Interessenkonflikte im Media-Markt
Damit Werbung den Weg in die Medien findet, arbeiten werbetreibende Unternehmen meist mit einer Kreativ-Agentur, einer Media-Agentur und verschiedenen Medienanbietern zusammen. Während das Unternehmen das Marketingziel festlegt, entwickelt die Kreativ-Agentur Ideen, um die Botschaft zu transportieren. Die Media-Agentur plant, welche Medien eine erfolgreiche Kommunikation versprechen, und wickelt die Geschäfte mit Anbietern wie Verlagen und Sendern ab.
„Die Agentur ist kein Medienhandelsunternehmen, sondern ein Treuhänder des Kunden.“
Seitdem das Privatfernsehen Anfang der 90er Jahre auch in deutsche Wohnzimmer eingezogen ist, befindet sich der Media-Markt im Umbruch. Der Fernsehspot hat der Printanzeige längst den Rang als Basismedium abgelaufen. Innerhalb von Unternehmen, Agenturen und Medienanbietern gab es Zusammenschlüsse, wodurch einige wenige Konzerne immer größere Marktmacht gewannen. Durch mangelnde Transparenz, überzogene Rabattforderungen und Verkaufsprovisionen ist die Media-Branche in Verruf geraten. Skandale um den Großhandel von Media-Leistungen haben in Deutschland, Frankreich und den USA zu Versuchen geführt, die Branche durch staatliche Gesetzgebung zur Ordnung zu rufen. Anstatt als Medienhändler zu fungieren, so die Forderung, müssen Media-Agenturen wieder als neutrale Berater ihrer Kunden auftreten und deren Budget treuhänderisch verwalten.
Wer verdient an Ihrem Budget?
Um die Vertrauenskrise zu verstehen, ist ein Blick auf die Honorierungsmodelle von Media-Agenturen nötig. Die Agentur-Auswahl erfolgt meist nach aufwändigen Verkaufsgesprächen, und nicht selten ist das billigste Angebot kaufentscheidend. In der Regel erhält die beauftragte Agentur als Vergütung einen prozentualen Anteil des ihr anvertrauten Werbebudgets, optional ein leistungsbezogenes Zusatzhonorar. Dieses gängige Honorierungsmodell stammt aus der Zeit, als Media und Kreation von ein und derselben Agentur erledigt wurden. Es übersieht den unterschiedlichen Aufwand, den verschiedene Mediengattungen erfordern. Steigender Preis- und Konkurrenzdruck verführt viele Agenturen, sich nach Zusatzeinnahmen umzusehen. Um niedrige Honorare zu kompensieren, lassen sich viele auf Agentur-Deals ein, d. h. sie sichern sich aufgrund ihres Auftragsvolumens Rabatte bei den Medienanbietern, geben diese aber nicht an ihre Kunden weiter. Verhindert werden kann das nur durch eine angemessene Bezahlung.
„Media-Transparenz bedeutet: Werbetreibende, die einen Dritten beauftragen, in ihrem Namen Medien einzukaufen, bezahlen dafür denselben Preis wie die Agenturen.“
Rechtlich sieht die Situation so aus: In den meisten Ländern, so auch in Deutschland, kauft eine Agentur zwar im Namen des Kunden ein. Den Medien gegenüber tritt sie aber als eigenständiger Geschäftspartner auf und übernimmt – anders als z. B. ein Rechtsanwalt – die volle Haftung. Ob und in welcher Form der Werbetreibende einen Anspruch auf den Rabatt hat, bestimmt allein seine Vertragsgestaltung mit der Agentur.
Neue Honorierungsmodelle
Diskutiert werden neue Honorierungsmodelle, die für mehr Transparenz zwischen allen Beteiligten sorgen sollen:
- Beim Treuhändermodell handelt die Agentur im Auftrag des Kunden und reicht alle Rabatte an ihn weiter.
- Beim Broker-Modell kauft die Agentur als Großhändler Media-Leistungen ein und verkauft sie weiter. Anstatt einer Mittlervergütung erhält die Agentur vom Medienanbieter ein festes Konditions- und Rabattsystem.
- Beim Skandinavischen Modell wird die Agentur anteilig vom Kunden und vom Vermarkter von Sendezeit und Anzeigenflächen bezahlt (1,5–2,5 %).
„Im Agenturvertrag zwischen Media-Einkäufer und Werbungtreibenden werden die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit klar festgelegt.“
Wenn Sie von der Einkaufsmacht einer Agentur profitieren möchten, müssen Sie einen Vertrag aufsetzen, der auch Ihre Interessen wahrt. Die Zeichen stehen gerade gut, um eigene Vorstellungen durchzusetzen. Regeln Sie, ob die Agentur bei den Medien eigenständig oder in Ihrem Namen Aufträge erteilen darf. Zahlungstermine für Werbeschaltungen sollten Sie medienbezogen festlegen, um von den Skonti zu profitieren. Die Agentur sollte Ihr Geld nicht mehr als fünf Tage vor dem Termin erhalten, an dem sie selbst den jeweiligen Medienanbieter bezahlen muss.
Briefing und Strategie als Grundlage
Haben Sie die Zusammenarbeit mit einer Media-Agentur vertraglich vereinbart, erstellen Sie ein schriftliches Media-Briefing. Dieses enthält alle Informationen, die bisher zwischen Ihnen, Ihrer Kreativ-Agentur und Ihrer Media-Agentur besprochen wurden, und dient als Grundlage für die eigentliche Media-Planung. Machen Sie neben Produktinformationen und Kommunikationszielen detaillierte Angaben zur Medienauswahl, zum zeitlichen Rahmen, zum Budget und zur Zielgruppe.
„Das Media-Budget ist der größte Kostenfaktor im Marketing. Ein zu geringes Budget kann ebenso verschwendet sein wie ein zu großes.“
Anhand des Briefings bildet die Media-Agentur die von Ihnen definierte Marketingzielgruppe in einer äquivalenten Medienzielgruppe ab. Diese Zuordnung kann quantitativ (soziodemografisch) oder qualitativ (milieubedingt) erfolgen. Im weiteren Verlauf stellt die Media-Agentur fest, in welchen am Markt vorhandenen Medien sie die zuvor definierten Kommunikationsziele am wirtschaftlichsten erreichen kann. Die Medienauswahl bestimmt auch die Entscheidung für oder gegen einen Media-Mix, d. h. die Berücksichtigung verschiedener Medien wie Print, TV, Plakat, Kino usw. Die Analyse Ihres Briefings mündet schließlich in eine Media-Strategie, die die Media-Agentur Ihnen als dem Auftraggeber präsentiert und übergibt.
„Aufgabe der Media-Agentur ist es, die Merkmale der Marketing-Zielgruppe möglichst genau in eine Media-Zielgruppe umzusetzen und zu prüfen, welche Markt-Media-Studien als relevante Informationsquellen herangezogen werden können.“
Aus der Strategie entwickelt die Media-Agentur eine detaillierte Media-Planung, mit der auch Sie als Werbetreibender sich intensiv auseinandersetzen sollten. Wie oft Sie potenzielle Kunden werblich ansprechen müssen, lässt sich nämlich nicht verbindlich sagen. Es ist letztlich Aufgabe der Media-Agentur, die optimale Frequenz anhand von Erfahrungswerten und Markt-Media-Studien zu ermitteln. Dies sollte in Form eines „Kontaktkorridors“ erfolgen, der besagt, dass der Konsument mindestens x-mal, aber möglichst nicht öfter als y-mal angesprochen wird.
Die Medien im Überblick
Das Fernsehen ist das meistgenutzte Basismedium und verschlingt oft den größten Anteil am Werbeetat, manchmal über 60 %. Die großen Vorteile von TV-Spots: Sie ermöglichen eine sehr emotionale Ansprache, und Programmfelder erlauben eine zielgruppengenaue Selektion. Die Digitalisierung des Mediums und dessen interaktive Nutzung gehen leider nur schleppend voran und bleiben hinter den Möglichkeiten zurück. Dafür hat die Lockerung des Sponsoring-Gesetzes durch die EU neue Werbeformen eröffnet, von denen auch die öffentlich-rechtlichen TV-Sender profitieren. Üblich sind „Opener“ und „Closer“ vor und nach dem gesponserten Programminhalt. Exklusive Sonderwerbeformen wie „Split-Screen“-Werbung liegen im Trend, die Preise sind allerdings wenig transparent. Neben TV gibt es eine Vielzahl anderer Werbemedien, deren Stellenwert sich in Zukunft weiter ändern wird. Für die im Media-Geschäft Tätigen bedeutet das, künftig sowohl Massen- als auch Individualkommunikation abzudecken.
„Die Abstände bis zur Entstehung neuer Medien werden immer kürzer, was nicht gleichbedeutend damit ist, dass ‚alte‘ Medien sterben.“
Publikumszeitschriften eignen sich gut als Basismedium für erklärungsbedürftige Produkte. Tageszeitungen transportieren rationale Inhalte am besten, werden aber vom Internet verdrängt. Mit Werbung im Hörfunk und Plakataktionen können Sie Kampagnen regional unterstützen. Kinowerbung eignet sich besonders zur emotionalen Ansprache junger Zielgruppen, leidet aber unter rückläufigen Besucherzahlen. Mit Direct-Mailing erreichen Sie gezielt einzelne Adressen oder breit gestreut ganze Haushalte, das Spektrum reicht dabei von Postkarten über Proben bis hin zu Katalogen.
„Nicht nur das Mediennutzungsverhalten und die technische Weiterentwicklung der Endgeräte unterliegen einem ständigen Wandel, auch die Erlös- und Vermarktungsmodelle der Medienanbieter befinden sich im Umbruch.“
Das Medium Internet zeichnet sich durch vielfältige Nutzungsformen (z. B. Mailen, Chatten, Surfen) aus und ermöglicht gleichzeitig eine „One-to-One-Kommunikation“. Dank ständig steigender Bandbreite und inzwischen reichlich verfügbarer Daten zum Markt und dessen Nutzung hat sich die Online-Werbung neben den klassischen Werbeträgern etabliert. Sie ist besonders geeignet für interaktive Aktionen und zur Imagebildung; auch Advertorials, Werbung mit redaktionellem Inhalt, sind beliebt. Affiliate-Systeme wie vitrado.de oder affili.net ermöglichen jedem Website-Betreiber, Werbung für ein beliebiges Produkt zu schalten. Der Anbieter erhält vom Werbetreibenden eine verkaufsabhängige Provision. Die weltgrößte Suchmaschine Google bietet vielfältige Werbeformen an, am bekanntesten sind AdWords-Anzeigen. Dabei werden bezahlte Schlüsselwörter dank dem ausgeklügelten Google-Algorithmus direkt neben den Suchergebnissen angezeigt. Online-Werbung erfordert von den Media-Agenturen eine ganz andere Planung als klassische Werbeträger, hat aber den Vorteil, dass sie laufend angepasst werden kann.
Sonderfall TV
Die „Big Player“ SevenOne Media und IP Deutschland dominieren die TV-Vermarktung und erwirtschaften über 80 % aller TV-Werbeinvestitionen. Zur TV-Werbeplanung werden spezielle Planungswerkzeuge eingesetzt. In diesem automatisierten, mathematischen Prozess dienen Daten der GfK (Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung) mit der Einschaltquote pro Werbeblock und den Tarifen der Anbieter als Basis. Die Media-Agentur schlägt ihrem Kunden zur Werbeplatzierung mehrere Sender vor. Einzelne Sendungen finden dabei keine Berücksichtigung, weil die Planung nach Belegungseinheiten erfolgt. Meist ist das Resultat ein Kompromiss aus 60 % großen Privatsendern, 30 % kleinen privaten und 10 % öffentlich-rechtlichen.
„Die Herausforderung der Zukunft für die werbetreibenden Unternehmen, die Medien und die Agenturen wird sein, Massen- und Individualkommunikation unter einen Hut zu bringen.“
Bereits im Juli diskutieren Media-Agenturen jeweils mit den Medienanbietern in Konditionsgesprächen die Preise für das Folgejahr, wobei die Sender natürlich die Werbetrommel für ihr geplantes Programm rühren und dieses zielgruppengenau präsentieren. In den Verhandlungen geht es auch um Rabatte. Üblich sind Volumenrabatte, Naturalrabatte oder Neukundenrabatte. So genannte Share-Deals sind 2007 in Deutschland ins Visier des Kartellamtes geraten und nicht mehr möglich. Mittlerprovisionen werden schon seit Jahren an den Kunden weitergegeben und sind damit eigentlich überflüssig. Würden alle Medienanbieter ihre Werbepreise um 15 % senken, könnten diese Provisionen wegfallen. Während sich in den Preislisten der TV-Sender zwar Volumenrabatte auf Kundenbasis finden, sind Agenturrabatte und Naturalrabatte – in Form von Freispots – nirgends festlegt. Diese werden von den kaufstarken Agenturen frei verhandelt. Obwohl Sie als Kunde auf diese Agenturleistung eigentlich keinen Anspruch haben, können Sie daraus einen Vorteil ziehen – wenn Sie Freispots von Anfang an in die Planung einbeziehen und so ihr Budget schonen.
Ausblick
Die Geschäftsmodelle der Medienanbieter sind im Umbruch. Mit neuen Vermarktungsmodellen versuchen SevenOne Media und IP Deutschland das vom Kartellamt angestrengte Verfahren zu beenden. Gleichzeitig möchten sie die von der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) geforderte Transparenz und Neutralität erfüllen.