Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie

Buch Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie

London, 1687
Diese Ausgabe: Academia Verlag,


Worum es geht

Die Begründung des natur­wis­senschaftlichen Weltbilds

Bewegung war das Thema Nummer eins der Philosophie und Natur­wis­senschaft (die damals noch eins waren) im 17. Jahrhundert. Wie kommt es, dass ein geworfener Stein sich nach dem Wurf nicht immer weit­er­be­wegt, sondern auf den Boden fällt? Und welche Kraft sorgt dafür, dass die Planeten und Kometen sich so gleichmäßig durchs All bewegen? Dass es für beide Fragen eine math­e­ma­tis­che Antwort geben musste, galt als sicher. Und dass auf beide vielleicht sogar dieselbe Antwort gegeben werden konnte, ahnten viele. Galileo Galilei hatte anhand seiner Experimente das erste Phänomen beschrieben und es mit seinen Berech­nun­gen erklärt. Johannes Kepler hatte gezeigt, dass es auch für das zweite Phänomen klare Gesetzmäßigkeiten gibt. Erst Isaac Newton aber gelang es, Galileis und Keplers Erken­nt­nisse zu einer einzigen Theorie zu vereinen und beide Phänomene auf einen Schlag zu erklären: Die Gravitation sorgt dafür, dass der Stein auf den Boden fällt und dass die Planeten auf ihrer Umlaufbahn gehalten werden. Die Durch­schlagskraft von Newtons Theorie war enorm; sie wurde 200 Jahre lang als gültig betrachtet. Erst Einstein konnte sie im wahrsten Sinne des Wortes „rel­a­tivieren“.

Take-aways

  • Die Math­e­ma­tis­chen Grundlagen der Natur­philoso­phie sind das Hauptwerk Isaac Newtons. Es wird oft auch einfach Principia genannt.
  • Inhalt: Aufgrund der drei Be­we­gungs­ge­setze, einiger philosophis­cher Leitsätze und der Beobachtung der Natur lässt sich beweisen, dass es die Schwerkraft ist, die dafür sorgt, dass Dinge auf den Boden fallen und dass die Planeten um die Sonne kreisen.
  • Newton vereint in seiner Grav­i­ta­tion­s­the­o­rie Galileis Erken­nt­nisse zur Bewegung und Keplers Forschungen zu den Plan­eten­be­we­gun­gen.
  • Für ihn muss jede wis­senschaftliche Hypothese durch Erfahrung oder Experimente beweisbar sein. Was den empirischen Daten wider­spricht, muss verworfen werden.
  • Newtons bahn­brechende Erken­nt­nisse sicherten ihm schon zu Lebzeiten Weltruhm. Er gilt bis heute als einer der be­deu­tend­sten Math­e­matiker und Physiker aller Zeiten.
  • Newton bekämpfte sowohl die Scholastik als auch den Ra­tio­nal­is­mus: Weder wis­senschaftliche Autoritäten noch reines Denken sind Garanten der Erkenntnis.
  • Newtons Theorie war bis Anfang des 20. Jahrhun­derts für die Natur­wis­senschaften bestimmend und wurde erst von Einsteins Relativitätstheorie abgelöst.
  • Neben der Mathematik und Physik beschäftigte sich Newton im Geheimen mit Alchemie.
  • Er hatte einen schwierigen Charakter und setzte sich mitunter auf unfeine Art gegen wis­senschaftliche Konkur­renten durch.
  • Zitat: „Der Mond ist zur Erde hin schwer, und durch die Grav­i­ta­tion­skraft wird er beständig von der ger­adlin­i­gen Bewegung zurückgezogen und auf seiner Bahn zurückgehalten.“
 

Zusammenfassung

De­f­i­n­i­tio­nen

Die Menge der Materie oder die Masse eines Gegenstands ergibt sich aus dem Produkt seiner Dichte und seines Volumens. Mul­ti­pliziert man die Masse eines Gegenstands mit seiner Geschwindigkeit, ergibt sich seine Bewegung. Jeder Körper wird von einer ihm in­newohnen­den Kraft in Ruhe oder in einer gleichförmigen Bewegung gehalten, die nur von einer äußeren, auf ihn ein­wirk­enden Kraft verändert werden kann. Eine solche einwirkende Kraft wird, wenn sie Körper von allen Seiten zu einem Mittelpunkt hinzieht, Zen­tripetalkraft genannt. Zu dieser Art von Kraft zählen z. B. die magnetische Anziehungskraft oder die Schwerkraft. Und solcher Art ist auch die Kraft, die im Folgenden gefunden werden soll: jene nämlich, durch die die Planeten auf ihren Um­lauf­bah­nen gehalten werden. Eine solche Kraft muss existieren, da sich die Planeten ohne sie wie ein geschleud­erter Stein auf einer geraden Bahn durch den Weltraum bewegen würden.

„Gesetz I: Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig-ger­adlin­i­gen Bewegung, sofern er nicht durch eingedrückte Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“ (S. 65)

Bezüglich der benutzten Begriffe ist festzuhal­ten, dass ihre math­e­ma­tis­che Bedeutung nicht immer mit unserer landläufigen Auffassung übere­in­stimmt. In alltäglicher Verwendung sind die Begriffe Raum, Zeit, Ort und Bewegung relative Einheiten, relativ zur Erde oder unserem Empfinden. In der Mathematik werden sie jedoch als absolute Quantitäten verstanden. Wenn sich z. B. ein Schiff auf einem Teil der Erde, der sich mit 10 010 Geschwindigkeit­sein­heiten nach Osten bewegt, mit zehn Geschwindigkeit­sein­heiten nach Westen bewegt, während ein Seemann auf dem Schiff mit einer Geschwindigkeit­sein­heit nach Osten geht, so beträgt seine Geschwindigkeit absolut gesehen 10 001 Geschwindigkeit­sein­heiten nach Osten, relativ zur Erde gesehen aber neun Geschwindigkeit­sein­heiten nach Westen. Diese relativen, alltäglichen Auf­fas­sun­gen von Raum, Zeit oder Bewegung beruhen auf unserer Wahrnehmung und erleichtern uns das Verständnis der uns umgebenden Welt. Die math­e­ma­tis­chen Einheiten dagegen können nicht durch Wahrnehmung erkannt werden – schließlich können wir weder den absoluten Raum noch die absolute Zeit sinnlich erfahren.

Erstes Gesetz der Bewegung

Jeder Körper verharrt im Prinzip in völliger Ruhe oder in einer gleichförmigen Bewegung. Jede Änderung dieses Zustands wird von außen verursacht. Das lässt sich anhand des Beispiels eines Geschosses erläutern: Eine Kugel, die abgefeuert wird, würde sich ohne äußere Einwirkung in einer geraden Linie immer weiter von der Erde entfernen. Allerdings wird die Bahn der Kugel auf der Erde tatsächlich durch zwei Kräfte beeinflusst, und zwar so, dass die Kugel statt einer geraden Linie eine Parabel beschreibt: Zum einen wird ihre Bewegung durch den Luftwider­stand gebremst, zum anderen zieht die Schwerkraft sie zu Boden. Anders verhält es sich bei den Kometen und Planeten: Sie bewegen sich in Räumen, in denen sie weniger stark beeinflusst werden; deshalb behalten sie ihre Bewegung für längere Zeit bei.

Zweites Gesetz der Bewegung

Eine von außen auf einen Körper einwirkende Kraft veranlasst ihn, sich auf einer geraden Linie von seinem Ur­sprung­sort zu entfernen. Die Bewegung verhält sich dabei pro­por­tional zur ein­wirk­enden Kraft: Ist die Kraft um das Doppelte stärker, ist die Bewegung ebenfalls um das Doppelte größer; die dreifache Kraft erzeugt die dreifache Bewegung usw. War der Körper schon vor der Einwirkung in Bewegung, können drei ver­schiedene Fälle eintreten: Wenn die einwirkende Kraft den Körper in dieselbe Richtung bewegt, in die er sich zuvor bewegte, ergibt sich seine neue Bewegung aus der Summe beider Bewegungen. Sind die Bewegungen ent­ge­genge­setzt, müssen sie voneinander abgezogen werden. Bilden die beiden Bewegungen einen Winkel, wird der Körper in diesem Winkel von seiner Bahn abgelenkt.

Drittes Gesetz der Bewegung

Wenn ein Körper auf einen anderen einwirkt, gilt immer auch die Umkehrung: Der zweite wirkt ebenso auf den ersten ein. Wenn also ein Körper einen anderen drückt oder zieht, reagiert dieser mit einer bestimmten Rückwirkung, die ebenfalls drückt oder zieht. Ein Pferd, das einen Stein aus dem Feld ziehen soll, wird auch von diesem Stein zurückgezogen. Zieht man das zweite Gesetz sowie die eingangs erwähnten De­f­i­n­i­tio­nen hinzu, lässt sich folgendes Beispiel kon­stru­ieren: Zunächst seien die Massen und die Geschwindigkeiten von zwei Körpern wie folgt gegeben. Die Körper A und B bewegen sich in dieselbe Richtung, wobei A dreimal so groß ist wie B. Zudem sei angenommen, dass A sich mit zwei Geschwindigkeit­sein­heiten bewegt, B mit zehn. Nun lassen sich die Bewegungen der beiden Körper berechnen: Es ergibt sich ein Verhältnis der Bewegungen von A zu B wie 6 : 10. Wenn nun B auf A trifft und A durch den Zusammenstoß z. B. drei Be­we­gung­sein­heiten gewinnt, wird B ebenso viele Einheiten verlieren. A setzt seinen Kurs nun also mit neun Einheiten fort, während B sich nur noch mit sieben bewegt.

„Gesetz II: Die Bewegungsänderung ist der eingedrückten Be­we­gungskraft pro­por­tional und geschieht in der Richtung der geraden Linie, in der jene Kraft eindrückt.“ (S. 65)

Mithilfe der geometrischen Methode lassen sich auch schwierige Fälle, in denen z. B. Körper ungleichmäßig sind oder sich auf winkligen Bahnen bewegen, genau berechnen. Zudem kann man alle erwähnten Gesetze und Verhältnisse anhand von Pen­delver­suchen empirisch nachweisen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass man mit diesen Versuchen nur dann zu klaren, den the­o­retis­chen Erken­nt­nis­sen entsprechen­den Ergebnissen kommt, wenn man den Luftwider­stand und die elastischen Eigen­schaften der im Versuch benutzten Gegenstände berücksichtigt. Diese Eigen­schaften lassen sich jedoch durch vorab durchgeführte Versuche eliminieren.

Zen­tripetalkraft

Wenn ein Körper auf einer kreisförmigen Bahn einen Mittelpunkt umläuft, muss es eine Zen­tripetalkraft geben, die ihn auf dieser Bahn hält. Diese Kraft wirkt immer entlang der Geraden, die vom Mittelpunkt zum jeweiligen Standort des Körpers gezogen werden kann. Diese Radien sowie die Um­laufzeiten und die Geschwindigkeiten der Körper sind die entschei­den­den Messgrößen für die Zen­tripetalkraft.

Philosophis­che Leitsätze

Aus den dargestell­ten Theoremen lassen sich Erklärungen über das Gefüge der Welt herleiten. Dabei müssen vier Leitsätze des Philoso­phierens beachtet werden.

  1. Zur Erklärung von Naturphänomenen sollten nur als wahr erkannte und hin­re­ichende Ursachen angenommen werden. Zusätzliche und überflüssige Ursachen gilt es zu vermeiden.
  2. Gleiche Ursachen müssen immer gleiche Wirkungen haben.
  3. Wenn eine Eigenschaft weder gesteigert noch reduziert werden kann und wir sie an allen Körpern entdecken können, die wir kennen, dann muss es sich um eine Eigenschaft handeln, die tatsächlich auf alle Körper zutrifft. Zu diesen Eigen­schaften zählen Be­weglichkeit, Aus­gedehn­theit, Härte und Un­durch­dringlichkeit. Zudem erkennen wir, dass alle Körper gegen die Erde schwer sind, also der Schwerkraft unterliegen. Sollte sich her­ausstellen, dass auch die Planeten un­tere­inan­der und zur Sonne hin schwer sind, können wir folgern, dass die Schwere eine weitere Eigenschaft ist, die alle Körper besitzen.
  4. Allgemeine Lehrsätze, die auf der Beobachtung von Na­tur­erschei­n­un­gen basieren, haben einen größeren Anspruch auf Wahrheit als bloße Hypothesen. Die Lehrsätze sollen deshalb so lange als die beste Erklärung der Na­tur­erschei­n­ung gelten, bis sie aufgrund neuer Beobach­tun­gen abgeändert oder widerlegt werden müssen.

Natur­wis­senschaftliche Beobach­tun­gen

Aus den Beobach­tun­gen der Astronomen geht hervor, dass das Verhältnis der Um­laufzeiten der Planeten um die Sonne zu ihrem Abstand zum Mittelpunkt derselben eineinhalb beträgt. Aus den Be­we­gungs­ge­set­zen und den anderen er­ar­beit­eten Erken­nt­nis­sen ergibt sich, dass die Zen­tripetalkraft, die die Planeten auf ihren Bahnen hält, in Beziehung zur Sonne steht und sich umgekehrt pro­por­tional zu den Quadraten ihrer Abstände von deren Mittelpunkt verhält. Das Gleiche gilt auch für die Kraft, die den Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde hält.

„Gesetz III: Der Einwirkung ist die Rückwirkung immer ent­ge­genge­setzt und gleich, oder: Die Ein­wirkun­gen zweier Körper aufeinander sind immer gleich und wenden sich jeweils in die Gegen­rich­tung.“ (S. 65)

Die Beobach­tun­gen des Mondes zeigen, dass dieser gegen die Erde schwer ist. Durch diese Schwerkraft wird er von seiner ger­adlin­i­gen Bahn dauerhaft abgelenkt und auf seiner Umlaufbahn um die Erde gehalten. Aus der Erkenntnis, dass es sich bei der gesuchten Zen­tripetalkraft im Fall des Mondes um die Schwerkraft handelt, sowie aus den Be­we­gungs­ge­set­zen und den philosophis­chen Leitsätzen ergibt sich, dass alle Planeten gegeneinan­der und gegen die Sonne schwer sind. Außerdem lässt sich folgern, dass es diese Schwerkraft ist, die die Planeten auf ihren Bahnen hält. Dass es zwischen den Himmelskörpern neben der Schwerkraft der Sonne auch wech­sel­seit­ige Bee­in­flus­sun­gen gibt, ist eine Konsequenz des dritten Gesetzes und wird durch Beobach­tun­gen bestätigt. So bee­in­flussen sich z. B. Jupiter und Saturn, sobald sie sich auf ihren Bahnen annähern. Noch viel deutlicher zeigt sich die wech­sel­seit­ige Bee­in­flus­sung am Beispiel der Erde, der Sonne und des Mondes.

Schwerkraft

Wir können also festhalten, dass tatsächlich alle Körper schwer sind. Die Schwerkraft ist vom Abstand abhängig, den ein Körper zum Mittelpunkt des Planeten hat. Die Schwerkraft verhält sich pro­por­tional zur Masse des Körpers: Bei gleichem Abstand zum Mittelpunkt ist also ein Körper mit doppelt so viel Masse wie ein anderer auch doppelt so schwer.

„Und die Bewegung des entlang einer beliebigen Hor­i­zon­talen geworfenen Körpers setzt sich zusammen aus derjenigen, die aus dem Wurf entsteht, und der von der Schwere herk­om­menden Bewegung.“ (S. 73)

Auf der Erde lässt sich beobachten, dass fallende Körper durch den Widerstand der Luft oder anderer Gase gebremst werden. Pumpt man die Luft aus einem Glaskörper heraus, stellt man fest, dass alle Körper, egal wie sie beschaffen sind, gleich schnell auf den Boden fallen. Selbst eine Feder und ein Goldklumpen fallen mit gleicher Geschwindigkeit. Da es – so kann man annehmen – im Weltraum weder Luft noch andere Gase gibt, können sich die Planeten ohne Widerstand durch das All bewegen und auf diese Weise ihre Bewegung bei gle­ich­bleiben­der Geschwindigkeit sehr lange beibehalten.

Die Äthertheorie ist falsch

Die Tatsache, dass die Planeten um die Sonne kreisen, wird von einigen mithilfe der Äthertheorie erklärt: Sie besagt, das gesamte All sei mit einem sehr feinen, alles durch­drin­gen­den Stoff, dem Äther, angefüllt; dieser bilde Wirbel, auf denen er die Planeten um die Sonne trage. Die Beobach­tun­gen der Astronomen und die soeben gefundenen Gesetze und Kausalzusam­menhänge bringen die Verfechter der Theorie jedoch in Bedrängnis: Beispiel­sweise lässt sich mit der Äthertheorie nicht erklären, warum Kometen die Um­lauf­bah­nen der Planeten mitunter kreuzen. Sie können ja nicht ebenfalls von Wirbeln getragen werden, weil sich dann Planeten und Kometen heftig bee­in­flussen müssten, was sie nicht tun. Durch die Schwerkraft können jedoch alle Phänomene in Einklang gebracht und vollständig erklärt werden. Also ist es absolut unnötig, eine weitere Ursache wie den Äther anzunehmen.

„Die Kräfte, durch die die inneren Planeten beständig von ger­adlin­i­gen Bewegungen zurückgezogen und in ihren Kreisbahnen zurückgehalten werden, stehen in Beziehung zur Sonne und verhalten sich umgekehrt wie die Quadrate ihrer Abstände von deren Mittelpunkt.“ (S. 158)

Nachdem die Wirkungen der Schwerkraft auf der Erde und im Weltraum gefunden und erläutert wurden, fehlt nur noch die Erklärung der Schwere an sich. Die Na­tur­erschei­n­un­gen geben aber keinen Hinweis auf die Ursache der Schwere, und nach dem vierten philosophis­chen Leitsatz wäre es unsinnig, nur eine Hypothese aufzustellen. Daher soll die Frage, warum es Schwerkraft gibt und warum sie die spez­i­fis­chen Eigen­schaften besitzt, die an ihr fest­gestellt wurden, bis auf Weiteres un­beant­wortet bleiben.

Der göttliche Ursprung des Systems

Die Planeten werden, wie gezeigt, von der Zen­tripetal- oder Schwerkraft auf ihren Um­lauf­bah­nen gehalten. Eine so durchdacht geordnete Welt kann nicht durch bloßen Zufall oder Schicksal entstanden sein. Es gibt nur eine Erklärung für die Entstehung dieser Ordnung: Die präzise Anordnung der Planeten muss von einem in­tel­li­gen­ten, allmächtigen Wesen geschaffen worden sein. Nur Gott ist in der Lage, ein derart perfektes System zu entwerfen. Also ist Gott der wahre Herrscher der Welt. Aus dieser Einsicht folgt, dass er lebendig, allwissend, allmächtig, ewig und unendlich ist. Als ewige und unendliche Substanz ist er immer und überall, bleibt jedoch seinerseits von den Bewegungen der Körper un­bee­in­flusst und leistet ihnen keinen Widerstand.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das im Original lateinische Werk ist in drei Bücher gegliedert. Dem ersten stellt Newton einige Be­griffs­de­f­i­n­i­tio­nen und die drei Be­we­gungs­ge­setze voran, um im Folgenden seine Be­we­gungslehre detailliert darzustellen. Das zweite Buch behandelt vor allem das Phänomen des Widerstands und dessen Auswirkun­gen auf die Bewegung von Körpern. Im dritten Buch stellt Newton die Leitsätze seiner Natur­philoso­phie vor und beweist die An­wend­barkeit seiner the­o­retis­chen Grundlagen anhand beobacht­barer Na­tur­erschei­n­un­gen. Während die ersten beiden Bücher zahlreiche math­e­ma­tis­che Gleichungen und geometrische Zeichnungen enthalten, hat Newton das dritte, wie er selbst sagt, „in allgemein verständlicher Weise geschrieben, damit es von mehr Leuten gelesen werden kann“. In der Tat sind für den math­e­ma­tisch und physikalisch nicht so beschla­ge­nen Leser vor allem die Ausführungen im dritten Buch interessant, da Newton seine Erken­nt­nisse hier in verständlicher und an­schaulicher Form anhand von Beispielen belegt. Auch aus wis­senschaft­shis­torischer Sicht bieten die Beschrei­bun­gen der zu Newtons Zeit durchgeführten Experimente eine außeror­dentlich spannende Lektüre.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Newtons Grav­i­ta­tion­s­the­o­rie zeigt, dass im Himmel dieselben Gesetze gelten wie auf der Erde. Das war revolutionär. Das Himmelreich ist seit Newton kein besonderer Ort mehr.
  • Newton setzt auf die Methode der ex­per­i­mentellen Philosophie bzw. des Empirismus: Aus den beobacht­baren Na­tur­erschei­n­un­gen werden allgemeine Gesetze abgeleitet, die die Grundlage für die weitere the­o­retis­che Arbeit bilden. Newton lehnt es ab, einfach Hypothesen aufzustellen: Alle Erken­nt­nisse müssen anhand der Na­tur­erschei­n­un­gen nachprüfbar sein.
  • Dies ist eine Absage an die Scholastik und den Ra­tio­nal­is­mus: Weder durch die Kon­sul­ta­tion wis­senschaftlicher Autoritäten noch durch reines Nachdenken können die Gesetze, nach denen die Welt funk­tion­iert, gefunden werden.
  • Newtons Anliegen war die Widerlegung der karte­sis­chen Wirbel­hy­pothese: René Descartes hatte rund 40 Jahre zuvor versucht, die Plan­eten­be­we­gun­gen mit einem sehr feinen Stoff, dem Äther, zu erklären, der Wirbel bilde und auf diesen die Planeten um die Sonne kreisen lasse. Newton weist dieser Theorie erhebliche Erklärungsmängel nach.
  • Newtons Werk beinhaltet – und damit ist er wieder ganz nahe bei Descartes – einen telel­o­gis­chen Gottes­be­weis: Aus der Tatsache, dass die Natur und der Weltraum einer perfekten Ordnung unterliegen, schließt er, dass es ein allmächtiges Wesen geben müsse, das diese Ordnung geschaffen habe.
  • Eine geschlossene Theorie der Mechanik, wie sie Newton vorlegte, gibt es heute nicht mehr. Sowohl Einsteins Relativitätstheorie wie auch die Quan­ten­the­o­rie nach Heisenberg lassen Newtons System nur als Spezialfall gelten. Dazu kommt, dass auch diese beiden neueren Theorien nur in Teil­bere­ichen Gültigkeit haben und bis heute nicht vereinigt werden konnten.

His­torischer Hintergrund

Die Entstehung des natur­wis­senschaftlichen Weltbilds

In der Renaissance erlebte die Astronomie als Wis­senschaft vom geometrischen Aufbau des Universums einen wahren Boom. Nikolaus Kopernikus stellte mit seiner Schrift Von den Umdrehungen der Him­mel­skreise (1543) die bis dahin gängige, auf den griechis­chen Gelehrten Ptolemäus zurückgehende Annahme infrage, alle Planeten würden um die Erde kreisen. Kopernikus entwickelte das nach ihm benannte kopernikanis­che oder he­liozen­trische Weltbild. Zahlreiche wis­senschaftliche Neuerungen, u. a. die Erfindung des Fernrohrs, mündeten zu Beginn des 17. Jahrhun­derts in die bahn­brechen­den Erken­nt­nisse Galileo Galileis, dem es gelang, die Phasen der Jupiter­monde und der Venus zu berechnen, und der in seinem Dialog über die Weltsysteme gegen die Anhänger des ptolemäischen Weltsystems polemisierte. In der Wis­senschaft setzte sich das he­liozen­trische Weltbild relativ schnell durch, die Kirche jedoch lehnte es weiterhin ab. Die Inquisition zwang Galilei sogar, seine Aussagen zu widerrufen.

Außerhalb der kirchlichen Kreise wurden die Astronomie und das neue Weltbild zunehmend gesellschaftsfähig. Viele Fürsten beschäftigten eigene Astronomen, die oftmals gle­ichzeitig als Astrologen die Zukunft ihrer Herren voraussagen sollten. Mithilfe der neuen Teleskope und durch das enge Zusammenrücken der wis­senschaftlichen Welt folgte ein as­tronomis­cher Durchbruch auf den anderen: 1609 veröffentlichte Johannes Kepler sein Werk Neue Astronomie, in dem er die ersten beiden keplerschen Gesetze vorstellte: 1. Die Planeten bewegen sich auf el­lip­tis­chen Bahnen um die Sonne. 2. Je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist, desto langsamer kreist er um sie. In den 1650er Jahren erkannte Christian Huygens die Natur der Saturnringe, etwa 20 Jahre später berechnete er als Erster die Licht­geschwindigkeit (wenn auch falsch). 1672 stellte Isaac Newton das von ihm verbesserte Spiegel­te­leskop vor, mit dem weitere Ent­deck­un­gen möglich wurden. 1705 berechnete Edmond Halley die Bewegung eines Kometen und sagte dessen Wieder­erscheinen korrekt voraus.

Entstehung

Während seines Studiums musste sich Newton mit den antiken Denkern Euklid und Aristoteles befassen, wobei er schnell das Interesse verlor und sich lieber aktuelleren Autoren wie René Descartes und Galileo Galilei zuwandte. Beide blieben während seines ganzen wis­senschaftlichen Wirkens die wichtigsten Impulsgeber. Im Fall von Descartes schloss er sich jedoch schnell den zeitgenössischen Kritikern an, die ins­beson­dere dessen Wirbel­hy­pothese ablehnten. Dass die Math­e­ma­tis­chen Grundlagen der Natur­philoso­phie ein offener Angriff auf die Autorität Descartes’ waren, lässt sich schon am Titel erkennen: Er entstand in Anlehnung an Descartes’ Grundlagen der Philosophie.

Die wichtigsten Inhalte seines Werks hat Newton wohl in den Pestjahren 1665/66 erarbeitet, die er zurückgezogen auf seinem Gut in Woolsthorpe verbrachte. Ins­beson­dere die auf Johannes Keplers Erken­nt­nis­sen beruhenden Berech­nun­gen zu den Um­laufzeiten der Planeten und zur Gravitation fanden hier ihren Anfang. Den wichtigsten Impuls für seine Theorie, dass die Gravitation sowohl Ursache für den Fall von Körpern auf der Erde als auch für die Plan­eten­be­we­gun­gen sein könnte, erhielt Newton jedoch von seinem Zeitgenossen und Fachkol­le­gen Robert Hooke, der in den 1670er Jahren ebenfalls an dem Problem arbeitete. 1687 veröffentlichte Newton sein ein Jahr zuvor fer­tiggestelltes Buch.

Wirkungs­geschichte

Das Werk wurde von der Fachwelt begeistert aufgenommen. Neben akademis­chen Ehren brachte es Newton auch gesellschaftliche Anerkennung ein und verhalf ihm zu politischen Ämtern. Seine Opposition gegen Descartes ebenso wie gegen Gottfried Wilhelm Leibniz führte in der Mitte des 18. Jahrhun­derts zu einer Aufspaltung der wis­senschaftlichen Welt in vier Strömungen: den New­to­ni­an­is­mus, den Skep­tizis­mus, den Leib­nizian­is­mus und den Karte­sian­is­mus. Newtons Math­e­ma­tis­che Grundlagen der Natur­philoso­phie waren viel mehr als eine wis­senschaftliche Abhandlung – sie waren die Grundlage für ein völlig neues Weltbild. Die Überzeu­gungskraft der Theorie führte schon bald dazu, dass Newtons Schule weit mehr Anhänger fand als alle anderen, der Natur­philosoph selbst wurde als „Weltweiser“ verehrt. Diese Verehrung Newtons hält bis heute an – auch wenn viele seiner wis­senschaftlichen Erken­nt­nisse längst widerlegt sind. Albert Einstein entschuldigte sich bei seinem Vorläufer („Newton, verzeih mir“), als er dessen Vorstel­lun­gen eines absoluten Raums und einer absoluten Zeit aus der physikalis­chen Theorie strich. Trotzdem gehören die Grundgedanken von Newtons Lehre heute zum All­ge­mein­wis­sen.

Über den Autor

Isaac Newton wird am 4. Januar 1643 in Woolsthorpe/Lin­colnshire als Sohn eines Landwirts geboren. Sein Vater stirbt bereits zwei Monate vor Newtons Geburt. Der Junge bleibt bis zu seinem dritten Lebensjahr bei seiner Mutter und wird, als diese erneut heiratet, in die Obhut seiner Großmutter gegeben. Manche sehen in der lieblosen Umgebung seiner Kindheit einen Grund dafür, dass Newton zeit seines Lebens äußerst men­schen­scheu und neurotisch ist. Nach seinem Schu­la­b­schluss nimmt er im Sommer 1661 ein Studium am Trinity College in Cambridge auf. Die Pest, die ab 1665 das Land heimsucht, führt dazu, dass Newton sich für eineinhalb Jahre in sein Elternhaus zurückzieht. Diese Zeit gehört zu den pro­duk­tivsten Phasen in Newtons wis­senschaftlicher Laufbahn. 1669 übernimmt er am Trinity College den Lehrstuhl für Mathematik, den er bis 1701 innehat. Newtons unsoziale Art macht ihn als Dozent wenig beliebt – viele seiner Vorlesungen finden ohne Zuhörer statt. Neben der Mathematik, der Physik und der Optik beschäftigt er sich auch mit Alchemie, was er allerdings geheim hält. Im Anschluss an die Veröffentlichung seiner Philosophiae naturalis principia mathematica (Math­e­ma­tis­che Grundlagen der Natur­philoso­phie, 1687), häufig verkürzt zitiert als Principia mathematica, kommt er zu politischen und akademis­chen Würden: Unter anderem wird er 1699 zum Direktor der Königlichen Münze ernannt. 1703 wird er Vor­sitzen­der der Royal Society und 1705 schlägt Königin Anne ihn zum Ritter. Seinen wachsenden Einfluss setzt er nun rücksichtslos auch gegen seine Gegner ein, ins­beson­dere im Pla­giatsstreit mit Leibniz um das In­fin­i­tes­i­mal­kalkül: Eine von Newton bee­in­flusste Kommission der Royal Society spricht Leibniz fälschlicher­weise schuldig. 1720 verliert Newton bei der Südsee-Speku­la­tions­blase 20 000 £, bleibt aber trotzdem wohlhabend. Er stirbt am 31. März 1727 ledig und kinderlos in Kensington. Newton wird mit großem Pomp in der Westminster Abbey beigesetzt – dort, wo auch die englischen Könige begraben liegen.