Vom Zahlenknecht zum Kopiloten
Die Zeiten, in denen von „Erbsenzählern“ und „Zahlenknechten“ die Rede war, scheinen vorbei. Die Rolle der Controller hat sich grundlegend verändert. Zwar gehören die Planung und die Aufbereitung von Finanzinformationen weiterhin zu den Kernaufgaben der Profession, doch kamen in den vergangenen Jahren einige neue Aufgaben hinzu. Neben dem Basiswissen zur Rechnungslegung und der Budgeterstellung wird vom Controller heute verlangt, dass er die Absatz- und Beschaffungsmärkte seines Unternehmens versteht. Sich den Rat von Controllern zu holen, ist für Manager mittlerweile selbstverständlich. Manager verabschieden sich vom Bild des Controllers als notwendiges Übel und sehen ihn als Dienstleister, der ihnen weiterhilft. Immer öfter wird er bei Veränderungsprojekten oder bei der Strategiearbeit eingebunden. So spricht man heute denn auch eher von „Kopiloten“ und „Steuermännern“.
„Die Öffentlichkeit nimmt in wachsendem Maße erstaunt zur Kenntnis, dass Controller längst ihrer Rolle als lästige Kostenrechner und Erbsenzähler entwachsen sind.“
Die Tätigkeiten der Controller reichen von schnöder Buchhaltung bis zu eigentlichen Managementaufgaben. Sie lassen sich in drei große Bereiche gliedern:
- Bereitstellung von Informationen,
- Planung und Kontrolle der Zieleinhaltung,
- Koordinationsaufgaben.
„Eine Konzentration des CFO auf die Führung des Finanzbereichs reicht nicht aus.“
Controller entlasten die Manager, sie ergänzen deren Arbeit und greifen bei Interessenskonflikten ein. Indem sie Beratungsfunktionen einnehmen, werden sie zunehmend ihrer neuen Rolle als Steuermännern des Unternehmens gerecht. Nach einer Studie des Internationalen Controller Vereins sehen 62 % der Manager im Controller einen „internen Berater“, 53 % das „ökonomische Gewissen“ des Unternehmens. 35 % nehmen ihn aber auch als „Kontrolleur“ und 16 % als „Erbsenzähler“ wahr. Die Controller selbst möchten zukünftig ihre Rolle als interne Berater und Steuermänner gestärkt wissen. Das kommt auch den Unternehmen zugute: In erfolgreichen Betrieben sind die positiv besetzten Rollen nämlich weitaus häufiger anzutreffen als bei nicht erfolgreichen – auch das lässt sich belegen.
„Empirisch lässt sich zeigen, dass die Investition in entsprechende Stellen gut angelegt ist: Controller rechnen sich, sie helfen tatsächlich, ihr Unternehmen erfolgreich zu machen.“
Ein einheitliches Aufgabengebiet für Controller über alle Branchen und Unternehmen hinweg existiert aber nicht. Im Bayer-Konzern z. B. wird die Frage nach den Rollen der Controller ganz pragmatisch beantwortet: Ob ein Controller ein mächtiger Berater des Managements oder eher ein Zahlenknecht sei, hänge stark von den persönlichen Fertigkeiten des Einzelnen, seinem Fachwissen und seinen sozialen Kompetenzen ab. Auf alle Fälle muss der Controller bei Bayer lernbereit sein und sich den Respekt des Managements durch verlässliche Aussagen verdienen.
Entwicklungsstufen des Controllings
Controlling ist im Grunde Teamarbeit zwischen dem Controller, der für transparente Ergebnisse, Strategien und Prozesse sorgt, und den Managern, die für Entscheidungen und deren Realisierung verantwortlich sind. Doch auch die Controller helfen mit, dass die Strategie effizient umgesetzt wird. Das war nicht immer so: Das moderne Controllingverständnis entwickelte sich – und entwickelt sich in manchen Unternehmen immer noch – in fünf Stufen:
- Gewährleistung einer einheitlichen betriebswirtschaftlichen Datenbasis: Der Controller macht die Informationen unterschiedlicher Bereiche oder Standorte vergleichbar. Einiges an Arbeit kommt auf ihn zu, wenn sein Unternehmen ein anderes kauft. Die Informationen müssen konsistent und aussagekräftig sein.
- Gestaltung des Planungs- und Analysesystems: Damit das Management Entscheidungen treffen und planen kann, berechnet der Controller Kennzahlen, erläutert diese und macht es zu seiner Aufgabe, im Unternehmen für Akzeptanz dieser Kennzahlen zu werben. Dabei wird nicht um des Messens willen gemessen, sondern es geht darum, jene Indikatoren zu finden, die maßgeblich sind und das Management bei der Entscheidungsfindung unterstützen.
- Kombination von strategischem und operativem Geschäft: Ohne Strategie ist ein Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Controller unterstützen die Strategie, indem sie Analysen zu Zielkunden, Kernkompetenzen und zur Marktpositionierung erarbeiten. Um die Inputs für seine Berichte zu erhalten, muss der Controller aktiv auf das Management zugehen. Er muss herausfinden, welche Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um die Ziele zu erreichen. Dann baut er die Ergebnisse in die Planung und in das Budget ein. Schließlich muss der Controller sicherstellen, dass jeder im Unternehmen über seine eigenen Verantwortlichkeiten informiert ist.
- Steuerung des Unternehmens zur Realisierung nachhaltigen Wirtschaftens: Zu den Aufgaben des Controllings gehören die Planung sowie die Erstellung der Budgets. Als Basis dafür dienen die strategischen Ziele des Unternehmens. Controller unterstützen die Einhaltung des Budgets, indem sie Kennzahlen bereitstellen und den Prozess überwachen. Nach Vorlage der Ergebnisse führt der Controller Soll-Ist-Analysen durch und zeigt Verbesserungspotenziale auf.
- Entwicklung des Controller-Service zum eigenständigen Business: Controller müssen erkennen, dass sich ihre Expertenleistungen durchaus zu einem eigenen Geschäftsmodell entwickeln lassen. Dafür müssen sie Marktpreise kalkulieren und ein Marketing- und Vertriebskonzept erarbeiten.
Das Verhältnis von CFO und Controller
Egal ob gegenüber dem Kapitalmarkt oder der breiteren Öffentlichkeit, der CFO (Chief Financial Officer) muss sich für die Leistung seines Unternehmens rechtfertigen. Er kann sich nicht nur auf den Finanzbereich beschränken, sondern muss zusätzlich die Strategie nach finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten analysieren, die Zielerreichung überprüfen, sich um das Berichtswesen kümmern und die Organisationsstrukturen überdenken – all das im Sinne einer ganzheitlichen Unternehmenssteuerung. Diese Aufgaben kann der CFO ganz oder teilweise dem Controlling übertragen. Immer noch nimmt das Berichtswesen für die Controller den Großteil ihrer Zeit in Anspruch, doch es spricht vieles dafür, sie auch bei der Unternehmenssteuerung einzusetzen: Sie verfügen über finanzwirtschaftliches Wissen und sind durch die Nähe zum Vorstand über den Stand der Dinge im Unternehmen im Bild. Im Idealfall zeichnen sie sich auch durch soziale Kompetenzen und ein tieferes Verständnis für das Geschäft aus.
Veränderungen des Controllings unter IFRS
Ein Unternehmen, das aus rechtlichen Gründen gezwungen ist, nach IFRS (International Financial Reporting Standards) zu bilanzieren, steht vor einem Dilemma, wenn sich die Standards dieser externen Rechnungslegung nicht mit den Definitionen des internen Rechnungswesens decken. Die Welt der Accountants – die für die externe Berichterstattung zuständig sind – und jene der Controller laufen Gefahr, auseinanderzudriften. Die Controller müssen deshalb nicht nur auf dem Gebiet der internen Rechnungslegung firm sein, sondern auch Bilanzierungswissen nach IFRS mitbringen, wenn sie etwa der Investor-Relations-Abteilung bei der Kommunikation mit Investoren helfen wollen. Häufig benötigen auch externe Prüfer Inputs vom Controlling. Bereits ein Sechstel der Arbeitszeit verbringen Controller mit dieser Informationsbereitstellung. Es macht demnach Sinn, die beiden Abteilungen Controlling und Bilanzierung zu integrieren. Laut einer Umfrage unter österreichischen Managern, Controllern und Bilanzierern ist dies bei 90 % der Unternehmen bereits der Fall, geplant oder in Umsetzung.
„Controller müssen unter IFRS eine zusätzliche Rolle ausfüllen, nämlich als Informationsdienstleister und Sparringspartner auch für Bilanzierer bzw. Accountants.“
Ein Thema bei dem sich die Geister scheiden, ist die Einbeziehung kalkulatorischer Kosten, also von Kosten, denen kein Aufwand oder ein Aufwand in anderer Höhe gegenübersteht, wie z. B. Abschreibungen. Während dies im Controlling selbstverständlich ist, ist es nach IFRS nicht möglich. Manche Unternehmen – wie etwa die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH – gehen bei externem und internem Rechnungswesen getrennte Wege und analysieren dann die abweichenden Zahlen mithilfe von Überleitungen.
„Zunächst muss sich der Controller intensiv mit der IFRS-Rechnungslegung befassen, damit er bei der Beurteilung von Handlungsalternativen auch die Auswirkungen auf die externe Berichterstattung berücksichtigen kann.“
Die Abteilungen der Deutschen Post sind einen Schritt weiter gegangen und haben sich auf einen einheitlichen Kontenplan, einheitliche Bewertungsmethoden und ein gemeinsames Konsolidierungs- und Reporting-System geeinigt. Das Controlling verzichtet gänzlich auf die Berechnung kalkulatorischer Kosten, sodass die Zahlen auch für das externe Reporting verwendbar sind. Als IFRS im Unternehmen eingeführt wurde, konnte das interne Berichtswesen nicht sofort umgestellt werden. Die Controller müssen sich mit der IFRS-Rechnungslegung vertraut machen, um eruieren zu können, wie sich verschiedene Entscheidungen auf die Bilanzen auswirken.
„Das wertorientierte Reporting enthält in integrierter Form qualitative und quantitative Informationen und ist in sachlicher, zeitlicher und formaler Hinsicht kundenorientiert.“
Auch bei der Deutschen Telekom weiß man von den Vorteilen eines integrierten Rechnungswesens. Angenommen, es gibt in einem Unternehmen die „Controller-Wahrheit“ und die „Accounting-Wahrheit“: Sind die Zahlen des Accountings besser als die des Controllings und werden auf Basis der Controlling-Zahlen Personalabbaumaßnahmen beschlossen, wird dies für Verärgerung in der Öffentlichkeit sorgen. Das spricht für die Integration beider Bereiche. Und dennoch: Auch bei der Deutschen Telekom ist noch keine vollständige Harmonisierung der Daten erfolgt. Für Wirtschaftlichkeitsrechnungen werden weiterhin kalkulatorische Kosten angesetzt.
Die Rolle des Controllers bei BSH Bosch und Siemens
Bei BSH Bosch und Siemens, einem 50:50-Joint-Venture zur Herstellung von Hausgeräten, hat die Rolle des Controllers in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Neben den klassischen Aufgaben wie Gestaltung, Bewertung und Kommentierung der Businessplanung, ist er für die Beurteilung von Investitionsprojekten und das Risikomanagement zuständig und muss bei größeren Projekten eingebunden werden. Die Controller bereiten auch die Aufsichtsratssitzungen vor und beraten die operativen Einheiten in betriebswirtschaftlichen Fragen. Daher verlangt das Unternehmen von seinen Controllern ein gutes Geschäftsverständnis und Kommunikationskompetenz. Organisatorisch ist der Zentralbereich Unternehmensentwicklung und Controlling mit 70 Mitarbeitern direkt dem CFO unterstellt. Das Management erhält vom Controlling in regelmäßigen Abständen schriftliche Berichte, die in anschließenden Besprechungen kommentiert werden. Außerdem organisiert das Controlling einmal monatlich die Sitzungen zwischen der Geschäftsführung und den operativen Einheiten und sorgt dafür, dass die vereinbarten Maßnahmen auch umgesetzt werden.
Die Aufgaben des Controllers bei ThyssenKrupp
Im Stahl- und Industriegüterkonzern ThyssenKrupp soll der Controller dem Vorstand Informationen und Analysen liefern, die ihm helfen, Entscheidungen zu treffen. 17 Mitarbeiter koordinieren die Planung, die sich unterteilt in die Einschätzung des laufenden Geschäftsjahres, die Mittelfristplanung und die strategische Planung. Im Rahmen der wertorientierten Berichterstattung erstellt das Controlling monatliche Reports mit qualitativen und quantitativen Informationen einschließlich Ist- und Budgetwerte zu Umsatz und Ergebnis. Natürlich ist der Controller bei ThyssenKrupp auch in Projekte eingebunden. Zu seinen Aufgaben gehört ferner das Investitionscontrolling: Übersteigt der Antrag für eine Sachinvestition zehn Millionen Euro, gibt das Controlling eine Stellungnahme ab. Schließlich ist das Controlling für das wertorientierte Managementsystem mit seinen diversen Instrumenten zuständig.
Prof. Dr. Jürgen Weber leitet das Institut für Management und Controlling an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Dr. Hendrik Vater ist CFO Exel Supply Chain bei Deutsche Post World Net. Dr. Walter Schmidt ist Ökonom und Autor mehrerer Bücher zum Thema Balanced Scorecard. Hartmut Reinhard arbeitet als Director Strategy Logistics und Director Global Controlling Logistics für die Deutsche Post. Prof. Dr. Edgar Ernst ist Honorarprofessor der Otto Beisheim School of Management. Neben diesen fünf Herausgebern und Autoren haben 23 weitere Fachleute an dem Buch mitgeschrieben.