Von Krokodilen und Nilpferden
Ein effektives Emotionsmanagement fängt damit an, dass man seine Kollegen so präzise wie möglich einzuschätzen lernt. Dabei ist es hilfreich, zwischen „Krokodilen“ und „Nilpferden“ zu unterscheiden. Beide Emotionstypen verfügen über wesensmäßige Eigenheiten, die Sie unbedingt beachten sollten, wenn Sie sich und Ihre Gefühle unter Kontrolle halten wollen. Krokodile sind gefährlicher als Nilpferde, denn sie sind vor allem auf Machtergreifung oder -erhalt aus. Zudem sind sie lernfähiger und operieren häufig aus dem Hintergrund. Nilpferde dagegen wissen nie genau, was sie wollen. So orientieren sie sich häufig an Statussymbolen, die ihrem geringen Selbstvertrauen Nahrung geben. Nilpferde sind stur, dabei aber freundlich, wenn man ihnen nur genug entgegenkommt. Sie haben ein breites Gesäß, was häufig dazu führt, dass man – wenn sie einmal ihren Platz eingenommen haben – nur schwer an ihnen vorbeikommt. Lassen Sie sich möglichst nicht auf Konflikte mit Nilpferden ein! Das führt in der Regel zu nichts und nimmt Ihnen wertvolle Energie, die Sie lieber in der Auseinandersetzung mit Krokodilen nutzen sollten.
Kritik ohne Angriff
Um Teamkonflikte dauerhaft zu bewältigen, bedarf es eines hohen Maßes an rationaler Klarheit und emotionalem Einfühlungsvermögen. Nur wenn beide Eigenschaften Hand in Hand gehen, kann es Ihnen gelingen, Kritik an Mitarbeitern so zu äußern, dass sich ähnlich gelagerte Fehlleistungen in Zukunft nicht wiederholen. Erschwert werden Teamauseinandersetzungen vor allem dadurch, dass die Reaktionen der Beschuldigten häufig falsch gedeutet werden. Fängt ein Mitarbeiter etwa an zu weinen, dann bedeutet das oft nicht, dass er auf die Tränendrüse drückt, um seine Absichten durchzusetzen. Viel wahrscheinlicher ist, dass durch die Kritik verschüttete Kindheitskonflikte wachgerufen wurden. Formulieren Sie Kritik am besten so, dass sich Ihr Gegenüber nicht persönlich angegriffen fühlt:
- Fühlen Sie sich in Ihre Kollegen ein. Fragen Sie sich, warum sie so handeln, wie sie handeln.
- Bringen Sie demjenigen Verständnis entgegen, der Verständnis verdient.
- Verstehen heißt keineswegs immer akzeptieren. Machen Sie das Ihrem Gegenüber ganz klar.
- Vermeiden Sie es, Ihren Mitarbeitern Gefühle vorzuspielen.
- Bieten Sie Ihre Unterstützung bei Problemen jeder Art an.
Teamflüchter
Ein gut funktionierendes Teams zeichnet sich dadurch aus, dass es mit zwei im Grunde widersprüchlichen Eigenschaften positive Resultate erzielt: Gute Teams bieten einerseits genug Raum für die Kreativität jedes Einzelnen, andererseits zeigt sich in ihnen die Bereitschaft aller, sich einem Gesamtinteresse unterzuordnen. In jeder Mannschaft gibt es Teamflüchter und Teamsucher. Teamflüchter sind in der Regel Einzelkämpfer. Sie tendieren zu introvertiertem Verhalten, hassen Besprechungen und Konferenzen und möchten ihre Arbeitszeit so ungestört wie möglich verbringen. Zu ihnen zählen:
- Rolltreppenblockierer neigen dazu, Entscheidungen allein zu treffen und umzusetzen. Nicht um die anderen unterzubuttern, sondern weil sie diese gar nicht wahrnehmen.
- Spezialisten machen jede Arbeit „besser allein“. Sie sind kommunikationsarm bis -unfähig und reagieren auf Kritik leicht gekränkt.
- Weiße Raben haben die Angewohnheit, einzelne Aspekte ihrer Arbeit ins Maßlose zu steigern. Sie sind Fundamentalisten und Prinzipienreiter. Es ist eine echte Aufgabe, sie dazu zu bringen, ihr Verhalten auch nur im Ansatz zu verändern.
- Minimalisten fallen nur durch ihr Bedürfnis, ihre Ruhe zu haben, auf – also fast gar nicht. Sie machen das, was sie als ihre Arbeit definieren, und keinen Deut mehr. Minimalisten haben häufig ein dickes Fell. Man kann sie ruhig mal frontal angehen, um ihnen zu zeigen, dass das Team mehr von ihnen erwartet.
„Das spontane Ausleben der Emotionen findet seine Grenzen, wenn dadurch die Arbeitsbeziehungen wesentlich verwirrt oder gebremst werden. Eine Arbeitsstelle ist kein Freundeskreis und keine Familie.“
Ist die Übermacht der Einzelkämpfer in einem Team erdrückend, bildet sich häufig ein „Team aus Distanz“. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass jeder seiner Arbeit nachgeht, ohne dass das Team als Ganzes funktioniert.
Teamsucher
Teamsucher tendieren zum Gemeinschaftsverhalten, sie verbringen auch außerhalb der Arbeit gern ihre Zeit mit Kollegen und versuchen, bei Konflikten schlichtend einzugreifen. Teamsucher brauchen immerzu die Nähe ihrer Mannschaft und behandeln kollegiale Angelegenheiten gleich wie familiäre. Für viele Teamsucher ist der Job das Wichtigste im Leben. Ihre emotionalen Reaktionen tendieren daher zu einer Intensität, wie man sie normalerweise nur im privaten Bereich findet. Überhaupt ist die Gefahr groß, dass Teamsucher innerhalb einer Firma oder Abteilung regelrechte Familienstrukturen herausbilden. Das muss sich nicht unbedingt negativ auswirken, ist aber eine Quelle möglicher Beziehungsprobleme. Zu den Teamsuchern gehören:
- Wohltäter, die es allen und jedem recht machen wollen. Die Folge ist bekannt: Die unaufgelösten Konflikte akkumulieren sich, explodieren irgendwann, und am Ende ist der Ärger noch größer.
- Taktlose Mitarbeiter, die zu spontanen, „authentischen“ Ausbrüchen und Bemerkungen neigen, mit denen sie andere in ein emotionales Chaos stürzen können. Die Taktlosen sind Nilpferde, und Sie müssen ihnen klare Grenzen setzen, damit sie nicht größeres Unheil anrichten.
Nähe und Distanz im Widerspruch
Am schwierigsten ist der Umgang mit Kollegen, die ein unklares oder ständig wechselndes Verhältnis von Nähe und Distanz zeigen. Das „Bambi“ ist ein typischer Vertreter dieser Gruppe: Emotional unausgeglichen und ohne ein klares Ziel vor Augen, ist es kaum in der Lage, sich aktiv an der Teamarbeit zu beteiligen. In Teamkonflikten ist das Bambi manchmal Täter, meistens aber Opfer. Mal wünscht es sich Nähe, dann zieht es sich wieder ganz in sich selbst zurück. Fast immer aber schaden seine emotionalen Schwankungen und die Verwirrungen, die es dadurch auslöst, dem Team.
Emotionsmanagement
Schopenhauer hat mit seinem „Stachelschwein-Dilemma“ die menschlichen Beziehungen auf den Punkt gebracht: Auf der Suche nach Wärme nähern sich die Stachelschweine einander so weit an, bis sie sich mit ihren Stacheln verletzen, rücken dann wieder weg, nähern sich wieder an usw. Dieses Bild lässt sich auf die Beziehungen zwischen Mitarbeitern in einem Unternehmen übertragen. Um die dauernden Distanzverschiebungen am Arbeitsplatz unter Kontrolle zu halten, bedarf es eines kompetenten Leiters, eines Emotionsmanagers. Das Emotionsmanagement ist ebenso wichtig wie die Gestaltung und Kontrolle von Arbeitsprozessen. Während bei Arbeitsprozessen die Pole Macht und Ohnmacht dominieren, muss beim Emotionsmanagement auf ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz geachtet werden. Um einem Team zu größtmöglicher Arbeitsleistung zu verhelfen und es emotional zu stabilisieren, müssen Sie ihm dreierlei geben: Aufmerksamkeit, Unterstützung und Struktur.
Dreiecksbeziehung – leicht oder schwer gemacht
Noch komplexer stellen sich die Arbeitsverhältnisse dar, wenn man die mittlere Ebene mit einbezieht, wenn man also das Verhältnis zwischen Leitung, stellvertretender Leitung und Team betrachtet. Funktionierende Kooperationen zeichnen sich dadurch aus, dass Leitung und Stellvertreter Arbeit und Kompetenzen präzise untereinander aufgeteilt haben und gut miteinander kommunizieren. Häufiger in der Praxis anzutreffen sind aber Dreieckskonstellationen, die eine Zeit lang funktionieren, irgendwann aber nicht mehr:
- Bei der Konstellation Schäfer, Hund und Herde schaut der Leiter zu, wie sein Stellvertreter laut kläffend das Team zusammenhält.
- Eine symbiotische Beziehung zwischen Leitung und Stellvertretung wirkt sich in der Praxis oft weniger positiv aus, als man gemeinhin denkt. Denn Symbiosen engen den Raum für neue Handlungsalternativen und Innovationen ein und führen häufig zur einseitigen Polarisierung gegenüber einem als schwach wahrgenommenen Team.
- Zum Albtraum wird die Arbeit, wenn Leitung und Stellvertreter sich bekämpfen, oder wenn die Leitung ihre eigentliche Funktion eingebüßt hat und sie dem Team überlässt.
Emotionale Teambremsen
„Faule Schweine!“ Wer seine Kollegen so tituliert, hat die Kontrolle über seine Emotionen vollständig verloren. Ob objektiv gesehen zu Recht oder zu Unrecht, spielt dabei keine Rolle: Mit einem solchen Verhalten manövrieren Sie sich in jedem Fall ins Abseits. Eine andere Teambremse ist der „Schwarze Peter“. Er wird bevorzugt demjenigen zugeschoben, der sich bei der Verteilung der Arbeit nicht rechtzeitig abgrenzt. „Ich gehe jetzt zum Chef“ ist nicht nur eine Teambremse, sondern auch die letzte und schlimmste aller Drohungen. Wer sie anwendet, riskiert es, das Vertrauensverhältnis zu seinen Kollegen nachhaltig zu beschädigen. Eher lächerlich machen Sie sich, wenn sie im Fall der Fälle mit der Kündigung drohen und dann doch den Kopf einziehen. Schließlich: Wer behauptet, „ohne Stress nicht arbeiten zu können“, hat zumeist ein psychisches Problem, auf das eine Reihe weiterer Probleme folgen können. Wer darüber hinaus andere in sein Stressverhalten mit hineinzieht, handelt einfach nur unverantwortlich.
Worst Case: Mobbing
Entgegen der üblichen Annahme entsteht Mobbing weniger durch bösartige Täter und empfindsame Opfer. Die Ursache liegt häufiger in einer Aneinanderreihung von Missverständnissen, die sich mit der Zeit zu gegenseitiger Ablehnung oder sogar Hass verdichten. Fühlen Sie sich als Mobbing-Opfer, dann sollten Sie sich – bevor Sie weitere Schritte unternehmen – drei Herausforderungen stellen, die helfen können, Ihre Situation zu verbessern:
- Suchen Sie das Einzelgespräch mit Ihren mobbenden Kollegen, um etwas über Ihre Lage zu erfahren.
- Versuchen Sie die Voraussetzungen zu verstehen, unter denen die betreffenden Kollegen handeln.
- Nehmen Sie eine Fehleranalyse an Ihrem eigenen Verhalten vor, und versuchen Sie daraus Konsequenzen für Ihr weiteres Handeln zu ziehen.
„Der beste Indikator für den Zustand ihres Teams sind Sie selbst.“
Eine häufige Ursache für Mobbing-Konstellationen sind verfehlte Arbeitsziele. Die Frustration, die daraus im Team entsteht, bildet den idealen Nährboden für langwierige Streitigkeiten und Konflikte unter den Teammitgliedern. In dem Fall heißt es, die eigentliche Ursache anzugehen und die gemeinsamen Arbeitsziele auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. Kommt man auf diese Weise zu Lösungen, wird in der Regel auch die schlechte Stimmung unter den Mitarbeitern beseitigt, und das Arbeitsklima hellt sich nachhaltig auf.