Greenomics

Buch Greenomics

Wie der grüne Lifestyle Märkte und Konsumenten verändert

Redline,


Rezension

Die Zukunft der Wirtschaft ist grün. Und, noch besser: Sie ist schön. Das behaupten drei Autoren, die es eigentlich wissen müssen, denn sie arbeiten am bekannten Zukun­ftsin­sti­tut von Matthias Horx in Kelkheim. Umweltverträglichkeit und ästhetisches Design sind ihnen zufolge die beiden Pro­duk­teigen­schaften, die im 21. Jahrhundert Erfolg versprechen. Warum diese Vision schon sehr bald Realität werden soll, erklären die Trend­forscher, wie man es von ihnen erwartet: mit einer Fülle an neuen, superhip klingenden Mar­ket­ing­be­grif­fen. Das kann bisweilen nerven, aber trotz des Wort­gek­lin­gels entsteht ein recht klares Bild, in welche Richtung sich bestimmte Branchen entwickeln könnten. Bei den gesammelten Geschäftsideen, mehrheitlich im Hoch­preis-Seg­ment angesiedelt, hat man tatsächlich das Gefühl, dass sie funk­tion­ieren könnten. Oft zwar nur in einem Nis­chen­markt, aber auch die sollen ja sehr im Trend liegen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Un­ternehmern und Managern, die ihr Geschäft ökologisch aufbauen oder umgestalten wollen – auch aus ökonomischen Überlegungen.

Take-aways

  • Ökologisches Bewusstsein ist kein Rand­grup­penphänomen mehr, sondern Mainstream.
  • Damit entsteht eine neue, ökologische Ökonomie: Greenomics.
  • Beispiele für er­fol­gre­iche Gree­nomics-Konzepte sind Hybridautos, Bio-Supermärkte und Nach­haltigkeits-Ak­tien­fonds.
  • In der Öko-Wirtschaft geben die LOHAS den Ton an: Konsumenten, die dem „Lifestyle of Health and Sus­tain­abil­ity“ folgen.
  • Diese neue Kun­den­gruppe verbindet Ve­r­ant­wor­tungs­be­wusst­sein mit Freude am Genuss.
  • Klassisches Marketing erreicht die LOHAS nicht. Gefragt sind Ehrlichkeit und Authentizität.
  • LOHAS sind de­sign­begeis­tert. Wer ethische mit ästhetischen Standards verbindet, hat gute Er­fol­gsaus­sichten.
  • Was in der Lebens­mit­tel­branche bereits erfolgreich ist – nämlich Bio –, wird sich auch in anderen Branchen durchsetzen.
  • Eine wichtige Rolle werden auch ethisch-ökologische Ansprüche in den Bereichen Wohnungsbau, Mode, Fi­nan­zan­la­gen und Tourismus spielen.
  • Selbst im Gesund­heits­bere­ich (Wellness, Functional Food) sind immer mehr Menschen bereit, für attraktive Angebote tiefer ins Porte­mon­naie zu greifen.
 

Zusammenfassung

Von der Randgruppe zum Mainstream

Debatten über eine umweltverträgliche Wirtschaft waren noch vor wenigen Jahren eine Spielwiese für Randgruppen. Ökologisch gesinnte Jugendliche bekundeten mehr oder weniger radikal ihre Abneigung gegen Atomkraft, Autos oder die Lebens­mit­telin­dus­trie. Heute hat sich das Bild gewandelt: Ökologische Sensibilität gehört zum guten Ton, hat die Mitte der Gesellschaft durch­drun­gen und ist mehrheitsfähig. Hier bieten sich Chancen für Unternehmen. Wer sich rechtzeitig auf die „Greenomics“ – die ökologische Ökonomie der Zukunft – einstellt, wird auf den Märkten nicht ins Hin­tertr­e­f­fen geraten.

„Viele Anzeichen sprechen dafür, dass wir gerade den Beginn einer neuen Ära erleben.“

Gemäß Schätzungen wird im Jahr 2010 das Mark­t­poten­zial für grüne Produkte und Di­en­stleis­tun­gen in den USA bei rund 424 Milliarden Dollar liegen. Die größten Anteile belegen die Bereiche Gesundheit, Lebens­mit­tel und Fi­nanz­di­en­stleis­tun­gen, gefolgt von Bausektor und Öko-Touris­mus. Diese Märkte bieten gerade deutschen Firmen gute Per­spek­tiven: Sie sind hier in einigen Bereichen – z. B. Umwelt­tech­nik und Fotovoltaik – bereits Weltmarktführer.

Ein neuer Konsumstil: LOHAS

Der Bio-Trend hat eine neue Art von Konsumenten her­vorge­bracht: die so genannten LOHAS. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das Streben nach einem „Lifestyle of Health and Sus­tain­abil­ity“. Auch in Deutschland wächst diese Kun­den­gruppe, wie am regen Betrieb in den immer zahlre­icheren Bio-Supermärkten zu sehen ist. Diese Konsumenten verbinden, was sich früher ver­meintlich ausschloss: Gesundheit und Genuss, Stil und Ve­r­ant­wor­tungs­be­wusst­sein. Rund ein Drittel der deutschen Bevölkerung sind potenzielle LOHAS. Die Allgegenwärtigkeit des Megatrends Ökologie in der Kon­sumenten­forschung ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass er tatsächlich gesellschaftlich relevant geworden ist.

„Wer versteht, wie eine ursprünglich marginale Idee zum Leitsystem unserer Zivil­i­sa­tion wird, der hat auf den – selb­stre­dend grünen – Zukunftsmärkten die besten Chancen.“

Für das Marketing ist es wichtig zu wissen, dass die neue Zielgruppe in allen Alters- und Einkom­men­sklassen anzutreffen ist und allen möglichen Schichten angehört. LOHAS sind sowohl wer­te­be­wusst als auch fortschrit­tlich. Mit klassischem Marketing erreichen Sie diese kritischen Konsumenten kaum, überredende Methoden werden schnell durchschaut. LOHAS verlangen Respekt für ihre Wünsche und ihre Wertmaßstäbe. So nahm der Discounter Lidl nach Kun­den­protesten von der Übernahme der Öko-Kette Basic Abstand. Was die neuen Konsumenten suchen, ist Qualität, Authentizität, Nach­haltigkeit und Spiritualität. Sie schauen weniger fern, nutzen dagegen stark das Internet, sind kul­tur­in­ter­essiert und nicht ma­te­ri­al­is­tisch orientiert. Übrigens: Im Chi­ne­sis­chen bedeutet das Wort „Lohas“ „glückliches Leben“.

Neo-Ökologie verändert die Städte

Der neue Lebensstil fängt an, sich auch im Stadtbild bemerkbar zu machen. Die Zahl der umwelt­fre­undlichen Passivhäuser hat sich in Deutschland seit 2005 verdoppelt. Für En­ergiebe­wusste gibt es bereits 170 spezielle Siedlungen. Der Energiepass für Wohnhäuser ist zur Pflicht geworden. Viele junge Städter freunden sich sogar mit ver­meintlichen Spießertätigkeiten an: Sie pachten Schrebergärten und bauen Gemüse an. Andere ziehen ganz aufs Land; dank moderner Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gien ist das gut vereinbar mit einem Job auch außerhalb der Land­wirtschaft.

„LOHAS sind moralische Hedonisten, vielleicht der erste Lebensstil, der mit Recht global zu nennen ist und in relativer Gle­ichzeit­igkeit die meisten Menschen in den modernen und demokratis­chen Staaten erfasst hat.“

In der Stadt­pla­nung stoßen Begriffe wie „Down­shift­ing“, „Urban Farming“ oder „Slow City“ auf Widerhall. Der Anbau und Verkauf lokaler und regionaler Produkte gehört ebenso zu diesen Konzepten wie umwelt­fre­undliche Ab­fal­l­entsorgung und Verkehrsmit­tel. New York, London, Bradford: Immer mehr Städte in den USA und in Europa schmieden Pläne, Energie und Kohlen­dioxid einzusparen. In der chi­ne­sis­chen Vier-Mil­lio­nen-Stadt Kunming prangt schon heute auf fast jedem Dach ein Son­nenkollek­tor, in Guangzhou entsteht gerade der erste Nul­len­ergie-Wolkenkratzer der Welt.

Arbeits- und Wohnumge­bun­gen für die neuen Stadt­be­wohner

Die berufliche Wech­sel­bere­itschaft hat zugenommen. Entsprechend flexibel werden die Wohnhäuser der Zukunft sein; Eigenheime passen sich der Lebenssi­t­u­a­tion an. In den USA werden Häuser gebaut, die in einfacher Mod­ul­bauweise ihren Bewohner an den jeweiligen Arbeitsort begleiten – beim Umzug kommt das Haus einfach mit. Büros auf vier Rädern sind ebenfalls im Angebot. Neben den höheren en­er­getis­chen Standards werden Fertighäuser auch immer höhere ar­chitek­tonis­che Ansprüche erfüllen müssen, um Käufer zu finden.

„Der Ur­ban­isierungstrend schafft in den kommenden Jahren einen neuen globalen Megamarkt für Umwelt­tech­nik und nachhaltige Stan­dor­ten­twick­lung.“

Natürliche Baustoffe – bis hin zum Rasen für die Wand – eignen sich ebenso für die Häuser der Zukunft wie mit High­tech­fasern kom­binierter Beton, aus dem sich lichtdurchlässige Wände kon­stru­ieren lassen. Rund um die in­di­vidu­elle Einrichtung der Wohnung, die als Mittelpunkt des Lebens immer wichtiger wird, bieten sich Chancen für Di­en­stleis­ter, z. B. in der Typ- oder Stil­ber­atung.

Der mobile Mensch fährt Fahrrad und Hybridauto

Nicht nur die Rad-, sondern auch die Autofahrer sind der Meinung, dass die Au­tokonz­erne zu wenig für die Umwelt tun. Zumindest haben rund 60 % der Pkw-Fahrer diesen Eindruck. Jeder Achte von ihnen liebäugelt mit dem Kauf eines Autos mit al­ter­na­tivem Antrieb. Der Erfolg von Hybridautos wie dem Toyota Prius setzt deutsche Hersteller unter Zugzwang, ebenfalls die zukunftsträchtige Hy­bridtech­nik einzuführen. Diese wird allerdings nur die Vorstufe zu anderen Al­ter­na­ti­vantrieben sein, z. B. auf Wasser­stoff­ba­sis.

Mit grünen Fi­nan­zan­la­gen wachsen

Banken und Fi­nanz­di­en­stleis­ter haben die Popularität ökologisch und ethisch nach­haltiger Anlagen entdeckt. Deren Volumen hat sich in Europa innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Vor allem in­sti­tu­tionelle Anleger investieren in Umweltfonds oder in innovative En­ergi­etech­nik. Die Pub­likums­fonds für Pri­vatan­leger werden von den Fonds­ge­sellschaften mit zwei Pluspunkten beworben: gute Rendite und gutes Gewissen.

„Design entscheidet darüber, welches Unternehmen Marktführer wird und welches nicht.“

Die grün gestimmten Fonds­man­ager nehmen inzwischen auch Einfluss auf ihre An­la­geob­jekte: So verlangte ein US-Pen­sions­fonds von US-Au­to­mo­bilkonz­er­nen ein Kli­maschutzkonzept. Ford reagierte sofort. Viele Unternehmen werden von sich aus aktiv und engagieren sich in Umwelt­pro­jek­ten. Unter dem Schlagwort „Corporate Social Re­spon­si­bil­ity“ verbinden immer mehr Firmen ihr Geschäft mit Klimaschutz – z. B. Flugge­sellschaften, die bei ihren Kunden für Spenden zur Treib­haus­gasre­duk­tion werben.

Trendsetter Bio-Lebens­mit­tel

In der Lebens­mit­tel­branche ist der Bio-Trend als Massenphänomen am deut­lich­sten sichtbar. Veränderungen in der Ernährungsweise spiegeln wider, dass sich eine Gesellschaft auch auf anderen Gebieten verändert. Nach diversen Lebens­mit­tel­skan­dalen ist das Bewusstsein für gesundes Essen gestiegen. Die Verbraucher suchen vertrauenswürdige Hersteller, wovon die ver­schieden­sten Produzenten profitieren, bis hin zu den deutschen Kloster­be­trieben. Das Geschäft mit Bio-Lebens­mit­teln boomt, auch dank der Discounter, mit zweis­tel­li­gen jährlichen Zuwach­sraten. In Deutschland – nach den USA der zweitgrößte Bio-Markt der Welt – wurden im Jahr 2006 bereits 4,5 Milliarden Euro umgesetzt.

„Keine andere Genuss­branche muss sich derart für ihre Öko-Bilanz recht­fer­ti­gen wie die Reise­branche.“

Zwar ist der Marktanteil klein: Noch stammen 97 % aller deutschen Lebens­mit­tel aus kon­ven­tioneller Herstellung. Aber die Grenzen ver­schwim­men. Es gibt strenge und weniger strenge Bio-Siegel. Und LOHAS gönnen sich auch mal Fastfood und Tiefkühlkost, solange sie ethisch korrekt hergestellt wurden. Selbst bei McDonald’s gibt es inzwischen nicht nur Öko-Milch, sondern auch Bionade. Die regionale Herkunft der Lebens­mit­tel ist den Kunden wichtiger geworden. Damit werden Geschäftsideen wie regionale Bio-Siegel möglich.

Gesund und sportlich

Die Menschen nehmen heute das Thema Wohlbefinden und Gesundheit immer ernster. Das demon­stri­ert nicht erst das Rauchverbot, das in mehr und mehr Ländern weltweit in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten eingeführt wird. Gesund­heits­fak­toren spielen bei Konsumgütern eine entschei­dende Rolle: Bei 80 Prozent aller Kaufentscheide führen Verbraucher gesund­heitliche Motive an. Der Gesund­heits­bere­ich wandelt sich vom Krankenkassen­markt zum Kundenmarkt. Rezeptfreie Medikamente sind nicht nur für In­ter­ne­tapotheken zum Um­satzbringer geworden. Auch Krankenhäuser und Arztpraxen locken Selb­stzahler mit speziellen Angeboten und dem Versprechen hoher Qualität. Außerdem haben Gesund­heit­sprob­leme die Nachfrage nach sogenanntem Functional Food massiv gesteigert. Und viele besuchen heute auf eigene Kosten Well­ness-Far­men und schminken sich mit Naturkos­metik.

„Immer mehr Metropolen setzen auf den Neo-Ökolo­gie-Trend und versuchen, ein ökologisch korrektes Stadtleben umzusetzen.“

Fitness ist den LOHAS wichtig: Nicht nur Fun-Sportarten erfreuen sich steigender Beliebtheit, sondern auch ver­meintlich altmodische Beschäftigungen wie Wandern, Gärtnern und Heimwerken. In den entsprechen­den Märkten tummelt sich eine Reihe von neuen – ökologisch korrekten und hoch­preisi­gen – Spezialan­bi­etern. Einige haben sich schon zur Branchengröße entwickelt, z. B. der Out­door-Ausrüster Jack Wolfskin. Vom Trend zum neuen Alten profitiert angeblich sogar die großmütterliche Handarbeit: Stars wie Madonna oder Russell Crowe haben sich als begeisterte Stricker und Häkler geoutet.

Design wird individuell und Mode ökologisch

Die neue Zielgruppe besteht nicht aus Genussver­weiger­ern und Kostverächtern. De­mentsprechend sollten Sie diese Kunden auch ästhetisch ansprechen. Setzen Sie auf Design. Apple hat es mit dem iPod vorgemacht. Und es klappt sogar mit Putzmitteln, zumindest in den USA. Dort haben ein Chemiker und ein Designer mit Erfolg eine Firma für ökologisch korrekte Reiniger in ästhetisch anspruchsvoller Verpackung gegründet.

„Das Zuhause als selb­st­gestal­teter Mittelpunkt des eigenen Lebens gewinnt in Zukunft weiter an Gewicht.“

Die aktiven Konsumenten der Zielgruppe – Prosumenten genannt – schreiten gern selbst zur Tat und produzieren Taschen, Kleidung und andere Des­ig­nar­tikel nach ihren Vorstel­lun­gen, um sie in Szenegeschäften zu verkaufen. Ein Pa­rade­beispiel für ein solches Start-up sind die in­ter­na­tional er­fol­gre­ichen Schweizer Brüder Daniel und Martin Freitag, die Umhängetaschen aus Lkw-Planen herstellen. Das Trendlabel American Apparel verkauft seine T-Shirts mit Ethik (in der Produktion) und Sex (in der Werbung). Die großen Textilhändler ziehen mit Bio-Baum­wollmode nach. Wem es gelingt, hohe Qualitätsansprüche mit ethischen Standards zu verbinden, etwa dem Verzicht auf die Produktion in Niedriglohnländern, hat gute Aussichten auf Erfolg.

Öko-Touris­mus auf dem Vormarsch

Das ökologische Bewusstsein der LOHAS hat bislang noch nicht dazu geführt, dass weniger Flugreisen gebucht werden. Aber das Interesse an ökologisch vertret­baren Reiseange­boten und Kom­pen­sa­tion­s­geschäften wächst – z. B. durch Abgaben an Kli­maschutzpro­jekte. Touris­tenorte werben damit, dass ihre Schneer­au­pen mit Bio-Diesel fahren oder Strom vor Ort aus Windenergie gewonnen wird. Eine Chance für neue Reisean­bi­eter sind in­di­vidu­elle Spezial­reisen, seien es Angebote mit Ho­tel-Kinder­garten, Well­ness-Ex­tras oder De­sign-Umge­bung. Den in­di­vidu­ellen Geschmack der Kunden zu treffen, wird zum Muss für Reisebüros, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen.

Über die Autoren

Eike Wenzel, Anja Kirig und Christian Rauch arbeiten für das Zukun­ftsin­sti­tut in Kelkheim. Diese von Matthias Horx etablierte Einrichtung widmet sich der Trend­forschung. Wenzel ist auch Mitautor des Buches Zukunft machen.