Marken auf Reisen

Buch Marken auf Reisen

Erfolgsstrategien für Marken im Tourismus

Gabler,


Rezension

Ein Buch, bei dem man Fernweh bekommt, ist das nicht. Aber darum geht es den Autoren auch nicht. Vielmehr zeigen sie auf, wie man im knallharten Reise­busi­ness eine Marke auf- und ausbaut. Wer sich darüber informieren will, findet hier einen nützlichen Leitfaden – sachlich, aber nie langweilig. Den Kern des Buches bilden Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Markt, Konzepte und Instrumente zur Markenführung sowie Tipps für die konkrete Umsetzung. Daneben gibt es viele ausführliche Fall­beispiele: Anhand bekannter Des­ti­na­tio­nen, Rei­sev­er­anstal­ter und Fluglinien wird demon­stri­ert, wie man sein Image pflegt, sich dif­feren­ziert und der Konkurrenz erfolgreich die Touris­ten­ströme abgräbt. Auch Fehltritte von Mar­ket­ingver­ant­wortlichen werden nicht ausgespart. Seitenweise Best Practices also, und höchstens einen Grund zum Meckern: die blasse Schrifttype, die einem schnell einmal Au­gen­schmerzen bereitet. Darüber, meint BooksInShort, werden Mar­ket­ingver­ant­wortliche in der Touris­musin­dus­trie hinwegsehen können.

Take-aways

  • Der Tourismus macht heute 10 % der weltwirtschaftlichen Umsätze aus.
  • Die wichtigsten Akteure im Reisemarkt sind Rei­sev­er­anstal­ter, Reisebüros, Airlines, Hotelketten und Reedereien.
  • Kreuz­fahrten sind das am stärksten wachsende Mark­t­seg­ment.
  • Für den Aufbau von Touris­mus­marken gelten die gleichen Spielregeln wie bei Konsumgütern.
  • Marken haben zwei Ebenen: die sichtbare Form und die un­sicht­baren As­sozi­a­tio­nen, die bei den Kunden geweckt werden.
  • Die Bedeutung der Marke ergibt sich aus dem Wech­sel­spiel von Kom­mu­nika­tion und Erfahrung – das Leis­tungsver­sprechen muss bestätigt werden.
  • Weil sich Kunden über mehrere Medien gle­ichzeitig informieren, ist Marke­nauf­bau im Tourismus immer Mul­ti­chan­nel-Mar­ket­ing.
  • Verfolgen Sie Touris­tik­trends, damit Sie Ihre Mar­ket­ingstrate­gie diesen rechtzeitig anpassen können.
  • Die größte Zielgruppe der Zukunft sind die über 60-Jährigen.
  • Kurztrips werden beliebter; lange Fernreisen tritt man seltener an.
 

Zusammenfassung

Wach­s­tums­branche Tourismus

Reisen diente im 18. Jahrhundert vor allem der Bildung und war fast ausschließlich dem Adel vorbehalten. Doch schon im 19. Jahrhundert etablierten sich Er­hol­ungsreisen für breitere Bevölkerungskreise, meist an die See oder in die Berge. Heute ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaft­szweige überhaupt. Im Jahr 2007 lag der gesamte Pro­duk­tion­swert der Branche bei 5391 Milliarden Dollar, das sind etwa 10 % des Welt-Brut­toin­land­spro­dukts. 231 Millionen Menschen leben weltweit vom Tourismus. Jährliche Wach­s­tum­sraten von rund 4 % weisen darauf hin, dass auch zukünftig viel Geld mit der Erholung oder dem Er­leb­nisurlaub verdient werden kann. Deutschland, Japan, die USA und Großbritannien gehören zu den Ländern, die am meisten Geld für Reisen ausgeben. Das stärkste Wachstum hingegen legt China hin, denn mit dem Wohlstand haben auch die Chinesen ihre Reiselust entdeckt.

Akteure der Reisewirtschaft

In der Touris­muswirtschaft sind alle Akteure zusam­menge­fasst, die an der Reiselust der Menschen verdienen. Aus ver­schiede­nen Leistungen (Flug, Hotel, Ausflüge) schnüren Rei­sev­er­anstal­ter Pakete, die meist über Reisebüros vertrieben werden. Manche Reisebüros agieren nicht nur als Rei­sev­er­mit­tler, sonder auch als Rei­sev­er­anstal­ter, indem sie für ihre Kunden exklusive Pakete zusam­men­stellen. Die drei größten deutschen Rei­sev­er­anstal­ter sind TUI (Marktanteil: 28 %), Thomas Cook (19 %) und REWE Touristik (18 %). Die meisten Rei­sev­er­anstal­ter besitzen mehrere Ve­r­anstal­ter­marken, mit denen sie den Reisemarkt bedienen. TUI operiert beispiel­sweise mit den Marken Berge & Meer, Gebeco, L’TUR und 1-2-Fly in un­ter­schiedlichen Mark­t­seg­menten.

„Der Tourismus ist einer der be­deu­tend­sten Wirtschaft­szweige und eine der be­deu­tend­sten Wach­s­tums­branchen weltweit.“

Spezielle Busi­ness-Travel-An­bi­eter or­gan­isieren Reisen für Unternehmen, meist auf Grundlage von individuell aus­ge­han­del­ten Rahmenverträgen. Die Anbieter von Com­put­er­re­servierungssys­te­men verkaufen Reisebüros eine ein­heitliche Buchungs­maske, die die Angebote ver­schiedener Rei­sev­er­anstal­ter bündelt. Überhaupt ist das Internet mit­tler­weile das wichtigste Medium, um Reisen zu verkaufen. Vor allem Einzelleis­tun­gen (Bahn, Flug, Hotel) werden bevorzugt im Internet gebucht. Allerdings ist noch nicht richtig klar, wann es sich wirklich um Onlineumsätze handelt, da sich viele In­ter­essen­ten in Reisebüros informieren und dann im Internet buchen oder umgekehrt.

„Kreuz­fahrt­ex­perten erwarten in den nächsten Jahren ein zweis­tel­liges Wachstum in Europa.“

Flugge­sellschaften teilen sich in Full-Ser­vice-Car­rier und Low-Cost-Car­rier auf. Letztere sind erheblich billiger, bieten aber meist nur einen Teil des bei großen Flugge­sellschaften üblichen Ser­viceange­bots. Die meisten Flugge­sellschaften gehören einer von drei großen Allianzen an, womit Synergien genutzt werden: Star Alliance (u. a. Lufthansa, Swiss, United, SAS, Austrian Air, Air Canada), SkyTeam (u. a. KLM, Alitalia, Aeroflot, Air France) und oneworld (u. a. American Airlines, Quantas, British Airways). Auch die großen Hotelketten führen mehrere Marken unter einem Dach. So gehören beispiel­sweise Mercure, Etap, Ibis und Sofitel zur Ac­cor-Gruppe.

„Die Qualität allein ist kein aus­re­ichen­des Kriterium, um eine Marke zu definieren.“

Das größte Wachstum innerhalb der Touris­musin­dus­trie erfahren derzeit die Kreuz­fahrten. Das Angebot reicht von kleinen Bou­tiqueschif­fen, die vor allem für Fluss- und Küstenkreuz­fahrten eingesetzt werden, bis zu Mega-Kreuz­fahrtschif­fen mit einer Kapazität von 3000 Reisegästen.

Die sichtbare Ebene der Marke

Es ist gar nicht so einfach zu definieren, was Marken eigentlich sind. Sie stehen für eine bestimmte Qualität, und sie sind Teil eines Kom­mu­nika­tion­skonzepts. Eine Marke entsteht nicht von selbst in den Köpfen der Verbraucher; sie muss intensiv und langfristig aufgebaut werden. Jede Marke besitzt zwei Ebenen oder Gesichter: die äußere, sichtbare Form und die un­sicht­baren Inhalte, die mit dem Marke­nauftritt trans­portiert werden. Zur sichtbaren Ebene gehört der Markenname. Er definiert die Marke und sollte, ist er erst einmal etabliert, nicht mehr geändert werden. So war die Ersetzung des etablierten Namens „Condor“ durch den neuen Markennamen „Thomas Cook“ marken­tech­nisch eine Katastrophe, was nach zwei Jahren dazu führte, dass die Flugge­sellschaft ihren alten Namen und das alte Logo reak­tivierte. Logos sind zwar auch wichtig, wirken jedoch meist nur, wenn der Name bereits etabliert ist: Wer den ange­bis­se­nen Apfel sieht, denkt an Apple, wer einen dreiza­ck­i­gen Stern im Kreis erblickt, hat sofort den Schriftzug von Mer­cedes-Benz vor Augen. Logo und Farbwahl können wichtige Bausteine der Markenkom­mu­nika­tion sein. Der Low-Cost-Car­rier HLX verwendet auf seinen Flugzeugen gelb-schwarze Farben, die an Taxis erinnern. Die implizite Botschaft: Mit HLX fliegen ist so günstig wie eine Taxifahrt.

Die unsichtbare Ebene der Marke

Die unsichtbare, inhaltliche Ebene der Marke ist sehr viel schwieriger zu fassen als die „dekorative Hülle“. Jede Marke ruft As­sozi­a­tio­nen hervor, die in ein fein verzweigtes Raster eingetragen werden können. Dieses stellt die As­sozi­a­tion­s­land­karte der Marke dar. Allgemeine Attribute wie „Qualität“ und „innovativ“ sind wertlos, wenn nicht eruiert werden kann, was die Qualität und In­no­va­tion­skraft ganz konkret ausmacht.

„Der End­ver­braucher informiert sich grundsätzlich bei mehreren Quellen, bevor er sich für eine touris­tis­che Leistung entscheidet.“

Am Anfang einer neuen Marke steht immer die Kombination einer Leis­tungskom­po­nente mit einer Markierung. Letztere erfolgt zunächst über den Namen und ggf. über ein Bildzeichen oder Logo. Eine solche markierte Leistung ist aber noch keine Marke. In einem zweiten Schritt muss die Marke mit Bedeutung aufgeladen werden. Dies geschieht über die Kom­mu­nika­tion von As­sozi­a­tio­nen. Allerdings wird sich ein Markenbild beim Kunden nur dann festsetzen, wenn das Produkt die Versprechen der Markenkom­mu­nika­tion auch einlöst. Erst aus dem Wech­sel­spiel von Markenkom­mu­nika­tion und Marken­er­fahrung ergibt sich die Bedeutung der Marke. Für die einzelnen Bausteine einer Marke hat sich die Metapher vom „Markenhaus“ etabliert: Das Fundament besteht aus den As­sozi­a­tio­nen, die von der Marke her­vorgerufen werden, das Dach umfasst alle nach außen sichtbaren Markenbe­standteile, und die Räume stehen für diejenigen Aspekte der Marke, die nicht von außen sichtbar sind (z. B. Loyalität oder Sympathie).

Marken­strate­gien im Tourismus

Touris­mus­marken lassen sich prinzipiell genauso gestalten und beschreiben wie Konsumgütermarken. Einige haben es sogar geschafft, Gat­tungs­be­griffe zu werden: Paris, die Schweiz und Venedig sind solche Des­ti­na­tion­s­marken, deren Markenkerne auch auf andere touris­tis­che Ziele übertragen werden, z. B. „Paris des Ostens“ für Prag oder „Sächsische Schweiz“ für das Elb­sand­steinge­birge in Sachsen. So bauen Sie eine Touris­mus­marke auf:

  1. Analyse: Beginnen Sie mit der der Un­ter­suchung des Ist- und Sol­lzu­s­tands. Wenn Ihre Marke bereits existiert, sollten Sie ins Mar­ketingarchiv gehen und her­aus­finden, welche Kern­botschaften – so genannte Marken­wurzeln – schon immer eine wichtige Rolle gespielt haben. Bei neuen Marken können Sie zunächst von Wun­schvorstel­lun­gen ausgehen. Das ist aber z. B. bei Des­ti­na­tio­nen nicht uneingeschränkt möglich. Wenn ein Land wie etwa die Türkei zur Marke gemacht werden soll, gilt es zu berücksichtigen, dass in den Köpfen der Menschen bereits As­sozi­a­tio­nen existieren. Wollen Sie dagegen ein neues On­linereisebüro aus der Taufe heben, können Sie über Umfragen die Ansprüche her­aus­finden, die potenzielle Kunden stellen. Analysieren Sie auch das Marktumfeld genau, um eine geeignete Marktnische zu finden und mögliche Dif­feren­zierungsmerk­male zu erkennen. Eine genaue Mark­t­analyse kann Ihnen völlig neue Per­spek­tiven eröffnen.
  2. Strategie: Marken wachsen langsam und über mehrere Jahre. Daher müssen Sie strategisch planen, wie sich das Image der Marke entwickeln soll. Legen Sie Ihre Ziele so konkret wie möglich fest (z. B. „Bekan­ntheits­grad um 10 % erhöhen“). Bestimmen Sie die genaue Po­si­tion­ierung der Marke, definieren Sie Un­ter­schei­dungsmerk­male in Bezug auf das Wet­tbe­werb­sum­feld und legen Sie schließlich den Zeitrahmen, das Budget und die Instrumente fest, mit denen Sie Ihre Strategie umsetzen wollen.
  3. Umsetzung: Hier steht Ihnen das gesamte Mar­ketin­gin­stru­men­tar­ium zur Verfügung. Die Grundlage bildet meist ein geeigneter Name. Achten Sie darauf, dass dieser kurz und griffig ist, keinerlei negative Nebenbe­deu­tun­gen hat und – sofern er in­ter­na­tional verwendet wird – überall gleich gut aus­ge­sprochen werden kann. Das ist Fleißarbeit! Kein Wunder, dass spezielle Nam­ing-Agen­turen sechsstel­lige Summen für die Na­mensfind­ung verlangen. Hinzu kommen Slogans, Prospekte und Kataloge, Public Relations und Reisemessen. Wichtig: Die meisten Kunden informieren sich in ver­schiede­nen Medien über ihr Reiseziel. Daher müssen Sie konsequent auf Mul­ti­chan­nel-Mar­ket­ing setzen, also ihre Zielgruppe über ver­schiedene Kom­mu­nika­tion­smaßnahmen ansprechen.

Zwei Beispiele für einen gelungenen Marke­nauf­bau

AIDA Cruises gelingt es seit Mitte der 90er Jahre, das Kreuz­fahrt­seg­ment komplett zu verjüngen. Die AIDA-Club­schiffe sind deshalb so erfolgreich, weil sie das Se­nioren­im­age abgestreift und Kreuz­fahrten für junge Menschen attraktiv gemacht haben. Der bunte Schriftzug, der Name selbst, der an die Verdi-Oper erinnert, und der stilisierte Kussmund als Bugbemalung machen deutlich: Auf AIDA-Club­schif­fen gibt es keine Klei­derord­nung, kein Captain’s Dinner und keine festen Sitzplätze. Sport, Spaß und En­ter­tain­ment stehen im Vordergrund.

„Reiseentschei­dun­gen werden spontaner und flexibler getroffen, der Verbraucher wird hybrid und mul­ti­op­tional.“

Die deutsche Airline Lufthansa hat mit den Lufthansa City Centern den er­fol­gre­ichen Einstieg in den Bereich der Reisebüros geschafft. Die selbstständigen Reisebüros übernehmen das Lufthansa-Konzept als Franchise und profitieren von der bekannten Marke. Diese wird umgekehrt durch die Präsenz in den Reisebüros zusätzlich gestärkt. Die Lufthansa City Center erhalten von der Airline so genannte Ad Kits, mit deren Hilfe sie die eigenen Angebote leicht in das vorkon­fig­uri­erte Lufthansa-De­sign integrieren können, um z. B. Schaufen­ster­aushänge anzufer­ti­gen. Die Reisebüros sind unter dem Markendach der Airline zu einer Submarke geworden, deren Kurs mit dem Markenimage der Dachmarke steigt und fällt.

Trends im Tourismus

Der Reisemarkt ist in Bewegung, daher sollten Sie bei Ihrer Mar­ket­ingstrate­gie immer die En­twick­lun­gen in den einzelnen Mark­t­seg­menten beachten. Zu den wichtigsten Trends der kommenden Jahre gehören die folgenden:

  • Senioren reisen viel: Die über 60-Jährigen sind die größte Zielgruppe der Zukunft.
  • Künftig wird es mehr Kurztrips geben, dafür verreist man mehrmals pro Jahr statt nur einmal.
  • Die Bedeutung des Internets für die Mar­ket­ingkom­mu­nika­tion und den Verkauf wird weiterhin wachsen.
  • Neue Touristen aus den Schwellenländern werden in die klassischen Des­ti­na­tio­nen strömen.

Über die Autoren

Dr. Nicholas Adjouri ist Gründer und Geschäftsführer einer Agentur für Marken und Kom­mu­nika­tion. Er ist außerdem Koautor des Buches Sport-Brand­ing. Tobias Büttner ist Mitglied der Geschäftsleitung eines Er­leb­nis­reisen-An­bi­eters.