Der rechtliche Rahmen
Der Begriff „Investor-Relations“ bezeichnet die Kommunikation einer Aktiengesellschaft mit ihren Aktionären, den Analysten und den Finanzmedien. Im Vordergrund steht dabei absolute Transparenz. Börsennotierte Unternehmen haben zwar einen relativ leichten Zugang zu frischem Kapital, bezahlen diesen aber mit dem Mitbestimmungsrecht der Aktionäre. Um dieses ausüben zu können, benötigen sie relevante Informationen. Die Anforderungen an einen IR-Manager sind vielfältig: Auf jeden Fall müssen Sie Ihre Kenntnisse im Kapitalmarktrecht kontinuierlich auffrischen und hervorragend kommunizieren können. Das Aktiengesetz ist Ihre Bibel. Denn eine AG ist eine juristische Person mit Rechten und Pflichten, die für ihr Fehlverhalten haftbar gemacht werden kann. Von großer Bedeutung ist das Wertpapierhandelsgesetz. Es regelt u. a. die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität. Deren Ziel ist es, alle Marktteilnehmer so schnell wie möglich auf den gleichen Informationsstand zu bringen, um unangemessene Marktpreise zu vermeiden. Daneben sollten Sie sich mit dem Börsengesetz und der Börsenordnung vertraut machen, in denen Handelsarten, Kursveröffentlichung und Entgelte geregelt sind. Der Corporate-Governance-Kodex schließlich ist ein freiwilliges Regelwerk, das z. B. die Offenlegung von Interessenskonflikten der Vorstände empfiehlt.
Ad-hoc-Mitteilungen
Für den Kursverlauf der Aktie entscheidende Informationen dürfen Sie nicht einfach als Pressemitteilung versenden oder im Internet veröffentlichen. Sie müssen diese als Ad-hoc-Mitteilung über spezialisierte Dienstleister verschicken, die garantieren, dass die vorgeschriebenen Empfänger sie erhalten. Kommunizieren Sie so schnell wie möglich. Sie haben zwar Zeit, Formulierungen zu prüfen und notfalls auf rechtliche Implikationen abklopfen zu lassen. Weitere Verzögerungen sind aber nicht zulässig. Laut Gesetzgeber sind Insiderinformationen, die den Börsenpreis einer Aktie erheblich beeinflussen können, ad-hoc-pflichtig. Ein Beispiel ist eine unerwartet hohe Umsatzsteigerung für das folgende Jahr. Entscheidend ist das Wörtchen „unerwartet“: Dies trifft nur zu, wenn der Markt die Steigerung noch nicht eingepreist hat. Auch Kapitalmaßnahmen, Übernahmen, Organveränderungen oder Umstrukturierungen können mitteilungspflichtig sein.
„Niemand geringerer als die Eigentümer des Unternehmens sind die Hauptzielgruppe von Investor-Relations.“
Knüpfen Sie ein enges Kommunikationsnetz zu den verantwortlichen Mitarbeitern in Ihrem Unternehmen und machen Sie diese mit dem Thema vertraut. Sie können sich von der Mitteilungspflicht befreien, wenn das Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung höher einzuschätzen ist als das des Kapitalmarktes an einer raschen Veröffentlichung. Ein Beispiel hierfür sind laufende Übernahmeverhandlungen. Formal sind Ad-hoc-Mitteilungen kurz, sachlich und präzise. Vermeiden Sie ambivalente Formulierungen, damit keine unnötigen Gerüchte aufkommen. Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht drohen bis zu einer Million Euro Bußgeld sowie mögliche Schadensersatzansprüche geschädigter Anleger.
„Als Investor-Relations-Manager müssen Sie grundsätzlich der am besten informierte Mitarbeiter nach dem Vorstand sein.“
Mitteilungspflichtig sind außerdem so genannte Directors’ Dealings. Sie liegen vor, wenn Führungspersonen, deren Angehörige oder eine von ihnen kontrollierte juristische Person mit den Wertpapieren des eigenen Unternehmens handeln. Die Maßnahme der Mitteilungspflicht soll verhindern, dass Führungskräfte durch ihren Wissensvorsprung gegenüber anderen Anlegern im Vorteil sind. Auch wenn ein Aktionär durch den Kauf oder Verkauf von Unternehmensanteilen Stimmrechtsschwellen unter- oder überschreitet, müssen Sie das an das Unternehmen, an die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) und einer Reihe von Medien melden. Das Wertpapierhandelsgesetz schreibt außerdem die Führung und regelmäßige Aktualisierung eines Insiderverzeichnisses vor. Darin müssen alle Personen genannt sein, die kraft ihrer Aufgabe Zugang zu Insiderinformationen haben könnten.
Investor-Relations in verschiedenen Unternehmensphasen
Je nachdem, in welcher Situation sich Ihr Unternehmen befindet, hat das IR-Management unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen:
- Börsengang: Eine IPO (Initial Public Offering) ist nicht billig – bis zu 10 % des Emissionsvolumens gehen an begleitende Banken, Rechtsanwälte, PR-Büros etc. Überprüfen Sie zunächst mithilfe einer IPO-Beratungsagentur Ihre Börsenreife. Wie sind die Geschäftsperspektiven? Kann Ihre Finanzabteilung nach internationalen Standards bilanzieren? Gibt es konkrete Pläne zur Verwendung der Mittel? Versetzen Sie sich in die Rolle eines Fondsmanagers: Weshalb sollte er sich gerade für Ihr Unternehmen interessieren? Erstellen Sie eine Präsentation, die diese Frage beantwortet, und schicken Sie den Vorstand damit auf eine Werbetour („Roadshow“) zu institutionellen Investoren.
- Kapitalherabsetzung und -erhöhung: Die Herabsetzung dient meist dem Ausgleich von Verlusten und der Sanierung eines Unternehmens, die Erhöhung der Zuführung frischen Kapitals. Beidem muss eine Dreiviertelmehrheit der Hauptversammlung zustimmen. Die Kapitalerhöhung müssen Sie wie auch den Börsengang im Handelsregister eintragen lassen.
- Übernahmen: Jede Übernahme verunsichert die Mitarbeiter der Zielgesellschaft. In der Angebotsphase ist deshalb die interne Kommunikation sehr wichtig. Nur die Presse- und IR-Abteilungen der beteiligten Unternehmen sollten in dieser Zeit Presseanfragen beantworten. Erleichtern Sie nach erfolgter Übernahme die Integration beider Unternehmen durch gezielte Projektarbeit. Gehen Sie auf die Sorgen der Mitarbeiter ein. Auch Kunden und Lieferanten benötigen Ihre besondere Aufmerksamkeit.
- Krisen: Kommunizieren Sie, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist; nur so können Sie einem Vertrauensverlust vorbeugen. Liefern Sie Fakten, und melden Sie auch kleinste Erfolge. Beschränken Sie den Kreis der Auskunftsberechtigten, und einigen Sie sich auf eine einheitliche Linie.
Pflicht und Kür der Investor-Relations
Die meisten Fondsmanager und Analysten haben bestimmte Fachgebiete, an denen sie besonders interessiert sind: z. B. ökologische Nachhaltigkeit, bestimmte Produkte, Innovationskraft. Erstellen Sie eine Datenbank aller Ansprechpartner und notieren Sie jeweils deren thematische Vorlieben, um sie gezielt ansprechen zu können. Pflegen Sie den persönlichen Kontakt – Telefonbeziehungen führen selten zum Erfolg. Laden Sie Analysten und institutionelle Anleger ins Unternehmen und zu Gesprächen mit dem Vorstand ein. Wenn die Analystenerwartungen und die tatsächliche Entwicklung des Unternehmens auseinanderzuklaffen drohen, müssen Sie im Austausch mit den Marktteilnehmern versuchen, ein Gleichgewicht herzustellen. Präsentieren Sie im Internet eine starke Equity-Story: Stellen Sie das Unternehmen ausführlich vor, einschließlich Stärken, Marktposition und Stellungnahmen zur Corporate Social Responsibility. Je mehr Informationen Sie übersichtlich strukturiert zur Verfügung stellen, desto weniger Anfragen müssen Sie beantworten.
„Servieren Sie Ihren Aktionären gleichzeitig schlechte Zahlen und ein exquisites Essen, wird Ihnen der eine oder andere vorwerfen, schlecht mit Ihrem Budget hauszuhalten.“
Der jährliche Geschäftsbericht beinhaltet neben dem Pflichtteil (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht und Bericht des Aufsichtsrats) immer häufiger auch einen Kürteil als Marketinginstrument. Mögliche Inhalte der Kür sind ein Mehrjahresüberblick über wesentliche Finanzkennzahlen oder Informationen über das gesellschaftliche und ökologische Engagement des Unternehmens. Sie sollten deshalb bereits am Anfang der zweiten Geschäftsjahreshälfte ein Projektteam mit Mitarbeitern aus den IR-, PR- und Marketingabteilungen bilden, die Kernbotschaften formulieren und an einem Leitmotiv für den Bericht feilen. Ein Tipp zur Gestaltung: Die meisten Geschäftsberichte unterteilen sich in einen Pflichtteil und einen freiwilligen Teil (Kür). Auch optisch sollten sich diese beiden Teile voneinander unterscheiden – z. B. durch einen anderen Seitenaufbau.
Die Roadshow
Die Roadshow ist eine internationale Werbereise zu den wichtigsten Finanzplätzen, um neue Käufer für die Aktie anzuziehen und bestehende zu halten. Zwei- bis dreimal im Jahr sollte sie stattfinden, und mindestens einmal im Jahr sollte der Vorstand selbst die Präsentation übernehmen. IR-Agenturen oder Banken unterstützen Sie bei der Planung, wobei Banken diesen Service meist kostenlos anbieten, weil sie selbst von einer Steigerung des Aktienwerts im Anschluss an die Roadshow profitieren. Bei Ereignissen wie der Veröffentlichung des Jahresabschlusses oder der Bekanntmachung neuer Produkte sollten Sie zur Analystenkonferenz einladen und ggf. auch die Presse mit einbeziehen. Achten Sie bei der Terminplanung darauf, dass Sie nicht mit einem Börsenschwergewicht konkurrieren, legen Sie die Veranstaltung auf den späten Vormittag oder frühen Nachmittag und meiden Sie Montage und Freitage im Fall einer kombinierten Presse- und Analystenkonferenz.
Die Hauptversammlung
Alle Aktionäre eines Unternehmens dürfen an der Hauptversammlung teilnehmen. Dabei besteht allerdings die Gefahr der geringen Präsenz. Wenn die Gesamtzahl der Teilnehmer sehr niedrig ist, können Aktionärsminderheiten nämlich schnell zufällige Mehrheiten erhalten. Die Kompetenzen der Jahreshauptversammlung sind weitreichend: Sie beruft die Mitglieder des Aufsichtsrats, entlastet den Vorstand, entscheidet über den Einsatz des Bilanzgewinns und kann sogar die Gesellschaft auflösen. Außerordentliche Hauptversammlungen werden z. B. aufgrund von Fusionen, Strukturmaßnahmen oder eines Verlusts der Hälfte des Grundkapitals einberufen. Aktionäre dürfen zur festgelegten Tagesordnung in Opposition gehen, indem sie Gegenanträge stellen. Sie als IR-Manager müssen diese veröffentlichen, am besten auf der Internetseite. Unter bestimmten Umständen entfällt diese Pflicht, z. B. wenn ein Antrag Beleidigungen enthält oder ein Aktionär denselben Antrag bereits mehrmals erfolglos gestellt hat. Organisieren Sie auf jeden Fall ein „Backoffice“, das dem Vorstand während der Generaldebatte kompetente Antworten auf die Fragen der Aktionäre liefern kann. Wenn Sie im Anmeldeverzeichnis einen so genannten „Berufsopponenten“ finden, müssen Sie mit dem Schlimmsten rechnen: Deren Ziel ist es oft, durch Störmanöver Fehler im Ablauf zu provozieren und eine Anfechtungsklage einzureichen.
„Fettnäpfchen und Fehlerquellen gibt es viele. Und Aktionäre, die nur auf gesellschaftsrechtliche Entgleisungen warten, auch. Sparen Sie also nicht am falschen Ende und schalten Sie – wo notwendig – immer einen Juristen ein.“
Auch die Bedeutung der Räumlichkeiten und des Caterings ist nicht zu unterschätzen. Natürlich müssen diese in einem angemessenen Verhältnis zum Jahresergebnis stehen. Mieses Essen und kalter Kaffee ärgern die Teilnehmer jedoch und lenken von wichtigeren Fragen ab. Zeigen Sie Ihren Aktionären durch kleine Präsente wie Stifte, USB-Sticks oder Produktproben Ihre Aufmerksamkeit und bieten Sie ÖPNV-Tickets oder Shuttle-Transport zum Hauptbahnhof an. Mit kleinen Services können Sie eine große Wirkung erzielen. Das gilt auch für die Zeit nach der Hauptversammlung: Informieren Sie Kleinanleger ausführlich auf der Internetseite, richten Sie eine Aktionärshotline ein und bieten Sie ihnen Zugang zu Analystenpräsentationen und Pressemitteilungen.
Kleine und große Helfer
Ganz ohne externe Hilfe bewegt sich heute kein Unternehmen mehr auf dem Börsenparkett. Das beginnt mit dem Emissionsberater, der vor dem Börsengang ein schlüssiges Konzept erarbeitet. Kleine und mittelgroße Unternehmen nutzen mangels eigener Kapazitäten Komplettpakete von IR-Agenturen, um Ad-hoc- und Pressemitteilungen zu formulieren, die IR-Website oder den Geschäftsbericht zu erstellen. Angesichts der zunehmenden Regulierung der Finanzmärkte müssen Sie immer wieder Wirtschaftsjuristen zu Rate ziehen, denn selbst kleine Verstöße gegen das Gesellschaftsrecht können sehr kostspielig sein. Für den Versand von Pflichtmitteilungen über das System der Deutschen Börse stehen mehrere Dienstleister zur Verfügung. Auch wenn diese im Kern Ähnliches anbieten, lohnt sich ein Vergleich hinsichtlich Reichweite, Preise und Zusatzservices allemal.