Trojanisches Marketing

Buch Trojanisches Marketing

Mit unkonventioneller Werbung zum Markterfolg

Haufe,


Rezension

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Muster die Antike heute noch liefern kann. Tro­janis­ches Marketing – oder auch: Marketing der List – ist gemäß den Autoren dieses Buches der neueste Trend. Anhand der uralten Geschichte des Kampfes um Troja zeigen sie auf, wie das Marketing von heute die gesättigten Märkte aufbrechen kann. Das gelingt ihnen vor allem in den ersten Kapiteln des Buches sehr überzeugend. Doch ihr Ehrgeiz geht offenbar dahin, zu beweisen, dass alle Werbung und alles Marketing eigentlich trojanisch sind oder wenigstens sein müssten. Damit neigt sich der eigentlich spannende Ansatz plötzlich stark in Richtung Trivialität und heißt nichts anderes mehr als: Originalität ist Trumpf. Das aber ist schon immer ein Leitspruch der Werbung gewesen, egal unter welchem Banner sie segelte. Die Autoren subsumieren vor allem in der zweiten Hälfte des Buches beinahe jede irgendwie er­fol­gre­iche Mar­ketingak­tivität unter ihr Label „trojanisch“. Das ist etwas zu viel des Guten. Trotzdem empfiehlt BooksInShort das Buch jedem angehenden Mar­ket­ing-Odysseus, der wissen will, wie listenreich in seinem Metier gearbeitet wird.

Take-aways

  • Die Sage vom Tro­janis­chen Krieg kann dem heutigen Marketing wichtige Impulse geben.
  • Tro­janis­ches Marketing ist ein Marketing der List: Geben Sie dem Kunden etwas Bekanntes, was er sich wünscht, und verstecken Sie darin etwas Neues, was Sie verkaufen wollen.
  • Angesichts der heutigen gesättigten Märkte ist Tro­janis­ches Marketing kostengünstig und effektiv.
  • Schlechte Produkte lassen sich auch mit einer tro­janis­chen Strategie nicht besser vermarkten.
  • Die Da­wos-Strate­gie besagt, dass Sie da, wo’s Kunden gibt, sein müssen.
  • Mithilfe branchenübergreifender Ko­op­er­a­tio­nen können Sie Ihre Zielgruppe erreichen.
  • Viele Unternehmen verhalten sich bereits trojanisch, auch wenn sie es nicht so nennen.
  • Die aus­tralis­che Weinmarke yellow tail eroberte den US-Wein­markt trojanisch. Die neue Getränkemarke Bionade erschuf sich auch auf diese Weise.
  • Viele weitere Beispiele aus der Praxis zeigen, dass dem Tro­janis­chen Marketing die Zukunft gehört.
  • Bei allen Kom­mu­nika­tion­smaßnahmen im Marketing kommt es darauf an, den richtigen sym­bol­is­chen Code zu treffen, um die Emotionen der Kunden direkt anzus­prechen.
 

Zusammenfassung

Tro­janis­ches Marketing

Was der Begriff „Tro­janis­ches Marketing“ sagen soll, versteht fast jeder auf Anhieb. Merkwürdig, denn der Begriff ist eigentlich falsch. Erinnern wir uns: Es waren nicht die Trojaner, die gesiegt haben, sondern sie wurden besiegt. Richtig müsste es also „griechis­ches Marketing“ heißen. Denn es war der griechische Heerführer Odysseus, der „lis­ten­re­iche“, der auf die Idee mit dem hölzernen Pferd kam. Zehn Jahre lang rannten die Griechen gegen die Mauern Trojas an und konnten die Stadt nicht einnehmen – eine scheinbar ausweglose Situation. Mit militärischer Kraft ließ sich nichts mehr bewegen. Übertragen auf die Situation der heutigen Wirtschaft heißt das: Die Märkte sind besetzt, auch mit viel Geld und Werbung lässt sich kaum mehr etwas erreichen.

„Gute Ideen sind wie das Trojanische Pferd. Sie kommen attraktiv verpackt daher, sodass der Mensch sie gerne hineinlässt. Erst dann entlarven sie ihr wahres Ziel: Eroberung!“

Wie wir aus der Geschichte Trojas wissen, bauten die Griechen ein großes Holzpferd, in dessen Innerem sie ihre besten Krieger versteckten. Dann verzogen sie sich auf ihre Schiffe und reisten scheinbar ab. Sie vertrauten aber nicht nur auf das Pferd, sondern ließen auch noch einen Mann namens Sinon zurück. Der gab sich als entlaufener griechis­cher Sklave aus und sorgte dafür, dass die Troer die Bedeutung des Pferdes auch im Sinne der Griechen verstanden. Die Troer sahen sich als Sieger und das Holzpferd als eine Göttergabe, denn Pferde waren ihnen heilig. Fol­gerichtig umjubelten sie das hölzerne Riesenross und zogen es in ihre Stadt; damit das überhaupt möglich war, mussten sie sogar einen Teil ihrer Stadtmauer abbrechen. In der Nacht nach der Siegesfeier stiegen die griechis­chen Krieger aus dem Bauch des Pferds, öffneten die Tore, und die heimlich zurückgekehrten Griechen fielen über die schlafenden Troer her. Mit diesem Gemetzel hat das Trojanische Marketing jedoch nichts zu tun. Der Begriff ist aber insofern gerecht­fer­tigt, als es im Marketing um das Erreichen einer scheinbar un­err­e­ich­baren Zielgruppe geht.

Die Ba­sis­strate­gie

Im Grunde handelt es sich um das Mar­ketin­gin­stru­ment List, das Sie ausweglose Situationen meistern lässt. Die Geschichte des Kampfes um Troja bietet dafür eine Art Hand­lungsmuster:

  • Man nehme ein Objekt, das bei der Zielgruppe bekannt und begehrt ist (das Holzpferd). Das kann ein Geschenk, eine Di­en­stleis­tung oder etwas Ähnliches sein.
  • Dieses Objekt lade man mit einem neuen Produkt (Idee etc.) auf, das man der Zielgruppe bekannt machen will (die versteckten griechis­chen Krieger).
  • Man sorge mit geeigneten Maßnahmen dafür, dass das bekannte Objekt (Pferd) in der Zielgruppe auch richtig ankommt (Sinon).
  • Abschließend wird mithilfe des Al­t­bekan­nten das neue Produkt direkt der Zielgruppe präsentiert.
„Das ist die eigentliche Grundidee, die hinter Tro­janis­chem Marketing und anderen Formen von un­kon­ven­tionellem Marketing steht: Märkte werden nicht vorgefunden und bedient, sondern gemacht.“

Die Vorteile des Tro­janis­chen Marketings liegen auf der Hand: Durch Querdenken und originelle Ideen erreicht man schnell und kostengünstig die anvisierten Kunden. Kon­ven­tionelles Marketing wendet sich an ex­istierende Märkte und vorhandene Zielgruppen. Es ist einfach struk­turi­ert. Der Grundgedanke des Tro­janis­chen Marketings führt um die Ecke, sucht Trojanische Pferde und schafft neue Märkte. Es versteht sich fast von selbst, wann Tro­janis­ches Marketing nicht angebracht ist: Schlechte Produkte oder alte Hüte werden dadurch nicht besser. Wäre das Holzpferd hässlich oder schlecht gezimmert gewesen, hätte es nicht den Nerv der Troer getroffen – und um die versteckten Krieger hätte es nicht gut gestanden. Ebenfalls fehlgeschla­gen wäre der Coup, wenn die Krieger feige gewesen wären (also keine guten Produkte).

Die Da­wos-Strate­gie

Trojanisch zu denken bedeutet, mehrdi­men­sional zu denken. Man kann eine Nachricht in die Welt setzen – etwa durch Wer­beanzeigen – und dann hoffen, dass sie irgendeiner bemerken wird. Oder man sieht sich die Welt genauer an und fragt: Wo sind meine Kunden? Hat man sie iden­ti­fiziert, geht man dorthin, wo es potenzielle Kunden gibt. Die Idee stammt eigentlich von einem Mediziner, der sagte: „Ich heile da, wo es weh tut!“, und er nannte das die Da­wos-Ther­a­pie. Übertragen auf das Marketing heißt die Strategie: „Setze deine Mar­ketingak­tivitäten da ein, wo es potenzielle Kunden gibt!“

„Überhaupt ist Werbung, die Witz und Charme und Jux und Humor einsetzt, mit großer Er­fol­gswahrschein­lichkeit gesegnet, wenn man die Grenze zur Pein­lichkeit nicht überschre­itet.“

Ein Beispiel: Ein Biobauer hält, jenseits der üblichen Werbung, Ausschau nach Ko­op­er­a­tionspart­nern in anderen Leben­szusam­menhängen und findet eine unendliche Fülle von Orten, Läden und Ansprech­part­nern: Kinderärzte, Spielwarenläden, Pup­penthe­ater, Kindergärten, Al­tenzen­tren usw. Bei der Da­wos-Strate­gie ist Absurdität bisweilen Trumpf: Die Salzburger Stiegl-Brauerei etwa bietet in einer Ent­bindungsklinik für die Neuväter ein Gratis-Six­pack an. Jeder bierselige Mann, der dort Vater wurde, wird diese Brauerei vermutlich niemals vergessen. Solche Ko­op­er­a­tionspart­ner müssen Sie finden und danach beginnen, Ihre Strategie aufzubauen. Das Produkt ist klar, doch wo liegt Troja, was ist das Pferd und wer ist Sinon? Je origineller die Idee ist, desto größer die Chance, dass sie einmalig sein wird.

Trojanische Pferde

Wer sich die trojanische Denkweise erst einmal angewöhnt hat, entdeckt überall in seiner eigenen und in be­nach­barten Branchen Anknüpfungspunkte für sein Marketing. Viele etablierte Unternehmen werben längst trojanisch, selbst wenn sie es nicht so nennen. Zum Beispiel die amerikanis­che Kaf­fee­haus­kette Starbucks: Sie platzierte schon in mehreren Städten Kaf­fee­becher auf den Dächern von Taxis, sodass Passanten annehmen mussten, der Becher sei verse­hentlich dort vergessen worden und würde beim Anfahren un­weiger­lich auf die Straße fallen. Wer den Taxifahrer auf das ver­meintliche Malheur ansprach, bekam prompt einen Gutschein für einen Kaffee im Star­bucks-Shop. Der Becher konnte übrigens gar nicht herun­ter­fallen, er war fest auf dem Dach des tro­janis­chen Taxis angebracht. Starbucks gewann über diesen Umweg viele Kunden.

„Tro­janis­ches Marketing zählt nicht Kunden, sondern sucht und analysiert Trojanische Pferde.“

Mit einem bisschen Brain­storm­ing eröffnet sich eine Welt voller Tro­janis­cher Pferde, mit deren Hilfe neue Botschaften trans­portiert werden können. Eine wichtige Soft­ware­firma soll während einer großen Com­put­er­messe mit den Hotels vor Ort kooperiert haben. So betteten während der Messe die Com­put­erkun­den ihr müdes Haupt auf Kopfkissenbezüge, auf denen die Wer­be­botschaft eben dieser Firma prangte.

„Um Produkte erfolgreich verkaufen zu können, muss im gesamten Prozess der Mar­ket­ingkom­mu­nika­tion auch auf die impliziten Bedeutungen Rücksicht genommen werden.“

Werbung im Internet funk­tion­iert häufig nach tro­janis­chen Mustern: Wenn bekannte Marken in der virtuellen Welt Sec­ond-Life-Fil­ialen aufmachen, wenn Com­put­er­spiele ganz oder teilweise von Marken­wer­bung gesponsert werden, so folgt das dem Prinzip, der angestrebten Zielgruppe durch beliebte Trojanische Pferde die eigene Botschaft anzudienen.

Trojanische Produkteinführung

Eine der wichtigsten und schwierig­sten Mar­ket­ingdiszi­plinen ist die Produkteinführung. Da fast alle Märkte weitgehend besetzt sind, wird der Stratege, der um die Ecke – also trojanisch – denkt, am ehesten Erfolg haben.

„Das Ende der Massenmärkte ist nahe.“

Der amerikanis­che Weinmarkt wird vollständig von zwei Pro­duk­tlin­ien dominiert. Zum einen gibt es die Billigweine, zum anderen die Pre­mi­um­sorten. Sie un­ter­schei­den sich in ihrem Marketing kaum, außer dass die Pre­mi­umweine teurer sind, größere Werbeetats und ein besseres Image haben. In diesem 20-Mil­liar­den-Dol­lar-Markt, der durch mörderische Konkurrenz gekennze­ich­net ist, brach die aus­tralis­che Weinmarke yellow tail mit großem Erfolg ein. Im August 2003 war der meist verkaufte Rotwein der USA von yellow tail. Wie schaffte die Firma das? Zunächst veränderte sie das Schlacht­feld. Die Po­si­tion­ierung von yellow tail sprach nicht den Weintrinker an, sondern bot sich als Alternative für den Bier- und Cock­tail­trinker an: Leichte Trinkbarkeit und das Image von Spaß und Abenteuer wurden her­vorge­hoben. Wir erinnern uns: Die Griechen brachen ihre Lager ab und boten etwas anderes als Krieg, nämlich den (scheinbaren) Frieden an. Danach setzte die Marke ganz auf ihr aus­tralis­ches Image. Als Zeichen verwendete sie ein Gelbfuß-Wallaby, eine besondere Känguru-Art, die als aus­tralis­ches Na­tion­altier eine besondere Strahlkraft aufweist. Im tro­janis­chen Zusam­men­hang ergibt dies alles zusammen das gut gezimmerte Holzpferd. Dazu kam der Sinon-Ef­fekt: In den Weinläden rüstete yellow tail das Personal mit typisch aus­tralis­chen Out­back-Klam­ot­ten aus. Das sorgte dafür, dass am Point of Sale die Botschaft wirklich bei den Kunden ankam.

„In der Kreativphase eines tro­janis­chen Mar­ket­ing­plans kann – und soll! – ,gesponnen‘ werden. Mut zum Un­kon­ven­tionellen gehört de­f­i­n­i­tion­s­gemäß dazu.“

Auch die Produkteinführung des alko­hol­freien Er­frischungs­getränks Bionade kann als trojanisch bezeichnet werden. Es kam über viele und listige Umwege auf den Markt, z. B. mit dem Slogan „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“, und verdankt seinen Erfolg nicht un­wesentlich dem tro­janis­chen Trick, dass der Schriftzug auf der Flasche aussieht, als ob hier Campari oder Martini getrunken würde.

Trojanische Im­age­bil­dung

Wie kam es dazu, dass die Maschinen des deutschen Fam­i­lienun­ternehmens Kärcher heute weltweit für „Sauber­ma­chen“ stehen? Trojanisch. Seit über 20 Jahren reinigt Kärcher im Rahmen eines Kul­tur­spon­sor­ings historische wichtige Monumente: das Bran­den­burger Tor in Berlin, die Chris­tus-Statue in Rio de Janeiro, die Kolonnaden des Pe­ter­splatzes in Rom. Auch in Athen und im oberägyptischen Luxor macht sich der Reini­gungsspezial­ist an den nationalen Denkmälern zu schaffen. In den USA reinigte Kärcher die berühmten Präsidentenköpfe von Mount Rushmore, pünktlich zum Unabhängigkeit­stag. Nationale Denkmäler sind nationale An­gele­gen­heiten mit der dafür üblichen öffentlichen Aufmerk­samkeit. Das ist die Idee der tro­janis­chen Im­age­bil­dung: Das Alte nutzen, um das Neue zu propagieren.

„Erfolg durch Kooperation fördert den Erfolg fördert die Kooperation fördert den Erfolg ...“

Man muss keine Weltfirma sein, um nach dem gleichen Prinzip zu agieren. Für Freiberu­fler oder Einzelkämpfer hat sich ein Guide, eine Fibel oder ein Ratgeber bewährt. Wenn z. B. ein Architekt eine kleine Broschüre „Baurecht für Anfänger“ verteilt oder ein Arzt einen „Gesund­heits-Guide“ in Apotheken oder Drogerien auslegt, so verbreiten sie objektive Fakten und weisen gle­ichzeitig nachdrücklich auf das eigene Ar­beits­ge­biet hin. Die Großen machen es vor: Der Wäschehersteller Triumph verlegt einen Wäscher­at­ge­ber für Männer mit dem Titel „Kleines ABCDE der Dessous“. Die Quirin Bank verteilt ein Büchlein mit dem Titel „Neues Gesetzbuch des Private Banking“. Solche und ähnliche Aktionen setzen zudem Mund-zu-Mund-Pro­pa­ganda in Gang oder sogar, wenn es im Internet geschieht, die so genannte Mouse-to-Mouse-Pro­pa­ganda.

Der trojanische Pfeil: emotional tr­e­ff­sichere Kom­mu­nika­tion

Bei allen Kom­mu­nika­tion­smaßnahmen kommt es darauf an, den richtigen sym­bol­is­chen Code zu treffen. Er ist der „trojanische Pfeil“, der ohne große Worte direkt ins Emo­tion­szen­trum des Kundenhirns trifft – ohne den Umweg über rational erklärende Worte. Red Bull etwa bedient sich bewusst der Farbe Rot und nutzt das Symbol des Stiers. Rot erhöht an sich schon die Stof­fwech­se­lak­tivitäten des Körpers um bis zu 13 %, die Farbe passt also her­vor­ra­gend zu einem En­ergy-Drink. Der Stier steht für Kraft und Mut und ist ein mythol­o­gis­ches Zeichen für den Kampf mit der Natur. Im Nahen Osten allerdings funk­tion­iert dieses Schema nicht so gut. Bei den Arabern ist „Power Horse“ der führende En­ergy-Drink, denn bei ihnen steht eben das Pferd für Kraft, Schnel­ligkeit und hohes Sozial­pres­tige. Trojanische Pfeile müssen also vorsichtig abgeschossen werden, das kulturelle Umfeld spielt dabei eine entschei­dende Rolle.

Über die Autoren

Roman Anlanger ist CRM-Manager und Wirtschaft­strainer und leitet den Studiengang Technisches Ver­trieb­s­man­age­ment an der Fach­hochschule Wien. Wolfgang A. Engel ist diplomierter Wirtschaftswis­senschaftler und arbeitet als Coach und selbstständiger Un­ternehmens­ber­ater.