Praxisbuch Kundenbefragungen

Buch Praxisbuch Kundenbefragungen

Repräsentative Stichproben auswählen. Relevante Fragen stellen. Ergebnisse richtig interpretieren

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Neugier ist überleben­snotwendig. Nur wer wachsam ist und aktiv nach neuen In­for­ma­tio­nen sucht, bleibt auf dem Laufenden. Das gilt für den Einzelnen und erst recht für Unternehmen. Dennoch glauben offenbar viele Firmen, auf regelmäßige Kun­den-Feed­backs verzichten zu können. Eine gefährliche Un­ter­las­sungssünde, warnen die Un­ternehmens­ber­ater Weinreich und von Lindern. Die sys­tem­a­tis­che Kun­den­be­fra­gung ist ihrer Meinung nach die Basis für jede er­fol­gre­iche Strategie. Wie man das Unterfangen angeht und die richtigen Schlüsse aus der Kun­den­be­fra­gung zieht, erläutern sie in diesem Buch. Planung, Vor­bere­itung und Durchführung ver­schiedener Arten von Befragungen werden im Detail erläutert, ebenso die Möglichkeiten sta­tis­tis­cher Auf­bere­itung und Analyse. Eine mehr als taugliche Star­tausstat­tung für alle Unternehmer und Mar­ket­ingleiter, die mehr über ihre Kunden wissen wollen, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Wer seine Kunden sys­tem­a­tisch befragt, bindet sie an das Unternehmen und kann wertvolle Rückschlüsse auf die eigene Wet­tbe­werb­spo­si­tion ziehen.
  • Direkte Befragungen liefern konkretere Ergebnisse als Trend­stu­dien.
  • Mit einer Befragung holen Sie nicht nur In­for­ma­tio­nen ein, Sie vermitteln auch welche. Nutzen Sie die Gelegenheit, echtes Interesse zu zeigen.
  • Ihre Fragen sollten klar gegliedert, leicht verständlich und so spannend wie möglich sein.
  • Rechnen Sie mit einer maximalen Rücklaufquote von 20 %. Sie müssen also fünf Mal so viele Personen anschreiben, wie Sie Antworten benötigen.
  • Wenn Sie Teilnehmer belohnen, riskieren Sie die Verzerrung der Um­frageergeb­nisse.
  • Offene Fragen sind anstrengend für den Befragten und aufwändig bei der Auswertung.
  • Ma­nip­u­la­tio­nen können Sie durch Testfragen erkennen, auf die nur eine bestimmte Antwort oder Antwortkom­bi­na­tion sinnvoll ist.
  • Setzen Sie für Interviews Fragesteller mit regionalem Tonfall ein. Das schafft Vertrauen.
  • Für die sta­tis­tis­che Auswertung Ihrer Ergebnisse sollten Sie einen Experten hinzuziehen.
 

Zusammenfassung

Wünsche erfüllen

Weihnachten und Geburtstage sind dazu da, um anderen Freude zu bereiten. Aber viele fühlen sich gestresst, weil sie nicht wissen, was sie ihren Lieben schenken sollen. Sie auch? Dann fragen Sie sie doch! Wer bekommt, was er sich wünscht, freut sich umso mehr. Mit Kunden ist es ebenso. Nur scheint sich diese Erkenntnis nicht überall durchge­setzt zu haben. Zahlreiche Produkte scheitern, weil die Macher überzeugt sind, dass ihre Neuen­twick­lung das Non­plusul­tra ist – bis sie ernüchtert feststellen, dass die Zielgruppe das anders sieht. Genau diese poten­ziellen Nutzer hätten sie im Voraus befragen sollen. Nichts erlaubt so gute Rückschlüsse auf die Qualität von Produkten und Di­en­stleis­tun­gen wie eine Kun­den­be­fra­gung, ergänzt durch Rekla­ma­tion­ssta­tis­tiken und Profile aus der Kun­den­daten­bank.

Kun­de­n­analyse und Kun­den­bindung

Befragungen dienen nicht nur der Analyse von Kundenwünschen, sondern auch als Kun­den­bindungsin­stru­ment. Gelingt es Ihnen, echtes Interesse zu sig­nal­isieren, wird Ihre Zielgruppe auf Ihr Anliegen eingehen und Ihre Marke mit Treue belohnen. Wirkt die Befragung dagegen schein­heilig und unglaubwürdig, bleibt dieser negative Eindruck lange haften. Indem Sie direkt den Puls Ihrer Kunden fühlen, sparen Sie sich teure Trend­stu­dien bei externen Beratern, deren Quellen Sie letztlich doch nicht kennen. Eine Kun­den­be­fra­gung liefert Ihnen unge­filterte, konkrete In­for­ma­tio­nen. Anhand der Ergebnisse lassen sich aktuelle Trends viel präziser erkennen. Endlich können Sie strate­gis­che Entschei­dun­gen auf eine feste Grundlage stellen. Und: Ungeschminkte Meinungsäußerungen sagen Ihnen nicht nur viel über Ihr Unternehmen, sie versetzen Sie auch in die Lage, ver­schiedene Kun­den­grup­pen nach ihren Vorlieben zu un­ter­schei­den und speziell zu bedienen.

Gute Vorarbeit spart Nach­bear­beitung

Bevor Sie den Kunden auf den Leib rücken, sollten Sie sich über folgende Punkte im Klaren sein:

  • Definieren Sie genau, was Sie wissen wollen. Je de­tail­lierter die Fragestel­lung, desto klarer die Antwort. Sie sparen sich eine Menge selektiver Nach­bere­itung.
  • Machen Sie sich Ihren derzeitigen Wis­sens­stand bewusst. Damit verhindern Sie, dass nach In­for­ma­tio­nen gefragt wird, die Ihnen bereits bekannt sind. Beziehen Sie, wenn vorhanden, frühere Befragungen mit ein, ebenso wie Fach­lit­er­atur und öffentlich zugängliche Studien. Stellen Sie Hypothesen auf, die Sie prüfen wollen.
  • Setzen Sie einen fi­nanziellen Rahmen und legen sie den Aufwand fest. Kleinere Studien können im Haus entstehen, um­fan­gre­iche Arbeiten werden auswärts vergeben.
  • Verschaffen Sie sich einen Überblick der einzelnen Schritte. Gehen Sie sys­tem­a­tisch vor und definieren Sie eine Pro­jek­t­gruppe von drei bis sieben Personen.
  • Bestimmen Sie Zeitpunkt und Dauer des Projekts. Eine gründlich vor­bere­it­ete Kun­den­be­fra­gung kann ein halbes Jahr beanspruchen. Die Erhebung selbst sollte zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem möglichst alle Adressaten erreichbar sind.
  • Bestimmen Sie einen Pro­jek­tleiter, der Sie über das Ergebnis informiert.
  • Die sta­tis­tis­che Auswertung von Kun­den­be­fra­gun­gen ist ohne Experten kaum möglich. Suchen Sie frühzeitig geeignete Ansprech­part­ner. Je konkreter Sie Ihren Auftrag definieren, desto besser sind Sie vor preislichen Überraschun­gen gefeit.

Im Dialog mit dem Kunden

Eine Kun­den­be­fra­gung ist ein Dialog – mit all den Möglichkeiten und Problemen, die diese Kom­mu­nika­tions­form mit sich bringt. Das heißt: Auch bei Kun­den­be­fra­gun­gen gehen Botschaften hin und her, macht der Ton die Musik und übersteigen die Aussagen weit die Sachebene. Bevor Sie In­for­ma­tio­nen erhalten, müssen Sie sich Gedanken machen, welche In­for­ma­tio­nen von Ihnen beim Kunden ankommen. Viele Befragungen erwecken ungewollt den Eindruck, dass ausschließlich positive Wort­mel­dun­gen erwünscht sind. Das müssen Sie unbedingt vermeiden, wenn Sie nicht bloß auf wertlose Lob­hudeleien aus sind. Auch der Zeitpunkt der Befragung will mit Bedacht gewählt sein. Au­toma­tisieren Sie den Versand der Fragebögen nicht, sondern lassen Sie den Prozess überwachen. So verhindern Sie z. B. eine Befragung unmittelbar nach einer Reklamation, was nie gut ankommt. Andernfalls riskieren Sie, dass Kunden sich veralbert fühlen und abwandern. Stra­pazieren Sie die Geduld Ihrer Di­alog­part­ner nicht: Zu viele schlechte Befragungen stumpfen ab – versuchen Sie, qualitativ zu überzeugen.

Die richtige Stichprobe

Wahl­prog­nosen sind heutzutage so zuverlässig, dass die Wahl danach eigentlich entfallen könnte. Doch verkneifen Sie es sich, solch repräsentative Aus­sagekraft auch von Ihrer Kun­den­be­fra­gung zu erwarten. Sie wollen schließlich mehr von Ihren „Wählern“ wissen als nur Ja oder Nein, und außerdem haben Sie nicht die Möglichkeit, bei der anschließenden Wahl das Um­frageergeb­nis zu überprüfen (oder zu fälschen). Die so genannte globale Repräsentativität, nach der Statistiker streben, werden Sie mit Ihrer Stichprobe kaum erreichen können. Denken Sie daran, Fragen zur Demografie zu stellen (Alter, Einkommen, berufliche Ausrichtung). So wissen Sie im Nachhinein, für wen Ihre Ergebnisse gelten. Achtung: Ihre Befragung wird nicht automatisch genauer, wenn die Stichprobe möglichst groß bemessen ist. Sicher ist nur, dass Sie das Projekt mit zunehmendem Umfang immer teurer zu stehen kommt. Achten Sie also auf die Homogenität der Gruppe und bedenken Sie, dass nur 2–20 % der Angefragten auch wirklich antworten. Sie müssen also 1000 Personen anschreiben, um bestenfalls 200 Antworten zu erhalten.

Ein guter Fragebogen

Schlechte Umfragen gibt es zuhauf. Sie langweilen oder nerven die Befragten und wandern rasch in den Papierkorb. Um das zu verhindern, müssen Sie Ihr Gegenüber beständig motivieren. Hier einige Empfehlun­gen:

  • Setzen Sie auf Präzision und Information. Geschwätzige Befragungen – ob in schriftlicher Form oder als Interview – kommen schlecht an.
  • Begrüßen Sie den Ansprech­part­ner nach Möglichkeit mit Namen; ebenso gehört an den Schluss der Befragung ein herzliches Dankeschön.
  • Informieren Sie den Befragten zu Beginn, wer Sie sind, was Sie von ihm wollen und welchen Nutzen die Umfrage für ihn (nicht für Sie) hat.
  • Sichern Sie unmissverständlich Anonymität und Datenschutz zu.
  • Nennen Sie einen Ansprech­part­ner mit Telefon und E-Mail für Nachfragen, Kritik etc.
  • Lassen Sie die befragte Person hin und wieder wissen, an welcher Stelle der Befragung sie sich befindet und wie nah der Schluss des Interviews schon gerückt ist.
  • Für den er­fol­gre­ichen Abschluss einer Befragung können Sie eine Belohnung aussetzen. Allerdings besteht hier die Gefahr der Ergeb­nisverz­er­rung.
  • Stellen Sie nicht zu viele offene Fragen. Deren Beant­wor­tung erfordert einen hohen Ar­beit­saufwand – und die Auswertung auch.
  • Verkneifen Sie sich Sug­ges­tivfra­gen. Sie werden als Ma­nip­u­la­tion wahrgenom­men und sorgen für Verärgerung.
  • Fragen Sie grundsätzlich nicht mehr als eine Aussage pro Frage ab.
  • Vermeiden Sie Ab­so­lutheit­saus­sagen mit Worten wie „immer“, „nie“, „keiner“ etc.
  • Platzieren Sie heikle Fragen im mittleren Bereich, damit diese beim Gegenüber nicht zu lange in Erinnerung bleiben und nicht zum vorzeitigen Abbruch führen.
  • Vermeiden Sie bei vorgegebe­nen Antwor­tal­ter­na­tiven – vor allem am Telefon – zu viele Antwortmöglichkeiten. Sie werden schnell wieder vergessen.

Ma­nip­u­la­tion durch die Befragten

Auch Kunden sind nur Menschen. Sie wollen geliebt werden, sie wollen gefallen, sie scheuen unbequeme Standpunkte und sie versuchen Eigen­in­ter­essen durchzuset­zen. All das beeinflusst ihre Antworten bei einer Befragung. Besonders anfällig für Ma­nip­u­la­tio­nen sind anonyme On­line-Be­fra­gun­gen. Sie können das Problem nicht ausschließen, wohl aber entschärfen, indem sie den gesamten Fragebogen kritisch untersuchen. Sie müssen sich z. B. bewusst sein, dass vorherige Fragen eine Stimmung her­auf­beschwören können, die eine bestimmte Antwort­vari­ante nahelegt: Beim Thema Todesstrafe etwa neigt der Befragte eher zu Pro, wenn in den Fragen davor von grausamen Gewaltver­brechen die Rede war, und eher zu Contra, wenn es um tragische Justizirrtümer ging. Willkürliche Ma­nip­u­la­tio­nen können Sie iden­ti­fizieren, indem Sie Fragen einbauen, auf die es nur eine sinnvolle Antwort gibt, oder Antwortkom­bi­na­tio­nen, die nur in einer Form Sinn ergeben. Allerdings sollten Sie sich dabei bewusst sein: Je länger ein Fragebogen, desto mehr Personen werden vorzeitig aussteigen.

Die Rücklaufquote

Je größer der Rücklauf, desto besser. Es gibt einige einfache Tricks, mit denen Sie die Quote erhöhen können:

  • Entkoppeln Sie die Umfrage von Werbung. So gewinnen Sie an Glaubwürdigkeit.
  • Achten Sie auf große Schrift, damit auch alte Menschen und Kurzsichtige mitmachen.
  • Legen Sie einen Freium­schlag zur kostenlosen Rücksendung bei.
  • Zehn Tage nach der Aktion sollten 80 % der Angeschriebe­nen geantwortet haben. Versuchen Sie, die Übrigen mit einem Erin­nerungss­chreiben zu motivieren.
  • Bei Interviews: Lassen Sie diese von Mut­ter­sprach­lern bzw. Personen mit regionalem Tonfall führen, das schafft Vertrauen.
  • Unter in­ter­na­tionalen Geschäftskunden ist Englisch die Lingua franca. Allerdings kann es die Befragten frustrieren, wenn Mut­ter­sprach­ler mit perfekter Aussprache das Interview führen. Unter Umständen empfiehlt es sich, Nicht-Mut­ter­sprach­ler einzusetzen.

Interviews

Jedes Interview verläuft anders. Es besteht immer die Gefahr, dass sich Missverständnisse ein­schle­ichen. Die Qualität der Ergebnisse steht und fällt mit den In­ter­view­ern. Achten Sie bei der Auswahl des Personals unbedingt auf gute Manieren, ein gepflegtes Äußeres, eine sym­pa­this­che Ausstrahlung und Präsenz. Erfahrung ist nicht unbedingt notwendig, viel wichtiger ist eine ausgiebige Schulung für das konkrete Projekt inklusive Erläuterung des In­ter­view­ablaufs und der In­ter­viewregeln. Führen Sie Probein­ter­views durch, um Ihre Leute zu testen.

Die Auswertung

Die korrekte Auswertung einer Kun­den­be­fra­gung ist ebenso wichtig wie die Befragung selbst. Sie benötigen dafür noch keine Experten, da es sich lediglich um eine beschreibende Zusam­men­fas­sung der Ergebnisse handelt. Erst wenn Sie die Resultate statistisch ausdrücken wollen, sollten Sie sich an einen Fachmann wenden. Identische Antworten können mittels einer Strichliste gezählt und leicht in Prozente umgerechnet werden. Auch die Streuung der Antworten können und sollten Sie ermitteln – schließlich ist es ein Unterschied, ob z. B. die Qualität eines Produktes von den meisten als „ordentlich“ eingeschätzt wird, oder ob viele es „aus­geze­ich­net“ finden, ebenso viele es aber als „schlecht“ einschätzen. Im Mittel sind beide Ergebnisse gleich, aber Sie wollen ja hinter die Fassade schauen. Das gilt auch für abge­broch­ene Umfragen: Wenn Kunden das Gespräch vor dem Abschluss beenden, sollten Sie die Streuung der Ausstiegspunkte analysieren. Sie können Ihnen Hinweise auf schwierige Themen geben und zeigen, wo Ihr Fragebogen noch verbesserungsfähig ist.

Über die Autoren

Uwe Weinreich ist Psychologe und hat ein in­ter­diszi­plinäres Forschung­steam an der Universität Oldenburg geleitet. 1991 machte er sich als Un­ternehmens­ber­ater selbstständig. Eike von Lindern arbeitet als Spezialist für Kun­de­num­fra­gen für die Weinreich Un­ternehmens­ber­atung.