemarks sind engagierte Konsumenten: Sie mischen sich ein, wollen mitgestalten, kritisieren und, wichtiger noch, sie empfehlen das Produkt, wenn sie wirklich verliebt sind. Damit starten sie eine Mund-zu-Mund-Propaganda, die viel wirkungsvoller ist als jede Kampagne und die immer wichtiger wird: Bei ständig steigendem Entscheidungs-Overkill hört man lieber auf die Empfehlung einer Person, die man kennt. Da spielt es keine Rolle, ob der Profi-Verkäufer tausendmal mehr Produktinfos abspulen kann: Vertrauen schlägt Fachwissen. Dummerweise kann man diese engagierten Konsumenten nicht pauschal nach Einkommen, Alter oder anderen „hard facts“ klassifizieren. Je nach Produkt sind sie mal alt, mal jung, mal reich, mal arm – und entsprechend schwer zu identifizieren.
So schaffen Sie eine Lovemark
Jeder will eine Lovemark haben. Als Grundlage ist die eigene Standortbestimmung wichtig. Man sollte genau wissen, ob man eine normale Marke, eine Modeerscheinung oder schon eine stolze Lovemark ist. Will man eine Marke zur Lovemark machen, kann man nicht nach Schema F vorgehen. Trotzdem: Es gibt einige bewährte Strategien, die dafür sorgen, dass das Liebesbarometer steigt.
„Es geht heute darum, Anziehungskraft auszuüben, statt Aufmerksamkeit einzufordern.“
Neben dem Respekt, den Sie sich immer wieder neu erarbeiten müssen, ist der enge Kundenkontakt von Bedeutung. Nur wer ständig mitbekommt, was die Kunden wirklich denken, fühlen, brauchen und wollen, wird Erfolg haben. Als Nächstes müssen Sie die drei Grunddimensionen Geheimnis, Sinnlichkeit und Intimität aufbauen. Geheimnisvoll werden Sie beispielsweise durch interessante Geschichten, die sich um das Produkt ranken, durch die gezielte Nutzung von Ikonen oder durch das Erfüllen geheimer Kundenträume. Sinnlichkeit entsteht durch Musik, durch verführerische Präsentation, vor allem auf Bildschirmen, durch ein attraktives, auch die Haptik ansprechendes Design von Produkten und Verpackungen, durch die Einbeziehung des oft vernachlässigten Geschmackssinnes und durch die Beteiligung der Verbraucher bei der Produktentwicklung. Daraus ergibt sich praktischerweise auch gleich die so wichtige Intimität. Weitere Methoden, um diese zu steigern, sind: Anteilnahme und aktives Handeln, Fürsorglichkeit und nicht zuletzt individuelle Maßanfertigung statt standardisierter Massenware.
Attraktive Bildschirme und Läden
Die wichtigsten Kanäle, über die Lovemarks in der Attraction-Economy kommuniziert werden, sind Bildschirme und Geschäfte. Bildschirme haben heute eine größere Bedeutung denn je, sie sind einfach überall: Computer, Fernseher, Handys, digitale Reklametafeln. Das Zauberwort für den erfolgreichen Einsatz dieser Medien heißt SiSoMo: Sight, Sound, Motion. Also genau das, was einen Bildschirm so attraktiv macht: bewegte Bilder plus Ton, vor allem Musik. Im Gegensatz etwa zu einem statischen Plakat können Sie auf dem Bildschirm auch Geschichten erzählen. So bahnen Sie sich den Weg direkt in die Herzen der Konsumenten.
„Engagierte Kunden umgibt eine Art Aura: Ihr heller Schein lockt andere Menschen an und führt sie zur Marke hin.“
Der andere Kanal ist – ganz konservativ – das Geschäft. Hier werden 80 % aller Kaufentscheidungen getroffen und hier findet rund die Hälfte der Markenwechsel statt. Mit langweiligen Regalen reißen Sie keinen Kunden mehr vom Hocker. Das Ziel sind Einkaufserlebnisse, die aus der Sicht des Kunden gestaltet werden, seine Emotionen ansprechen und mit seinen Bedürfnissen übereinstimmen. Und natürlich muss jedem Käufertyp etwas geboten werden. Oder besser: jedem Käuferinnentyp, denn mehr als 80 % der Kaufentscheidungen werden von Frauen getroffen. Untersuchungen zeigen: Einkaufen ist viel mehr als die effiziente Besorgung von Gütern; es bedeutet Abenteuer und Spiel, ermöglicht das Abschalten oder soziale Kontakte, es gibt Sicherheit, bestätigt die eigene soziale Stellung und vieles mehr – je nach Persönlichkeit der Kundin. Wichtig ist außerdem, dass Sie alle Ebenen der Kundenkommunikation abdecken: Orientierung, Information und Inspiration. Vor allem bei Letzterer hapert es oft noch gewaltig. Dabei ist die Inszenierung einer Marke im Laden, die sinnliche, kreative Verführung vor Ort für den Erfolg einer Lovemark entscheidend.
„Es gibt schlüssige Belege dafür, dass die Schaffung einer Lovemark den Umsatz steigert.“
Bei der Ladengestaltung gilt: Die drei Grundkomponenten Geheimnis, Sinnlichkeit und Intimität müssen gezielt in den verschiedenen Aufmerksamkeitszonen des Kunden inszeniert werden. In der Ein-Meter-Zone, also wenn der Kunde direkt am Regal steht, ist die Sinnlichkeit zentral: Verpackung, Design und Haptik entscheiden über Kauf oder Nichtkauf. Wichtig ist, dass Sie die Verpackungsgestaltung nicht isoliert betrachten, sondern sie auf die Umgebung im Laden abstimmen. In der Drei-Meter-Zone geht es in erster Linie um Intimität, um Vertrautheit. Der Kunde entdeckt das Produkt nur, wenn es sich ausreichend von den anderen abhebt. Geheimnisvoll soll die Zehn-Meter-Zone sein. Hier geht es darum, durch gezielten Einsatz von Geruch, Bewegung und Klang Neugier zu wecken. Und hier lässt sich auch die Technik einsetzen – optimalerweise Bildschirme, auf denen Sie mit SiSoMo spielen können.
Heiße Emotionen und harte Fakten
Bei alledem geht es nicht um Gefühlsduselei, sondern um harte Fakten: Sind die Kunden erst einmal für die Lovemark entflammt, schnellen Umsätze und Gewinne steil nach oben. Die Preise dürfen dann auch höher sein als woanders, und selbst Fehler werden einem weniger übel genommen. Liebende verzeihen bekanntlich so manches – sogar Dinge, die kritische Geister sofort zum Markenwechsel veranlassen würden, wie beispielsweise eine eher durchschnittliche Produktqualität. Was nicht heißt, dass Sie bei den Leistungsdaten schlampen dürfen: Schrott kann man nicht zur Lovemark machen.
„Ist die Marke erst mal zur Lovemark geworden, werden ihr auch Fehler verziehen.“
Der Lovemarks-Effekt lässt sich belegen. Mittels Assoziationstechnik etwa kann man die Qualität der Beziehung zwischen Kunde und Produkt messen. Effizient und wenig anfällig für Verzerrungen sind auch Computerfragebögen zum Selbstausfüllen. Mithilfe neuer Methoden, insbesondere der so genannten multiplen Regression, kann man aus solchen Daten die unterschiedlichen Kaufwahrscheinlichkeiten für Lovemarks, Marken, Modeerscheinungen und Produkte berechnen – und beweisen, dass beispielsweise bei Lebensmitteln Lovemarks viermal häufiger gekauft werden als Standardprodukte. Und der früher als etwas langweilig geltende Toyota Corolla wurde dank der Lovemark-orientierten Kampagne von Saatchi & Saatchi zum Kult: Von Platz sieben kletterte er hoch zum zweitbestverkauften Auto Großbritanniens. Der Absatz stieg um 50 %, und das bei einer Preissteigerung von 20 %.