Beruflich in Thailand

Buch Beruflich in Thailand

Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte

Vandenhoeck & Ruprecht,


Rezension

Für alle, die nicht der Strände wegen nach Thailand jetten, sondern dort arbeiten wollen, ist Beruflich in Thailand genau das richtige Buch. Um dem Leser die besonderen Hintergründe der thailändischen Lebens- und Ar­beit­skul­tur näherzubrin­gen, schlagen die Autoren wohltuend ungewöhnliche Wege ein: Im Rahmen eines Train­ing­spro­gramms wird der Lernende mit 20 Beispielen aus acht ver­schiede­nen The­men­bere­ichen kon­fron­tiert, die ihn mitten in typische Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen aus der thailändischen Geschäfts- und Arbeitswelt hineinkat­a­pul­tieren. Im Anschluss daran werden jeweils mehrere Lösungsansätze geliefert, verbunden mit der Aufgabe, jene auszuwählen, die in dem jeweiligen Kontext den größten Erfolg versprechen. Die Autoren setzen dabei nicht auf Ja/Nein-Antworten, sondern auf flexible, häufig miteinander verbundene Lösungen. So wird dem Leser durch die ver­schiede­nen Train­ingse­tap­pen hindurch allmählich ein intuitives Verständnis für das Funk­tion­ieren, für die Grenzen und Chancen der thailändischen Arbeitswelt vermittelt. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften, die für längere Zeit in Thailand tätig sein wollen.

Take-aways

  • Thailand hat sich mit­tler­weile als Wirtschafts­stan­dort einen Namen gemacht. Innerhalb der EU ist Deutschland der wichtigste Han­delspart­ner des Landes.
  • Un­ter­schiedliche Kulturen bergen ein hohes Kon­flik­t­poten­zial, erst recht, wenn sie sich so stark un­ter­schei­den wie die deutsche und die thailändische.
  • In Thailand spielen gesellschaftliche Hierarchien eine weitaus größere Rolle als in Deutschland.
  • Es gilt als ungehörig, den Chef mit seinen Problemen zu behelligen.
  • Das persönliche Ansehen und die Präsentation von Sta­tussym­bolen sind sehr wichtig.
  • Die Aufrechter­hal­tung der sozialen Harmonie spielt eine überge­ord­nete Rolle.
  • Thais passen ihr soziales Verhalten in einem besonderen Maß ihrem jeweiligen Gegenüber an.
  • Kritik an der Arbeit ist in Thailand immer auch Kritik an der Person und führt zum Gesichtsver­lust.
  • Gesichtsver­lust ist gle­ichzuset­zen mit dem Verlust der Wertschätzung des eigenen Selbst.
  • Viele Ver­hal­tensweisen sind vor dem Hintergrund des Buddhismus zu sehen, der immer noch eine starke Wirkung auf die thailändische Gesellschaft ausübt.
 

Zusammenfassung

Un­ter­schiedliche Kulturen bergen ein hohes Kon­flik­t­poten­zial

Über 400 deutsche Unternehmen haben sich bereits in Thailand angesiedelt und dazu beigetragen, dass Deutschland der wichtigste Han­delspart­ner Thailands innerhalb der Europäischen Union ist. Die Zahl der deutschen Beschäftigten in Thailand, hauptsächlich in führenden Positionen, steigt ständig. Für sie ist es von zentraler Bedeutung, die Kultur dieses exotischen Landes zu verstehen. Nur ein tieferes kulturelles Verständnis hilft zu vermeiden, dass unnötige Hindernisse aufgebaut und damit ggf. berufliche Zielset­zun­gen gefährdet werden. Ein kulturelles Training von Führungs- und Fachkräften sollte stets mit einem hohen Anteil an konkreten Fall­beispie­len einhergehen. Nur anhand solcher praktisch gewonnener Erfahrungen lässt sich ermessen, welche Konflikte im Verhältnis zwischen Thailändern und Deutschen typisch sind und wie man diese Probleme lösen kann.

„Wenn das eigene Ori­en­tierungssys­tem in einer anderen Kultur nicht mehr zu funk­tion­ieren scheint, sind Menschen verun­sichert und erleiden einen Ori­en­tierungsver­lust. Dieses Phänomen wird als ‚Kul­turschock‘ bezeichnet.“

Eine Kultur setzt sich aus ver­schiede­nen Kul­tur­stan­dards zusammen, die von der Mehrheit ihrer Angehörigen als verbindlich betrachtet werden. Diese Standards sind nicht starr, sondern durchaus zeitlichen Veränderungen unterworfen. Eine Abweichung von diesen Richtlinien, also ein Fehlver­hal­ten, wird von den anderen Mitgliedern der Gesellschaft in der Regel nur bis zu einem bestimmten Grad toleriert. Probleme entstehen häufig dann, wenn Angehörige ver­schiedener Kulturen zusam­men­tr­e­f­fen, da die meisten Menschen von der Allgemeingültigkeit ihrer eigenen Werte und Normen überzeugt sind. Verhält sich das Gegenüber auf unerwartete, untypische Weise, so wird das häufig weniger dem anderen kulturellen Hintergrund als vielmehr dem persönlichem Charakter zugeschrieben. Entsprechend besteht immer wieder die Gefahr, dass man sich in einer fremden Kultur fremd oder missver­standen fühlt. Treten solche Situationen gehäuft auf, kann es zu einem regel­rechten Kul­turschock kommen. Dieser geht oft mit einem sozialen Rückzug und einer mentalen Abwertung der Umgebung einher – ein Gefühl, das sich innerhalb eines Un­ternehmens fatal auswirken kann. Um einen solchen Kul­turschock zu vermeiden oder zumindest zu mildern, ist es von Vorteil, sich bereits im Voraus mit typischen Konflikten au­seinan­derzuset­zen.

Hierarchien

In Thailand spielen Hierarchien eine erheblich größere Rolle als z. B. in Deutschland. Position und Bedeutung einer Person müssen in jeder Art von Beziehung beachtet werden. Wenn Thailänder nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben, verhalten sie sich in der Regel passiv. Dies gilt vor allem bei der Vorstellung neuer Mitarbeiter. In dieser Hinsicht ist auch die Rolle der Frau in der thailändischen Gesellschaft zu berücksichtigen: Das weibliche Geschlecht wird noch häufig als dem männlichen nachgestellt angesehen. Aber auch in Thailand findet in dieser Beziehung momentan ein gesellschaftlicher Wandel statt. Die Grundlagen für das streng hi­er­ar­chis­che System wurden bereits in dem früheren Königreich Siam gelegt. Bestandteil des so genannten Sak­d­ina-Sys­tems war ein bestimmter Ver­hal­tenskodex, der von der Nutzung eines fest­gelegten Vokabulars bis hin zur Körperhaltung reichte. Dieser Kodex wurde von jedem einge­fordert, sobald er Kontakt zu einer höhergestell­ten Person hatte.

Patrone und Klienten

In Thailand herrscht ein sehr tra­di­tionelles Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Ar­beit­nehmer, zwischen Chef und Mi­tar­beit­ern vor. Auf Mi­tar­beit­er­seite gilt es, den Chef möglichst nicht mit alltäglichen Ar­beit­sauf­gaben zu belasten, was gerade im Bereich der Mi­tar­beit­erkom­mu­nika­tion zu erheblichen Problemen führen kann. Ein thailändischer Mitarbeiter tut in der Regel lieber nichts, als dass er Gefahr läuft, etwas Falsches zu tun und sich damit den Zorn seines Chefs zuzuziehen. Für den Vorge­set­zten ist es daher wichtig, regelmäßig nachzufra­gen, ob es Probleme bei den anfallenden Aufträgen gibt. Tut er das nicht, kann es passieren, dass Aufgaben liegen gelassen werden, vor allem dann, wenn der Mitarbeiter sich damit überfordert fühlt. Vorsicht vor einem allzu kollegialen Führungsstil: Dieser wird von thailändischen Mi­tar­beit­ern leicht missver­standen und führt häufig dazu, dass sie den Chef als führungss­chwach oder fachlich inkompetent betrachten. Thailändische Mitarbeiter erwarten von ihrem Chef, dass er alles weiß und sich in allen Fragen umsichtig und entschei­dungs­freudig verhält. Er ist es schließlich, der die gesamte Ve­r­ant­wor­tung in Händen hält und die Richtung vorgibt. Die Beziehung zwischen dem Chef und seinen Angestell­ten lässt sich am besten als Pa­tron-Klient-Verhältnis beschreiben. Dieses ist tief in der thailändischen Kultur verankert und findet sich an ver­schiede­nen Stellen der Gesellschaft wieder, wobei sich die Regeln gleichen. Von den Klienten wird totale Rück­sicht­nahme und Unterwürfigkeit einge­fordert. Der Patron hingegen muss ve­r­ant­wortliche Entschei­dun­gen treffen und sich gegenüber seinen Klienten wie ein Fam­i­lienober­haupt verhalten.

Status und Prestige

Das starre hi­er­ar­chis­che System der thailändischen Gesellschaft drückt sich auch in der Kleidung aus. Jemand mit Fach- bzw. Führungsver­ant­wor­tung sollte auf jeden Fall die tra­di­tionelle Klei­derord­nung einhalten und vor allem darauf achten, sich nicht zu leger anzuziehen. Besonders auf die Schuhpflege ist zu achten (keine Sandalen!), denn die Füße zählen für die Thais zu den schmutzigen Körperteilen. Aufmerk­samkeit erfordert auch der Umgang mit den thailändischen Behörden. Verzögert sich die Bearbeitung von Anträgen oder die Erledigung von Ver­wal­tungsauf­gaben, so wirkt ein Präsent bei dem zuständigen Beamten oft Wunder. Solche Geschenke gelten nicht als Korruption, sondern eher als Achtung vor dem entsprechen­den Status. Sie helfen zudem, eine gewisse soziale Schieflage zu beheben, denn Beamte werden in Thailand in der Regel schlecht bezahlt. Im Übrigen gilt: Hat jemand eine Macht­po­si­tion inne, so ist er nach Auffassung der Thailänder auch legitimiert, die daraus entsprin­gen­den Vorteile zu nutzen.

Harmonie (Jai Yen)

Thailänder prak­tizieren eine vollkommen andere Art der Problembewältigung, als sie beispiel­sweise in Deutschland üblich ist. Ein har­monis­ches Miteinander gilt als hoher Wert, Beziehungen sollen nicht von Problemen belastet werden. Probleme jeglicher Art obliegen der eigenen Ve­r­ant­wortlichkeit; darüber zu viel und zu deutlich zu reden, wird als Belastung für die Mitmenschen betrachtet. In der Praxis erweist es sich daher für die besonders prob­lem­be­wussten Deutschen als schwierig, Konflikte, Missstände usw. zu the­ma­tisieren. Das Aufrechter­hal­ten der zwis­chen­men­schlichen Harmonie, die Kon­flik­tver­mei­dung spiegelt sich in dem Wertbegriff Jai Yen (kühles Herz) wider. Zu Jai Yen gehören u. a. das Zeigen von Respekt, Fre­undlichkeit, zuweilen sogar Unterwürfigkeit gegenüber anderen.

Bunkhun-Beziehun­gen

Die Pflege zwis­chen­men­schlicher Beziehungen am Ar­beit­splatz ist in Thailand von hoher Bedeutung, besonders wenn man als Vorge­set­zter von seinen Angestell­ten die eine oder andere Son­der­leis­tung verlangt. Überstunden sollten Sie in jedem Fall honorieren. Vermeiden Sie Nachrichten auf Zetteln und tragen Sie Ihre Mit­teilun­gen stattdessen im persönlichen Gespräch vor. Auch die Essens- oder Ge­bet­szeiten sollten Sie re­spek­tieren. Zu den zentralen Begriffen im Wertekanon der thailändischen Gesellschaft gehört „Bunkhun“. Es bedeutet so viel wie „geschuldete Güte“, bezeichnet also die Notwendigkeit, eine empfangene Hilfe- oder Unterstützungsleis­tung irgendwann durch einen ver­gle­ich­baren Dienst zu erwidern. Diese Verpflich­tung ist u. a. religiös motiviert. Das Nicht­be­fol­gen solcher Pflichten geht nach Auffassung der Thais immer mit schlechtem Karma einher.

Indirekte Kom­mu­nika­tion

Für den typischen Deutschen zeichnet sich ein pro­fes­sioneller Kom­mu­nika­tion­sstil vor allem durch Direktheit, Klarheit und logische Ein­deutigkeit aus. In Thailand wird dagegen eher auf einer indirekten Ebene kom­mu­niziert. Durch ein offenes Nein, eine direkte Ablehnung von Vorschlägen des Gesprächspartners fürchtet man diesen zu verletzen. Allein schon um Enttäuschungen zu vermeiden, ist es für Ausländer wichtig, hinter der fre­undlichen Grund­hal­tung die eigentliche Antwort zu erkennen. Die Regeln dieser indirekten Kom­mu­nika­tion gelten auch für den Austausch von Gefälligkeiten, die schon mal den Beigeschmack der Korruption haben können. Auch wenn der Gesprächspartner indirekt, beispiel­sweise als Gegen­leis­tung für einen zu vergebenden Auftrag, um solche Gefälligkeiten bittet, sollten Sie freundlich und positiv darauf reagieren, ganz gleich für welche Option Sie sich schließlich entscheiden. So kann man häufig sein Ziel erreichen, ohne den erwünschten Gefälligkeiten im vollen Umfang nachzukom­men.

Selb­st­wer­to­ri­en­tierung

In allen Aspekten der Kom­mu­nika­tion zwischen dem Vorge­set­zten und seinen Mi­tar­beit­ern sind Disziplin und Be­herrschung angebracht. So sollten Sie z. B. mit Körperkontakt in Thailand sehr vorsichtig umgehen. Gerade Berührungen am Kopf, der als edelster Körperteil gilt, sind verpönt. Mit Kritik an Mi­tar­beit­ern, zumal mit öffentlicher, sollte sehr dosiert umgegangen werden. Deutliche oder gar schroff geäußerte Kritik in der Öffentlichkeit führt zu einem Gesichtsver­lust des Ange­sproch­enen, was sich u. U. auch in nach­lassender Ar­beit­sleis­tung wider­spiegeln kann. Mit Be­hut­samkeit gelangen Sie oft besser und schneller ans Ziel. Auch bei einem eindeutigen, ja selbst bei einem kriminellen Fehlver­hal­ten sollten Sie in der Behandlung der Mitarbeiter einen kühlen Kopf bewahren. Wird ein Angestell­ter beispiel­sweise bei einem Diebstahl ertappt, so machen Sie daraus, wenn möglich, keine öffentliche An­gele­gen­heit, sondern versuchen Sie, die Dinge intern zu regeln. Fühlt sich ein Thai nämlich auf diese Weise bloßgestellt, kommt dies einem totalen Gesichtsver­lust gleich. Um sich dagegen zu wehren, reagieren Thais häufig übermäßig aggressiv, zuweilen sogar mit gewalttätigen Handlungen, denn von diesem Zeitpunkt an haben sie buchstäblich nichts mehr zu verlieren und können evtl. aufkeimenden Rachegefühlen freien Lauf lassen.

Flexibilität (Mai Pen Rai)

Flexibilität spielt in der thailändischen Kultur im Vergleich zur deutschen eine deutlich größere Rolle. Das Schmieden de­tail­lierter Pläne wird in der Regel vermieden, da man dem Zufälligen, Un­vorherge­se­henen im Leben einen größeren Stellenwert einräumt. Als Führungskraft sollten Sie daher eher darauf verzichten, Ihren Mi­tar­beit­ern allzu starre Pläne vorzugeben. Flexibilität prägt auch das thailändische Verhältnis zur Zeit. Unpünktlich zu sein, ist an der Tage­sor­d­nung, da man dem Faktor Zeit eine deutlich geringere Wertschätzung beimisst, als es beispiel­sweise in der deutschen Kultur der Fall ist. Hintergrund ist der Glaube an die Wiederge­burt, die Tatsache also, dass man die Möglichkeit hat, bestimmte Dinge auch noch im nächsten Leben zu tun. Damit verbunden ist das Gefühl, für alles mehr als genug Zeit zu haben. Deutsche sollten versuchen, mit dieser Kultur zu leben. Ist Pünktlichkeit im Rahmen eines Termins von besonderer Wichtigkeit, dann sollten Sie Ihre Mitarbeiter noch einmal gesondert darauf hinweisen. So schaffen sie unangenehme Situationen von vornherein aus der Welt. Der Ausspruch „Mai Pen Rai“ („Das macht doch nichts“) ist der beze­ich­nende Ausdruck dieser thailändischen Flexibilität. Dazu zählt auch eine Art von Prag­ma­tismus, der der Loyalität zwischen Chef/Patron und Mitarbeiter/Klient auf den ersten Blick zu wider­sprechen scheint. Sieht ein thailändischer Mitarbeiter die Möglichkeit, sein Gehalt aufzubessern, so wird er diese in aller Regel auch wahrnehmen, indem er z. B. einen personellen Engpass seines Un­ternehmens ausnutzt. Normen, Prinzipien, die Rücksicht auf feste Werte – all das ist in der thailändischen Gesellschaft nicht von her­aus­ra­gen­der Bedeutung. Man versucht vielmehr sich immer den Umständen anzupassen und einen möglichst gangbaren Weg zu wählen.

Über die Autoren

Annegret Grotzke ist Dipl.-Psy­cholo­gin und Lehrerin bei der Stiftung Sozialpädagogisches Institut Walther May in Berlin. Anke Kleff, ebenfalls Dipl.-Psy­cholo­gin, ist als Beraterin für eine in­ter­na­tionale Per­son­ala­gen­tur mit Sitz in Barcelona tätig. Prof. em. Dr. Alexander Thomas lehrte bis 2005 an der Universität Regensburg, Abteilung Sozialpsy­cholo­gie und Or­gan­i­sa­tion­spsy­cholo­gie, und gehört zu den Gründungsmit­gliedern des Instituts für Ko­op­er­a­tions­man­age­ment (IKO).