Von der Vision zur Innovation
Beim Extrembergsteigen und in der Wirtschaft sind Visionen unerlässlich. Sie geben Ihnen ein Ziel vor und Ihren Entscheidungen und Handlungen eine Richtung. Visionen müssen jedoch im Rahmen des Machbaren bleiben und auf breites Erfahrungswissen abgestützt sein. Haben Sie eine Vision entwickelt und sich für sie entschieden, müssen Sie sie konsequent und hartnäckig verfolgen. Im Unternehmen muss sie auf die operativen Ebenen heruntergebrochen werden. Es liegt viel Freude und Erfüllung darin, im Geist etwas vollkommen Neues zu entwickeln, um diese Idee dann schrittweise und diszipliniert umzusetzen. Besiegen Sie Zweifel, die Sie an der Verwirklichung hindern. Haben Sie Ihr Ziel erreicht, ist das ein Glückstag für Ihr Selbstvertrauen.
„In der direkten, unmittelbaren Konfrontation von Mensch und Natur – wie der Bergsteiger sie permanent erlebt – geht es um wahrhaftige, echte Leistungen. Hier zählen kein Bluff, keine Schaumschlägerei und keine Ablenkungsmanöver.“
Weil inzwischen selbst schwierig zu besteigende Berge von immer mehr Abenteurern und kommerziellen Expeditionsgruppen erklommen werden, ist der Extrembergsteiger Hans Kammerlander regelmäßig auf der Suche nach neuen Gipfeln, zu denen er aufbrechen könnte. Sechs Jahre, nachdem ihm als erster Mensch die Skiabfahrt vom Nanga Parbat gelungen ist, war er soweit, den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, in Angriff zu nehmen – um wiederum auf Skiern hinunter zu brettern. Im Automobilsektor sind ebenfalls neue Ideen gefragt. Die Märkte sind gesättigt und in den aufstrebenden asiatischen Ländern wachsen neue Konkurrenten heran. Zudem sind Geld und Zeit verknappte Ressourcen. Als Reaktion auf die schwierige Branchenlage arbeitet die Automobilindustrie an einer Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeugmodelle und sucht Wege, ihre Markenbotschaften noch prägnanter und emotionalisierender zu gestalten. Die Entwicklungsverantwortung verlagert sich derweil immer mehr auf die Zuliefererindustrie. Diese arbeitet nach dem Pay-on-Konzept, d. h. die Unternehmen amortisieren ihre Entwicklungskosten durch die nachfolgenden Verkäufe. Das Ziel sind allerdings nicht Innovationen um jeden Preis, sondern Neuerungen, die von den wirklichen Bedürfnissen der Kunden abgeleitet sind und von diesen auch als solche wahrgenommen, befürwortet und geschätzt werden.
Konzentrieren Sie Ihre Ressourcen
Spitzenleistungen beruhen auf handfesten Kenntnissen und Fähigkeiten, kontinuierlichem Training und Disziplin, Selbstsicherheit und einer positiven Grundeinstellung. Versuchen Sie, auch in ausweglos erscheinenden Grenzsituationen nüchtern, konzentriert und damit entscheidungsfähig zu bleiben. Dazu bedarf es mentalen Trainings und Durchhaltevermögens. Orientieren Sie sich an Ihren Stärken und den Chancen, die sich Ihnen bieten, nicht an möglichen widrigen Umständen oder Problemen. Gedanken der Hoffungslosigkeit und Verzweiflung rauben Ihnen bloß den letzten Rest an Kraft und an klaren Gedanken. In tatsächlich lebensbedrohlichen oder sehr schwierigen Situationen kann es angebracht sein, das ursprüngliche Ziel aufzugeben und umzudisponieren.
„Die große Herausforderung, etwas noch nie Dagewesenes zu tun, hatte mich fortwährend angetrieben, die Idee auch tatsächlich in die Realität umzusetzen.“
Selbst wenn Sie, wie es meist üblich ist, an mehreren Aufgaben gleichzeitig arbeiten: Konzentrieren Sie sich in jedem Moment voll und ganz auf die jetzt anstehende Aufgabe, setzen Sie all Ihre Ressourcen dafür ein. Überladen Sie sich auch nicht mit Arbeit – nur so können Sie das, was ansteht, sorgsam, konzentriert und zuverlässig abarbeiten. Lassen Sie sich von eventuellen Rückschlägen nicht entmutigen, sondern lernen Sie daraus und richten Sie sich wieder auf! Hans Kammerlanders Besteigung der 13 Achttausender brachte genauso viele Niederlagen wie Erfolge mit sich, etwa unfreiwillige Umkehraktionen oder gesundheitsgefährdende Erfrierungen. Für die Besteigung des K2 an der Grenze zwischen China und Pakistan benötigte er fünf kostenintensive und nervenaufreibende Anläufe, bis er sein Ziel endlich erreichte. Seine unerschütterliche Motivation und seine positive Grundhaltung haben ihn stets über die Niederlagen hinweggetragen. Auch die „Mitarbeiter“ waren wichtig: Kammerlander hat sich immer nur mit Partnern umgeben, die seine Philosophie und seine positive Grundhaltung teilten.
Risiken – Gefahr und Chancen
Welch ein Glücksgefühl und welche Erleichterung, wenn eine Expedition gelungen ist und alle Teilnehmer unversehrt und gesund zurück sind! Um solche Erfolge feiern zu können, ist es wichtig, im Vorfeld die gewöhnlichen Risiken richtig einzuschätzen und darüber hinaus alle möglichen und unmöglichen Situationen, die sich durch eine Verkettung unglücklicher Einzelfaktoren ergeben können, gedanklich durchzuspielen.
„Gewinner waren in bereits gesättigten Branchen in der Regel jene Unternehmungen, die durch so genannte ‚Radikalinnovationen’ ein neues Turnier im Markt eröffnen konnten.“
In der Wirtschaftswelt ist das Risikomanagement nach dem Zusammenbruch zahlreicher Firmen am „Neuen Markt“ in Deutschland gesetzlich verankert. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) hat zum Ziel, den Fortbestand von Unternehmen zu fördern, indem bedrohliche Tendenzen so früh wie möglich aufgespürt werden. Natürlich betrieben die meisten Unternehmen bereits vorher ein Risikomanagement. Finanzierungsvorhaben etwa wurden bestimmten Rating-Verfahren unterzogen, um das Risiko für die Geldgeber kalkulierbarer zu machen. Wenn dabei auch nicht alle Aspekte eines komplexen Unternehmens berücksichtigt werden können, so ist es doch möglich, harte Faktoren wie das Liquiditätsmanagement, die Bilanzen, den Cashflow oder die Eigenkapitalquote zu erfassen. Dasselbe gilt für weiche Faktoren wie die Unternehmensführung und -strategie oder die Entwicklungsaktivitäten.
„In der Automobilindustrie treten bereits heute – verstärkt aber noch in der Zukunft – nicht mehr Einzelunternehmen gegeneinander an, sondern vermehrt Lieferketten, also Konglomerate aus Unternehmen, deren Kompetenzen sich nutzbringend ergänzen sollten.“
Im unternehmerischen Handeln geht es keineswegs nur darum, Risiken aller Art zu meiden wie die Pest, selbst wenn man oft diesen Eindruck gewinnt. Der Begriff „Risiko“ ist einseitig negativ besetzt. Richtig hingegen ist: Risiken bergen auch Chancen. Ein Unternehmen muss ebenso wie ein Bergsteiger selbst prüfen, welche Risiken es sich leisten kann. Entscheidend ist, dass die jeweiligen Risiken ganzheitlich im Zusammenhang mit den Stärken des Unternehmens betrachtet werden. Keine Entscheidung zu fällen, um eine Fehlentscheidung zu vermeiden, kann sich genauso fatal auswirken, wie direkt eine Entscheidung zu treffen, die falsch sein kann. Das präzise Einschätzen eines Risikos beruht auf einer sorgfältigen, professionellen Analyse, auf Intuition bzw. Erfahrungswissen sowie der Kenntnis der Fähigkeiten und der Ressourcen des Unternehmens. Vor diesem Hintergrund wird klar: Wenn in manchen Unternehmen Spitzenpositionen in kurzen Zeitabständen wiederholt neu besetzt werden, ist das kontraproduktiv.
Begleitendes Projektmanagement
Bei alpinen Extremexpeditionen und insbesondere bei neuen Routen drohen reihenweise Gefahren für Leben und Gesundheit. Die Chance auf einem Gipfelerfolg steigt deshalb mit der Genauigkeit der Vorbereitungen. Dasselbe gilt im Geschäftsleben: Strukturieren Sie die erforderlichen Aktivitäten systematisch und haushalten Sie angemessen mit Ressourcen. Nehmen Sie nur ein Minimum an „Gepäck“ mit. Auf Bergtouren wie bei Businessprojekten ist Leichtigkeit gleichbedeutend mit Schnelligkeit. Und Schnelligkeit verringert die Wahrscheinlichkeit, gefährlichen Situationen zu begegnen. Verfolgen Sie Ihr vorbereitetes Ziel genau, bleiben Sie aber flexibel und offen, um den vorgefassten Plan korrigieren zu können, wenn Verstand oder Intuition Ihnen das nahelegen.
„Zweifel dürfen beim Extrembergsteigen erst gar nicht entstehen, da sie das Risiko unwillkürlich erhöhen.“
Da die Automobilindustrie in immer kürzerer Zeit immer mehr Modelle und Varianten entwickelt, kommt dem Projektmanagement in dieser Branche eine Schlüsselrolle zu. Es ist jedem Projekt übergeordnet. Es bereitet das Projekt vor, begleitet, strukturiert und kontrolliert es. Das Projektmanagement verläuft in folgenden vier Phasen:
- Definition: Sie beinhaltet – für alle Beteiligten und Betroffenen leicht verständlich – die Zielsetzung des Projekts sowie seine Rahmenbedingungen. Mögliche Lösungen werden gewichtet, bevor man sich für eine entscheidet.
- Planung: Sie nimmt das Projekt gedanklich vorweg. Sie erörtert auf der einen Seite detailliert Strukturen, Ressourcen und setzt Termine. Auf der anderen Seite darf die Planung weder die operativen Prozesse noch die Kreativität und die Flexibilität der Mitarbeiter unnötig einschränken.
- Steuerung: Sie kontrolliert und bewertet kontinuierlich die Qualität, die Kosten und die Termineinhaltung. Bei Abweichungen schlagen die Projektmanager Korrekturmaßnahmen vor und leiten sie ein.
- Abschluss: Sämtliche Aspekte des Projekts wie Ziele, Verlauf, Kosten oder mögliche Probleme werden zusammengefasst und dem Auftraggeber zur Freigabe übergeben.
Verantwortung
Ein professioneller Expeditionsleiter trägt nicht nur Verantwortung für sich, sondern auch für sein Team, seine Bekannten oder Freunde. Dasselbe gilt für den Manager. Die Planung einer Gipfelbesteigung beinhaltet persönliche Gespräche mit allen Teilnehmern, um ihre Erfahrungen kennenzulernen, ihre Kompetenzen einzuschätzen und um sie auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Bei unzureichender Eignung muss der Expeditionsleiter den Mut aufbringen, dem Interessenten einen Korb zu geben. Mitunter nimmt der Bergführer auch Vorschläge und Ideen der Teilnehmer auf. Gerade unbedarften Interessenten fällt es oft leichter, über den Tellerrand hinauszublicken.
„Wer Risiko ablehnt, verbaut sich auch die Chance auf Gewinn, und deshalb ist es empfehlenswert, Risiko als einen Oberbegriff zu verstehen, der in Chancen und Gefahren zu unterteilen ist.“
Das Verhältnis zwischen Bergführer und Expeditionsteilnehmern beruht auf Vertrauen. Um dieses herzustellen, sollte der Expeditionsleiter Vorbild sein: Er muss positive Werte leben, sich durch einen integren Charakter auszeichnen, also zuverlässig, geradlinig, authentisch, konsistent, kooperativ und wertschätzend handeln. Er muss nicht nur über Führungsqualitäten, sondern auch über fundiertes Fachwissen und reichlich Erfahrung verfügen. Kreativität und Erfindungsreichtum helfen ihm, mit unerwarteten Situationen sicher umzugehen. Innovationsgeist ist gefragt, um neue Routen und attraktive Angebote zu entwickeln und so die Grenzen des Verantwortlich-Machbaren immer weiter auszudehnen.
„Sobald ich die Verantwortung für eine Bergführung übernehme, kümmere ich mich auch um die kleinsten Details.“
Offensichtlich handelt es sich dabei um Eigenschaften und Fähigkeiten, die genau jenen Qualitäten entsprechen, die auch eine fachlich und sozial kompetente Führungspersönlichkeit in der Wirtschaft ausmachen. Leider ist es nicht selbstverständlich, dass sich Manager mit der Materie, über die sie entscheiden, gründlich auskennen. Manche sind der Ansicht, es reiche, die Prinzipien der Führung zu beherrschen – eine gefährliche Sichtweise. Fragen Sie sich lieber immer wieder, ob Sie noch auf dem aktuellen Wissensstand sind – und wenn nicht, schließen Sie konsequent die Lücken. Beurteilen Sie Ihre Mitarbeiter mit derselben Ehrlichkeit. Ein Unternehmen wird dann stark, wenn es die Stärken und Fähigkeiten seines Personals erkennt, fördert, wertschätzt und angemessen entlohnt. Eine wesentliche Aufgabe der Führungskräfte besteht außerdem darin, die unterschiedlichen Stoßrichtungen verschiedener Interessensgruppen auszubalancieren.
„Entscheidend ist wohl, dass man in den Bergen mit weniger Geübten genauso wertschätzend und respektvoll umgeht wie mit hochkarätigen Kletterspezialisten.“
Es macht einen wesentlichen Unterscheid, ob ein Gipfel mit künstlichem Sauerstoff oder „by fair means“ erklommen wurde. Im Extremsport werden die Leistungen nicht nur nach ihren Ergebnissen bewertet, sondern ebenso nach ihrem Zustandekommen. Genauso sollte auch bei der Beurteilung von Managerleistungen stärker auf das Wie der Resultate geachtet werden. Eine Unterscheidung, die gerade für die aktuelle Diskussion um die Höhe von Managergehältern relevant ist.