Emotionen am Arbeitsplatz

Buch Emotionen am Arbeitsplatz

Teamkonflikte erkennen und lösen

Beltz,
Erstausgabe:2002


Rezension

Gefühle haben am Ar­beit­splatz nichts zu suchen? Stimmt nicht. Nur wer mit Spaß und Lei­den­schaft bei der Sache ist, kann Außergewöhnliches leisten. Dennoch sind Emotionen häufig kon­trapro­duk­tiv: Sie erzeugen Fehleinschätzungen und Missverständnisse und führen in schlimmeren Fällen zu Konflikten, die die Arbeit eines ganzen Teams beeinträchtigen können. In seinem Buch zeigt Franz Will, wie man derartige Prozesse schon im Ansatz erkennt, wie man sie analysiert, steuert und entschärft. Seine Typologie un­ter­schiedlicher Emo­tion­sarten (etwa seine Un­terteilung in Nilpferde und Krokodile) ist sehr anschaulich. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Teamleitern, die ihren Emo­tion­shaushalt und den ihres Teams ins Gle­ichgewicht bringen wollen.

Take-aways

  • Emo­tion­s­man­age­ment beginnt damit, dass man lernt, andere zu verstehen.
  • Gehen Sie am Ar­beit­splatz sorgsam mit Ihren Gefühlen um, und investieren Sie nicht mehr Herzblut, als Sie verkraften können.
  • Un­ter­schei­den Sie Ihre Kollegen nach schwerfälligen „Nilpferden“ und macht­gieri­gen „Krokodilen“ und richten Sie Ihre Handlungen danach aus.
  • Teamkon­flikte können Sie dauerhaft lösen, wenn Sie nach der Maxime handeln: klar im Kopf und warm im Herzen.
  • Teamflüchtige sind Einzelkämpfer, Teamsucher verbringen am liebsten ihre ganze Zeit im Mannschaft­szelt. Lernen Sie die Vorteile beider Gruppen zu nutzen.
  • Hüten Sie sich vor Kollegen, bei denen Nähe und Distanz im Widerspruch zueinander stehen. Hier ist Ärger vor­pro­gram­miert.
  • Geben Sie Ihrem Team Aufmerk­samkeit, Unterstützung und Struktur. Nur so werden Höchstleis­tun­gen erreicht.
  • Bekämpfen sich Leitung und Stel­lvertreter, wird die Arbeit zum Albtraum.
  • Lockern Sie Teambremsen, indem Sie beseitigen, was das Ar­beit­sklima beschädigt.
  • Mobbing beruht häufiger auf gegen­seit­i­gen Missverständnissen als auf übler Absicht.
 

Zusammenfassung

Von Krokodilen und Nilpferden

Ein effektives Emo­tion­s­man­age­ment fängt damit an, dass man seine Kollegen so präzise wie möglich einzuschätzen lernt. Dabei ist es hilfreich, zwischen „Krokodilen“ und „Nilpferden“ zu un­ter­schei­den. Beide Emo­tion­stypen verfügen über wesensmäßige Eigenheiten, die Sie unbedingt beachten sollten, wenn Sie sich und Ihre Gefühle unter Kontrolle halten wollen. Krokodile sind gefährlicher als Nilpferde, denn sie sind vor allem auf Machter­grei­fung oder -erhalt aus. Zudem sind sie lernfähiger und operieren häufig aus dem Hintergrund. Nilpferde dagegen wissen nie genau, was sie wollen. So orientieren sie sich häufig an Sta­tussym­bolen, die ihrem geringen Selb­stver­trauen Nahrung geben. Nilpferde sind stur, dabei aber freundlich, wenn man ihnen nur genug ent­ge­genkommt. Sie haben ein breites Gesäß, was häufig dazu führt, dass man – wenn sie einmal ihren Platz eingenommen haben – nur schwer an ihnen vorbeikommt. Lassen Sie sich möglichst nicht auf Konflikte mit Nilpferden ein! Das führt in der Regel zu nichts und nimmt Ihnen wertvolle Energie, die Sie lieber in der Au­seinan­der­set­zung mit Krokodilen nutzen sollten.

Kritik ohne Angriff

Um Teamkon­flikte dauerhaft zu bewältigen, bedarf es eines hohen Maßes an rationaler Klarheit und emotionalem Einfühlungsvermögen. Nur wenn beide Eigen­schaften Hand in Hand gehen, kann es Ihnen gelingen, Kritik an Mi­tar­beit­ern so zu äußern, dass sich ähnlich gelagerte Fehlleis­tun­gen in Zukunft nicht wiederholen. Erschwert werden Tea­mau­seinan­der­set­zun­gen vor allem dadurch, dass die Reaktionen der Beschuldigten häufig falsch gedeutet werden. Fängt ein Mitarbeiter etwa an zu weinen, dann bedeutet das oft nicht, dass er auf die Tränendrüse drückt, um seine Absichten durchzuset­zen. Viel wahrschein­licher ist, dass durch die Kritik verschüttete Kind­heit­skon­flikte wachgerufen wurden. Formulieren Sie Kritik am besten so, dass sich Ihr Gegenüber nicht persönlich angegriffen fühlt:

  • Fühlen Sie sich in Ihre Kollegen ein. Fragen Sie sich, warum sie so handeln, wie sie handeln.
  • Bringen Sie demjenigen Verständnis entgegen, der Verständnis verdient.
  • Verstehen heißt keineswegs immer akzeptieren. Machen Sie das Ihrem Gegenüber ganz klar.
  • Vermeiden Sie es, Ihren Mi­tar­beit­ern Gefühle vorzus­pie­len.
  • Bieten Sie Ihre Unterstützung bei Problemen jeder Art an.

Teamflüchter

Ein gut funk­tion­ieren­des Teams zeichnet sich dadurch aus, dass es mit zwei im Grunde widersprüchlichen Eigen­schaften positive Resultate erzielt: Gute Teams bieten einerseits genug Raum für die Kreativität jedes Einzelnen, an­der­er­seits zeigt sich in ihnen die Bere­itschaft aller, sich einem Gesamt­in­ter­esse un­terzuord­nen. In jeder Mannschaft gibt es Teamflüchter und Teamsucher. Teamflüchter sind in der Regel Einzelkämpfer. Sie tendieren zu in­tro­vertiertem Verhalten, hassen Be­sprechun­gen und Konferenzen und möchten ihre Arbeitszeit so ungestört wie möglich verbringen. Zu ihnen zählen:

  • Roll­trep­pen­block­ierer neigen dazu, Entschei­dun­gen allein zu treffen und umzusetzen. Nicht um die anderen un­terzubut­tern, sondern weil sie diese gar nicht wahrnehmen.
  • Spezial­is­ten machen jede Arbeit „besser allein“. Sie sind kom­mu­nika­tion­sarm bis -unfähig und reagieren auf Kritik leicht gekränkt.
  • Weiße Raben haben die Ange­wohn­heit, einzelne Aspekte ihrer Arbeit ins Maßlose zu steigern. Sie sind Fun­da­men­tal­is­ten und Prinzip­i­en­re­iter. Es ist eine echte Aufgabe, sie dazu zu bringen, ihr Verhalten auch nur im Ansatz zu verändern.
  • Min­i­mal­is­ten fallen nur durch ihr Bedürfnis, ihre Ruhe zu haben, auf – also fast gar nicht. Sie machen das, was sie als ihre Arbeit definieren, und keinen Deut mehr. Min­i­mal­is­ten haben häufig ein dickes Fell. Man kann sie ruhig mal frontal angehen, um ihnen zu zeigen, dass das Team mehr von ihnen erwartet.
„Das spontane Ausleben der Emotionen findet seine Grenzen, wenn dadurch die Ar­beits­beziehun­gen wesentlich verwirrt oder gebremst werden. Eine Ar­beitsstelle ist kein Fre­un­deskreis und keine Familie.“

Ist die Übermacht der Einzelkämpfer in einem Team erdrückend, bildet sich häufig ein „Team aus Distanz“. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass jeder seiner Arbeit nachgeht, ohne dass das Team als Ganzes funk­tion­iert.

Teamsucher

Teamsucher tendieren zum Gemein­schaftsver­hal­ten, sie verbringen auch außerhalb der Arbeit gern ihre Zeit mit Kollegen und versuchen, bei Konflikten schlichtend einzu­greifen. Teamsucher brauchen immerzu die Nähe ihrer Mannschaft und behandeln kollegiale An­gele­gen­heiten gleich wie familiäre. Für viele Teamsucher ist der Job das Wichtigste im Leben. Ihre emotionalen Reaktionen tendieren daher zu einer Intensität, wie man sie nor­maler­weise nur im privaten Bereich findet. Überhaupt ist die Gefahr groß, dass Teamsucher innerhalb einer Firma oder Abteilung regelrechte Fam­i­lien­struk­turen her­aus­bilden. Das muss sich nicht unbedingt negativ auswirken, ist aber eine Quelle möglicher Beziehung­sprob­leme. Zu den Teamsuchern gehören:

  • Wohltäter, die es allen und jedem recht machen wollen. Die Folge ist bekannt: Die unaufgelösten Konflikte akku­mulieren sich, explodieren irgendwann, und am Ende ist der Ärger noch größer.
  • Taktlose Mitarbeiter, die zu spontanen, „au­then­tis­chen“ Ausbrüchen und Bemerkungen neigen, mit denen sie andere in ein emotionales Chaos stürzen können. Die Taktlosen sind Nilpferde, und Sie müssen ihnen klare Grenzen setzen, damit sie nicht größeres Unheil anrichten.

Nähe und Distanz im Widerspruch

Am schwierig­sten ist der Umgang mit Kollegen, die ein unklares oder ständig wechselndes Verhältnis von Nähe und Distanz zeigen. Das „Bambi“ ist ein typischer Vertreter dieser Gruppe: Emotional unaus­geglichen und ohne ein klares Ziel vor Augen, ist es kaum in der Lage, sich aktiv an der Teamarbeit zu beteiligen. In Teamkon­flik­ten ist das Bambi manchmal Täter, meistens aber Opfer. Mal wünscht es sich Nähe, dann zieht es sich wieder ganz in sich selbst zurück. Fast immer aber schaden seine emotionalen Schwankun­gen und die Ver­wirrun­gen, die es dadurch auslöst, dem Team.

Emo­tion­s­man­age­ment

Schopen­hauer hat mit seinem „Stachelschwein-Dilemma“ die men­schlichen Beziehungen auf den Punkt gebracht: Auf der Suche nach Wärme nähern sich die Stachelschweine einander so weit an, bis sie sich mit ihren Stacheln verletzen, rücken dann wieder weg, nähern sich wieder an usw. Dieses Bild lässt sich auf die Beziehungen zwischen Mi­tar­beit­ern in einem Unternehmen übertragen. Um die dauernden Dis­tanzver­schiebun­gen am Ar­beit­splatz unter Kontrolle zu halten, bedarf es eines kompetenten Leiters, eines Emo­tion­s­man­agers. Das Emo­tion­s­man­age­ment ist ebenso wichtig wie die Gestaltung und Kontrolle von Ar­beit­sprozessen. Während bei Ar­beit­sprozessen die Pole Macht und Ohnmacht dominieren, muss beim Emo­tion­s­man­age­ment auf ein aus­ge­wo­genes Verhältnis von Nähe und Distanz geachtet werden. Um einem Team zu größtmöglicher Ar­beit­sleis­tung zu verhelfen und es emotional zu sta­bil­isieren, müssen Sie ihm dreierlei geben: Aufmerk­samkeit, Unterstützung und Struktur.

Dreiecks­beziehung – leicht oder schwer gemacht

Noch komplexer stellen sich die Arbeitsverhältnisse dar, wenn man die mittlere Ebene mit einbezieht, wenn man also das Verhältnis zwischen Leitung, stel­lvertre­tender Leitung und Team betrachtet. Funk­tion­ierende Ko­op­er­a­tio­nen zeichnen sich dadurch aus, dass Leitung und Stel­lvertreter Arbeit und Kompetenzen präzise un­tere­inan­der aufgeteilt haben und gut miteinander kom­mu­nizieren. Häufiger in der Praxis anzutreffen sind aber Dreieck­skon­stel­la­tio­nen, die eine Zeit lang funk­tion­ieren, irgendwann aber nicht mehr:

  • Bei der Kon­stel­la­tion Schäfer, Hund und Herde schaut der Leiter zu, wie sein Stel­lvertreter laut kläffend das Team zusammenhält.
  • Eine sym­bi­o­tis­che Beziehung zwischen Leitung und Stel­lvertre­tung wirkt sich in der Praxis oft weniger positiv aus, als man gemeinhin denkt. Denn Symbiosen engen den Raum für neue Hand­lungsalter­na­tiven und In­no­va­tio­nen ein und führen häufig zur einseitigen Po­lar­isierung gegenüber einem als schwach wahrgenomme­nen Team.
  • Zum Albtraum wird die Arbeit, wenn Leitung und Stel­lvertreter sich bekämpfen, oder wenn die Leitung ihre eigentliche Funktion eingebüßt hat und sie dem Team überlässt.

Emotionale Teambremsen

„Faule Schweine!“ Wer seine Kollegen so tituliert, hat die Kontrolle über seine Emotionen vollständig verloren. Ob objektiv gesehen zu Recht oder zu Unrecht, spielt dabei keine Rolle: Mit einem solchen Verhalten manövrieren Sie sich in jedem Fall ins Abseits. Eine andere Teambremse ist der „Schwarze Peter“. Er wird bevorzugt demjenigen zugeschoben, der sich bei der Verteilung der Arbeit nicht rechtzeitig abgrenzt. „Ich gehe jetzt zum Chef“ ist nicht nur eine Teambremse, sondern auch die letzte und schlimmste aller Drohungen. Wer sie anwendet, riskiert es, das Ver­trauensverhältnis zu seinen Kollegen nachhaltig zu beschädigen. Eher lächerlich machen Sie sich, wenn sie im Fall der Fälle mit der Kündigung drohen und dann doch den Kopf einziehen. Schließlich: Wer behauptet, „ohne Stress nicht arbeiten zu können“, hat zumeist ein psychisches Problem, auf das eine Reihe weiterer Probleme folgen können. Wer darüber hinaus andere in sein Stressver­hal­ten mit hineinzieht, handelt einfach nur un­ver­ant­wortlich.

Worst Case: Mobbing

Entgegen der üblichen Annahme entsteht Mobbing weniger durch bösartige Täter und empfindsame Opfer. Die Ursache liegt häufiger in einer Aneinan­der­rei­hung von Missverständnissen, die sich mit der Zeit zu gegen­seit­iger Ablehnung oder sogar Hass verdichten. Fühlen Sie sich als Mob­bing-Opfer, dann sollten Sie sich – bevor Sie weitere Schritte unternehmen – drei Her­aus­forderun­gen stellen, die helfen können, Ihre Situation zu verbessern:

  1. Suchen Sie das Einzelgespräch mit Ihren mobbenden Kollegen, um etwas über Ihre Lage zu erfahren.
  2. Versuchen Sie die Vo­raus­set­zun­gen zu verstehen, unter denen die be­tr­e­f­fenden Kollegen handeln.
  3. Nehmen Sie eine Fehler­analyse an Ihrem eigenen Verhalten vor, und versuchen Sie daraus Kon­se­quen­zen für Ihr weiteres Handeln zu ziehen.
„Der beste Indikator für den Zustand ihres Teams sind Sie selbst.“

Eine häufige Ursache für Mob­bing-Kon­stel­la­tio­nen sind verfehlte Ar­beit­sziele. Die Frustration, die daraus im Team entsteht, bildet den idealen Nährboden für langwierige Stre­it­igkeiten und Konflikte unter den Team­mit­gliedern. In dem Fall heißt es, die eigentliche Ursache anzugehen und die gemeinsamen Ar­beit­sziele auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. Kommt man auf diese Weise zu Lösungen, wird in der Regel auch die schlechte Stimmung unter den Mi­tar­beit­ern beseitigt, und das Ar­beit­sklima hellt sich nachhaltig auf.

Über den Autor

Franz Will hat Sozialwesen, Supervision und Philosophie studiert. Er arbeitet seit über 20 Jahren als Trainer und Supervisor in München.