Der Liebesökonom

Buch Der Liebesökonom

Nutzen und Kosten einer Himmelsmacht

dtv,


Rezension

Liebe als Investition betrachtet ist äußerst volatil – vielleicht wurde darum die Ehe erfunden. Sie steht im Zentrum von Hanno Becks Be­tra­ch­tun­gen und muss, das räumt der Autor gleich ein, nicht zwingend identisch sein mit besagter Liebe. Wer also eine Man­age­ment­formel sucht, um das Gefühl der Gefühle über die Zeit zu retten, ist hier falsch. Aber immerhin: Beck zeigt, wie eine ökonomische Herange­hensweise helfen kann, eine stabile Beziehung zu gestalten und sich zudem als Paar materiell abzusichern. Er bewegt sich jedoch auf einem schmalen Grat zwischen zwei einander fremden Sphären: Wo Frivolität auf Buch­hal­terei trifft, lauert ständig der Abgrund der Spießigkeit. Alles in allem ist Becks Versuch, die Ehe wirtschaftlich zu evaluieren, eine lustige Spielerei, deren Un­ter­hal­tungswert den Nutzwert deutlich übersteigt. Nicht amüsiert sein dürften notorische Heirat­shas­ser und langjährig Vere­he­lichte, die die Liebe längst liquidiert haben. Wägen Sie also gut ab, wem Sie dieses Büchlein schenken, rät BooksInShort.

Take-aways

  • Die eigentliche Vo­raus­set­zung für eine stabile Beziehung, Liebe, entzieht sich wirtschaftlichen Berech­nun­gen.
  • Sie können es der Liebe aber leichter machen, wenn Sie Ihre Beziehung mitunter nach Grundsätzen der Ökonomie or­gan­isieren.
  • Die Ehe lohnt sich auch materiell: Ver­heiratete sind wohlhaben­der als Singles.
  • Die Gründe sind Fixkos­ten­de­gres­sion und Skalen­ef­fekte dank Ar­beit­steilung.
  • Der Wert der Ehe wurde von Wis­senschaftlern auf 100 000 $ pro Jahr beziffert.
  • Der häufigste Fehler un­frei­williger Singles: Sie ve­r­an­schla­gen ihren Preis zu hoch, d. h. sie überschätzen ihre Qualitäten.
  • Wer bei der Part­ner­suche selbst aktiv wird, macht den besseren Deal als die Auserwählten.
  • Testen Sie 10 % aller momentan verfügbaren poten­ziellen Partner. Dann suchen Sie weiter, bis Sie einen finden, der den Besten der Testgruppe übertrifft. Der Gekürte stammt garantiert aus den obersten 25 % Ihrer Zielgruppe.
  • Stellen Sie als Bonitätsprüfung die H-Frage: Willst du mich heiraten?
  • Antwortet das Gegenüber mit Ja, brauchen Sie den Schritt nicht mal unbedingt zu tun.
 

Zusammenfassung

Liebe gestern und heute

Wie einfach es doch früher war: Da suchten die Eltern lange vor der Zeit auf dem Heirats­markt nach einem Partner für ihren Nachwuchs. Herkunft, Charakter und Vermögen mussten passen, darauf wurde genau geachtet. Und wenn die beiden Vermählten nach der Heirat dann doch nicht recht harmonieren wollten, arrangierte man sich einfach stillschweigend. Trennung war kein Thema. Heute ist alles viel schwieriger: Der Glaube an die romantische Liebe geistert weiterhin unaus­rot­tbar durch die Köpfe, doch zugleich will sich kaum einer dauerhaft binden, und geschieden wird mehr denn je.

Heirat rechnet sich

Einiges spricht dafür, die Sache mit der Part­ner­schaft etwas nüchterner zu sehen: Sie hat viele handfeste Vorteile. Das fängt an mit Spezial­isierungs­gewin­nen im Zweierteam, steigert sich bei den Einsparun­gen und gipfelt in einer höheren Produktivität, die har­monis­chen Beziehungen entspringt. Der Nutzen, der aus einer stabilen Ehe erwächst, ist tatsächlich messbar. Der Bund fürs Leben rechnet sich aus folgenden Gründen:

  • Wer heiratet, setzt ein gut verständliches Signal, dass es ihm ernst ist. Das gibt beiden Partnern die Sicherheit, dass es sich lohnt, Zeit und Arbeit in die Beziehung zu investieren.
  • Ver­heiratete Männer verdienen mehr als ledige, das ist statistisch erwiesen.
  • Heiraten macht glücklich: Es wurde empirisch ermittelt, dass Ver­heiratete in allen Lebensstufen mehr Glück empfinden als Un­ver­heiratete.
  • Heiraten macht gesund: Mehrere Studien haben ergeben, dass Menschen in einer Beziehung körperlich gesünder sind als Alle­in­ste­hende.
„Ein Vorteil der Ehe besteht darin, dass jeder Partner sich auf das spezial­isiert, was er am besten kann.“

Wis­senschaftler haben den Wert der Ehe sogar monetär zu ermitteln versucht – und ihn auf 100 000 $ pro Jahr beziffert. Diese Summe wurde als die durch­schnit­tliche Kom­pen­sa­tion errechnet, die Ver­heiratete nach einem un­frei­willi­gen Verlust ihres Partners benötigen würden, um wieder auf ihr altes Glücksniveau zu gelangen. Die gleiche Berechnung für den Fall plötzlicher Ar­beit­slosigkeit ergab lediglich 60 000 $.

Ver­trags­bindung

Für Ökonomen klingt Heiraten erst einmal irrational: Warum sollte man wegen eines derart unflexiblen Ver­tragsab­schlusses jeden freien Wettbewerb unterbinden? In der Wirtschaftswelt wirkt so etwas wie eine Einladung zur Ausbeutung. Doch auf den zweiten Blick – bzw. auf lange Sicht – macht ein solcher Vertrag Sinn: Er schützt den lang­wieri­gen Aufbau der gemeinsamen Un­ternehmung Ehe, und ohne diese Langfristigkeit wirft eine Beziehung nicht wirklich Gewinn ab. Mit anderen Worten: Die Produkte einer Beziehung heißen Vertrauen, Wärme und Gebor­gen­heit, und die lassen sich nicht mal eben zwis­chen­durch herstellen. Auch Kinder aufzuziehen gehört zu den langfristi­gen In­vesti­tio­nen, die einen äußeren Schutz erfordern. Zugleich dient das Korsett Ehe als Diszi­plin­ierungsmaßnahme, damit die Partner nicht schon bei der kleinsten Erschütterung die Flucht ergreifen. Die Ehe ist zwar wie jeder Vertrag kündbar, doch dieser Aufwand stellt eine Belastung dar, die man nicht ohne Weiteres auf sich nimmt.

Skalen­ef­fekte und Fixkos­ten­de­gres­sion

Es tut nicht nur Romantikern weh: Ganz sachlich nach dem Nutzen von Beziehungen zu fragen, will uns nicht gefallen. Es klingt nach Mittelalter, nach Heirats­markt und Mitgiftjagd. Doch un­ter­schwellig orientieren wir uns bei der Part­ner­suche alle an harten Fakten. Die Tatsache, dass in den In­dus­tri­es­taaten die Eherate sinkt, beruht z. T. auf der preisgünstigen Verfügbarkeit von haushalt­sna­hen Di­en­stleis­tun­gen und Haushalt­stech­nik. Wer Fen­ster­putzer und Geschirrspüler hat, braucht weder Hausmann noch -frau. Dennoch bleibt der Vorteil, dass man in einer Part­ner­schaft durch Spezial­isierung Skalen­ef­fekte erzeugen kann: Man teilt sich die Arbeiten auf und ist entsprechend effizienter. Das Bügelbrett aufzustellen und das Bügeleisen aufzuheizen lohnt sich für zwei oder drei Hemden längst nicht so wie für einen ganzen Stoß Wäsche. Noch markanter sind die Einsparun­gen bei den Leben­shal­tungskosten: Zu zweit benötigen Sie im Normalfall nur einen Fernseher, eine Waschmas­chine, eine Wohnung – von dieser Fixkos­ten­de­gres­sion profitieren Paare genauso wie z. B. eine Han­dels­kette.

„Gerade auf Amors Spielplatz tobt der Wettbewerb viel härter, als es uns die Dichter glauben machen wollen.“

Eine Beziehung bringt freilich nicht nur Ertrag, sie kostet auch Zeit, Geduld und Freiheit – alles im­ma­terielle Güter, die jedoch ebenfalls in Zahlen ausgedrückt werden können. Je nachdem, wie Sie nun Freiheit oder Zeit bewerten, wird der Lebensbund für Sie zum Gewinn oder zur Pleite – eine einfache Rechnung, bereinigt um die wortwörtlich un­berechen­bare Größe Liebe. Die streng wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse einer Beziehung endet an dem Gegenstand, der sie erst ermöglicht und den sie – wenn alles gut läuft – als wichtigstes Produkt stetig weiter herstellt: Liebe. Die ist auf dem freien Markt nicht erhältlich und daher auch nicht kom­pen­sier­bar.

Gleich oder nicht?

Ar­beit­steilung macht am ehesten Sinn, wenn beide Partner ver­schiedene Talente haben: Er mäht lieber den Rasen, sie macht gern die Betten. Allerdings spricht auch viel dafür, sich einen Partner zu suchen, der ähnliche Eigen­schaften hat wie man selbst. Abgesehen vom gemeinsam er­wirtschafteten Produkt Liebe hilft die Übere­in­stim­mung etwa beim Aufziehen von Kindern. Studien zeigen, dass den meisten Partnern Ähnlichkeit wichtig ist: Körpergröße, Lebensalter und Bildung sind oft von verblüffender Kongruenz.

„Gut, ich bin realistisch genug, um zu wissen, wo mein Platz ist, un­ter­stellen wir also folgende Reihenfolge: Wäscheklam­mer­bastler, ich, Robert Redford, Brad Pitt.“

Un­ter­schwellig spielt beim Heiraten die Sicherheit nach wie vor eine große Rolle. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus steigenden Schei­dungsraten, die regelmäßig auf Wirtschaft­skrisen folgen. Und: Je näher die Einkommen und Beruf­s­grup­pen der Partner einander sind, desto größer ist statistisch gesehen die Wahrschein­lichkeit einer späteren Scheidung. Warum? Wenn beide denselben oder einen ähnlichen Beruf ausüben, ist die Gefahr höher, dass im Fall einer Wirtschaft­skrise die Einkommen beider Partner schrumpfen. Das gilt es zu vermeiden.

Mark­t­ge­setze

Das Rechnen beginnt aber schon vorher, auf dem Heirats­markt: Je mehr Sie in die Waagschale werfen können – Attraktivität, Einkommen, Bildung, Image –, desto höher ist der Preis, den Sie verlangen dürfen. So hat die Mitgift genau wie das Brautgeld den Zweck, den Wert eines Kandidaten auf dem Heirats­markt zu erhöhen. Das ist besonders dann wichtig, wenn die gegenüberliegende Marktseite „kürzer“ ist, wie Ökonomen sagen, wenn also z. B. auf einem Markt weniger Männer als Frauen zur Verfügung stehen. Dann diktieren die Männer den Preis, denn sie sind die nachge­fragte Partei. Dieser Mechanismus greift auch bei Seitensprüngen: Wenn z. B. eine Frau fremdgeht, erhöht sie das Angebot an Frauen und manipuliert damit – rein theoretisch – den Preis für alle.

Suchen und finden

Wie finden Sie den richtigen Partner? Viele probieren ihr Leben lang potenzielle Kandidaten durch, ohne sich entscheiden zu können – immer mit dem Gedanken, dass vielleicht demnächst ein viel Besserer um die Ecke kommt. Auch hier kann Ihnen die Mathematik helfen, vo­raus­ge­setzt Sie sind bereit, bei der Romantik Abstriche zu machen. Rein statistisch müssten Sie 37 % der für Sie infrage kommenden Aspiranten unter die Lupe nehmen, um anschließend den „nächsten Besten“, nämlich denjenigen, der besser ist als der Pre­mium-Kan­di­dat Ihrer Testgruppe, zu küren. Damit hätten Sie mit einer Wahrschein­lichkeit von 30 % die richtige Wahl getroffen. Das ist kein schlechter Wert, denn allzu groß kann die Stichprobe ja nicht sein, sonst wäre sie kaum noch zu bewältigen. Schon die 37 %-Regel in die Tat umzusetzen, kann anstrengend werden. Hier hilft eine vere­in­fachende Faustformel: Wer 10 % aller poten­ziellen Partner testet und anschließend den nächsten Besten wählt, erwischt einen Repräsentanten aus den oberen 25 % der poten­ziellen Partner. Wichtig für die Vor­bere­itung: Bei der Definition Ihrer Testgruppe sollten Sie Ihren eigenen Marktwert realistisch einschätzen. Fehler bei diesem Punkt sind übrigens der häufigste Grund, warum Menschen keinen Partner finden.

Schönheits­fehler

Eine wichtige Grundregel bei der Geschäft­san­bah­nung unter Singles lautet: Wer selber aktiv wird, erhöht seine Chancen, einen passenden Partner zu finden. Das lässt sich math­e­ma­tisch anhand des Tanzs­tun­den­mech­a­nis­mus belegen: Je nachdem, ob Damen- oder Herrenwahl angesagt ist, bilden sich andere Pärchen. Die wählende Seite ist immer im Vorteil. Egal wer wählt und wer nicht: Als prob­lema­tisch erweist sich der Faktor Schönheit. Je mehr sich ein allgemein vorherrschen­des Kriterium für Attraktivität durchsetzt, umso un­in­ter­es­san­ter sind in­di­vidu­elle Vorzüge eines poten­ziellen Partners. Das hat zur Folge, dass einige wenige von allen begehrt werden, während die Masse tendenziell leer ausgeht. Dass diese Diktatur der Schönheit die Menschen unglücklich macht, wurde in Studien belegt. In die Praxis umgesetzt, lehrt diese Erkenntnis: Halten Sie Abstand von Mod­en­schauen, Plakatwänden und Model-Cast­ings im Fernsehen; bemühen Sie sich stattdessen darum, Ihre persönlichen Vorzüge zu definieren. So finden Sie – wirtschaftlich ausgedrückt – die für Sie lukrative Marktnische.

Die H-Frage

Jetzt gilt es noch, die Investition wirksam zu verriegeln, sprich: zu heiraten. Wer den Aufwand einer Heirat auf sich genommen hat, wird den Stress, die öffentliche Blamage und die fi­nanziellen Schäden einer Scheidung richtig einschätzen. Die Ehe ist eine Ver­sicherung, die verhindert, dass Sie ein bisschen Sturm im Ehehafen gleich veranlasst, die Anker zu lichten. Vielleicht ist es nicht mal nötig, dass Sie diese Ver­sicherung überhaupt abschließen: Wenn Sie sich über die Ern­sthaftigkeit Ihres Lebens­ab­schnittspart­ners im Unklaren sind, stellen Sie doch einfach die „H-Frage“: Willst du mich heiraten? Geht er oder sie danach hoch wie eine H-Bombe, sind Zweifel angebracht. Erfolgt spontane Ein­willi­gung, müssen Sie das Gewünschte im Prinzip gar nicht mehr umsetzen.

„Man sollte sich von der Hochglanz-Liebesro­man­tik der Heftchen, Romane und Schnulzen­po­eten fernhalten.“

Eine andere Methode, die garantiert funk­tion­iert, ist das Prinzip Diamantring: Anstatt eine Un­ter­schrift zu leisten, sig­nal­isieren sich die Partner durch eine hohe Investition, z. B. sehr wertvolle Ver­lobungsringe, ihre gegen­seit­ige Loyalität. Dieses Ehe-Man­age­ment­tool ist seit Jahrtausenden erprobt. Der Prax­is­be­weis: In den 30er Jahren des letzten Jahrhun­derts wurde in den USA das Gesetz abgeschafft, das den Bruch einer Verlobung sank­tion­ierte. Wenig später schossen die Verkauf­szahlen von Dia­mantrin­gen rapide in die Höhe.

Langfristige Investition

Ist die Beziehung durch die Eheschließung im positiven Sinne zementiert, können Sie in aller Ruhe die im­ma­teriellen – und nicht käuflichen – In­vesti­tio­nen wie Vertrauen und Gebor­gen­heit tätigen. Diese werfen mit der Zeit immer höhere Erträge ab, was die Aus­tritts­bar­ri­eren entsprechend erhöht. Die wahre Her­aus­forderung beim Ehegeschäft: Beide Partner müssen ständig weiter in die Beziehung investieren, damit ein Ende schon deswegen nicht er­strebenswert erscheint, weil damit ein Teil der In­vesti­tio­nen verloren ginge. Der häufigste Grund für Scheidungen ist denn auch der Irrglaube, mit Ehev­er­tragsab­schluss keine Leistungen mehr erbringen zu müssen.

Über den Autor

Hanno Beck ist Wirtschaft­sredak­teur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.