Ein Chef nach Maß
Ärgern Sie sich oft über Ihren Chef? Dann gehören Sie zur überwältigenden Mehrheit der Berufstätigen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie resignieren oder Sie schaffen sich den Idealchef selbst. In der Regel wünschen Mitarbeiter, dass dieser ihnen drei Dinge vermittelt:
- Sicherheit: Das Gefühl, sich immer auf ihn verlassen und ihn beim Wort nehmen zu können.
- Einzigartigkeit: Persönliche Anerkennung und echtes Interesse für die geleistete Arbeit.
- Freiraum: Die Möglichkeit, den Weg zum klar definierten Ziel selbst zu finden.
„Jeder hat den Vorgesetzten, den er verdient? Nein. Jeder hat den Vorgesetzten, den er sich erzieht.“
Die PUSTE-Strategie hilft Ihnen bei der Erziehung Ihres Chefs. Die Abkürzung steht für Problem, Ursache, Smarte Ziele, Talente/Techniken und Ergebnissicherung. Identifizieren Sie zunächst das Problem mit Ihrem Chef. Notieren Sie, unter welchen Bedingungen es gewöhnlich auftritt. Wie reagieren Sie, was fühlen Sie und welche Faktoren verstärken oder vermindern das Problem? Anschließend geht es an die Ursachenanalyse. Sind möglicherweise die Umstände, z. B. ein störungsanfälliges IT-System, am Verhalten Ihres Chefs schuld? Dann müssen die Umstände und nicht Ihr Vorgesetzter sich ändern. Vielleicht überbewerten Sie seine Fehler auch und nehmen seine Vorzüge gar nicht mehr wahr. Wie alle Menschen haben Vorgesetzte ebenfalls Probleme mit ihrem Selbstbild und versuchen, ihre Unsicherheit durch exzessive Selbstdarstellung, scheinbare Gefühlskälte oder auch übertriebene Selbstlosigkeit zu kompensieren.
Kommunikationstechniken
Smarte Ziele müssen sinnlich erfahrbar, messbar, gegenwartsbezogen, realistisch und positiv formuliert sein. Stellen Sie sich genau vor, welche Art von Chef Sie sich wünschen. Experimente zu mentalem Training haben gezeigt, dass wir etwas viel leichter erreichen, wenn wir es zuvor in unserem Kopf durchgespielt haben. Nur wenn Sie die Dringlichkeit eines Ziels buchstäblich am eigenen Körper spüren, nehmen Sie es auch in Angriff. Ein weiterer Trick, Angst und Trägheit zu überwinden, ist das Mittel der paradoxen Intention: Wetten Sie z. B. mit Kollegen, dass das klärende Gespräch mit dem Chef erfolglos verlaufen wird. Wenn Sie die Wette verlieren, haben Sie Ihr Ziel erreicht!
„So wie Sie nicht nicht kommunizieren können, können Sie auch nicht nicht beeinflussen.“
Die wichtigste Technik ist ein selbstbewusster, partnerschaftlicher Kommunikationsstil. Nur so können Sie die unangenehmen Chefstrategien parieren. Formulieren Sie Ich-Botschaften, in denen Sie schildern, wie Sie sich aufgrund der Situation fühlen. Vermeiden Sie Absolutbegriffe wie „alle“, „ständig“ oder „völlig“ und berufen Sie sich niemals auf Kronzeugen, nach dem Motto „Die ganze Abteilung stört sich daran.“ Jeder Mensch fühlt sich durch so etwas in die Enge getrieben. Sprechen Sie sich so schnell wie möglich aus. Wenn Sie sich über ein Monate zurückliegendes Ereignis beschweren, wird Ihr Chef zu Recht fragen, warum Sie es nicht früher zur Sprache gebracht haben. Sagen Sie so exakt wie möglich, was Sie wollen. Die meisten Vorgesetzten sind dankbar über konkretes Feedback. Besonders machtbewussten Chefs präsentieren Sie Ihren Wunsch als Frage: „Glauben Sie, dass Sie mir die Aufgaben in Zukunft detaillierter erklären könnten?“ Beginnen Sie mit einem positiven Türöffner. Sagen Sie Ihrem Chef zunächst, was Ihnen an seinem Führungsstil gefällt. Tragen Sie dann Ihre Wahrnehmungen und Wünsche vor. Am Ende stellen Sie die positiven Ergebnisse einer möglichen Verhaltensänderung in Aussicht.
Kritik auswerten
Was aber tun, wenn Sie sich mit ungerechtfertigter Kritik konfrontiert sehen? Aussitzen und ignorieren? Wohl kaum. Ein allzu dickes Fell kann im Extremfall zu Ihrer Entlassung führen. Eine Alternative bietet die Monitortechnik: Stellen Sie sich eine unangenehme Situation mit Ihrem Chef vor und projizieren Sie diese auf einen Handmonitor. Schälen Sie zunächst den Faktenkern heraus, der sich unter den Beleidigungen verbirgt, und fragen Sie nach, wenn Sie die Vorwürfe nicht verstehen. Dann betrachten Sie den Film von innen und außen, vergleichen also Ihre Sichtweise mit der seinen. Am Ende heben Sie die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der beiden Sichtweisen hervor und schlagen mögliche Konsequenzen vor. Wichtig ist, Ihre Vorschläge so konkret wie möglich zu halten. Statt „Ich wünsche mir ein genaueres Aufgabenbriefing“ sagen Sie lieber: „Könnten wir uns für jede neue Aufgabenstellung zehn Minuten Zeit zur Besprechung nehmen?“ Wenn Ihr Chef etwas von Ihnen verlangt, haken Sie so lange nach, bis eine glasklare Anforderung vor Ihnen liegt. Was genau bedeutet z. B. „flexibler reagieren“ oder „strukturierter arbeiten“? Solange Sie das nicht wissen, können Sie nur wenig an Ihrem Verhalten ändern.
Die Macht des Glaubens
Was wir glauben, tritt auch ein. Die erstaunliche Wirksamkeit von Placebo-Medikamenten ist dafür ein Beweis unter vielen. Glaubenssätze sind darum nicht per se schlecht, sie bieten Sicherheit und Orientierung im Leben. Um ihre Wirkung zu verstehen und sie ggf. austricksen zu können, müssen Sie sie sich aber bewusst machen. Die meisten Glaubenssätze bauen auf einer ein- oder mehrmaligen Erfahrung auf. Manchmal ist auch nur eine diffuse Angst die Ursache. Wenn es Sie etwa vor öffentlichem Reden graut, gehen Sie allen sich bietenden Gelegenheiten aus dem Weg. Sind Sie dann doch einmal gezwungen, eine Rede zu halten, verhagelt Ihnen die Nervosität den Erfolg, und Sie fühlen sich in Ihrer angeblichen Unfähigkeit bestätigt. Umgekehrt schaffen Sie durch den Glauben an den Erfolg eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllt. Der Glaubenssatz „Ich kann gut mit Leuten umgehen“ ist ein Beispiel hierfür.
„Nicht nur Wissen, auch Verhalten lässt sich quasi ,auswendig‘ lernen und auf Knopfdruck abrufen.“
Glaubenssätze, die positiven wie die negativen, sind unzulässige Verallgemeinerungen. Unsere selektive Wahrnehmung blendet Gegenbeispiele aus. Die Lösung ist deshalb einfach: Schreiben Sie Ihre Glaubenssätze über Ihren Chef auf und suchen Sie dann gezielt nach Beispielen, die diesen widersprechen. Anschließend verankern Sie die Gegenbeispiele durch Assoziationen tief in Ihrem Bewusstsein. Was haben Sie in den Situationen gefühlt, in denen das Verhalten Ihres Chefs sich von Ihren Glaubenssätzen über ihn unterschied? Notieren Sie Ihre Gefühle stichwortartig auf einem anderen Blatt. Am Ende vergleichen Sie beide Auflistungen miteinander. Glückwunsch! Sie haben Ihre Glaubenssätze geknackt.
Den Topf mit Selbstvertrauen füllen
Menschen mit einem gesunden Selbstvertrauen haben die besseren Chefs. Bei Schwierigkeiten suchen sie aktiv nach Lösungen, anstatt zu jammern und in Selbstmitleid zu versinken. Wer Selbstzweifel ausstrahlt, fügt sich in die Opferrolle und provoziert seinen Chef praktisch zum Draufschlagen. Natürlich leiden auch Vorgesetzte unter mangelndem Selbstvertrauen. Sie glauben dann, sich permanent beweisen zu müssen, oder sie halten sich aus allem raus oder machen sich künstlich klein. Egal ob Sie selbst oder Ihr Vorgesetzter sich nichts zutrauen, der einfachste Weg zu einem besseren Verhältnis besteht darin, Ihr Selbstgefühl zu stärken. Sie können es mit einem Topf vergleichen: Fühlen Sie sich gut, ist er randvoll. Je schlechter es Ihnen geht, desto leerer wird er. In den ersten sechs Lebensjahren eines Menschen ergibt sich aus dem Auf und Ab im Topf das Grundvertrauen. Es entscheidet wesentlich darüber, wie sehr der Inhalt Ihres Topfs vom Verhalten anderer abhängt. Aber auch im Erwachsenenalter können Sie Ihr Selbstvertrauen nachhaltig stärken:
- Entspannen Sie sich und denken Sie über Erfolgsmomente in Ihrer beruflichen Laufbahn nach. Notieren Sie Ihre Erfolgsstory, erleben Sie die Augenblicke innerlich noch einmal und lassen Sie eine Art Siegesfilm vor Ihrem inneren Auge ablaufen. Wann immer der Topf sich zu leeren droht, machen Sie sich Ihre Triumphe wieder bewusst.
- Schmerzhafte Misserfolge sollten Sie begraben. Fühlen Sie die unangenehme Situation noch einmal nach. Stehen Sie dann auf und schütteln Ihre Glieder. Spielen Sie den Moment in Gedanken wieder durch und schreiben die Geschichte diesmal um. Die Methode wirkt genauso wie das Placebo in der Medizin.
- Trainieren Sie Ihre Körperhaltung. Wenn Sie buchstäblich aufrecht mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, können Sie am ehesten über sich hinauswachsen.
- Tun Sie etwas für sich selbst. Investieren Sie in körperliche und geistige Fitness, umgeben Sie sich mit Menschen, die gut für Sie sind, und hören Sie vor allem auf Ihre eigenen Bedürfnisse.
- Verankern Sie das positive Selbstwertgefühl, indem Sie es an einen Begriff, eine Handbewegung o. Ä. koppeln. Sobald sich der Topf zu leeren droht, rufen Sie das Signal ab und schöpfen aus dem durch die Übungen aufgebauten Vorrat.
- Stellen Sie sich eine zukünftige Situation mit Ihrem Chef vor. Beobachten Sie. Steigen Sie dann selbst in Ihren inneren Film ein und geben sich Regieanweisungen. Spielen Sie sich Ihr Werk in Gedanken mehrmals vor, bis hin zum Happy End.
Eine Strategie für jeden Problemchef
Kennen Sie den Happy Hektiker? Diese Art von Chef überhäuft Sie mit mehr Ideen, Projekten und Aufgaben, als Sie verarbeiten können. Ein smartes Ziel könnte nun so aussehen, dass Sie ihn bei der nächsten Flut um eine Rangliste bitten: Welche Aufgabe hat Priorität? Der Controlletti-Chef wiederum kann nur schwer delegieren und bringt Sie durch permanentes Nachprüfen zur Weißglut. Machen Sie mit ihm einen Zeitplan ab: Beim nächsten Mal soll er sich zu Beginn, zur Halbzeit und bei Fertigstellung des Projekts informieren. Er braucht nur das Gefühl, nicht die Kontrolle zu verlieren. Der unmögliche Chef schließlich verlangt von Ihnen, was schlicht nicht zu schaffen ist. Ein Nein lässt er nicht gelten. Präsentieren Sie ihm ruhig und sachlich, welche Teilziele Sie mit dem vorhandenen Budget und in der gegebenen Zeit erreichen können.
„Nichts macht so erfolgreich wie Erfolg. Kleine Erfolge ermöglichen größere Erfolge und größere Erfolge ermutigen zu noch größeren Erfolgen.“
Grundsätzlich müssen Sie sich der Denk- und Sprechweise Ihres Gegenübers anpassen. Einen hyperkreativen Chef können Sie nicht mit Realitätssinn überzeugen. Langweilen Sie ihn nicht mit Details, sondern nehmen Sie ihm diese ab! Einem Pragmatiker hingegen müssen Sie Tatsachen liefern. Von einem Logiker dürfen Sie keine offene Anerkennung, dafür aber ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit erwarten. Gefühlsbetonte Chefs lassen sich am ehesten von emotionalen Argumenten überzeugen. Kurz: Führen Sie Vorgesetzte ihrem Typ entsprechend. Das ist meist schon die halbe Miete. Wenn gar nichts hilft, gibt es noch die provokative Therapie. Sobald der unmögliche Chef Sie wieder einmal aufs Tiefste beleidigt hat, geben Sie ihm eiskalt Recht und behaupten z. B.: „Stimmt, ich möchte die Firma in den Bankrott treiben.“ Die Methode, auf eine irrige Überzeugung augenzwinkernd noch eins draufzusetzen, kann helfen, das Gespräch auf eine sachliche Ebene zurückzuführen. Doch Vorsicht: Diese Taktik will geübt sein. Probieren Sie sie erst in harmlosen Situationen aus, bevor Sie sie bei Ihrem Chef anwenden.
Versuch und Irrtum
Wir sind beim letzten Punkt der PUSTE-Strategie, der Erfolgskontrolle. Stellen Sie sich drei Fragen: Was hat funktioniert? Was nicht? Was kann ich besser machen? Viele Menschen vergessen diesen letzten Schritt und versäumen so, aus ihren Fehlern und Erfolgen zu lernen. Beobachten Sie bei jedem Austausch mit Ihrem Chef dessen Reaktion. Analysieren Sie sein Verhalten und verbessern Sie beim nächsten Versuch Ihre Taktik. In der Wissenschaft und der Kindererziehung wird das Versuch-und-Irrtum-Verfahren seit jeher erfolgreich praktiziert. Warum sollte es nicht auch mit Ihrem Chef funktionieren?