Gut sein, wenn's drauf ankommt

Buch Gut sein, wenn's drauf ankommt

Erfolg durch Mentales Training

Hanser,


Rezension

Der Titel des Buches bringt es auf den Punkt: Selbst wer kompetent und versiert in seinem Job ist, kann im entschei­den­den Augenblick versagen. Um das zu verhindern, propagiert der Autor mentales Training. Nach zwei kürzeren Kapiteln, in denen er sich dem Thema eher gemütlich und von der the­o­retis­chen Seite nähert, geht er im Hauptteil des Buches in die Vollen. Kompakt, zahlreich und sehr informativ sind Tipps, Konzepte und Bausteine, die zeigen, wie man komplexe Hand­lungsabläufe mental trainiert, vertieft und als Landkarte im Kopf abspeichert, um im Bedarfsfall sofort darauf zurückgreifen zu können. Im Schlusskapi­tel zeigt der Autor anhand von Prax­is­beispie­len aus den un­ter­schiedlich­sten Bereichen – u. a. Mo­tor­ra­dren­nen, Chirurgie, Judo –, wie vielseitig mentales Training einsetzbar ist. BooksInShort empfiehlt das leicht zu lesende Handbuch allen Berufstätigen, die Hand­lungsabläufe, egal auf welchem Gebiet, optimieren und trainieren wollen.

Take-aways

  • Ihre Qual­i­fika­tio­nen nützen Ihnen wenig, wenn Ihre Fähigkeiten im entschei­den­den Moment blockiert sind.
  • Mentales Training kann helfen, die nötige Leistung im richtigen Moment abzurufen.
  • Versetzen Sie sich in den psychischen und physischen Zustand, der für die Bewältigung einer Aufgabe am besten geeignet ist.
  • Mentales Training besteht aus Beobachten, Vi­su­al­isieren, Selbstgesprächen und ideo­mo­torischem Training.
  • Ideo­mo­torisch trainieren heißt, sich mit allen Sinnen in einen bestimmten Gefühlszustand zu versetzen: Er­fol­gre­iche Schwimmer stellen sich z. B. als Delfin vor.
  • Arbeiten Sie die „Knoten­punkte“ eines Hand­lungsablaufs heraus. Trainieren Sie sie, bis diese Schlüsselstellen sitzen.
  • Die Knoten­punkte beim Ar­gu­men­tieren sind Behauptung, Begründung und Bekräftigung.
  • Erst wenn Sie mit der Komplexität eines Vorganges vollkommen vertraut sind, können Sie ihn vere­in­fachen.
  • Mentales Training hilft Ihnen auch, wenn völlig unerwartete Situationen auftreten.
  • Wer eine „innere Landkarte“ abge­spe­ichert hat, verfügt über mehr freie mentale Ressourcen, die er in der konkreten Situation nutzen kann.
 

Zusammenfassung

Die Stufen des Gelingens

Wenn in einem Hotel ein Brand ausbricht, haben diejenigen Gäste die Nase vorn, die sich zuvor den Fluchtplan angeschaut und ihn verin­ner­licht haben. Unbekanntes Gelände ist ihnen dadurch ein Stück vertrauter. Noch bessere Karten haben diejenigen, die eine mögliche Flucht vor den Flammen als Probe­hand­lung im Kopf durchge­spielt haben. Und am sichersten sind jene, die ihre physische und psychische Verfassung auch unter Anspannung und Stress so weit im Griff haben, dass sie problemlos ihre inneren Landkarten abrufen und auf die Stimme ihres eingebauten Nav­i­ga­tion­s­geräts hören können. Menschen, die sich für den Fall der Fälle einen Fluchtplan zurechtle­gen, machen nichts anderes als mentales Training.

Definieren Sie Ihr Ziel

Fast immer geht es beim mentalen Training darum, eine bestimme Fähigkeit oder das Erzeugen eines psychischen oder physischen Zustands entweder neu zu erlernen, zu sta­bil­isieren oder zu verbessern. Sta­bil­isieren bedeutet, eine Fähigkeit so weit zu trainieren, dass Sie sie auch unter widrigen Umständen nutzen können, etwa unter Stress und Zeitdruck. Verbessern bedeutet, dass Sie einen Zustand rascher und effektiver als bisher herstellen können.

„Mentales Training ist die Methode, um sich auf der Basis innerer, mentaler Landkarten seine persönlichen Nav­i­ga­tion­ssys­teme mit den jeweils angesagten Zielen zu pro­gram­mieren, um erfolgreich zu sein, wenn’s drauf ankommt.“

Was Sie sich vornehmen, sollte zum aktuellen Stand Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten passen. Stecken Sie sich nämlich zu hohe oder utopische Ziele, kommen Sie womöglich schon beim ersten Schritt ins Schleudern und packen Ihr Vorhaben vor lauter Frust wieder in die Kiste. Nicht wenige Sportler machen am Anfang ihrer Karriere diesen Fehler.

Drei Ziele des mentalen Trainings

Mentales Training zielt auf die Verbesserung dreier Bereiche ab, die sich im Idealfall wech­sel­seitig unterstützen:

  1. optimales Handeln,
  2. der einfachste Weg dorthin und
  3. der dazu am besten geeignete Eigen­zu­s­tand.
„Experten un­ter­schei­den sich von Anfängern grundlegend darin, dass sie über eine große Sammlung mentaler Landkarten für alle möglichen und denkbaren Fälle verfügen.“

Letzterer wird in der psy­chol­o­gis­chen Diagnostik mit Hilfe von Befind­lichkeitsskalen ermittelt. Diese umfassen Eigen­schaften wie „en­ergiege­laden“, „kon­tak­t­bereit“, „selb­st­sicher“, „fröhlich“, „ruhig“, „erholt“, „schläfrig“ sowie jeweils deren Gegenteil samt Zwis­chen­stufen. Dank einer solchen Matrix können Sie sowohl Ihren momentanen als auch den gewünschten – bzw. den für Ihr Vorhaben er­forder­lichen – Eigen­zu­s­tand bestimmen.

Entspannung

Ein wichtiges Element zur Bee­in­flus­sung des Eigen­zu­s­tandes ist Entspannung. Sie kennen das: Oft sind Sie bei wichtigen An­gele­gen­heiten zu nervös und aufgeregt, um konzen­tri­ert und klar denken zu können. Sie müssen sich entspannen, z. B. indem Sie Ihren Atem einschließlich der Atempausen beobachten. Effektiv ist auch die progressive Muske­lentspan­nung: Spannen Sie diejenigen Körperpartien, die Sie lockern wollen, für einige Sekunden stark an, und lassen Sie sie dann beim Ausatmen wieder los. Achten Sie besonders auf die Entspannung von Gesäß, Schultern und Gesicht. Ziehen Sie zwecks Anspannung Ihre Schultern bis zu den Ohren und lassen Sie sie beim Ausatmen wieder fallen. Viele Kopfpartien entspannen Sie dadurch, dass Sie die Zunge fest gegen Gaumen pressen und dann wieder nach unten fallen lassen.

Vier Wege des mentalen Trainings

Die drei Ziele „optimales Handeln“, „richtiger Weg“ und „geeigneter Eigen­zu­s­tand“ können Sie auf vier Weisen erreichen, wobei eine Kombination aller vier Methoden am empfehlenswertesten ist:

  1. Beobachten: Studieren Sie die un­ter­schiedlichen Kniffe, die Könner anwenden, um die diversen Her­aus­forderun­gen auf ihrem Gebiet zu meistern.
  2. Mit sich sprechen: Ihre Eindrücke sta­bil­isieren sich, wenn Sie Ihre Beobach­tun­gen Schritt für Schritt verbal durchgehen, so wie Sie sich vor einer Urlaub­sreise fragen, ob Sie alle wichtigen Vorkehrun­gen getroffen haben. Zusätzlich können Sie die wesentlichen Schritte auf­schreiben oder zeichnen und so vertiefen.
  3. Vi­su­al­isieren: Schauen Sie die zu bewältigenden Handlungen vor Ihrem geistigen Auge wie einen Film an. Dabei können Sie selbst oder eine andere Person der Handelnde sein.
  4. Ideo­mo­torisches Trainieren: Richten Sie Ihr Augenmerk auf Ihre inneren Sin­neser­leb­nisse und versuchen Sie, in den richtigen Gefühlszustand einzu­tauchen. Schwimmer tun das, indem sie sich als Delfin vorstellen. Ein Patient mit Hüftprothese machte Fortschritte, als er sich in seine Zeit als Tänzer zurückversetzte.

Fünf Schritte des mentalen Trainings

Die beschriebe­nen vier Wege können in ein sys­tem­a­tis­ches Train­ingskonzept eingear­beitet werden. Es besteht aus fünf Schritten:

  1. Instruktion: Ein Trainer erklärt Ihnen, was Sie tun müssen. Dabei holt er Sie im Idealfall da ab, wo Sie gerade stehen.
  2. Beschreiben: Verdoppeln Sie als Trainieren­der die In­struk­tio­nen in eigenen Worten, Gesten oder Handlungen.
  3. In­ter­nal­isieren: Ist Ihre Doppelung einwandfrei, verin­ner­lichen Sie die er­forder­lichen Hand­lungsaufläufe, indem Sie sie wiederholt vi­su­al­isieren oder sich vorsprechen.
  4. Knoten­punkte beschreiben: Arbeiten Sie die Knoten­punkte, die Schlüsselstellen eines Hand­lungsablaufs heraus. Diese Knoten­punkte gewähren in der Regel nur wenig Hand­lungsspiel­raum und müssen daher „sitzen“. Auf ihnen beruhen die jeweils nach­fol­gen­den Hand­lungss­chritte.
  5. Knoten­punkte rhyth­misieren: Festigen Sie die wesentlichen Hand­lungsab­schnitte indem Sie die Knoten­punkte rhyth­misieren und sie in den Rhythmus der Gesamt­be­we­gung eingliedern. Tennisanfänger unterstützen beispiel­sweise die Ausführung des Aufschlags durch das rhyth­misierte Wort „Am-ster-dam“.
„Wer sein Ziel nicht kennt, dem ist kein Weg der richtige.“

Die Komplexität des gesamten Bewegungs- und Hand­lungsablaufs inklusive aller Schritte wird auf diese Weise genauestens erfasst und trainiert, bis sie sich im Un­ter­be­wusst­sein als Au­toma­tismus festsetzt. Es reicht nicht, wie es manche Mo­ti­va­tion­s­gu­rus lehren, nur das Ziel zu vi­su­al­isieren, wonach sich alles andere wie von selbst ergebe. Vielmehr verhält es sich wie mit einem Strichze­ich­ner: Nur ein Meister dieser Kunst, der sein Arbeitsfeld jahrelang trainiert und durch­drun­gen hat, schafft es, mit ein paar Strichen und Andeutungen die Schlüsselmerk­male eines Objekts her­auszustellen. Für einen Laien wäre es aber der falsche Weg, gleich mit der Verkürzung anzufangen.

Beispiel: Ar­gu­men­tieren

Die Bausteine des mentalen Trainings lassen sich vielseitig anwenden. Sie können damit üben, erfolgreich zu ar­gu­men­tieren. Oft müssen Sie im Beruf Statements spontan abgeben, ohne dass Sie sich vorbereiten können. Dann hilft es, wenn Sie die folgenden drei Knoten­punkte verin­ner­licht haben:

  1. Behauptung: Kommen Sie gleich zur Sache. Formulieren Sie Ihre Kernaussage oder Ihren Standpunkt positiv, weil Sie damit Ihre Zuhörer leichter überzeugen können. Erklären Sie also nicht, dass Sie mit der jetzigen Anzahl der Mitarbeiter Ihr Ziel nicht erreichen werden, sondern behaupten Sie ger­ade­heraus, dass Sie noch zwei weitere Mitarbeiter brauchen.
  2. Begründung: Begründen Sie Ihre Behauptung durch maximal drei Argumente. Wählen Sie die stärksten aus. Mit mehr als drei Argumenten „erschlagen“ Sie Ihren Gesprächspartner. Weitere Argumente können Sie sich aber für eventuelle Diskus­sio­nen aufheben.
  3. Bekräftigung: Formulieren Sie die Kernaussage noch einmal, am besten in neuen Worten. Verbinden Sie Ihren Standpunkt gleich mit einer Hand­lungsauf­forderung: „Ich möchte Sie daher bitten, der Einstellung von zwei weiteren Mi­tar­beit­ern zuzustimmen.“ Vermeiden Sie es, weitere Zusätze oder Begründungen anzubringen, da diese eher ablenken.

Grundsätze des mentalen Trainings

Damit Ihr mentales Training tatsächlich zum Erfolg führt, müssen Sie folgende Grundsätze beachten:

  • Gehen Sie das mentale Training mit einer positiven Einstellung an.
  • Setzen Sie sich ein re­al­is­tis­ches Ziel. Es darf weder zu schwer noch zu leicht sein. Halten Sie es schriftlich fest, damit die Verbindlichkeit erhöht und der Fortschritt sichtbar wird.
  • Entspannen Sie sich.
  • Sie sollten auf dem Gebiet, auf dem Sie trainieren wollen, bereits ein Quäntchen Eigen­er­fahrung mitbringen. Notfalls reicht es, wenn Sie auf einem ähnlichen Gebiet Erfahrungen gesammelt haben.
  • Gehen Sie das Training aus Ihrer eigenen Perspektive an. Übernehmen Sie nicht die Sicht einer anderen Person.
  • Sie brauchen eine lebhafte Vorstel­lungskraft, die über das bloße Vi­su­al­isieren hinausgeht. Vergegenwärtigen Sie sich die Situation mit all Ihren Sinnen.
  • Spalten Sie Ihr Training niemals von der Realität ab, sondern überprüfen Sie Ihr Fortkommen in realen Situationen.

Kritik am mentalen Training

Kritiker werfen dem mentalen Training vor, dass das Üben im Kopf oder selbst am Simulator tatsächlich ein­tre­tenden uner­warteten Ereignissen nicht gerecht werden könne. Selbst wenn in diesem Einwand ein wahrer Kern liegt: Das Zugreifen auf eine innere Landkarte und die Verin­ner­lichung wichtiger Knoten­punkte bewirkt zumindest, dass mentale und in­tellek­tuelle Kapazitäten frei bleiben. Dadurch haben Sie Ressourcen übrig, um schwierige Situationen nüchtern einzuschätzen und vernünftig und besonnen darauf zu reagieren.

Wünschen Sie noch oder wollen Sie schon?

Eines ist ganz wichtig: Sie müssen den festen Willen haben, Ihr Ziel zu erreichen. Der Wunsch allein reicht nicht aus. Der Unterschied zwischen Wunsch und Wille liegt in der Eigen­leis­tung. Der Wünschende träumt von glücklichen Umständen und äußeren Fügungen, der Wil­lensstarke hingegen geht Schritt für Schritt auf sein Ziel zu. Zerlegen Sie daher Ihre Ziele in ihre einzelnen Be­standteile. Definieren Sie nicht nur: „Ich will angstfrei vor einer Gruppe sprechen“, sondern fassen Sie auch konkrete Details ins Auge, z. B. dass Sie locker auf beiden Beinen stehen, sich den Zuschauern zuwenden, ruhig atmen, von Ihrer Botschaft überzeugt sind usw.

„Wer seine Train­ingsergeb­nisse nicht regelmäßig an der materiellen Realität überprüft, läuft Gefahr, sich zum Stammtis­chex­perten oder Besser­wisser zu entwickeln.“

Übernehmen Sie Eigen­ver­ant­wor­tung; nur dann können Sie an Ihrem Zustand etwas ändern und Ihre Fähigkeiten verbessern. Dem Vorge­set­zten, dem Ehepartner oder dem Wetter die Schuld zu geben, bringt Sie nicht weiter.

Über den Autor

Hans Eberspächer lehrte bis 2007 als Professor für Sportpsy­cholo­gie an der Universität Heidelberg. Seit Jahrzehnten trainiert er Profis­portler und -mannschaften für Welt­meis­ter­schaften und Olympische Spiele. Seine Methoden kommen auch in der Per­son­alen­twick­lung von Unternehmen und Or­gan­i­sa­tio­nen zum Einsatz, um Leistungen zu verbessern und Stress zu bewältigen. Er ist auch Autor des Buches Ressource Ich.