Lösungsvertrieb ist immer individuell
Die Lösung von der Stange gibt es nicht, zumindest nicht in der Hightech-Branche. Denn im Regelfall ist jeder Kunde mit seinem Problem einzigartig. Und jeder Verkäufer ist das auch. Das macht den Lösungsvertrieb, auch Hightech-Selling genannt, natürlich nicht einfacher. Typisch für diese Branche ist, dass etwa die Hälfte der Vertriebserstkontakte auf der Ebene der Bereichsleiter entsteht, ein Fünftel sogar im Topmanagement. Typisch ist auch die Nachverkaufssituation: Damit ist gemeint, dass Sie nach einem ersten Auftrag im Unternehmen des Kunden Schwachstellen entdecken, die ihm bisher möglicherweise nicht bewusst waren. Natürlich hat der perfekte Lösungsvertriebler dafür das passende Produkt parat – oder schneidert es individuell auf die Wünsche des Kunden zu. Die Hightech-Branche ist sehr breit gefächert und unübersichtlich. Deswegen müssen Sie zunächst Ihren Zielmarkt identifizieren. Der gibt Ihnen zwar eine Richtung vor, ist aber noch immer eher unüberschaubar. Darum müssen Vertriebsmitarbeiter in ihrem Zielmarkt die echten Interessenten ausfindig machen. Sie heißen in der Fachsprache Prospects. Je mehr Sie über die Branche wissen, desto eher können Sie zielgerichtet Kunden ansprechen und ihnen Lösungen vermitteln. Wichtig ist, dass Sie immer am Puls der Zeit bleiben, dass Sie Trends frühzeitig erkennen und entsprechende Einsatzmöglichkeiten beim Kunden finden.
Zielmarkt und Konkurrenz definieren
Zu Beginn geht es darum, den eigenen Zielmarkt zu definieren. Dazu ordnen Sie in einer Grafik auf der X-Achse Ihre Kunden ein, auf der Y-Achse deren Probleme. Dadurch ergibt sich optisch und überschaubar Ihr potenzieller Zielmarkt. Als Problemlöser sind Sie nicht allein auf dem Markt – Sie haben jede Menge Konkurrenz. Auch die sollten Sie sich bewusst machen. Stellen Sie mithilfe von Pfeilen dar, in welche Richtungen sich Ihre Wettbewerber entwickeln. Im nächsten Schritt bringen Sie die Informationen über den Zielmarkt mit den Informationen über die Konkurrenz zusammen: Wo befinden Sie sich? Wie steht die Konkurrenz da? Wer wird künftig Ihr Mitbewerber sein? Danach beziehen Sie erstmals mögliche Kunden aktiv ein: Bitten Sie sie um Feedback zu dem, was Sie an Informationen zusammengetragen haben. Stellen Sie außerdem jede Menge Fragen. Wichtig sind Auskünfte zum Wertschöpfungsprozess, zur Strategie des Abnehmermarkts oder zu typischen Produkten des Kunden-Zielmarktes. So erhalten Sie nicht nur wichtige Informationen, der Kunde merkt auch, dass Sie sich intensiv über ihn und seine Probleme Gedanken gemacht haben.
Aktiv um Kunden werben
Mit diesem Wissen sind Sie nun bestens gerüstet, um weitere passende Kunden für sich zu entdecken. Sie können dazu z. B. Messen besuchen – allerdings sind die nicht mehr so wichtig wie früher. Netzwerke haben dagegen einen immer höheren Stellenwert. Die beste Werbung ist, wenn ein Bestandskunde Sie einem potenziellen Neukunden empfiehlt. Aber Achtung, machen Sie mit dem neuen Kunden nicht schon zu Beginn Ihrer Kooperation einen Besuch beim Referenzkunden – Sie sind noch nicht tief genug in der Sache drin, um alle plötzlich auftauchenden Fragen beantworten zu können.
Vor der ersten Begegnung
Wissen ist Macht: Darum sollten Sie sich auf alle potenziellen Kunden schon vor dem Erstkontakt vorbereiten. Werten Sie Informationen aus dem Internet, dem Geschäftsbericht oder Imagepublikationen aus, um die Schlüsselfiguren des Unternehmens kennen zu lernen. Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich über den Vorstand, die Bereichsleiter und die Hauptabteilungsleiter der interessanten Zielkunden. Je mehr Sie wissen, desto leichter können Sie sich auf sie einzustellen.
„Systemisches Verkaufen ist eine Denkhaltung, die darauf abzielt, sich permanent bewusst zu machen, wie das System Ihres Kunden funktioniert und wie sich eine Ihrer Vertriebsaktivitäten auf dieses System und einzelne Subsysteme positiv auswirkt.“
Legen Sie einen Kontaktplan an, der u. a. folgende Fragen beantwortet: Welche Themen sind für ein Gespräch relevant? Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen? Wie entwickelt sich der Umsatz? Nutzen Sie Ihr Netzwerk, um die Informationen zu verifizieren. Ergänzen Sie den Kontaktplan laufend. Fügen Sie auch die formelle und die informelle Organisation des Kundenunternehmens ein, sobald Sie an diese Informationen kommen. Vergessen Sie bei alledem nicht die Wettbewerber: Sind sie an Ihrem Prospect näher dran, als Ihnen lieb ist? Graben Sie noch tiefer: Das Problem des Prospects muss Ihnen bereits bekannt sein, bevor Sie auf ihn zugehen. So können Sie ihn später umso leichter davon überzeugen, dass Sie die Lösung für seine Knacknuss haben.
Der persönliche Kontakt
Bei allen Bekanntschaften mit potenziellen Kunden sind die folgenden Fragen relevant: Gibt es ein Problem? Können Sie es lösen? Wäre der Gesprächspartner bereit, für diese Lösung Geld auszugeben? Wie ist der Zeithorizont? Der erste Kontakt kann auch telefonisch stattfinden. Vertriebsmitarbeiter können sich z. B. jeden Morgen zwei Stunden frei halten, um potenzielle Kunden anzurufen. In vielen Fällen müssen Sie zuerst an der Sekretärin vorbei. Um durchgestellt zu werden, sollten Sie sich so präzise wie möglich ausdrücken und sich gleichzeitig sehr kurz fassen. Werden Sie aufgefordert, eine E-Mail zu schreiben, sollten Sie das als Chance sehen.
„Sie müssen den richtigen Kunden finden, seinen individuellen Bedarf exakt analysieren und daraufhin die mögliche Lösung entwickeln.“
Kommt es zum Treffen mit einem Prospect, spielen die üblichen Regeln der Körpersprache eine wichtige Rolle. So lässt sich der Einstieg ins Gespräch erleichtern, wenn Sie die Körperhaltung Ihres Gegenübers kopieren. Aber übertreiben Sie dabei nicht! Ziehen Sie langsam nach: Schlägt Ihr Gesprächspartner die Beine übereinander, sollten Sie zunächst nur Ihre Füße und erst etwas später die Beine kreuzen. Wollen Sie überprüfen, ob die Chemie zwischen Ihnen beiden stimmt, dann verändern Sie Ihre Körperhaltung. Passt sich Ihr Gegenüber innerhalb von etwa eineinhalb Minuten an? Dann läuft alles prima.
Die Wahl der richtigen Worte
Nicht nur körpersprachlich, sondern auch verbal sollten Sie auf Ihren Gesprächspartner eingehen. Ist er ein visueller, auditiver oder kinästhetischer Mensch? Hören Sie gut zu, um das herauszufinden. Benutzt er Wörter wie „spiegeln“, „Perspektive“, „Highlight“? Dann ist er eher visuell verlangt. Ausdrücke wie „vernehmlich“ oder „laut und deutlich“ sprechen für einen auditiven, „neue Maßstäbe setzen“ oder „Problem aufdecken“ für einen kinästhetischen Gesprächspartner. Natürlich gibt es auch Mischtypen. Versuchen Sie, sich in Ihrer Wortwahl den verschiedenen Typen anzupassen und ihre jeweilige Sprache zu sprechen. Egal mit wem Sie es zu tun haben: Vermeiden Sie das Wörtchen „aber“ und versuchen Sie hauptsächlich positive Botschaften zu überbringen. Halten Sie stets ein Kompliment in der Hinterhand, z. B. über die schönen Bilder an der Bürowand. Aber Achtung, es geht nicht nur darum, das Richtige in den passenden Worten auszudrücken – Sie müssen auch zuhören können. Nur so können Sie Plattitüden hinterfragen. Lehnt Ihr Gesprächspartner etwas ab? Dann fragen Sie nach: Was genau lehnt er ab? Warum? Nur jetzt oder allgemein? Nachfragen ist die richtige Vorgehensweise, um Einwände aus der Welt zu schaffen.
Die Gesprächsführung
Jeder Kunde ist individuell, darum ist kein Erstkontakt wie der andere. Falsch ist darum eine standardisierte Präsentation zu Beginn. Die Betonung der Kundenindividualität sollte sich bis zur Angebotsabgabe durchziehen. Für einen guten Start ist es sinnvoll, durch Fragen Informationen zu erhalten und die eigenen Lösungsvorschläge vorzustellen. Wichtig ist, dass Sie Aussagen hinterfragen und so ein Grundverständnis für Ihr Gegenüber entwickeln. Das Gespräch soll ein Dialog sein, kein Monolog.
„Wichtig bleibt, dass Sie auch nach dem eigentlichen Kauf stetig daran arbeiten, die Beziehung zum Kunden weiter zu verbessern.“
Eine Entscheidung fällt meistens nicht schon nach dem ersten Gespräch. Vermutlich benötigt der Kunde noch Unterlagen, will sich mit seinen Kollegen beraten und einen Besuch bei einem Ihrer Referenzkunden machen, um dort mit Experten zu diskutieren. Das Interessante an dieser Entscheidungsfindung ist für Sie, dass sie auch bei allen Folgegesprächen so ablaufen wird wie beim ersten Mal. Da Sie Ihren Gesprächspartner dann schon kennen, können Sie ihn dabei unterstützen: Läuft der Entscheidungsweg visuell (Unterlagen ansehen), auditiv (beraten) oder kinästhetisch (diskutieren) ab, können Sie zur richtigen Zeit die passenden Unterlagen präsentieren. Bieten Sie ein Video, Folien, grafische Statistiken für visuelle Entscheider. Für die Auditiven sollten Sie in Ihrer Präsentation mit Zitaten oder mit Interview-Videos arbeiten. Kinästhetische Menschen erreichen Sie am besten mit Modellen oder Folien, die nur einen Titel tragen und gemeinsam vervollständigt werden. Nehmen Sie sich genügend Zeit für die Diskussion.
Die Präsentation
Wenn Sie präsentieren, arbeiten Sie wahrscheinlich mit Folien und Beamer. Trotzdem benötigen Sie auch ein Flipchart – und sei es nur, um die offenen Fragen festzuhalten. Das fördert das Erinnern und ermöglicht es Ihren Zuhörern, sich auf das Wesentliche – nämlich Ihre Präsentation – zu konzentrieren. Beginnen Sie mit einem Marktüberblick und fordern Sie danach Ihr Publikum auf, das Gesagte zu ergänzen. Sprechen Sie dann ähnliche Probleme in verwandten Branchen an. Ist Ihr Kunde eine Bank, gehen Sie auf Versicherungen ein. Präsentieren Sie Referenzkunden aus der Branche Ihres Klienten. Geben Sie im Anschluss an, wie und wo Sie Ihre Informationen recherchiert haben: Wer waren die Gesprächspartner? Woher stammen die zitierten Studien? Gehen Sie anschließend detailliert auf das aktuelle Problem und Ihren Lösungsvorschlag ein.
Der Aktivitätenplan
Nach den ersten Gesprächen geht es darum, eine Strategie zu entwickeln. Diese muss sowohl die Ziele des Kunden als auch Ihre eigenen berücksichtigen. Beantworten Sie dazu u. a. diese Fragen: Wann möchte ich mein Ziel erreichen? Was muss ich dafür tun? Lassen Sie wiederum die Konkurrenz nicht aus den Augen: Wo ist sie besser als Sie? Wie holen Sie sie ein? Erstellen Sie einen Aktivitätenplan. Je feingliedriger dieser ist, desto mehr sollten Sie sich darüber Gedanken machen, wie der Zeitplan dazu aussehen könnte. Je nachdem, welche Vertriebsstrategie Sie verfolgen, werden Sie mehr oder weniger Diskussionsrunden einplanen müssen. Außerdem könnte Ihr Prospect Ihre Vorschläge verwerfen, und dann müssten Sie sich etwas Neues einfallen lassen. Planen und organisieren Sie außerdem rechtzeitig die Zusammenstellung Ihres Teams. Bei der Auswahl der passenden Leute kann Ihnen die Personalabteilung weiterhelfen. Stellen Sie klare Kommunikationsregeln auf, damit vermeiden Sie Ärger schon zu Beginn.
Das Angebot
Achten Sie beim Angebot an den Kunden unbedingt darauf, dass die Lösung und nicht das Problem im Mittelpunkt steht. Auch Formalitäten sind wichtig: Stimmen alle Namen, die im Angebot auftauchen – oder stehen vielleicht diejenigen aus einem Angebot für die Konkurrenz drin? Wenn Sie schließlich in den Vertragsverhandlungen sitzen, dann halten Sie sich nochmals vor Augen, wie Sie in den Prospect-Gesprächen gepunktet haben: Gesprächsführung, Körpersprache und Wortwahl sind auch jetzt wichtig. Lassen Sie sich durch nichts und niemanden provozieren. Geschafft? Der Vertrag ist unterschrieben? Dann bleiben Sie weiter am Ball. Verbessern Sie die Kundenbeziehung, indem Sie regelmäßig Feedback einholen. So können Sie schnell reagieren, wenn es Probleme gibt. Und Sie erkennen frühzeitig, welche neuen und anderen Lösungen Ihr Kunde bei Ihnen einkaufen könnte.