Die Wikinger kommen!

Buch Die Wikinger kommen!

Marketing auf Skandinavisch

Redline,


Rezension

Ein Leben ohne IKEA, Hennes & Mauritz oder ABBA ist nur noch schwer vorstellbar – den Skan­di­naviern sei Dank. Dieser humorvolle 50-Punkte-Rat­ge­ber geht den Ursprüngen der nordischen Er­fol­gs­geschichten nach. Die These: Die arbeitsamen, geset­zestreuen Skan­di­navier führen in gewisser Weise nur die Tradition ihrer brand­schatzen­den, Mönche mordenden Wikinger­vor­fahren fort, indem sie sich deren Mut und unorthodoxe Geschäft­sprak­tiken zu eigen machen. Tatsächlich kann einem die Un­ver­froren­heit, mit der man im Norden auch heute zu Werke geht, die Augen öffnen – für neue, er­fol­gre­ichere Mar­ket­ingstrate­gien. Neben verblüffenden Ratschlägen finden sich allerdings auch solche mit dem Originalitätswert eines Billy-Re­gals, und die Parallelen zur alten Wikingerkul­tur stehen teilweise auf ähnlich unsicheren Füßen wie der IKEA-Klas­siker in überfüllten Stu­den­ten­bu­den. Immerhin: Geschichtsin­ter­essierte lernen ganz nebenbei, dass die Wikinger sich mit Vorliebe an pul­verisiertem Fliegenpilz berauschten und ungerührt Sex vor den Augen fremder Besucher hatten. BooksInShort empfiehlt das er­frischende Büchlein allen, die eine kurzweilige Mar­ket­ingreise unternehmen, sich ein paar in­spiri­erende Tipps an Bord holen wollen und dabei auf allzu viel Tiefgang verzichten können.

Take-aways

  • Der Erfolg skan­di­navis­cher Marken ist kein Zufall, sondern ein Erbe der alten Wikinger.
  • Die Wikinger hatten leichte und wendige Schiffe. Die konnten sie an Land tragen und ihre Gegner aus dem Innern überraschen.
  • Damals wie heute kennen die Skan­di­navier keinen Respekt vor anerkannten Lehrmei­n­un­gen.
  • Sie verwandeln Probleme in Chancen und setzen innovative Ideen gegen Widerstände durch.
  • Tun Sie es Ihnen gleich. Vergessen Sie alle bisherigen Annahmen über Zielgruppen, Werbung und Mark­t­forschung.
  • Eine Marke muss Sinn und Un­ter­hal­tung bieten – nicht mehr und nicht weniger.
  • Erzählen Sie eine gute Markengeschichte. Sie wird sich von allein herum­sprechen.
  • Fördern Sie in Ihrem Unternehmen die Wikingerkul­tur der Gle­ich­berech­ti­gung, Demokratie und Kooperation.
  • Entsagen Sie dem Gott des Wettbewerbs: Nichts ist schlechter für die Motivation als Konkur­ren­z­denken.
  • Seien Sie anständig: Gelebte Ve­r­ant­wor­tung für Mensch und Umwelt ist gut für das Geschäft.
 

Zusammenfassung

Aufer­standen in Maßanzügen

Vor über 1000 Jahren feierten die Wikinger ihre größten Erfolge. Sie besaßen die schnellsten Schiffe der Welt und entdeckten 500 Jahre vor Kolumbus den amerikanis­chen Kontinent. Heute leben die rauen Gesellen von einst in Comicbüchern und auf Folk­lorefesten weiter. Doch nicht nur dort: Die skan­di­navis­chen Länder haben die Er­fol­gsrezepte ihrer Vorfahren in einer einzi­gar­ti­gen Wirtschaft­skul­tur wieder aufleben lassen. In Schweden, Dänemark, Norwegen und Island leben 20 Millionen Menschen; das sind gerade 0,3 % der Weltbevölkerung, die aber 3 % der Exporte weltweit produzieren. IKEA oder LEGO sind nur zwei von vielen großen Marken, die diese Länder her­vorge­bracht haben.

„Vor tausend Jahren benutzten die Wikinger die Schädel ihrer Feinde als Trinkgefäße. Heute verkaufen sie Möbel in flachen Paketen.“

Ein Beispiel für die Wikinger­men­talität ist die Geschichte von Absolut Vodka. Als der schwedische Spir­i­tu­osen­her­steller 1978 beschloss, nach Europa und in die USA zu expandieren, rieten ihm sämtliche Mar­keting­ex­perten ab. Wer sollte schon schwedis­chen Alkohol trinken? Absolut hatte kaum mehr zu bieten als einen guten Wodka in einer schlichten Flasche, eine originelle Idee und eine humorvolle, freche Art zu kom­mu­nizieren. Die Firma ignorierte sämtliche bis dahin anerkannten Mar­ket­ingregeln – und gewann. Innerhalb von 20 Jahren stieg die Marke auf Platz drei der meistverkauften Spirituosen der Welt auf. Was war ihr Er­fol­gs­ge­heim­nis? Das Überraschungsmo­ment nach Wikingerart!

Wendig wie ein Wikinger­schiff

Die Schiffe der alten Krieger waren klein, schnell und erstaunlich leicht. Die Wikinger konnten sie an Land tragen und mit ihnen von Fluss zu Fluss wandern. Sie überrumpel­ten ihre Gegner im wahrsten Sinne des Wortes: Welcher Fürst rechnete schon mit einem ausländischen Angriff aus dem Lan­desin­neren? Die wichtigsten Prinzipien der Wikinger gelten in der heutigen Geschäftswelt noch immer:

  • Nehmen Sie Risiken in Kauf: Der Himmel (Walhalla) belohnte die Wikinger für Tapferkeit auf Erden. Nichts war schlimmer, als an Altersschwäche zu sterben.
  • Boxen Sie eine gute Idee gegen alle Widerstände durch: Die Geschichte ist voll von Beispielen verpasster Chancen.
  • Schauen Sie zurück: Große Fortschritte sind meist von der Ver­gan­gen­heit inspiriert.
  • Lassen Sie Ihre Marke her­anwach­sen wie einen Menschen: Die Grun­dan­la­gen bleiben die gleichen, doch Veränderung und Anpassung gehören zur Reifung hinzu.
  • Nehmen Sie sich Zeit: Erfolg kommt nicht über Nacht, und kreative Ideen sind selten, wenn Sie jede Minute Ihres Lebens „effizient“ zu nutzen versuchen.
  • Machen Sie sich nicht zum Sklaven des Geldes: Glücklich kann nur sein, wer Spaß hat an dem, womit er seinen Leben­sun­ter­halt verdient.
  • Die Größten sind nicht die Besten: Für kleinere, schnellere Mitbewerber gibt es immer einen versteckten Zugang zum Markt. Sie müssen ihn nur finden.

Die Moral des Marketings

Wesentliche Tugenden der alten Wikinger waren Mut und Brüderlichkeit. Ohne die wären sie nie in der Lage gewesen, ohne Kompass, Karten oder Kabinen über den Nor­dat­lantik nach Amerika zu segeln. Vor allem aber waren sie begnadete Geschicht­en­erzähler. Diese Gabe hilft ihren Nachfahren im Marketing noch immer, und sie kann auch Ihnen helfen: Machen Sie aus Ihrer Schwäche eine Stärke, indem Sie die richtige Story dazu erzählen. Die Menschen in einem schwedis­chen Dorf 200 km nördlich des Po­larkreises verpackten etwa die winterliche Eiseskälte als ro­man­tis­ches Versprechen und bauten eine Hotelanlage aus Eis. Im Frühjahr taut das Hotel ab und wird jedes Jahr im Herbst neu errichtet. Eine gute Kampagne sollte stets überholte Vorstel­lun­gen angreifen. Der schwedische Au­to­her­steller Volvo eroberte in den 70er Jahren den amerikanis­chen Markt, indem er mit der Sicherheit seiner Wagen warb. Die Hersteller der notorisch gefährlichen US-Autos weigerten sich zu jener Zeit noch kategorisch, dieses „Unwort“ überhaupt in den Mund zu nehmen.

„Die Skan­di­navier von heute haben zweifellos bessere Um­gangs­for­men, aber der Wikinger in ihnen ist putzmunter wie eh und je.“

Nutzen Sie kulturelle Un­ter­schiede zu Ihrem Vorteil. Die Firma Cryos aus dem kleinen Dänemark ist heute eine der größten Samenbanken und der wichtigste Sper­mienex­por­teur weltweit. Cryos hat es verstanden, das tra­di­tionell liberale Sexualverständnis der Dänen mit er­stk­las­sigem Qualitäts­be­wusst­sein zu verbinden. Suchen Sie nach noch nicht aus­ge­trete­nen Pfaden. Wie wäre es mit einer Produktidee, die arme Menschen in den En­twick­lungsländern anspricht? Übernehmen Sie die Perspektive der Underdogs, die nichts mehr zu verlieren haben. Sie werden überrascht sein, welche kreativen Ideen das freisetzt. Und vergessen Sie für einen Moment Ihr akademis­ches Ziel­grup­pen­wis­sen. Stattdessen fragen Sie sich, was Sie selbst begeistert. Nur wenn Sie überzeugt sind, können Sie auch andere vom Wert Ihrer Marke überzeugen. Die Konsumwelt ist geradezu überfrachtet von unnötigen, ungesunden und unästhetischen Produkten. Gehen Sie lieber zurück zu den Ursprüngen und bieten Sie Ihren Kunden Ehrlichkeit und Qualität.

Sinn stiften und unterhalten

Angenommen, Sie haben es geschafft und einen Wikin­ger­erfolg gelandet. Können Sie sich dann ausruhen? Keineswegs. Das Beispiel der Firma LEGO zeigt, dass sich auch eine geniale Idee ständig weit­er­en­twick­eln muss. Noch vor Ende der 80er Jahre entwickelte die Firma com­put­erges­teuerte Roboter aus Plas­tik­bausteinen. Sie erfindet sich stets neu und bleibt dabei doch ihrer Grundidee treu. Allgemein anerkannte Wirtschaftsweisheiten sollten Sie immer wieder hin­ter­fra­gen. Beispiel geistiges Eigentum: Trotz lauter Wehklagen – viele Soft­ware­hersteller profitieren letztlich von den Raubkopien, die unter Usern zirkulieren. Denn diese helfen, das eigene Programm als Standard zu etablieren und mögliche Fol­ge­pro­dukte zu verkaufen.

„Die Geschäft­sprak­tiken der Wikinger zeichnen sich durch gesunden Men­schen­ver­stand, einen alt­modis­chen Hang zur Anständigkeit und Überraschungsan­griffe aus.“

Letztlich besteht eine Marke nur aus zwei Zutaten:

  1. Sinn: Das Gefühl, dazuzugehören, sich mithilfe der Marke zu ver­wirk­lichen, Sicherheit und eine Heimat zu finden.
  2. Un­ter­hal­tung: Ein Grund zu lächeln und ein Mittel, um die Langeweile zu vertreiben.
„Rassismus und Sexismus zahlen sich nicht aus. Das leuchtet jedem Kap­i­tal­is­ten ein.“

Beides zusammen macht die Kraft einer Marke aus; ihre Persönlichkeit ergibt sich aus der Gewichtung der beiden Be­standteile. Analysieren Sie Ihre eigene Marke: Von welcher Zutat müssen Sie mehr nehmen, um die gewünschte Wirkung zu erlangen? Die klassische Werbung können Sie getrost vernachlässigen. Radio- und Fernse­hbotschaften haben stark an Wirkung verloren. Erzählen Sie lieber eine spannende Markengeschichte und lassen diese durch Mund­pro­pa­ganda und die Medien weitererzählen. Die Wikinger haben ihre Sagen mündlich überliefert und weder Städte noch Denkmäler hin­ter­lassen. Dennoch ist ihre Kultur nahezu so bekannt wie die der alten Griechen und Römer. Warum? Weil man herrliche Geschichten über sie erzählen kann. Versuchen Sie es mal mit Zen-PR: Tun Sie Gutes, ohne es an die große Glocke zu hängen. Es wird sich von alleine herum­sprechen und an Wert gewinnen.

Wikingerkul­tur in Unternehmen

Ein Volk von gewalttätigen Plünderern soll als Vorbild für eine moderne Un­ternehmen­skul­tur dienen? Ja – weil die gesellschaftlichen Grundlagen der Wikinger gar nicht so weit von denen ihrer fried­lieben­den, hart arbeitenden und geset­zestreuen Nachfahren entfernt sind. Damals wie heute gültige Prinzipien in den skan­di­navis­chen Ländern sind:

  • Gleichheit: Die Wikinger arbeiteten in Gruppen, die eng zusam­men­hiel­ten, auf ein Ziel hin. Hierarchien waren verpönt. Die Freiheit des Einzelnen sorgte dafür, dass jeder seine Intelligenz einsetzte, um das Los des Teams zu verbessern.
  • Gewalt­losigkeit: Es dauerte Jahrhun­derte, bis die Wikinger verstanden, dass Gewalt schlecht für das Geschäft ist. Erst diese Erkenntnis machte sie zu den er­fol­gre­ich­sten Händlern ihrer Zeit. Auf heutige Unternehmen übertragen bedeutet das: Rück­sicht­sloses Outsourcing und Sklave­nar­beit in Billiglohnländern können sich als Bumerang erweisen. Ein Bekenntnis zur gesellschaftlichen Ve­r­ant­wor­tung gibt die bessere Geschichte ab.
  • Kooperation statt Wettbewerb: Die Wikinger wussten schon damals, was heute zahlreiche Studien beweisen: Konkur­ren­z­denken lässt Kinder schlechter lernen und Mitarbeiter weniger Leistung erbringen. Die Anbetung des Wet­tbe­werb­s­gottes ist eine der größten Fehlen­twick­lun­gen unserer Zeit.
  • Motivation ohne Belohnung und Strafe: Auch die aus­ge­feil­testen In­cen­tive-Pro­gramme funk­tion­ieren entweder gar nicht oder nur für kurze Zeit. Anstelle von kleinen Belohnungshäppchen sollten Sie Ihre Mitarbeiter innerlich motivieren, indem Sie ihnen Wahlmöglichkeiten, gute Teamarbeit und sinnvolle Aufgaben bieten.
  • Ehrlichkeit: Betrüger werden viel öfter betrogen als aufrichtige Menschen. Das gilt in Geschäfts­beziehun­gen genauso. Informieren Sie Ihre Partner offen, wenn es etwas Wichtiges zu wissen gibt. Dann stehen die Chancen gut, dass Sie auch so behandelt werden.
  • Kreatives Krisen­man­age­ment: Wenn etwas wirklich schief gelaufen ist, dann gehen Sie entweder in die Kom­mu­nika­tion­sof­fen­sive oder Sie machen „den Pudel“. Den Ausdruck hat ein nor­wegis­cher Manager geprägt. Er bedeutet, dass Sie sich ohne Wenn und Aber öffentlich entschuldigen.

Die Chance im Problem erkennen

Die Wikinger machten aus der Not, z. B. aus der kurzen Veg­e­ta­tion­spe­ri­ode ihrer Heimat, eine Tugend: Sie suchten als Krieger oder clevere Han­del­sreisende ihr Glück in der Ferne. Ähnlich erging es einem der IKEA-Gründerväter, der vor 50 Jahren frustriert die Beine eines Tisches abmontierte, damit er in sein Auto passte. Die Idee für das weltberühmte flache Paket war geboren!

„Es ist großartig, Anwälte mit an Bord zu haben. Sie sind bei Weitem die wertvollste Ladung. Im letzten Boot.“

Aus Problemen werden auf diese Weise Chancen und im Idealfall ganze Industrien. Nehmen Sie das Beispiel der Pro­duk­t­pi­ra­terie: Sie können angesichts schamloser Plagiate heulen und mit den Zähnen klappern – oder etwa den Plagiator selbst kopieren! Auf diese Weise generieren Sie eine tolle Geschichte und sparen sich die Zeit und die Kosten für langjährige Gericht­sprozesse. Apropos Prozesse: Setzen Sie Anwälte nur in Notfällen und am Ende aller Entschei­dung­sprozesse ein. Notorische Bedenkenträger ersticken intuitiv richtige Ideen. Auch die Ergebnisse der Mark­t­forschung sind mit Skepsis zu betrachten. Ein Er­fol­gsrezept vieler skan­di­navis­cher Unternehmen besteht darin, dass sie ihre kleinen Heimatmärkte als Testfelder benutzen. Sie bringen eine Neuigkeit lieber auf den Markt, als jahrelang herumzu­forschen.

„Je härter Sie arbeiten, je öfter Sie scheitern, je mehr Varianten Sie aus­pro­bieren, desto mehr Glück werden Sie haben.“

Entdecken Sie die Möglichkeit, mit Fairness Geld zu verdienen. Kluge Buchhalter haben längst verstanden, dass Umweltver­schmutzung Kosten verursacht und verarmte Mitarbeiter sich die Produkte nicht leisten können, die sie herstellen. Überhaupt ist es an der Zeit, einmal über den Sinn des Geldes nachzu­denken. IKEA-Gründer Ingvar Kamprad ist für seine persönliche Beschei­den­heit und seine Beson­nen­heit im Umgang mit Geld berühmt. Hart arbeiten, mehr verdienen, als man ausgibt, Qualität produzieren und dabei die Welt ein wenig besser machen: Die wichtigsten Erken­nt­nisse zum Thema sind zugleich uralt und bran­dak­tuell.

Über die Autoren

Der Amerikaner Steve Strid hat zahlreiche skan­di­navis­che Er­fol­gsun­ternehmen in Sachen Branding und Marken­strate­gie beraten. Der Schwede Claes Andréasson war von 1996 bis 2001 Direktor des Mar­ketin­gin­sti­tuts Absolut Akademi.