Die Google-Falle

Buch Die Google-Falle

Die unkontrollierte Weltmacht im Internet

Verlag Carl Ueberreuter,


Rezension

Nie war das Suchen im Internet so einfach wie mit Google. Und dann die Konz­ernzen­trale drüben in Kalifornien: eine kreative Spielwiese, bevölkert von sym­pa­this­chen Freaks. Toll! Doch jetzt kommt ein öster­re­ichis­cher Journalist und verdirbt mit seinem Buch die ganze Party. Na ja, ganz so schlimm ist es nicht, und Gerald Reischls Motivation ist auch keineswegs die Mies­macherei. Kern seines Buches ist der Hinweis, wie sorglos viele Nutzer mit ihren persönlichen Daten im Internet umgehen und warum ins­beson­dere Google ein gehöriges Interesse an diesen hat. Der US-Konzern sieht daran nichts Ehrenrühriges: Weil er sich künftig über Handy oder Computer als persönlicher elek­tro­n­is­cher Assistent bewähren will, braucht er halt persönliche In­for­ma­tio­nen der Nutzer. Was Reischl Google vor allem vorwirft, ist der laxe Umgang mit dem Datenschutz. Der High­tech-Ex­perte des ORF schreibt frisch und engagiert, ohne ins Polemische abzudriften. Manche seiner Vorwürfe sind bereits All­ge­meingut, andere hingegen be­un­ruhi­gend unbekannt. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die im Internet unterwegs sind: Eine gesunde Portion Skepsis kann nie schaden – auch nicht im Google-Hype.

Take-aways

  • Das wichtigste Kapital von Google sind In­for­ma­tio­nen.
  • Heute sind es In­for­ma­tio­nen für die Nutzer – morgen In­for­ma­tio­nen über die Nutzer.
  • Google entwickelt sich von der neutralen Such­mas­chine zum persönlichen Assistenten jedes einzelnen In­ter­net­surfers.
  • Dazu braucht der Konzern möglichst viele per­so­n­en­spez­i­fis­che Daten.
  • Überall werden Sie nach Daten abgeklopft: in Googles Suchportal, in Gmail oder in Google Earth.
  • Den Nutzern ist oft nicht klar, wie leicht sich ihre elek­tro­n­is­che Spur verfolgen lässt.
  • Um sich Vorteile zu verschaffen, vernachlässigt Google bewusst den Datenschutz.
  • Der Konzern arbeitet u. a. daran, in den Fernsehmarkt einzusteigen und ein Gesund­heit­sportal anzubieten, auf dem Krankengeschichten gespeichert werden.
  • Europäische Regierungen können kaum Einfluss auf den global agierenden US-Konzern nehmen.
  • Als Google-Nutzer haben Sie nur eine Chance gegen die Schnüffelei: Sie müssen Ihre Bewegungen im Internet durch Anonymisierungssoft­ware ver­schleiern.
 

Zusammenfassung

„Don’t be evil“

Google ist wahrschein­lich das beliebteste Unternehmen der Welt. Die überaus praktische Funktion der Such­mas­chine im Internet, verbunden mit dem sym­pa­this­chen Firmenmotto „Don’t be evil“ – ein men­schlicheres Antlitz kann der moderne Konz­ernkap­i­tal­is­mus kaum haben. In dieser allgemeinen Hur­ras­tim­mung kritische Fragen aufzuwerfen, ist schwierig. Aber notwendig. Warum etwa lässt das kali­for­nische Unternehmen immer neue und aus­ge­feil­tere Methoden patentieren, um In­for­ma­tio­nen über Google-Nutzer zu sammeln und aufzu­bere­iten? Warum steigt ein Suchportal ins Handy- und Telekomgeschäft ein? Warum wird von Google neben vielen anderen Projekten auch ein Gesund­heit­sportal aufgebaut?

„Google ist schon längst keine bloße Such­mas­chine mehr.“

Google informiert über viele Dinge, aber nur ungern über sich selbst. Wer mehr über das Unternehmen erfahren will, kommt nicht über In­ter­view-An­fra­gen bei Google-Man­agern weiter, sondern, Ironie des In­ter­net­zeital­ters, über die Such­mas­chine selbst. Wer googelt, kann einiges über Google erfahren.

Googles innere Logik

Googles Bemühungen, die Such­funk­tio­nen zu per­son­al­isieren, folgen einer inneren Logik. Der seit 1998 genutzte Suchal­go­rith­mus sorgt dafür, dass die häufigsten und wichtigsten Ver­linkun­gen eines Begriffs im Google-Rank­ing nach oben wandern. Doch dies muss nicht unbedingt den Wünschen der Nutzer entsprechen. Wer z. B. „turkey“ eingibt, kann am nächsten Türkei-Urlaub oder an einem Truthah­n­rezept in­ter­essiert sein. Wüsste Google nun, dass ein bestimmter Nutzer ein begeis­terter Koch ist, würden auf die Eingabe „turkey“ jede Menge Truthah­n­rezepte aufgelistet und erst weiter unten würden die ersten „Türkei“-Treffer auftauchen.

„Der Weltkonzern ist zu einem mächtigen Koloss herangewach­sen, mit einer gefährlichen und tückischen In­for­ma­tions-, Such- und Werbedom­i­nanz.“

Google will sich von der Such­mas­chine zum persönlichen Suchas­sis­ten­ten entwickeln. Um einem Nutzer erfolgreich assistieren zu können, muss das Unternehmen so viel wie möglich über seine persönlichen Vorlieben wissen. Dieses Wissen eignet sich Google momentan an. Allein 2006 hat der Konzern acht Patente eingereicht, die sich mit „User-Track­ing“ beschäftigen. In einem Interview vom Mai 2007 sagte Google-Chef Eric Schmidt: „Unsere Algorithmen werden immer besser und wir werden auch bei der Per­son­al­isierung immer besser.“

„Per­son­al­isierung bedeutet nichts anderes, als dass ein System von Software und Computern weiß, wer wir sind und was wir machen.“

Derzeit werden die Daten von Google-Nutzern offiziell 18 Monate gespeichert. Auch wenn die Nutzer die In­ter­ne­top­tion „Verlauf löschen“ anklicken, hat Google die eingegebe­nen Such­be­griffe, aufge­suchten Seiten, Anzeigen­klicks und Produktkäufe gespeichert und kann sie Nutzern zuordnen. Ob die Daten tatsächlich nach anderthalb Jahren gelöscht werden, ist umstritten. Es ließe sich ja ar­gu­men­tieren, dass jemand, der fast täglich googelt, diese 18-Monate-Frist jedes Mal neu beginnen ließe. Google selbst äußert sich zu solchen Mutmaßungen nicht und verweist auf den (geheimen) Such­maschi­ne­nal­go­rith­mus.

„Die über die Nutzer gesammelten Daten sind sehr viel Geld wert.“

Absurd ist die Un­ter­stel­lung keineswegs, denn bei Cookies (Pro­fil­dateien) gilt genau diese Regel: Sie werden nach zwei Jahren gelöscht – aber nur, wenn der Nutzer zwei Jahre lang nicht gegoogelt hat, sonst beginnt die Frist von Neuem. Cookies dienen ebenfalls dazu, Gewohn­heiten von In­ter­net­nutzern zu erkunden. Beim Aufrufen einer Website wird ein Cookie hinterlegt. Es pro­tokol­liert, was der Nutzer macht, und schickt die In­for­ma­tio­nen weiter. Diese Daten können beispiel­sweise verwendet werden, um dem Nutzer passgenaue Werbung zu schicken. Ein Unternehmen, das sich mit dem Einsatz von Cookies sehr gut auskennt, ist DoubleClick. Es wurde 2007 von Google gekauft.

Der Ärger der Datenschützer

Datenschützer kritisieren, dass Nutzer die von Google gesammelten Daten weder einsehen noch löschen können. Die britische Or­gan­i­sa­tion Privacy In­ter­na­tional verlieh Google deshalb das zweifel­hafte Prädikat „hostile to privacy“ – daten­schutzfeindlich.

„Google schafft die Basis für perfektes Di­rek­t­mar­ket­ing.“

Die Daten, die gesammelt werden, in­ter­essieren möglicher­weise nicht nur Google selbst und die Wer­bein­dus­trie: Was ist, wenn die Polizei meint, die Daten zu brauchen, und die Politiker entsprechende Gesetze erlassen? Als amerikanis­ches Unternehmen ist Google vor allem von den Gesetzen der USA betroffen. Da der Service aber fast weltweit genutzt wird, könnten die amerikanis­chen Behörden an Daten von Menschen überall auf dem Globus gelangen.

„Viele In­ter­net­seiten sind heute schon von Google abhängig, weil sie mit Systemen wie etwa Google AdWords Einnahmen erzielen und sich so finanzieren.“

In Europa gibt es Bemühungen, Google für die Belange des Daten­schutzes zu sen­si­bil­isieren. Aber sie sind spärlich und stoßen offenbar nicht auf besonders viel Gehör. Europas Politiker scheint es nicht wirklich zu irritieren, wenn ein US-Un­ternehmen kritische Daten hiesiger Bürger hortet und es keine rechtliche Handhabe gibt, deren späteren Einsatz zu kon­trol­lieren. Google ist sehr geschickt darin, die Ju­ris­dik­tion von Ländern auszuhebeln, die mit dem Konzern Daten­schutzbe­denken diskutieren möchten: Es wird ganz einfach darauf verwiesen, dass das Unternehmen einer anderen Geset­zge­bung unterliege. Wird der politische Druck aber zu groß, zeigt sich der Konzern durchaus anpassungsfähig, wie das Beispiel China zeigt: Um dort überhaupt als www.​google.​cn antreten zu dürfen, erklärte sich das Unternehmen bereit, gewisse Inhalte – Tibet, Taiwan, Tiananmen – zu zensieren.

Big Brother is scanning you

Wer es Google besonders leicht machen möchte, kann seinen E-Mail-Verkehr über Gmail (in Deutschland und Österreich: Google Mail) laufen lassen. Sämtliche ein- und ausgehenden Mails werden gescannt und auf wer­berel­e­vante Inhalte untersucht. Die gefundenen Daten werden natürlich gespeichert. Warum wählen Nutzer diesen Anbieter trotzdem? Google bietet gratis viel mehr Spe­icher­platz als die Konkurrenz. Dafür nehmen viele Menschen „das bisschen Werbung“ in Kauf.

„Wenn Google an Projekten arbeitet, die sich mit Medizin, Gen­forschung und Genanalyse beschäftigen, sollte uns das zu denken geben.“

Weil er ebenfalls umsonst ist, verwenden viele Nutzer auch den On­line­spe­icher GDrive von Google. Alle dort abgelegten Daten werden gescannt – schon als Schutz vor Viren –, also auch ver­trauliche Dokumente. Und auch wer die Google-Desk­top-Suche auf seinem Rechner installiert, sollte wissen, dass dadurch praktisch alles, was auf dem Computer passiert, pro­tokol­liert wird.

„Jeder Begriff und jede Phrase, die in die Google-Such­maske eingegeben wird, bleibt im Google-Sys­tem abrufbar.“

Noch mehr Beispiele gefällig? Wer über iGoogle seine eigene Startseite anlegt, vermittelt – z. B. durch die angegebenen Links – ebenfalls eine Menge In­for­ma­tio­nen über sich. Löschen lassen sich diese In­for­ma­tio­nen kaum: In den Speichern von Google werden sie fest­ge­hal­ten.

Im Bewusstsein der In­ter­net­surfer sind all diese Tatsachen noch nicht sehr präsent, wie eine aktuelle Umfrage unter 500 öster­re­ichis­chen Nutzern im Alter von 14–59 Jahren zeigt. Drei Viertel der Befragten halten sich für in­ter­neter­fahren, über 90 % verwenden Google als Such­mas­chine, mehr als die Hälfte täglich. Vier von fünf Surfern ist es „sehr wichtig“, dass ihre Anfragen kostenlos sind. Entsprechend positiv kommt das kali­for­nische Unternehmen bei ihnen weg: Neun von zehn finden den Konzern „sympathisch“, nur 2,5 % der Befragten halten Google für zu mächtig. Dass das Unternehmen ihre Daten sammelt, überraschte die meisten befragten In­ter­net­nutzer. Drei Viertel störten sich daran und wollten ihren Weg durchs Internet nicht nachvol­l­zo­gen wissen. Gleichgültig gegen die Schnüffelei zeigte sich nur jeder Zehnte.

Google verdient sein Geld mit Werbung

Anders als andere Such­maschi­nen verzichtet Google auf Ban­ner­wer­bung und Pop-ups. Zu sehen sind nur unauffällige „Sponsored Links“ über den Suchergeb­nis­sen sowie rechts oben auf den Seiten. Diese Verknüpfungen allerdings lässt sich Google teuer bezahlen: Je wertvoller der gesuchte Begriff, desto kost­spieliger die Anzeige.

„Google weiß mehr als die Polizei.“

Wie viel Geld der Konzern aus Mountain View durch Werbung einnimmt, lässt sich nicht genau beziffern – schätzen lässt er sich durchaus: 17 Milliarden US-Dollar Umsatz verzeichnet Google jährlich, für den Großteil davon sind Wer­beein­nah­men ve­r­ant­wortlich. Vier Milliarden bleiben als Gewinn. Eine immense Größe, doch für Google ist das erst der Auftakt zu weiteren Taten. In den USA hat das Unternehmen begonnen, auch Wer­beanzeigen für Radio, TV und Print anzubieten, faktisch als Gesamtpaket. Offenbar gibt es bereits Projekte, mit denen ausgelotet wird, wie Google in den Fernsehmarkt einsteigen kann, und zwar nicht nur als Anzeigen­ver­mit­tler. Vor allem beim Fernsehen über das Internet kann das Programm auf die Wünsche des einzelnen Zuschauers zugeschnit­ten werden – wenn man denn um dessen Vorlieben weiß.

Das Handy als Computer der Zukunft

Offenbar will Google auch noch selbst Telekom­mu­nika­tions­be­treiber werden, mit eigenem Glasfaser- und Mo­bil­funknetz. Rund 20 Patente, die erkennbar mit Telekom­mu­nika­tion zu tun haben, hat der Konzern bereits eingereicht. Den Grund nennt Un­ternehmen­schef Schmidt: „Mobile Werbung ist doppelt so lukrativ wie nicht mobile, weil sie persönlich ist.“ Hinzu kommt, dass viel mehr Menschen auf der Welt ein Handy haben als einen Computer. Eine der vorstell­baren Optionen für Google auf dem Telefon: Jemand, der eine Frage an eine Such­mas­chine hat, wählt eine Nummer und spricht dann seine Frage ins Handy. Dazu muss allerdings das Niveau der Spracherken­nung noch deutlich gesteigert werden. Google arbeitet daran: Ein entsprechen­des Patent wurde bereits 2001 angemeldet. Nun geht es darum, aus den Labors – wo „Voice-Search“ angeblich bereits funk­tion­iert – her­auszukom­men und ein mark­t­taugliches System anzubieten. In ein paar Jahren könnte es so weit sein.

„Google hat weitgehend die Kontrolle über europäische Nutzer und wird auch von der EU nicht ausreichend kon­trol­liert.“

Aber Google hat noch mehr Ideen, z. B. ein „Health-Por­tal“, in dem reg­istri­erte Nutzer nicht nur Gesund­heitsin­for­ma­tio­nen abfragen, sondern auch ihr aktuelles Befinden festhalten können. Ärzte würden so einen Online-Überblick über den Zustand ihrer Patienten erhalten. Obendrein wäre der Service kostenlos – wohl als Ausgleich dafür, dass man einem US-Konzern die Kontrolle über die eigenen Gesund­heits­daten überlässt.

Was lässt sich tun gegen die Schnüffler?

Im Moment haben die Nutzer nur eine Chance: Sie müssen eine Anonymisierungssoft­ware verwenden, die ihre Spuren im Netz verwischt. Das tut derzeit nur ein Bruchteil. Die meisten wissen nicht einmal, dass es solche Software überhaupt gibt. Seriöse Anbieter sind beispiel­sweise Anonymizer (www.​anonymizer.​com) oder The Onion Router (www.​torproject.​org).

„Die Welt ist eine Kugel, sie sollte keine Google werden.“

Der Einfluss von Google ist so stark, der Konzern so schwer greifbar, dass sich ein direktes Ankämpfen momentan nicht lohnt. Die In­for­ma­tion­stech­nolo­gie entwickelt sich aber weiterhin so schnell, dass die Gewinner von heute vielleicht schon morgen zu den Verlierern zählen. Einzigartig ist Google längst nicht mehr: Für jede der angebotenen Di­en­stleis­tun­gen gibt es geeignete Konkur­renten. Vielleicht gerade, weil Google so schnell und entschieden auf eine „brave new world“ zusteuert.

Über den Autor

Gerald Reischl leitet das Tech­nolo­gie-Ressort der öster­re­ichis­chen Tageszeitung Kurier und tritt als High­tech-Ex­perte im ORF auf.