Buddhismus und Wirtschaft – wie passt das zusammen?
Diese beiden scheinbar recht gegensätzlichen Bereiche haben in Wahrheit einiges gemeinsam:
- Sowohl das Unternehmertum als auch der Buddhismus haben ein Interesse an der Gestaltung einer gut funktionierenden, verantwortungsbewussten und menschenwürdigen globalen Wirtschaft.
- In beiden Bereichen geht es um die Grundlagen, die nötig sind, um richtige Entscheidungen zu treffen.
- Führungskräfte sollten sich durch jene Eigenschaften auszeichnen, die auch der Buddhismus befürwortet: Bescheidenheit, Gelassenheit, Freundlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und gesundes Selbstvertrauen.
- In beiden Bereichen geht es um das Glück oder zumindest die Zufriedenheit der Menschen. Der Buddhismus lehrt dazu den Weg der Achtsamkeit, Stille und Verantwortung. Das Unternehmertum ist im Idealfall bemüht, die wirtschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse seiner Kunden und Mitarbeiter zufrieden zu stellen sowie Produkte herzustellen, die für die Allgemeinheit nützlich sind.
Sich selbst führen
Die Voraussetzung jeglicher Führungstätigkeit besteht in der Fähigkeit, sich selbst zu führen. Dazu müssen Sie Ihren Geist schulen. Erkennen Sie die eigentliche Absicht hinter Ihren Vorhaben: Denken Sie nur an Ihren eigenen Vorteil oder auch an die Zufriedenheit aller von Ihren Handlungen Betroffenen? Die Erzielung von Gewinn ist nicht verkehrt, doch dürfen Sie dieses Streben nicht zum allein selig machenden Prinzip oder Selbstzweck erklären. Dies wäre genauso töricht, wie wenn Sie das Atmen des Menschen als Absicht seines Lebens betrachten würden. Beides sind die automatischen Begleiterscheinungen eines gut funktionierenden Organismus. Setzen Sie sich zum Ziel, sich bei Ihren Vorhaben vom Nutzen und Glück für möglichst viele Menschen leiten zu lassen.
Die rechte Anschauung
Bauen Sie Ihr Leben und Ihr Unternehmen auf der rechten Anschauung auf. Diese umfasst folgende Aspekte:
- Die Absicht hinter einer Entscheidung sollte gut sein. Sie sollte niemandem schaden und so vielen Menschen wie möglich hilfreich sein.
- Sie sollten die Herrschaft über Ihr Gemüt besitzen und Ihren Geist fokussieren können, um nicht Opfer subtiler Emotionen oder Aversionen zu werden.
- Sehen Sie die Dinge so, wie Sie wirklich sind. Auf diese Weise können Sie besser sowohl die vorteilhaften als auch die abträglichen Wirkungen von Entscheidungen und Handlungen auf alle möglichen Interessengruppen abschätzen. Wunschdenken kann Sie blind machen.
- Seien Sie sich der gegenseitigen Abhängigkeiten in unserer zunehmend vernetzten Welt bewusst.
- Schenken Sie den Prozessen der Veränderung und der Vergänglichkeit Ihre Aufmerksamkeit. Nicht nur Ihre Entscheidungen und Ihr Handeln ziehen Veränderungen nach sich, auch die Bedingungen, unter denen Sie eine Wahl treffen, wandeln sich.
Die rechte Handlung
Die rechte Handlung beruht auf der rechten Anschauung. Gerade von Führungskräften und Vorbildern wird verlangt, dass sie sich selbst nach den von ihnen vorgegebenen Prinzipien richten. Üben Sie sich in Bescheidenheit, Selbstvertrauen und Respekt vor anderen. Bauen Sie Ihre Handlungen auf den folgenden sechs Tugenden auf:
- Großzügigkeit: Sie gleicht Profitgier aus, bezieht sich jedoch nicht nur auf finanzielle Angelegenheiten, sondern beinhaltet auch, Ruhm, Erfolg und Anerkennung mit den Mitarbeitern zu teilen.
- Ethische Disziplin: Verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise und schaden Sie dabei keinem Lebewesen.
- Geduld: Sie hilft Ihnen, negative Gefühle zu neutralisieren sowie schwierige Situationen und Enttäuschungen zu meistern. Geduld kann allerdings eine gewisse geistige Schulung erfordern.
- Begeisterung: Wenn Sie an Ihre Ziele glauben und von ihnen begeistert sind, erschließen Sie in sich Energieressourcen und stecken auch andere mit Ihrem Enthusiasmus an.
- Konzentration: Damit bündeln Sie Ihre Kraft auf ein Anliegen, wodurch Sie auch die Qualität Ihrer Entscheidungen erhöhen.
- Weisheit: Denken und leben Sie auf rechte Weise und sehen Sie die Dinge immer realistisch.
„Meiner Ansicht nach ist ein Wirtschaftssystem ohne moralische Dimension gefährlich. Deshalb möchte ich der freien Marktwirtschaft die Dimension der Verantwortung hinzufügen.“ (Dalai Lama)
Führungskräfte berichten, dass sich ihr Handeln nach buddhistischen Prinzipien in folgenden Bereichen bewährt hat: Sie haben Krisen besser bewältigt, fruchtbarere Beziehungen zu Mitarbeitern aufgebaut, Sitzungen verkürzt, stärkeres Vertrauen in ihre Entscheidungen gewonnen, diese erfolgreicher umgesetzt sowie ihre Kreativität und Arbeitsbegeisterung erhöht.
Die Schulung des Geistes
Um zum Wohle anderer handeln zu können, hilft es Ihnen, wenn Sie gemäß der buddhistischen Geistesschulung schädliche Einstellungen aufspüren und erkennen und sie gegen konstruktive Geisteshaltungen austauschen:
- Gehen Sie durch Bescheidenheit falschen Stolz, Eitelkeit und Arroganz an.
- Wechseln Sie unzureichende Rücksichtnahme gegen Rücksicht aus.
- Ersetzen Sie Gleichgültigkeit, Feindseligkeit und Übellaunigkeit durch Freundlichkeit.
- Tauschen Sie Trägheit gegen Elan und blinden Glauben gegen Aufgeschlossenheit aus.
- Gleichmut, eine wesentliche Geisteshaltung im Buddhismus, die auch innere Ruhe oder emotionale Ausgeglichenheit genannt wird, neutralisiert die Gier nach Macht, Geld und Ruhm sowie Sorgen und negative Gefühle wie etwa Hass, Ärger, Zorn und Neid.
Anleitung zum Meditieren
Meditationen dienen der geistigen Schulung. Sie unterstützen Sie darin, Ihre wilden Gedanken zu bändigen und sich auf eine einzige Angelegenheit zu konzentrieren. Richten Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit wahlweise auf Ihren Atem, auf ein Wort, das Sie in Gedanken wiederholen, auf ein äußeres Objekt wie etwa eine Blume oder Kerze, oder auf ein imaginiertes Objekt, eine Frage oder eine Angelegenheit. Neben der herkömmlichen Meditation in Sitzhaltung gibt es auch dynamische Meditationen. Die Gehmeditation eignet sich aufgrund ihrer Einfachheit besonders gut für Anfänger. Dabei richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nur auf das Gehen, auf nichts anderes. Diese Übung trägt überdies hervorragend dazu bei, die dabei gewonnene konzentrierte Aufmerksamkeit in den Alltag zu integrieren.
Die Verantwortung von Führungskräften
Krisensituationen können sowohl die Stärken als auch die Schwächen der globalen Wirtschaft ans Licht bringen. Zum einen können durch die vernetzten Strukturen Krisen leichter aufgefangen werden, zum anderen können sie einem Dominoeffekt gleich verheerende Auswirkungen haben. Dies verdeutlicht die enorme Verantwortung, die auf jeder Entscheidung von Führungskräften lastet. Treffen Sie daher Entscheidungen nur dann, wenn Sie emotional ausgeglichen sind. Berücksichtigen Sie dabei die Blickwinkel von allen Betroffenen. Gerade in vernetzten Systemen können Beschlüsse mannigfaltige und weitreichende Wellen schlagen. Fällen Sie Entscheidungen, aus denen so viele Betroffene wie möglich einen Nutzen ziehen. Müssen Sie zwischen zwei Übeln entscheiden, so wählen Sie das geringere und greifen denjenigen unter die Arme, denen Nachteile entstehen. Folgende Aufgaben und Aspekte machen Sie zu einer konstruktiven Führungsperson:
- Definition eines Leitbilds: Das Leitbild fördert unter den Mitarbeitern Moral, Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen. Wichtig: Kommunizieren Sie das Leitbild nicht nur, sondern leben Sie es auch vor.
- Vorgabe von Werten: Werte bieten einen Orientierungsrahmen für Entscheidungen und Handlungen. Sie müssen leicht verständlich und auch für unterschiedliche Kulturen attraktiv sein.
- Führungspersönlichkeit: Neben technischer und wirtschaftlicher Versiertheit sollten Sie Ihren Charakter vervollkommnen.
- Geistige Festigung: Hinterfragen Sie Reaktionen wie Lob oder Kritik, die andere Ihnen entgegenbringen. Meinen sie es wirklich ernst? Oder wollen sie sich etwa einschmeicheln oder wichtig machen? Trainieren Sie Ihre Fähigkeit zur Unterscheidung und relativieren Sie Ihre eigenen Reaktionen, was zu Gleichmut und Gelassenheit führt. Handeln Sie nicht, weil Sie auf Lob, Anerkennung oder Ruhm aus sind, sondern einzig und allein, um das Richtige zu tun.
- Führungskontinuität: Regeln Sie rechtzeitig und kompetent die Nachfolge von Führungskräften, die das Unternehmen verlassen. Meist ist es besser, die Stelle aus dem Unternehmen selbst zu besetzen als extern zu rekrutieren.
„Gewinn ist eine überlebensnotwendige Voraussetzung, doch der Sinn eines Unternehmens besteht darin, zum Wohl der Gesellschaft als Ganzes beizutragen.“ (Dalai Lama)
Fördern Sie die Arbeitszufriedenheit und das Glücksgefühl Ihrer Mitarbeiter. Führen Sie Mitarbeiterbefragungen durch, um aus den Ergebnissen wertvolle Hinweise zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu ziehen. Bieten Sie Weiterbildungsprogramme an, sorgen Sie für eine gerechte Vermögensbildung, lassen Sie Ihre Mitarbeiter wissen, inwieweit sie zum Unternehmenserfolg beitragen, und würdigen Sie diese Beteiligung.
Führung in einer globalisierten Welt
Die sozialistischen Wirtschaftssysteme stagnierten lange Zeit, bevor sie endgültig auseinanderbrachen. Der Kapitalismus brachte wirtschaftliches Wachstum für die Menschen, aber er besitzt auch Schattenseiten, die es zu bekämpfen gilt. So vergrößert er z. B. die Schere zwischen Arm und Reich. Arme Menschen in Entwicklungsländern sind nicht dumm, auch sie besitzen Fähigkeiten. Was ihnen aber fehlt, um auf die Beine zu kommen, sind Arbeitschancen, Anleitung, Schulung, Familienplanung und Geld. Diesbezügliche Förderprojekte tun not.
„Veränderungen, die früher Jahrzehnte brauchten, benötigen heute weniger als ein Jahr. Umso wichtiger ist es, Veränderung als einen permanenten und unvermeidlichen Aspekt des Lebens zu begreifen.“ (Dalai Lama)
Einige Initiativen zeigen bereits fruchtbare Wirkungen: So vergeben spezialisierte Banken und Nichtregierungsorganisationen, denen es nicht vorrangig um eigene Gewinne geht, Mikrokredite an arme Unternehmer in Dritte-Welt-Ländern. Die Zinsen sind sehr gering gehalten, und es werden auch keine Sicherheiten verlangt, an ihre Stelle tritt Vertrauen. Unilever ist einer von diversen globalen Herstellern, die mittellosen Menschen in Entwicklungsländern unter die Arme greifen, um Kleinunternehmen aufzubauen und so dem Wohlstand nachzuhelfen. Der Konzern schult vor allem Frauen in Verkauf, Buchhaltung und Unternehmertum, vermittelt ihnen Kleinkredite und lässt sie seine Produkte verkaufen.