Liebe gestern und heute
Wie einfach es doch früher war: Da suchten die Eltern lange vor der Zeit auf dem Heiratsmarkt nach einem Partner für ihren Nachwuchs. Herkunft, Charakter und Vermögen mussten passen, darauf wurde genau geachtet. Und wenn die beiden Vermählten nach der Heirat dann doch nicht recht harmonieren wollten, arrangierte man sich einfach stillschweigend. Trennung war kein Thema. Heute ist alles viel schwieriger: Der Glaube an die romantische Liebe geistert weiterhin unausrottbar durch die Köpfe, doch zugleich will sich kaum einer dauerhaft binden, und geschieden wird mehr denn je.
Heirat rechnet sich
Einiges spricht dafür, die Sache mit der Partnerschaft etwas nüchterner zu sehen: Sie hat viele handfeste Vorteile. Das fängt an mit Spezialisierungsgewinnen im Zweierteam, steigert sich bei den Einsparungen und gipfelt in einer höheren Produktivität, die harmonischen Beziehungen entspringt. Der Nutzen, der aus einer stabilen Ehe erwächst, ist tatsächlich messbar. Der Bund fürs Leben rechnet sich aus folgenden Gründen:
- Wer heiratet, setzt ein gut verständliches Signal, dass es ihm ernst ist. Das gibt beiden Partnern die Sicherheit, dass es sich lohnt, Zeit und Arbeit in die Beziehung zu investieren.
- Verheiratete Männer verdienen mehr als ledige, das ist statistisch erwiesen.
- Heiraten macht glücklich: Es wurde empirisch ermittelt, dass Verheiratete in allen Lebensstufen mehr Glück empfinden als Unverheiratete.
- Heiraten macht gesund: Mehrere Studien haben ergeben, dass Menschen in einer Beziehung körperlich gesünder sind als Alleinstehende.
„Ein Vorteil der Ehe besteht darin, dass jeder Partner sich auf das spezialisiert, was er am besten kann.“
Wissenschaftler haben den Wert der Ehe sogar monetär zu ermitteln versucht – und ihn auf 100 000 $ pro Jahr beziffert. Diese Summe wurde als die durchschnittliche Kompensation errechnet, die Verheiratete nach einem unfreiwilligen Verlust ihres Partners benötigen würden, um wieder auf ihr altes Glücksniveau zu gelangen. Die gleiche Berechnung für den Fall plötzlicher Arbeitslosigkeit ergab lediglich 60 000 $.
Vertragsbindung
Für Ökonomen klingt Heiraten erst einmal irrational: Warum sollte man wegen eines derart unflexiblen Vertragsabschlusses jeden freien Wettbewerb unterbinden? In der Wirtschaftswelt wirkt so etwas wie eine Einladung zur Ausbeutung. Doch auf den zweiten Blick – bzw. auf lange Sicht – macht ein solcher Vertrag Sinn: Er schützt den langwierigen Aufbau der gemeinsamen Unternehmung Ehe, und ohne diese Langfristigkeit wirft eine Beziehung nicht wirklich Gewinn ab. Mit anderen Worten: Die Produkte einer Beziehung heißen Vertrauen, Wärme und Geborgenheit, und die lassen sich nicht mal eben zwischendurch herstellen. Auch Kinder aufzuziehen gehört zu den langfristigen Investitionen, die einen äußeren Schutz erfordern. Zugleich dient das Korsett Ehe als Disziplinierungsmaßnahme, damit die Partner nicht schon bei der kleinsten Erschütterung die Flucht ergreifen. Die Ehe ist zwar wie jeder Vertrag kündbar, doch dieser Aufwand stellt eine Belastung dar, die man nicht ohne Weiteres auf sich nimmt.
Skaleneffekte und Fixkostendegression
Es tut nicht nur Romantikern weh: Ganz sachlich nach dem Nutzen von Beziehungen zu fragen, will uns nicht gefallen. Es klingt nach Mittelalter, nach Heiratsmarkt und Mitgiftjagd. Doch unterschwellig orientieren wir uns bei der Partnersuche alle an harten Fakten. Die Tatsache, dass in den Industriestaaten die Eherate sinkt, beruht z. T. auf der preisgünstigen Verfügbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen und Haushaltstechnik. Wer Fensterputzer und Geschirrspüler hat, braucht weder Hausmann noch -frau. Dennoch bleibt der Vorteil, dass man in einer Partnerschaft durch Spezialisierung Skaleneffekte erzeugen kann: Man teilt sich die Arbeiten auf und ist entsprechend effizienter. Das Bügelbrett aufzustellen und das Bügeleisen aufzuheizen lohnt sich für zwei oder drei Hemden längst nicht so wie für einen ganzen Stoß Wäsche. Noch markanter sind die Einsparungen bei den Lebenshaltungskosten: Zu zweit benötigen Sie im Normalfall nur einen Fernseher, eine Waschmaschine, eine Wohnung – von dieser Fixkostendegression profitieren Paare genauso wie z. B. eine Handelskette.
„Gerade auf Amors Spielplatz tobt der Wettbewerb viel härter, als es uns die Dichter glauben machen wollen.“
Eine Beziehung bringt freilich nicht nur Ertrag, sie kostet auch Zeit, Geduld und Freiheit – alles immaterielle Güter, die jedoch ebenfalls in Zahlen ausgedrückt werden können. Je nachdem, wie Sie nun Freiheit oder Zeit bewerten, wird der Lebensbund für Sie zum Gewinn oder zur Pleite – eine einfache Rechnung, bereinigt um die wortwörtlich unberechenbare Größe Liebe. Die streng wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse einer Beziehung endet an dem Gegenstand, der sie erst ermöglicht und den sie – wenn alles gut läuft – als wichtigstes Produkt stetig weiter herstellt: Liebe. Die ist auf dem freien Markt nicht erhältlich und daher auch nicht kompensierbar.
Gleich oder nicht?
Arbeitsteilung macht am ehesten Sinn, wenn beide Partner verschiedene Talente haben: Er mäht lieber den Rasen, sie macht gern die Betten. Allerdings spricht auch viel dafür, sich einen Partner zu suchen, der ähnliche Eigenschaften hat wie man selbst. Abgesehen vom gemeinsam erwirtschafteten Produkt Liebe hilft die Übereinstimmung etwa beim Aufziehen von Kindern. Studien zeigen, dass den meisten Partnern Ähnlichkeit wichtig ist: Körpergröße, Lebensalter und Bildung sind oft von verblüffender Kongruenz.
„Gut, ich bin realistisch genug, um zu wissen, wo mein Platz ist, unterstellen wir also folgende Reihenfolge: Wäscheklammerbastler, ich, Robert Redford, Brad Pitt.“
Unterschwellig spielt beim Heiraten die Sicherheit nach wie vor eine große Rolle. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus steigenden Scheidungsraten, die regelmäßig auf Wirtschaftskrisen folgen. Und: Je näher die Einkommen und Berufsgruppen der Partner einander sind, desto größer ist statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit einer späteren Scheidung. Warum? Wenn beide denselben oder einen ähnlichen Beruf ausüben, ist die Gefahr höher, dass im Fall einer Wirtschaftskrise die Einkommen beider Partner schrumpfen. Das gilt es zu vermeiden.
Marktgesetze
Das Rechnen beginnt aber schon vorher, auf dem Heiratsmarkt: Je mehr Sie in die Waagschale werfen können – Attraktivität, Einkommen, Bildung, Image –, desto höher ist der Preis, den Sie verlangen dürfen. So hat die Mitgift genau wie das Brautgeld den Zweck, den Wert eines Kandidaten auf dem Heiratsmarkt zu erhöhen. Das ist besonders dann wichtig, wenn die gegenüberliegende Marktseite „kürzer“ ist, wie Ökonomen sagen, wenn also z. B. auf einem Markt weniger Männer als Frauen zur Verfügung stehen. Dann diktieren die Männer den Preis, denn sie sind die nachgefragte Partei. Dieser Mechanismus greift auch bei Seitensprüngen: Wenn z. B. eine Frau fremdgeht, erhöht sie das Angebot an Frauen und manipuliert damit – rein theoretisch – den Preis für alle.
Suchen und finden
Wie finden Sie den richtigen Partner? Viele probieren ihr Leben lang potenzielle Kandidaten durch, ohne sich entscheiden zu können – immer mit dem Gedanken, dass vielleicht demnächst ein viel Besserer um die Ecke kommt. Auch hier kann Ihnen die Mathematik helfen, vorausgesetzt Sie sind bereit, bei der Romantik Abstriche zu machen. Rein statistisch müssten Sie 37 % der für Sie infrage kommenden Aspiranten unter die Lupe nehmen, um anschließend den „nächsten Besten“, nämlich denjenigen, der besser ist als der Premium-Kandidat Ihrer Testgruppe, zu küren. Damit hätten Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % die richtige Wahl getroffen. Das ist kein schlechter Wert, denn allzu groß kann die Stichprobe ja nicht sein, sonst wäre sie kaum noch zu bewältigen. Schon die 37 %-Regel in die Tat umzusetzen, kann anstrengend werden. Hier hilft eine vereinfachende Faustformel: Wer 10 % aller potenziellen Partner testet und anschließend den nächsten Besten wählt, erwischt einen Repräsentanten aus den oberen 25 % der potenziellen Partner. Wichtig für die Vorbereitung: Bei der Definition Ihrer Testgruppe sollten Sie Ihren eigenen Marktwert realistisch einschätzen. Fehler bei diesem Punkt sind übrigens der häufigste Grund, warum Menschen keinen Partner finden.
Schönheitsfehler
Eine wichtige Grundregel bei der Geschäftsanbahnung unter Singles lautet: Wer selber aktiv wird, erhöht seine Chancen, einen passenden Partner zu finden. Das lässt sich mathematisch anhand des Tanzstundenmechanismus belegen: Je nachdem, ob Damen- oder Herrenwahl angesagt ist, bilden sich andere Pärchen. Die wählende Seite ist immer im Vorteil. Egal wer wählt und wer nicht: Als problematisch erweist sich der Faktor Schönheit. Je mehr sich ein allgemein vorherrschendes Kriterium für Attraktivität durchsetzt, umso uninteressanter sind individuelle Vorzüge eines potenziellen Partners. Das hat zur Folge, dass einige wenige von allen begehrt werden, während die Masse tendenziell leer ausgeht. Dass diese Diktatur der Schönheit die Menschen unglücklich macht, wurde in Studien belegt. In die Praxis umgesetzt, lehrt diese Erkenntnis: Halten Sie Abstand von Modenschauen, Plakatwänden und Model-Castings im Fernsehen; bemühen Sie sich stattdessen darum, Ihre persönlichen Vorzüge zu definieren. So finden Sie – wirtschaftlich ausgedrückt – die für Sie lukrative Marktnische.
Die H-Frage
Jetzt gilt es noch, die Investition wirksam zu verriegeln, sprich: zu heiraten. Wer den Aufwand einer Heirat auf sich genommen hat, wird den Stress, die öffentliche Blamage und die finanziellen Schäden einer Scheidung richtig einschätzen. Die Ehe ist eine Versicherung, die verhindert, dass Sie ein bisschen Sturm im Ehehafen gleich veranlasst, die Anker zu lichten. Vielleicht ist es nicht mal nötig, dass Sie diese Versicherung überhaupt abschließen: Wenn Sie sich über die Ernsthaftigkeit Ihres Lebensabschnittspartners im Unklaren sind, stellen Sie doch einfach die „H-Frage“: Willst du mich heiraten? Geht er oder sie danach hoch wie eine H-Bombe, sind Zweifel angebracht. Erfolgt spontane Einwilligung, müssen Sie das Gewünschte im Prinzip gar nicht mehr umsetzen.
„Man sollte sich von der Hochglanz-Liebesromantik der Heftchen, Romane und Schnulzenpoeten fernhalten.“
Eine andere Methode, die garantiert funktioniert, ist das Prinzip Diamantring: Anstatt eine Unterschrift zu leisten, signalisieren sich die Partner durch eine hohe Investition, z. B. sehr wertvolle Verlobungsringe, ihre gegenseitige Loyalität. Dieses Ehe-Managementtool ist seit Jahrtausenden erprobt. Der Praxisbeweis: In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde in den USA das Gesetz abgeschafft, das den Bruch einer Verlobung sanktionierte. Wenig später schossen die Verkaufszahlen von Diamantringen rapide in die Höhe.
Langfristige Investition
Ist die Beziehung durch die Eheschließung im positiven Sinne zementiert, können Sie in aller Ruhe die immateriellen – und nicht käuflichen – Investitionen wie Vertrauen und Geborgenheit tätigen. Diese werfen mit der Zeit immer höhere Erträge ab, was die Austrittsbarrieren entsprechend erhöht. Die wahre Herausforderung beim Ehegeschäft: Beide Partner müssen ständig weiter in die Beziehung investieren, damit ein Ende schon deswegen nicht erstrebenswert erscheint, weil damit ein Teil der Investitionen verloren ginge. Der häufigste Grund für Scheidungen ist denn auch der Irrglaube, mit Ehevertragsabschluss keine Leistungen mehr erbringen zu müssen.