Outsourcing kann tödlich sein
Was beim Outsourcen falsch laufen kann, zeigt der Fall eines finanziell in die Bredouille geratenen Krankenhauses eindrücklich: Dort machte man einen Kostencheck und stellte fest, dass die Krankenhausküche exorbitant hohe Kosten verursachte. Das müsste doch mit einem Catering-Betrieb günstiger gehen, dachte sich der Vorstand. Man fand tatsächlich einen externen Dienstleister, der die Versorgung der Patienten zum halben Preis übernahm. Der Verwaltungschef frohlockte. Dann jedoch sorgten mysteriöse Todesfälle unter den Patienten für Unruhe. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man, dass mit dem neuen Essen irgendwas nicht stimme. Und tatsächlich: Rund neun Monate nach dem Abenteuer Outsourcing wurde klammheimlich die alte Küchencrew wieder vor den Herd gestellt.
„Outsourcing ist kein Fußballspiel. Und wenn doch, dann ist es ein Fußballspiel, bei dem von einer Sekunde auf die andere auch mit der Hand, einer Melone und zwei Kampfpanzern gespielt werden darf – wenn der Gegner das will.“
Was war geschehen? Die Krankenhausküche war vor allem deshalb so teuer, weil der Küchenchef dafür sorgte, dass alle Nahrungsmittel frisch verarbeitet, Hygienestandards peinlich genau eingehalten und die Kühlketten nie unterbrochen wurden. Das war beim externen Dienstleister offenbar nicht der Fall. Die „paar Keime mehr“ hätten wahrscheinlich einem in Saft und Kraft stehenden Arbeiter einer Fabrik nichts geschadet. Die Krankenhausinsassen sind aber schon gesundheitlich angeschlagen, vielleicht sogar mit Magen-Darm-Krankheiten vorbelastet, sodass die Krankheitserreger leichtes Spiel hatten.
Der Dreck bleibt an Ihnen hängen!
Nicht immer muss falsches Outsourcing gleich in tragischen Todesfällen enden. Aber wenn es Schwierigkeiten gibt, bleiben der Imageschaden und die Kosten immer an Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen hängen. Sie können den externen Dienstleister in Grund und Boden klagen, doch es wird nichts daran ändern, dass Ihr Unternehmen die Verantwortung für den Schaden übernehmen muss. Oder glauben Sie ernsthaft, dass irgendwen eine Pressemeldung vom Hocker reißt, in der steht: „Die schlampigen Chinesen sind schuld“? Nein, der Dreck bleibt an Ihnen hängen. Insbesondere bei kleinen Unternehmen kann deshalb aus der unternehmerischen Entscheidung schnell mal eine persönliche Katastrophe werden. Der im Dorf angesiedelte Mittelständler, der viele Arbeitskräfte entlässt, um in Osteuropa zu produzieren, wird aus den Blicken seiner Nachbarn herauslesen können, dass er sie herb enttäuscht hat.
Keiner spricht über die Fehlschläge
Outsourcing in Billiglohnländer, das so genannte Low-Cost-Country-Sourcing, grassiert derzeit wie ein Fieber in deutschen Unternehmen. Da locken Chinesen mit 30 % niedrigeren Produktionskosten, und Inder werben mit Know-how und westlichem Servicestandard. Angeblich. Denn welcher Unternehmer schaut sich die Produktionsanlagen vor dem Einstieg im Billiglohnland wirklich an? Wer besucht die Servicebüros von Experten, die etwas davon verstehen? Oftmals steht vor allem ein Motiv hinter dem Abenteuer Outsourcing: Alle machen es. Also müssen wir es auch machen. Das ist umso schlimmer, als es nur wenige Best-Practice-Unternehmen gibt, bei denen es wirklich geklappt hat. Bad Practices allerdings, die gibt es wie Sand am Meer. Nur erfährt niemand davon. Die Unternehmen kommen mit eingekniffenem Schwanz zurück nach Europa und legen über ihre Erfahrungen lieber den Mantel des Schweigens. Wer posaunt schon gerne lauthals hinaus, dass er sich gerade von Chinesen übers Ohr hat hauen lassen? Oft werden nämlich Dinge versprochen und sogar in achtfacher Durchschrift vertraglich festgelegt, die später überhaupt nicht mehr zur Debatte stehen. Die Chinesen haben da eine sehr betörende Alles-ist-möglich-Mentalität: Sie sagen zu allem „Okay, geht klar“ und hinterher heißt es: „Lassen Sie uns nicht über die Fehler sprechen, damit niemand sein Gesicht verliert.“
Vorsicht: Outsourcing-Falle!
Es gibt ein Gerücht, das sozusagen jedes Low-Cost-Sourcing-Projekt steuert und inspiriert: „Man kann schnell und unkompliziert Kosten sparen.“ Schnell und unkompliziert? Humbug!
- Unkompliziert sind solche Projekte nie. Sie sind sogar besonders riskant. Selbst wenn Sie ein Risikomanagement im Unternehmen betreiben, werden die spezifischen Outsourcing-Risiken dort meist gar nicht beachtet.
- Überdies wird Ihr Management mit zusätzlichen Koordinationsaufgaben belastet. Schließlich müssen Sie die Produktion Ihres Offshore-Partners ständig kontrollieren und mit den Vorgaben in der heimischen Zentrale sowie den Marktanforderungen abgleichen.
- Unterschätzen Sie auch nicht den so genannten Brain-Drain im Ausland: Da Experten vor allem in Asien sehr begehrt sind und sich die Unternehmen heiße Übernahmeschlachten liefern, kann es sein, dass der für Ihre Produktion zuständige Experte schon einen Monat später für die Konkurrenz arbeitet – und die Betreuung und Qualitätssicherung Ihrer Produkte auf der Strecke bleibt. Besser, Sie haben einen Expatriate vor Ort, der die Produktion in Ihrem Sinne lenkt.
- Behalten Sie Ihre Zulieferkette im Auge. Sie müssen nicht nur über Ihren Lieferanten Bescheid wissen, sondern auch darüber, was der Lieferant des Lieferanten Ihres Lieferanten (der so genannte Third-Tier-Lieferant) macht.
- Von kurzfristigen Kosteneinsparungen können Sie wohl träumen, aber die Realität sieht etwas anders aus. Wie bei jeder Investition lohnen sich Auslandsverlagerungen nur, wenn Sie eine langfristige Perspektive einnehmen. Rechnen Sie mit allen Kostenfaktoren – auch denjenigen, die durch das Auslandsengagement erst entstehen.
- Nach durchschnittlich zwei Jahren können Sie damit rechnen, dass sich das Outsourcing auszahlt. Das ist aber lediglich ein Durchschnittswert, der nur gilt, wenn Sie alles richtig machen! Und: In dieser Zeit können u. U. auch heimische Hersteller günstiger anbieten – und das ohne den ganzen Kontrollaufwand. Insofern sollten und müssen Sie immer abschätzen, ob sich die Fabrik im Ausland überhaupt noch lohnt. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat herausgefunden, dass jedes vierte bis fünfte Unternehmen, das Outsourcing betreibt, noch vor dieser Zwei-Jahres-Frist seine Entscheidung rückgängig macht.
Die Elemente des Erfolgs
Einer der Gründe für das „Outsourcing auf Teufel komm raus“ ist eine neue Managementmasche: Action-based Decision-Making. Soll heißen: nicht so viel herumdiskutieren, sondern schnell handeln. Eigentlich nicht schlecht. Solange es sich um interne Prozesse handelt. Aber die Auslagerung ganzer Produktionsstätten ins Ausland sollte – mit Verlaub gesagt – nicht auf Bauchentscheidungen gründen. Diejenigen Unternehmen, die es geschafft haben, sagen mit Stolz: „Wir waren nicht die Ersten im Ausland. Wir haben erst einmal geschaut, welche Fehler die anderen machen.“ Diese Besonnenheit muss im Management verankert sein, denn von dort kommen die Initiativen und dort wird die Planung gemacht. Jeder Beteiligte muss realistisch sehen, was mit Outsourcing erreicht werden kann – und was nicht. Nächster Schritt: Sorgen Sie für Transparenz. Sie müssen sich (ausländische) Partner aussuchen, die Leistungen nach Maß liefern, in genau der Menge und Qualität, zu genau dem Termin, den Sie ihnen diktieren.
Qualität müssen Sie managen!
Kontrollieren Sie und institutionalisieren Sie! Schaffen Sie Steuerungsgruppen auf mindestens drei Ebenen, die bilateral besetzt sind. Begehen Sie bloß nicht den Fehler, im Ausland auf die gleiche Weise zu bestellen wie beim Lieferanten in Deutschland. Wer Babylätzchen in Deutschland ordert, der kann sich darauf verlassen, dass die verwendeten Farben den Vorgaben entsprechen und die Qualität stimmt. Auftrag faxen, Stichproben vornehmen, fertig! Das geht in China nicht. In Deutschland hatte man früher auch mal Probleme mit Blei in den Farben, aber das ist 30 Jahre her und kommt heute nicht mehr vor. China ist neu am Markt. Da ist es nicht verwunderlich, dass dort Babylätzchen und Spielzeuge vom Band laufen, von denen Kinder eine Bleivergiftung bekommen oder formaldehydbenebelt ins Koma fallen. Dass Branchenriesen – am bekanntesten wurde der Fall des Spielzeugherstellers Mattel – eklatante Fehler im Umgang mit ihren Fernost-Lieferanten machten und millionenschwere, imageschädigende Rückrufaktionen starten mussten, zeigt das Ausmaß der Katastrophe. Qualität dürfen Sie nicht voraussetzen. Sie müssen sie managen!
Kulturelle Kompetenz
Einkäufer sind in vielen Unternehmen die Kellerkinder. Wenn sie nun plötzlich ins Ausland reisen, vielleicht noch Englisch sprechen und verschiedene mögliche Zulieferbetriebe erkunden müssen, sind sie schlicht überfordert. Sorgen Sie also für passgenaue Fortbildung. Ein Einkäufer, der vor Ort evtl. sogar die Prozesse anschieben oder steuern soll, braucht Management-Know-how. Investieren Sie unbedingt auch in die Kulturkompetenz Ihrer Leute vor Ort. Wovor Kulturexperten vor Jahren immer wieder gewarnt haben (Stichwort: andere Länder, andere Sitten), wird für Sie nun virulent: Wer ins Fettnäpfchen tritt, der kommt gar nicht erst an einen guten Deal heran.
Hightech bei der Planung
Simulieren Sie! Man braucht heute keine Armee von IT-Fachleuten mehr, um ein computergesteuertes Simulationsmodell Ihrer Unternehmensprozesse zu bedienen. Die computergestützte Simulation bietet Ihnen aber entscheidende Vorteile: Testen Sie Ihr Auslandsengagement erst einmal im Rechner auf seine Vorteile. Das dauert mit den bekannten Tabellenkalkulationen übrigens viel zu lange, nutzen Sie lieber ein Echtzeit-Simulationssystem.
„Wer bei Outsourcing & Co. reüssieren will, muss in erster Linie das Qualitätsproblem in den Griff bekommen.“
Das wünschenswerte Szenario sieht dann so aus: Das Managementteam plant die Auslagerung von vergleichsweise selten benötigten Einzelteilen nach China. Der Controlling-Chef tippt die entsprechenden Zahlen in seinen Laptop und das Simulationsmodell spuckt ihm in Echtzeit die möglichen Kostenvorteile aus. Aufgrund der unregelmäßigen Lieferungen müsste per Luftfracht transportiert werden und deshalb schmelzen die Kostenvorteile dahin. Verändert man die Nachfrage und die Transportkosten und zieht man sogar Naturkatastrophen wie Wirbelstürme in Betracht, lohnt sich das Projekt nicht mehr. Noch im Meeting sind sich die Entscheider einig: Wird nicht gemacht! Wenn der Controlling-Leiter erst in seine Abteilung muss, um die Simulation „von Hand“ auszurechnen und dann nach zwei Tagen mit dem Ergebnis ankommt, haben sich schon viel zu viele Rahmenbedingungen geändert.
Das Risiko-Radar
Wenn Sie Ihr Haus gegen Einbruch oder Feuer versichern, werden Sie sich nicht mit der erstbesten Lösung zufriedengeben. Sie werden sich Gedanken machen, was passieren kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas eintrifft und wie hoch der Schaden sein könnte. Nichts anderes ist gemeint, wenn im Unternehmen Risikomanagement betrieben wird. Risiken lassen sich nicht qualitativ ausdrücken. „Der Zulieferer meines Lieferanten könnte am Gelbfieber sterben“ ist eine qualitative Aussage, die Sie aber nicht weiterbringt. Was würde das bedeuten, für Sie ganz konkret? Was würde Sie das kosten? Wie wahrscheinlich ist das Ereignis? Wie lange benötigen Sie, um wieder auf Kurs zu kommen? Schon alleine mit diesen drei Quantifizierungen lässt sich ein rudimentäres Supply-Risk-Management auf die Beine stellen. Der richtige Mann hierfür ist Ihr Einkaufsleiter. Kann er es nicht, schulen Sie ihn! Am Risikomanagement müssen aber alle Mitarbeiter mitwirken. Falls Sie der Einzige in Ihrem Unternehmen sind, der das einsieht, dann sollten Sie einige Risiken visuell und anschaulich aufbereiten – und dem Management damit die Augen öffnen.