Cool it!

Buch Cool it!

Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten

DVA,


Rezension

Die Kli­made­batte verläuft einseitig und zudem geradezu hysterisch, klagt Bjørn Lomborg. Die Teilnehmer neigen zu drama­tis­chen Übertrei­bun­gen und radikalen Ansichten. Der dänische Autor setzt dem eine ganz andere Sichtweise entgegen: Alles nicht so schlimm mit dem Klima, wir haben dringendere Probleme. Lomborgs aus­ge­sprochen op­ti­mistis­che Perspektive wird mit Sicherheit po­lar­isieren: Die einen werden sich in ihrer Haltung bestätigt sehen, das ganze Öko-Gedöns nicht so ernst zu nehmen und schön weiter „Business as usual“ zu betreiben – auch wenn das gar nicht in Lomborgs Sinn wäre. Die anderen werden nur fassungslos den Kopf schütteln angesichts von Lomborgs ökonomisch-sta­tis­tis­cher Kosten-Nutzen-Rech­nung, seiner zynischen Aufrechnung der Kälte- gegen die Hitzetoten und der einen, ausster­ben­den Tierart gegen die andere, überlebende. Aber nicht nur ethisch, auch lo­gisch-method­isch ist Lomborgs Ansatz fragwürdig: Statt den Klimawandel zu stoppen, will der Busi­ness-School-Dozent lieber kommende Hungersnöte und um sich greifende Krankheiten bekämpfen und in den Hochwasser­schutz investieren – ein klarer Fall von Symptom- statt Ursachenbekämpfung. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die sich für einen exzen­trischen Beitrag zur Kli­made­batte in­ter­essieren.

Take-aways

  • Die Debatte über den Klimawandel ist von Hysterie geprägt.
  • Gege­nar­gu­mente haben in der von Politikern, Umwel­tor­gan­i­sa­tio­nen und Wis­senschaftlern geprägten Diskussion kaum eine Chance.
  • Der Klimawandel ist nicht das Ende der Welt – dennoch macht sich Katas­tro­phen­stim­mung breit.
  • Die Reduktion des CO2-Ausstoßes löst nicht all die Probleme, für die der Klimawandel ve­r­ant­wortlich gemacht wird.
  • Der prog­nos­tizierte Tem­per­at­u­ranstieg von 2,6 Grad bis zum Jahr 2100 betrifft vor allem bislang kalte Gegenden und die Nacht­tem­per­a­turen.
  • Es wird mehr Hitzetote geben, aber gle­ichzeitig weniger Kältetote.
  • Die Niederschläge werden in vielen Regionen zunehmen, was jedoch nicht automatisch eine Katastrophe bedeutet.
  • Das Ky­oto-Pro­tokoll ist ineffizient.
  • Sinnvoller als die Ky­oto-Poli­tik wären eine maßvolle CO2-Steuer und deutlich mehr Forschung auf dem Gebiet der erneuer­baren En­ergiequellen.
  • Die für den Klimaschutz vorge­se­henen Mittel würden in der Malariabekämpfung, in der Land­wirtschaft und im Hochwasser­schutz mehr Nutzen für die Menschheit stiften.
 

Zusammenfassung

Beson­nen­heit statt Hysterie

Die Kli­made­batte sollte mit kühlerem Kopf geführt werden als bisher. Die Hitzigkeit, mit der über die Ursachen und Kon­se­quen­zen der Erderwärmung gesprochen wird, führt zu radikalen Ideen. In einem Umfeld der Hysterie haben nur die extremsten Lösungen eine Chance auf Akzeptanz. Gerade weil die Klimaveränderung ein wichtiges Thema ist, sollten rationale, nüchterne Gedanken zugelassen werden. Der Gen­er­alver­dacht, wonach von der Mehrheitsmei­n­ung abweichende Ideen nur mit Lobbytätigkeit zu begründen seien, ist unsinnig. Weil die Datenlage im Klimastreit so komplex wie unsicher ist, sollte jeder sich seine Meinung auf der Basis der verfügbaren verlässlichen In­for­ma­tio­nen bilden. Die Ressourcen der Menschheit sind begrenzt und möglichst wirksam so einzusetzen, dass das Wohl der Erdbewohner gesteigert und das Problem der Klimaveränderung langfristig gelöst wird.

Die Mär vom ausster­ben­den Eisbär

Die Ansicht, dass uns eine Kli­makatas­tro­phe bevorsteht, ist weit verbreitet. Sie wird genährt von Politikern wie Al Gore, die den Klimawandel als wichtigstes Problem unserer Zeit bezeichnen. Die Prophezeiung fällt apoka­lyp­tisch aus: Ändern wir nicht drastisch unsere Lebens­ge­wohn­heiten, droht uns ein Rückfall ins Mittelalter. Als Symbol dieser Apokalypse dient der Eisbär, dessen Lebensraum – die Eisschollen – wegschmilzt. Al Gore zitiert eine Studie, wonach Eisbären neuerdings häufiger ertrinken, und der World Wide Fund for Nature (WWF) erwartet, dass die Tiere bald aussterben werden. Das mag plausibel klingen – aber es stimmt nicht. Die Studie, die den Aussagen zugrunde liegen, hat nur bei ein oder zwei der 20 Un­ter­pop­u­la­tio­nen von Eisbären Rückgänge verzeichnet, und das aus­gerech­net in den Gebieten, in denen es kälter – nicht wärmer – geworden ist. Insgesamt hat die Eisbären­pop­u­la­tion dagegen sogar zugelegt, vor allem weil die Jagd eingeschränkt wurde. Gab es in den 60er Jahren rund 5000 Eisbären, sind es heute rund 25 000. Jedes Jahr werden 300–500 Tiere abgeschossen. Ertrunken sind lediglich vier Eisbären aufgefunden worden, und das nach einem Sturm. Aus all dem lassen sich Schlüsse ziehen, die die Kli­made­batte insgesamt kennze­ich­nen:

  • Allgegenwärtig sind Übertrei­bun­gen und emotional aufgeladene Argumente, die durch die bestehenden Daten nicht zu recht­fer­ti­gen sind. Die meisten Orakelsprüche von einer un­heil­vollen Zukunft sind schlicht zu pes­simistisch.
  • Die Konzen­tra­tion auf eine Spezies – z. B. die Eisbären – verhüllt, dass es viele andere gibt, die vom Klimawandel profitieren. Selbst wenn die Eisbären aussterben würden (wahrschein­licher ist jedoch, dass sie ihre Lebensweise an die der Braunbären anpassen), nähme insgesamt die Arten­vielfalt in den bislang lebens­feindlichen Polregionen durch die Klimaerwärmung zu statt ab.
  • Die Alarm­stim­mung verführt zu falschen Lösungen. Statt bedrohten Arten dadurch zu helfen, dass man die Jagd verbietet, dienen die Tiere als symbolische Begründung enormer An­titreib­haus­gaspro­gramme.
  • Die durch die Menschen verursachte Klimaerwärmung ist nicht das wichtigste Problem der Menschheit. Armut, Hunger und Krankheiten ließen sich mit den Billionen Dollar, die für eine künftige Klimapoli­tik vorgesehen sind, wirksam bekämpfen. Das Ziel besserer Lebens­be­din­gun­gen wäre mit anderen Maßnahmen leichter, effizienter und für mehr Menschen zu erreichen.

Hohe Tem­per­a­turen sind kein Wel­tun­ter­gang

Der Kohlen­diox­i­dan­teil in der Luft liegt heute um 36 % über dem Gehalt in der vorindus­triellen Ära der Menschheit. Das liegt an der Verbrennung fossiler Rohstoffe, die wahrschein­lich fortgesetzt werden wird – schon weil China und Indien zulegen werden. Der vom UN-Gremium IPCC (In­ter­gov­ern­men­tal Panel on Climate Change) vo­raus­ge­sagte Anstieg der globalen Durch­schnittstem­per­atur um 2,6 Grad bis ins Jahr 2100 sagt für sich allein nicht viel aus. Wussten Sie, dass dieser Anstieg vor allem die Nacht- und die Win­tertem­per­a­turen betrifft, weniger die Sommer- und Tagestem­per­a­turen? Und dass der Anstieg in kalten und gemäßigten Klimazonen höher ausfällt als in den ohnehin schon warmen Tropen? Schon im 20. Jahrhundert beschränkten sich drei Viertel der win­ter­lichen Tem­per­aturzu­nahme auf Sibirien und das nord­west­liche Nordamerika. All das klingt deutlich weniger dramatisch als die Be­haup­tun­gen, die mit jeder som­mer­lichen Hitzewelle durch die Medien geistern. Von Zehn­tausenden Todesopfern ist dann die Rede oder von künftig un­be­wohn­baren Kontinenten. Die Prognose von mehr Hitzewellen hat aber eine angenehme Kehrseite: Es wird weniger Kältewellen geben – und damit weniger Kältetote. In Europa fallen der Hitze jährlich rund 200 000 Menschen zum Opfer, der Kälte dagegen 1,5 Millionen. Selbst in der warmen Stadt Athen sterben fast sechsmal mehr Menschen an Kälte als an Hitze. Durch den Klimawandel ist daher mit sinkenden Todesraten zu rechnen. In den Großstädten ist die Temperatur auch wegen der wärme­spe­ich­ern­den Bebauung stark angestiegen. Eine wirksame Gegenmaßnahme wäre das Anlegen von Parks und Wasserflächen und ein weißer Anstrich von Häusern und Straßen. Damit ließe sich die Temperatur vor Ort mindestens um so viele Grad Celsius senken, wie als Anstieg vorherge­sagt werden.

Das Ky­oto-Pro­tokoll ist keine Lösung

Würden die Staaten alle Verpflich­tun­gen, die sie mit dem Ky­oto-Pro­tokoll eingegangen sind, tatsächlich erfüllen, wäre für das Klima kaum etwas gewonnen. Die Temperatur wäre im Jahr 2100 nur um 0,18 Grad niedriger als ohne Ky­oto-Pro­tokoll. Anders gesagt: Der Tem­per­at­u­ranstieg würde sich lediglich um fünf Jahre verschieben. Angesichts dieses dürftigen Nutzens stellt sich die Frage, ob die für den Klimaschutz aufzuwen­den­den Mittel nicht effizienter eingesetzt werden könnten. Kyoto kostet jährlich bis zu 180 Milliarden Dollar, im Verlauf dieses Jahrhun­derts wären das mehr als fünf Billionen Dollar. Allerdings ergibt sich nur ein Nutzen von 34 Cent je aus­gegebenem Dollar. Ein schlechtes Geschäft. Sinnvoll wäre dagegen eine lediglich leichte Reduzierung der Emissionen: Die ersten Maßnahmen sind am einfachsten umzusetzen und bringen am meisten.

Hungerbekämpfung hilft den Menschen mehr

Laut Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion (WHO) sterben bereits heute in den En­twick­lungsländern Jahr für Jahr rund 150 000 Menschen an den Folgen des Kli­mawan­dels. Bei dieser Rechnung wurde allerdings die sinkende Zahl der Kältetoten un­ter­schla­gen. Und der Klimawandel ist nicht das drängendste Problem der Menschheit: In der Dritten Welt sterben jährlich vier Millionen Menschen an Unterernährung, drei Millionen an Aids, zweieinhalb Millionen an Luftver­schmutzung und je zwei Millionen an unsauberem Trinkwasser und Mangel an Spurenele­menten. Ökonomen haben im „Kopen­hagener Konsens“ beziffert, welche Kosten und welchen Nutzen die Lösung der wichtigen Men­schheit­sprob­leme jeweils bringen würde. Die Rangliste der ef­fek­tivsten Maßnahmen führt die Bekämpfung von Aids an: Jeder für Kondome und Aufklärung investierte Dollar stiftet einen Nutzen von 40 $. Das ist der monetäre Gegenwert der sinkenden Todesrate und der geringeren sozialen Probleme. Auf der Maßnahmenliste folgen der Kampf gegen den Spurenele­mente­man­gel und gegen Malaria, die Lib­er­al­isierung der Agrarmärkte sowie die Erforschung land­wirtschaftlicher Tech­nolo­gien. Immer bringen die In­vesti­tio­nen ein Mehrfaches dessen ein, was sich als Nutzen aus dem Kampf gegen den Klimawandel einstellen würde.

„Die globale Erwärmung ist eine Tatsache; ihre Kon­se­quen­zen sind weitre­ichend und größtenteils negativ.“

Nicht alle Klimafolgen sind verheerend

  • Schmelzende Gletscher: Die Eismassen in den Bergen haben sich immer wieder ausgedehnt und wieder zurückgezogen. Doch selbst wenn das derzeitige Abschmelzen vieler Gletscher auf die von Menschen gemachte Erwärmung zurückzuführen ist, so hat dies den Vorteil, dass die größere zur Verfügung stehende Wassermenge zur land­wirtschaftlichen Produktion verwendet und Wasserrück­hal­tesys­teme für den Regen errichtet werden können. Das wäre besser als die Aufrechter­hal­tung der Illusion, Schnee auf dem Kil­i­mand­scharo sei leben­snotwendig. Al Gore spricht von einem Anstieg des Meer­esspiegels um sechs Meter, verursacht durch die Eisschmelze. Das ist un­re­al­is­tisch. Das IPCC erwartet rund 30 Zentimeter – so viel wie seit 1860. Auch ohne Erwärmung wird es mehr Opfer von Flutkatas­tro­phen geben, da immer Menschen an Küsten wohnen – es sei denn, wir investieren verstärkt in Dämme. Mikronesien, ein flacher Inselstaat, würde bei einem höheren Meer­esspiegel dank Küstenschutz nur 0,18 % seiner Landfläche einbüßen.
  • Wet­terex­treme: Es gibt keinen wis­senschaftlichen Konsens darüber, ob die Wirbelstürme mit der Erderwärmung tatsächlich schlimmer werden. Höhere Opferzahlen und Schadenswerte rühren bei Hurrikanen vielmehr aus der Tatsache einer dichteren Besiedlung der Küsten­streifen. Geeignete Gegenmaßnahmen sind die Abschaffung sub­ven­tion­ierter Ver­sicherun­gen fürs Wohnen in Gefahrenge­bi­eten, bessere Bebauungspläne, einfache Sturm­be­fes­ti­gun­gen und Notfallpläne.
  • Überflu­tun­gen: Mit der Klimaerwärmung werden die Niederschläge weiter zunehmen. Schon an einigen Flüssen ist es in der jüngeren Ver­gan­gen­heit zu Überflu­tun­gen gekommen, aber längst nicht an allen: Bei einigen sanken die Pegel, die meisten weisen keine Veränderungen auf. Vernünftig wäre es, auf die Bebauung in Überflu­tungs­ge­bi­eten zu verzichten und weniger Deiche zu errichten.
  • Neue Eiszeit: Der Golfstrom hat sich bislang nicht abgeschwächt, daher gibt es auch keine neue Eiszeit in Europa. Hor­rorszenar­ien, wie sie in Hol­ly­wood­fil­men dargestellt werden, sind äußerst un­wahrschein­lich.

Mehr Malaria, aber auch mehr Nieder­schlag

Die Malaria, so wird befürchtet, könnte wegen der Klimaerwärmung weiter nach Norden vorrücken. Doch die Krankheit war bereits früher in den USA und Europa weit verbreitet und konnte dank ver­schiedener Faktoren – Verstädterung, bessere Ernährung und Kranken­ver­sorgung – zurückgedrängt werden, auch trotz steigender Tem­per­a­turen. Für Afrika wären Entwässerungen, Pestizide und die Beseitigung des Hungers die besten Maßnahmen. Für die Lebens­mit­telver­sorgung wird der Klimawandel nicht so katas­trophal sein wie häufig dargestellt. Außerdem wird es für mehr Menschen als heute eine aus­re­ichende Wasserver­sorgung geben, denn vielerorts wird mehr Nieder­schlag fallen. Die Her­aus­forderung liegt vor allem in der Speicherung und Kanal­isierung des Wassers.

Prioritäten setzen

Die Fi­nanzmit­tel gegen die weitere Klimaerwärmung sollten am besten in Forschung und Entwicklung CO2-freier En­ergi­etech­nik fließen. Aus ökonomischer Sicht ist lediglich die maßvolle CO2-Re­duk­tion sinnvoll. Das Problem der derzeitigen Diskussion: Außer der Senkung des CO2-Ausstoßes werden keine anderen Konzepte diskutiert. Vorschläge wie z. B. solche zur Steigerung der Lichtre­flex­ion in der Atmosphäre werden ignoriert oder mit Häme bedacht. Die Chancen auf eine drastische Reduktion des CO2-Ausstoßes im Sinne des Ky­oto-Pro­tokolls sind un­re­al­is­tisch – und das liegt nicht nur an der starren Haltung der USA. Dort blieben die Emissionen in den letzten zehn Jahren immerhin stabil, im klimabe­wegten Europa legten sie um 4 % zu. Besser als Re­duk­tionsver­sprechen wären eine moderate CO2-Steuer und die Forschung an Öko-En­ergiequellen. Die Staaten sollten je 0,05 % ihres Brut­toin­land­spro­dukts für diese Forschung ausgeben. Das wäre ein Siebtel der Ky­oto-Kosten. Zudem müssen für jedes einzelne Problem – Überflu­tungs­ge­fahr, Malaria, Hungersnot etc. – die ef­fizien­testen Gegenmaßnahmen getroffen werden.

Über den Autor

Bjørn Lomborg ist Poli­tik­wis­senschaftler und Statistiker. Seit seinem Buch Apocalypse No! ist er als Kritiker der Umwelt­be­we­gung bekannt. Lomborg ist Direktor des Copenhagen Consenus Center und Dozent an der Copenhagen Business School.