TMS und seine Väter
TMS steht für Team-Management-System. Charles Margerison, englischer Psychologe, und Dick McCann, australischer Ingenieur, gründeten das Institute of Team Management Studies (ITMS) an der Queensland University in Brisbane, Australien. Dort entwickelten sie in den 1980er Jahren ihr Modell auf Grundlage mehrjähriger Feldforschung und zahlreicher Interviews in verschiedenen Branchen und Ländern. Neben ihrer Lehrtätigkeit waren beide Dozenten als Berater in der Wirtschaft tätig. TMS wurde von über 10 000 akkreditierten Trainern und Beratern in mehr als 80 Länder getragen, seit 1989 wird es auch im deutschsprachigen Raum gelehrt. Kerninhalte des TMS sind das Modell der Arbeitsfunktionen, das Team-Management-Rad und das Living-Skills-Konzept. Mit dem TMS-Fragebogen wird evaluiert, welche Tätigkeiten eine Person besonders gerne mag. In der Regel fühlen sich Mitglieder befragter Teams in mindestens drei benachbarten Arbeitsbereichen wohl, während ihnen ein oder mehrere andere unbehaglich sind.
Arbeitsfunktionen
Das Modell der Arbeitsfunktionen zeigt das grundlegende Prinzip erfolgreicher Arbeitsprozesse. Folgende Tätigkeiten gehören dazu:
- Beraten: Informationen einholen und weitergeben, um eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
- Innovieren: Neue, kreative Lösungen für alte Probleme finden.
- Promoten: Mit Selbstmarketing intern und extern überzeugen, um Projektgelder anzuwerben.
- Entwickeln: Produkte und Leistungen mit Kundennutzen ausarbeiten.
- Organisieren: Die Umsetzung eines Projekts vorbereiten und planen.
- Umsetzen: Produkte oder Leistungen termingerecht und in guter Qualität abliefern.
- Überwachen: Qualität sicherstellen durch Audits und Controlling, Risiken menschlicher und juristischer Natur absichern.
- Stabilisieren: Erreichte Leistungen auch künftig beibehalten, Qualitätsstandards festlegen und Werte umsetzen.
„Wenn wir viel von dem, was wir tun müssen, gern tun, sind Arbeitsanforderung und Arbeitspräferenz im Einklang. Wir sind effektiv, uns geht die Arbeit leicht von der Hand.“
Margerison und McCann haben diese Arbeitsfunktionen wie Tortenstücke gleichmäßig in einem Kreis verteilt und in dessen Mitte das „Verbinden“, die „Linking Skills“ platziert – jene zentralen Kompetenzen, die alle Funktionen zusammenhalten. Die Arbeitsfunktionen sind im Uhrzeigersinn angeordnet und entsprechen der zeitlichen Abfolge im Projekt.
Das Team-Management-Rad
Aus dem Kreis mit den Arbeitsfunktionen ergibt sich das „Team-Management-Rad“. Es umfasst verschiedene Rollen, die jemand im Team übernimmt. Diese Rollen setzen sich je aus einem bevorzugten Verhalten (z. B. „kreativ“) und einer Arbeitsfunktion (z. B. „Innovator“) zusammen. Acht verschiedene Teamrollen bilden die Segmente des Rades. Unter dem Überbegriff „Entdecker“ findet man den „Kreativen Innovator“, den „Entdeckenden Promoter“ und den „Auswählenden Entwickler“. Zu den „Organisatoren“ lässt sich der eben genannte „Auswählende Entwickler“ zählen, ebenso der „Zielstrebige Organisator“ und der „Systematische Umsetzer“. Letzterer gehört auch zu den „Controllern“, zusammen mit dem „Kontrollierenden Überwacher“ und dem „Unterstützenden Stabilisator“. Dieser schließlich bildet zusammen mit dem „Informierten Berater“ und dem „Kreativen Innovator“ die Gruppe der „Berater“, womit sich der Kreis schließt.
„Wenn die Diskrepanz zwischen Arbeitspräferenz und Arbeitsanforderung zu groß ist, entsteht auf die Dauer eine Negativspirale: Unlust, Müdigkeit, Stress, Vergessen oder Aufschieben ungeliebter Aufgaben, Krankheit, innere Emigration bis hin zur Kündigung.“
Obwohl in der Teamarbeit alle Arbeitsfunktionen gleich wichtig sind, kommen in jedem Beruf einige besonders oft vor. Der „Kreative Innovator“ etwa hat eine Vorliebe für Aufgaben, bei denen innovative Lösungen gefragt sind, arbeitet gerne an visionären Ideen und ist ständig auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten. Experimentelle Herangehensweise, unabhängige Denkweise und der Wunsch nach Freiräumen kennzeichnen seinen Arbeitsstil. Kreative Innovatoren finden sich oft in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.
„Ein Team kann sich nur dann zu einem Hochleistungsteam entwickeln, wenn die richtigen Fachkompetenzen mit an Bord sind und wenn alle Arbeitsfunktionen im Blick sind, die im besten Fall mit den persönlichen Arbeitspräferenzen der Mitarbeiter abgedeckt sin
Auch wenn Arbeitspräferenzen meist unbewusst bleiben, haben sie entscheidenden Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit. Die Forschungen von Margerison und McCann kamen zum Ergebnis, dass ein Mensch nur dann ausreichend motiviert ist, wenn ca. 70 % seiner Tätigkeit dem bevorzugten Denken und Handeln entsprechen. Die restlichen 30 % hingegen sollen herausfordern und zum Lernen anregen. Die Autoren bringen es auf eine einfache Formel: Hochleistung in Teams entsteht immer dann, wenn jeder genau das tun kann, was er besonders gerne tut. Zu beachten ist, dass die eigentliche fachliche Kompetenz einer Person (die meist zu seiner Beurteilung herangezogen wird) nicht mit der Arbeitspräferenz zu verwechseln ist. Kompetenzaufbau fällt in einer bevorzugten Tätigkeit aber leichter als in einer ungeliebten.
Das Team-Management-Profil
Um zu messen, welche Arbeitsschritte eine Person bevorzugt, entwickelten Margerison und McCann den Team-Management-Profil-Fragebogen (TMPF). Er enthält 60 auf die Arbeitswelt bezogene Fragen, zu deren Beantwortung 10–15 Minuten ausreichen. Die Forscher bündelten alle Arbeitsfunktionen in die vier Kernbereiche Kommunikation, Information, Entscheidungen und Organisation. Angeregt durch die psychologischen Konzepte von C. G. Jung erhielt jeder Bereich zwei Pole. Diese Skalen beschreiben die Art und Weise, wie ein Befragter mit dem jeweiligen Bereich umgeht. So kann etwa eine Entscheidungsfindung eher „analytisch“ oder mehr „begründet auf Überzeugungen“ stattfinden. Kommunikation wiederum kann entweder „extrovertiert“ oder „introvertiert“ ablaufen.
„Linking ist keine Teamrolle, sondern ein Bündel an sozialen, persönlichen und methodischen Fähigkeiten. Sie müssen wahrgenommen werden, sonst driftet das Team auseinander.“
Aufgrund der Antworten erstellt eine Software aus Textbausteinen ein 26–28 Seiten starkes Team-Management-Profil. Dieses enthält neben der grafischen Darstellung, welche Rollen der Befragte mit welchem Anteil vertritt, eine individuelle Auswertung und Hintergrundinformationen zum TMS. Großen Wert legen die Erfinder darauf, dass das TMS-Profil nicht die Person kritisiert, sondern Stärken betont und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigt. Außerdem dient das Profil dazu, gegenseitige Wertschätzung zu vermitteln. Wer sich mit anderen vergleichen möchte, findet in der Datenbank der TMS-Forscher rund 100 Referenzgruppen aus aller Welt, die z. B. nach Branche und Berufsfeld ausgewählt werden können.
Das Linking-Skills-Modell
Scheitert ein Team, sind meist nicht mangelnde Fachkompetenz, sondern fehlende „Linking Skills“ schuld. Margerison und McCann verstehen darunter dreizehn „soziale, persönliche und methodische Fähigkeiten“, die ein Team zusammenhalten. Um Teamarbeit effizient, harmonisch und zielgerichtet zu gestalten, müssen kommunikative und kooperative Fähigkeiten entweder beim Teamleiter oder den einzelnen Teammitgliedern vorhanden sein. Grafisch dargestellt wird das Linking-Skills-Modell ebenfalls als Kreis: In der Mitte befinden sich die zentralen Führungsfähigkeiten Motivation und Strategie. Um sie herum sind fünf verbindende Aufgaben als Puzzleteile angeordnet: Delegation, Teamentwicklung, Arbeitsverteilung, Qualitätsstandards und Zielsetzung. In einem weiteren Ring findet man zusätzliche verbindende Verhaltensweisen: Schnittstellen-Management, aktives Zuhören, Kommunikation, Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen, Problemlösung und Beratung sowie Entscheidungsfindung. Linking Skills sind besonders bei den Teamrollen „Informierter Berater“, „Unterstützender Stabilisator“ und „Kontrollierender Überwacher“ gefragt.
TMS in der Teamentwicklung
Teamdynamik darf nicht mit Gruppendynamik verwechselt werden: In gruppendynamischen Prozessen klären Menschen ihre Beziehung zueinander, woraus ein Gegen- oder Miteinander entsteht und Einzelne sich durchsetzen wollen. In Abgrenzung dazu steht bei der Teamdynamik das gemeinsame Ziel im Vordergrund, Aufgaben und Probleme zu lösen. Da keine Hierarchie herrscht, denken in einem solchen Kollektiv idealerweise alle mit. Die Leitungsaufgabe in einem Team besteht darin, alle Mitglieder miteinander zu verbinden. Kommunikation und Kooperation darf aber nicht allein vom Teamleiter zum Mitglied stattfinden, sondern muss den Mitgliedern untereinander ermöglicht werden. Besser als Einzelgespräche sind deshalb systematische Meetings, die dem Ablauf der TMS-Funktionen folgen.
„Das Team-Management-Profil ist vor allem ein Entwicklungs- und kein Auswahlinstrument. Nie sollte das TMS-Profil allein im Kontext von Personalauswahl oder Bewerbung eingesetzt werden.“
Konflikte, die durch polarisierende Teamrollen entstehen, können mit TMS-Methoden entschärft werden. Wenn Verhaltensweisen, Art der Verständigung und Arbeitsstil von Teammitgliedern absolut konträr sind, enden Konflikte meist in Rückzug und Abkapselung der Beteiligten. Mit den schnell verständlichen TMS-Modellen können innerhalb kurzer Zeit die nötigen Brücken geschlagen werden. Beispiele aus der TMS-Praxis zeigen sogar, dass gerade mit komplementären Teamrollen besetzte Doppelspitzen ihre Projekte besonders erfolgreich leiten. Voraussetzung ist jedoch, dass die Betroffenen Fähigkeiten, die sie selbst nicht besitzen, als optimale Ergänzung zur Erreichung der gesetzten Ziele erkennen. Persönlichkeitsunterschiede sollen nicht abgewertet, sondern als Stärken erkannt werden. Fallstudien aus der TMS-Forschung belegen, dass heterogen zusammengesetzte Teams leistungsfähiger sind als homogene.
TMS in der Organisationsentwicklung
Das Rad der Arbeitsfunktionen bietet sich an, um die strukturelle Gestaltung und die Arbeitsprozesse eines Unternehmens zu hinterfragen und zu reorganisieren (z. B. im Qualitätsmanagement oder der externen Kommunikation). Das Modell lässt sich auch gut auf strategische Fragestellungen anwenden, etwa wenn es gilt, ein Unternehmen neu auszurichten. Dazu ist die Arbeitspräferenz „Entwickeln“ nötig. Um vorhandene Leitbilder anzupassen, benötigt ein Unternehmen hingegen Mitarbeiter, die Tätigkeiten rund um das „Stabilisieren“ bevorzugen.
„Die Erkenntnis, dass jeder Einzelne unterschiedlich ist, dass wir Ähnlichkeiten im Umgang intuitiv schätzen und große Unterschiede zu uns selbst zunächst abwerten, stellt den Team-Konflikt in einen anderen Bezugsrahmen.“
Oft dauern Umsetzungs- und Abstimmungsvorgänge weitaus länger als vom Management geplant. Da die kreisförmige Anordnung der Arbeitsfunktionen dem optimalen Projektablauf entspricht, hat sich TMS bei Teamleitern als Führungswerkzeug bewährt. Wenn Projektaufgaben und -anforderungen vorab mit den persönlichen Arbeitspräferenzen der Teammitglieder in Einklang gebracht werden, lässt sich Mehraufwand intelligent vermeiden.
„Mit TMS kann die Führungskräfteentwicklung präferenzorientiert ausgerichtet werden und zum anderen kann TMS einen wichtigen Beitrag leisten, um die persönliche Effizienz und Leistungsfreude zu stärken.“
Bestehen zwischen Teams oder Bereichen tiefe Gräben, ist die Ursache oft ihr grundlegend unterschiedliches Verhalten: Während der Vertrieb ein neues Produkt oft schon vor Marktreife bewerben und verkaufen möchte, ist die Entwicklung noch mit dem Test der Prototypen beschäftigt und hält den Schritt nach draußen für verfrüht. TMS kann als „Teamsprache“ für bessere Verständigung und für besseres Verständnis der unterschiedlichen Bedürfnisse sorgen.