Die Outsourcing-Falle

Buch Die Outsourcing-Falle

Wie die Globalisierung in den Ruin führen kann

Redline,


Rezension

Auch wenn im Titel von Outsourcing im Allgemeinen die Rede ist, meinen Johanna Joppe und Christian Ganowski vor allem das „Low-Cost-Coun­try-Sourc­ing“, also die Auslagerung von Un­ternehmen­steilen in Billiglohnländer. Sie halten nichts davon, auf den Out­sourc­ing-Zug nur deshalb aufzus­prin­gen, weil fast alle anderen schon drinsitzen. In jedem Fall ist es besser, nachzurech­nen, ob die entste­hen­den Zusatzkosten den Sprung nach Asien oder Osteuropa wirklich recht­fer­ti­gen. Das Buch ist eher ein Mahn- und Warnbuch als eine Anleitung, wie man Outsourcing von Grund auf richtig plant. Die ab­schreck­enden Beispiele – und derer gibt es viele – dominieren den Text. Natürlich können solche Bad Practices hilfreich sein, wenn es um die Vermeidung eigener Fehler geht. Dennoch hätte man sich etwas mehr Nutzwert in Form klarer Dos and Don’ts gewünscht. Das Buch ist jedoch so respektlos und au­gen­zwinkernd geschrieben, dass man den Autoren dieses Manko gerne nachsieht: Man will es sowieso von vorn bis hinten lesen, und sei es nach Feierabend. BooksInShort empfiehlt den Ratgeber allen, die mit dem Thema Outsourcing schwanger gehen, sei es, weil sie den Zug nicht verpassen möchten oder weil sie dem Chef gute Gege­nar­gu­mente liefern wollen.

Take-aways

  • Wenn Ihr Out­sourc­ing-Part­ner Fehler macht, bleiben der Im­ageschaden und die Kosten an Ihnen hängen.
  • Viele Unternehmen sourcen nur out, weil das alle machen oder der Chef es so will.
  • Eine Vor-Ort-Kon­trolle in den ausländischen Fabriken findet fast nie mit der notwendigen Sorgfalt statt.
  • Outsourcing ins Ausland verläuft garantiert nie schnell und un­kom­pliziert.
  • Ziehen Sie nicht nur die günstigere Produktion ins Kalkül, sondern rechnen Sie auch mit neu entste­hen­den Kosten, z. B. für Logistik und Ko­or­di­na­tion­sauf­gaben.
  • Behalten Sie Ihre Zuliefer­kette im Auge: Sie müssen nicht nur Ihren Lieferanten, sondern auch dessen Lieferanten genau kennen.
  • Beinahe jedes fünfte Unternehmen beendet sein Out­sourc­ing-Pro­jekt im Ausland spätestens nach zwei Jahren.
  • Qualität dürfen Sie nicht vo­raus­set­zen: Sie müssen Sie aktiv managen!
  • Nutzen Sie moderne Com­put­er­sim­u­la­tio­nen, um sich über die Ein­flussfak­toren Ihres Out­sourc­ing-Pro­jek­tes klar zu werden.
  • Stellen Sie unbedingt ein Sup­ply-Risk-Man­age­ment auf die Beine, damit Sie im Schadens­fall schnell wieder auf Kurs kommen können.
 

Zusammenfassung

Outsourcing kann tödlich sein

Was beim Outsourcen falsch laufen kann, zeigt der Fall eines finanziell in die Bredouille geratenen Kranken­hauses eindrücklich: Dort machte man einen Kostencheck und stellte fest, dass die Kranken­hausküche exorbitant hohe Kosten verursachte. Das müsste doch mit einem Cater­ing-Be­trieb günstiger gehen, dachte sich der Vorstand. Man fand tatsächlich einen externen Di­en­stleis­ter, der die Versorgung der Patienten zum halben Preis übernahm. Der Ver­wal­tungschef frohlockte. Dann jedoch sorgten mysteriöse Todesfälle unter den Patienten für Unruhe. Hinter vorge­hal­tener Hand munkelte man, dass mit dem neuen Essen irgendwas nicht stimme. Und tatsächlich: Rund neun Monate nach dem Abenteuer Outsourcing wurde klammheim­lich die alte Küchencrew wieder vor den Herd gestellt.

„Outsourcing ist kein Fußballspiel. Und wenn doch, dann ist es ein Fußballspiel, bei dem von einer Sekunde auf die andere auch mit der Hand, einer Melone und zwei Kampf­panz­ern gespielt werden darf – wenn der Gegner das will.“

Was war geschehen? Die Kranken­hausküche war vor allem deshalb so teuer, weil der Küchenchef dafür sorgte, dass alle Nahrungsmit­tel frisch verarbeitet, Hy­gien­e­s­tandards peinlich genau eingehalten und die Kühlketten nie un­ter­brochen wurden. Das war beim externen Di­en­stleis­ter offenbar nicht der Fall. Die „paar Keime mehr“ hätten wahrschein­lich einem in Saft und Kraft stehenden Arbeiter einer Fabrik nichts geschadet. Die Kranken­hausin­sassen sind aber schon gesund­heitlich angeschla­gen, vielleicht sogar mit Ma­gen-Darm-Krankheiten vorbelastet, sodass die Krankheit­ser­reger leichtes Spiel hatten.

Der Dreck bleibt an Ihnen hängen!

Nicht immer muss falsches Outsourcing gleich in tragischen Todesfällen enden. Aber wenn es Schwierigkeiten gibt, bleiben der Im­ageschaden und die Kosten immer an Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen hängen. Sie können den externen Di­en­stleis­ter in Grund und Boden klagen, doch es wird nichts daran ändern, dass Ihr Unternehmen die Ve­r­ant­wor­tung für den Schaden übernehmen muss. Oder glauben Sie ernsthaft, dass irgendwen eine Pressemel­dung vom Hocker reißt, in der steht: „Die schlampigen Chinesen sind schuld“? Nein, der Dreck bleibt an Ihnen hängen. Ins­beson­dere bei kleinen Unternehmen kann deshalb aus der un­ternehmerischen Entschei­dung schnell mal eine persönliche Katastrophe werden. Der im Dorf an­ge­siedelte Mittelständler, der viele Arbeitskräfte entlässt, um in Osteuropa zu produzieren, wird aus den Blicken seiner Nachbarn herauslesen können, dass er sie herb enttäuscht hat.

Keiner spricht über die Fehlschläge

Outsourcing in Billiglohnländer, das so genannte Low-Cost-Coun­try-Sourc­ing, grassiert derzeit wie ein Fieber in deutschen Unternehmen. Da locken Chinesen mit 30 % niedrigeren Pro­duk­tion­skosten, und Inder werben mit Know-how und westlichem Ser­vice­s­tandard. Angeblich. Denn welcher Unternehmer schaut sich die Pro­duk­tion­san­la­gen vor dem Einstieg im Bil­liglohn­land wirklich an? Wer besucht die Servicebüros von Experten, die etwas davon verstehen? Oftmals steht vor allem ein Motiv hinter dem Abenteuer Outsourcing: Alle machen es. Also müssen wir es auch machen. Das ist umso schlimmer, als es nur wenige Best-Prac­tice-Un­ternehmen gibt, bei denen es wirklich geklappt hat. Bad Practices allerdings, die gibt es wie Sand am Meer. Nur erfährt niemand davon. Die Unternehmen kommen mit eingeknif­f­enem Schwanz zurück nach Europa und legen über ihre Erfahrungen lieber den Mantel des Schweigens. Wer posaunt schon gerne lauthals hinaus, dass er sich gerade von Chinesen übers Ohr hat hauen lassen? Oft werden nämlich Dinge versprochen und sogar in achtfacher Durch­schrift vertraglich festgelegt, die später überhaupt nicht mehr zur Debatte stehen. Die Chinesen haben da eine sehr betörende Alles-ist-möglich-Men­talität: Sie sagen zu allem „Okay, geht klar“ und hinterher heißt es: „Lassen Sie uns nicht über die Fehler sprechen, damit niemand sein Gesicht verliert.“

Vorsicht: Out­sourc­ing-Falle!

Es gibt ein Gerücht, das sozusagen jedes Low-Cost-Sourc­ing-Pro­jekt steuert und inspiriert: „Man kann schnell und un­kom­pliziert Kosten sparen.“ Schnell und un­kom­pliziert? Humbug!

  • Un­kom­pliziert sind solche Projekte nie. Sie sind sogar besonders riskant. Selbst wenn Sie ein Risiko­man­age­ment im Unternehmen betreiben, werden die spez­i­fis­chen Out­sourc­ing-Risiken dort meist gar nicht beachtet.
  • Überdies wird Ihr Management mit zusätzlichen Ko­or­di­na­tion­sauf­gaben belastet. Schließlich müssen Sie die Produktion Ihres Off­shore-Part­ners ständig kon­trol­lieren und mit den Vorgaben in der heimischen Zentrale sowie den Mark­tan­forderun­gen abgleichen.
  • Unterschätzen Sie auch nicht den so genannten Brain-Drain im Ausland: Da Experten vor allem in Asien sehr begehrt sind und sich die Unternehmen heiße Übernahmeschlachten liefern, kann es sein, dass der für Ihre Produktion zuständige Experte schon einen Monat später für die Konkurrenz arbeitet – und die Betreuung und Qualitätssicherung Ihrer Produkte auf der Strecke bleibt. Besser, Sie haben einen Expatriate vor Ort, der die Produktion in Ihrem Sinne lenkt.
  • Behalten Sie Ihre Zuliefer­kette im Auge. Sie müssen nicht nur über Ihren Lieferanten Bescheid wissen, sondern auch darüber, was der Lieferant des Lieferanten Ihres Lieferanten (der so genannte Third-Tier-Liefer­ant) macht.
  • Von kurzfristi­gen Kosteneinsparun­gen können Sie wohl träumen, aber die Realität sieht etwas anders aus. Wie bei jeder Investition lohnen sich Aus­landsver­lagerun­gen nur, wenn Sie eine langfristige Perspektive einnehmen. Rechnen Sie mit allen Kosten­fak­toren – auch denjenigen, die durch das Aus­land­sen­gage­ment erst entstehen.
  • Nach durch­schnit­tlich zwei Jahren können Sie damit rechnen, dass sich das Outsourcing auszahlt. Das ist aber lediglich ein Durch­schnittswert, der nur gilt, wenn Sie alles richtig machen! Und: In dieser Zeit können u. U. auch heimische Hersteller günstiger anbieten – und das ohne den ganzen Kon­trol­laufwand. Insofern sollten und müssen Sie immer abschätzen, ob sich die Fabrik im Ausland überhaupt noch lohnt. Das Fraun­hofer-In­sti­tut für System- und In­no­va­tions­forschung hat her­aus­ge­fun­den, dass jedes vierte bis fünfte Unternehmen, das Outsourcing betreibt, noch vor dieser Zwei-Jahres-Frist seine Entschei­dung rückgängig macht.

Die Elemente des Erfolgs

Einer der Gründe für das „Outsourcing auf Teufel komm raus“ ist eine neue Man­age­ment­masche: Ac­tion-based De­ci­sion-Mak­ing. Soll heißen: nicht so viel herumdisku­tieren, sondern schnell handeln. Eigentlich nicht schlecht. Solange es sich um interne Prozesse handelt. Aber die Auslagerung ganzer Pro­duk­tion­sstätten ins Ausland sollte – mit Verlaub gesagt – nicht auf Bauchentschei­dun­gen gründen. Diejenigen Unternehmen, die es geschafft haben, sagen mit Stolz: „Wir waren nicht die Ersten im Ausland. Wir haben erst einmal geschaut, welche Fehler die anderen machen.“ Diese Beson­nen­heit muss im Management verankert sein, denn von dort kommen die Initiativen und dort wird die Planung gemacht. Jeder Beteiligte muss realistisch sehen, was mit Outsourcing erreicht werden kann – und was nicht. Nächster Schritt: Sorgen Sie für Transparenz. Sie müssen sich (ausländische) Partner aussuchen, die Leistungen nach Maß liefern, in genau der Menge und Qualität, zu genau dem Termin, den Sie ihnen diktieren.

Qualität müssen Sie managen!

Kon­trol­lieren Sie und in­sti­tu­tion­al­isieren Sie! Schaffen Sie Steuerungs­grup­pen auf mindestens drei Ebenen, die bilateral besetzt sind. Begehen Sie bloß nicht den Fehler, im Ausland auf die gleiche Weise zu bestellen wie beim Lieferanten in Deutschland. Wer Babylätzchen in Deutschland ordert, der kann sich darauf verlassen, dass die verwendeten Farben den Vorgaben entsprechen und die Qualität stimmt. Auftrag faxen, Stichproben vornehmen, fertig! Das geht in China nicht. In Deutschland hatte man früher auch mal Probleme mit Blei in den Farben, aber das ist 30 Jahre her und kommt heute nicht mehr vor. China ist neu am Markt. Da ist es nicht ver­wun­der­lich, dass dort Babylätzchen und Spielzeuge vom Band laufen, von denen Kinder eine Bleivergif­tung bekommen oder formalde­hy­d­benebelt ins Koma fallen. Dass Branchen­riesen – am bekan­ntesten wurde der Fall des Spielzeugher­stellers Mattel – eklatante Fehler im Umgang mit ihren Fer­nost-Liefer­an­ten machten und mil­lio­nen­schwere, imageschädigende Rück­r­u­fak­tio­nen starten mussten, zeigt das Ausmaß der Katastrophe. Qualität dürfen Sie nicht vo­raus­set­zen. Sie müssen sie managen!

Kulturelle Kompetenz

Einkäufer sind in vielen Unternehmen die Kellerkinder. Wenn sie nun plötzlich ins Ausland reisen, vielleicht noch Englisch sprechen und ver­schiedene mögliche Zuliefer­be­triebe erkunden müssen, sind sie schlicht überfordert. Sorgen Sie also für passgenaue Fortbildung. Ein Einkäufer, der vor Ort evtl. sogar die Prozesse anschieben oder steuern soll, braucht Man­age­ment-Know-how. Investieren Sie unbedingt auch in die Kul­turkom­pe­tenz Ihrer Leute vor Ort. Wovor Kul­tur­ex­perten vor Jahren immer wieder gewarnt haben (Stichwort: andere Länder, andere Sitten), wird für Sie nun virulent: Wer ins Fettnäpfchen tritt, der kommt gar nicht erst an einen guten Deal heran.

Hightech bei der Planung

Simulieren Sie! Man braucht heute keine Armee von IT-Fach­leuten mehr, um ein com­put­erges­teuertes Sim­u­la­tion­s­mod­ell Ihrer Un­ternehmen­sprozesse zu bedienen. Die com­put­ergestützte Simulation bietet Ihnen aber entschei­dende Vorteile: Testen Sie Ihr Aus­land­sen­gage­ment erst einmal im Rechner auf seine Vorteile. Das dauert mit den bekannten Tabel­lenkalku­la­tio­nen übrigens viel zu lange, nutzen Sie lieber ein Echtzeit-Sim­u­la­tion­ssys­tem.

„Wer bei Outsourcing & Co. reüssieren will, muss in erster Linie das Qualitätsproblem in den Griff bekommen.“

Das wünschenswerte Szenario sieht dann so aus: Das Man­age­ment­team plant die Auslagerung von ver­gle­ich­sweise selten benötigten Einzel­teilen nach China. Der Con­trol­ling-Chef tippt die entsprechen­den Zahlen in seinen Laptop und das Sim­u­la­tion­s­mod­ell spuckt ihm in Echtzeit die möglichen Kosten­vorteile aus. Aufgrund der unregelmäßigen Lieferungen müsste per Luftfracht trans­portiert werden und deshalb schmelzen die Kosten­vorteile dahin. Verändert man die Nachfrage und die Trans­portkosten und zieht man sogar Naturkatas­tro­phen wie Wirbelstürme in Betracht, lohnt sich das Projekt nicht mehr. Noch im Meeting sind sich die Entscheider einig: Wird nicht gemacht! Wenn der Con­trol­ling-Leiter erst in seine Abteilung muss, um die Simulation „von Hand“ auszurech­nen und dann nach zwei Tagen mit dem Ergebnis ankommt, haben sich schon viel zu viele Rah­menbe­din­gun­gen geändert.

Das Risiko-Radar

Wenn Sie Ihr Haus gegen Einbruch oder Feuer versichern, werden Sie sich nicht mit der erstbesten Lösung zufriedengeben. Sie werden sich Gedanken machen, was passieren kann, mit welcher Wahrschein­lichkeit etwas eintrifft und wie hoch der Schaden sein könnte. Nichts anderes ist gemeint, wenn im Unternehmen Risiko­man­age­ment betrieben wird. Risiken lassen sich nicht qualitativ ausdrücken. „Der Zulieferer meines Lieferanten könnte am Gelbfieber sterben“ ist eine qualitative Aussage, die Sie aber nicht weit­er­bringt. Was würde das bedeuten, für Sie ganz konkret? Was würde Sie das kosten? Wie wahrschein­lich ist das Ereignis? Wie lange benötigen Sie, um wieder auf Kurs zu kommen? Schon alleine mit diesen drei Quan­tifizierun­gen lässt sich ein rudimentäres Sup­ply-Risk-Man­age­ment auf die Beine stellen. Der richtige Mann hierfür ist Ihr Einkauf­sleiter. Kann er es nicht, schulen Sie ihn! Am Risiko­man­age­ment müssen aber alle Mitarbeiter mitwirken. Falls Sie der Einzige in Ihrem Unternehmen sind, der das einsieht, dann sollten Sie einige Risiken visuell und anschaulich aufbereiten – und dem Management damit die Augen öffnen.

Über die Autoren

Johanna Joppe und Christian Ganowski sind Inhaber der Un­ternehmens­ber­atung Memconsult. Das Unternehmen mit Sitz in Augsburg ist auf Risiko­man­age­ment und in­tel­li­gente Man­age­mentsys­teme in in­ter­na­tionalen Unternehmen spezial­isiert. Beide Autoren haben schon mehrere Bücher verfasst, darunter u. a. Kosten senken – jetzt! und Umsatz steigern – jetzt!