IT wird zum strategischen Faktor
Anfang der 90er Jahre konnte es einem IT-Berater noch passieren, dass er von der Unternehmensleitung in eine Diskussion über den Sinn von E-Mails verwickelt wurde. Höchstens „Technik-Freaks“ würden so miteinander kommunizieren, bekam er möglicherweise zu hören. Heute diskutieren weder ausgewiesene Experten noch Laien über die Relevanz von E-Mails im Besonderen und über Informationstechnologie im Allgemeinen. Die IT hat fast alle Bereiche des täglichen Lebens und Arbeitens erobert.
„Die Erfolgsgeschichte der IT ist noch lange nicht vorbei. Wir stehen erst am Anfang einer sehr dynamischen Entwicklung.“
Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, hat die IT erst ermöglicht: Mitarbeiter und Geschäftspartner können leicht große räumliche Distanzen überbrücken, Informationen lassen sich schnell und effektiv verarbeiten, technologische Entwicklungen wie das Internet, E-Mail oder auch das so genannte Web 2.0, also Möglichkeiten der Interaktivität im Netz, haben die Produkte näher zum Kunden gebracht. Die Technologie ermöglicht es den Unternehmen nicht nur, mehr und bessere Angebote zu machen, sondern dies auch noch effizienter zu tun als je zuvor.
„IT wirkt als Triebkraft für Prozessorientierung und für ein prozessuales Verständnis des Wirtschaftens. Das ist deshalb so wichtig, weil es für Unternehmen stets eine große immanente Gefahr gibt: vom Unternehmen zur Institution zu werden.“
Das Tempo, in dem sich die IT verändert, wird weiterhin zunehmen – entsprechend dem legendären Moore’schen Gesetz, das in den 1960ern vorhersagte, die Leistung der Halbleiter werde sich bei gleichbleibenden Kosten alle anderthalb Jahre verdoppeln. Dabei ändert sich längst nicht mehr nur das Was, sondern auch das Wie dessen, was Unternehmen tun: Sämtliche Abläufe sind auf dem Prüfstand. Die Informationstechnologie wird damit zunehmend zum strategischen Faktor.
Revolution im Herzen der Unternehmen
Web 2.0 hin oder her – die wahre IT-Revolution steht uns erst noch bevor, und sie findet jenseits von E-Mail, Servern, Datenbanken und Internet statt. Die nächste IT-Revolution wird sich im Herzen der Unternehmen, der Verbände und sonstigen Institutionen des öffentlichen Lebens vollziehen: in ihren Strategien und Geschäftsmodellen. Für die IT wird es nicht mehr reichen, zu funktionieren und Prozesse zu unterstützen. Sie wird die Prozesse vielmehr weiterentwickeln und umgestalten.
Infrastruktur verschlanken
Schauen Unternehmen bei der IT-Planung heute oftmals vor allem auf Budget und Kosten, werden sie sich künftig die schon jetzt einzig sinnvolle Frage stellen müssen, was ihre Ziele sind – und welche Informationstechnologie notwendig ist, um diese zu erreichen. Dabei bildet die IT die Prozesse im Unternehmen nicht nur technisch ab, sondern die Prozesse folgen den zunehmenden Möglichkeiten der IT.
„Für alle Unternehmen gilt, dass Strategie und IT immer stärker zusammenwachsen. Und zwar sowohl in der Entwicklung, als auch in der konkreten Planung und Umsetzung spezifischer Ziele und Maßnahmen.“
Die Prozesse in Ihrem Unternehmen mittels IT zu optimieren, setzt voraus, dass Sie diese genau kennen und analysiert haben. Schon dafür ist IT eine unabdingbare Voraussetzung. Informationen und relevante Kennzahlen müssen den Mitarbeitern und Partnern, die sie benötigen, leicht zugänglich sein. Die IT-Infrastruktur sollte daher möglichst schlank sein: In Zukunft wird es für Unternehmen in der Regel reichen, sich auf wenige, variable Anwendungen zu beschränken: Server, Browser, Office-Programme. Bei größtmöglicher Zugänglichkeit, Transparenz und Sicherheit bleibt so die IT-Infrastruktur extrem anpassungsfähig.
IT-Strategie ist Unternehmensstrategie
Eine leistungsfähige und flexible Infrastruktur ermöglicht Unternehmen beides: Die Fokussierung aufs Kerngeschäft ebenso wie die Diversifikation, die Studien zufolge stark im Trend liegt. Wenn Sie sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren wollen, kommt es vor allem darauf an, Wertschöpfungsketten zu verkürzen und Prozesse zu optimieren. Beim Diversifizieren liegt das Augenmerk darauf, die Transparenz in den zu integrierenden Geschäftsbereichen zu erhöhen.
„IT-Consulting ohne strategische Komponente ist genauso zu sehen wie ein ‚Häuslbauer‘, der ein Zimmer nach dem anderen baut, aber vom Haus, seiner Form und seinen Funktionen keine Ahnung hat.“
Es ist wichtig zu erkennen, dass die IT nicht nur von strategischer Bedeutung ist, sondern das Zeug dazu hat, die Strategien selbst zu beeinflussen. Somit ist IT-Strategie immer auch Unternehmensstrategie – und damit zentral. IT und Strategie wachsen zunehmend zusammen. IT macht die für strategische Entscheidungen notwendigen Informationen sicht- und nutzbar. Das Management ist heute mithilfe informationstechnischer Möglichkeiten näher am Markt und seinen Erfordernissen und kann schneller mit strategischen Entscheidungen reagieren.
Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
Die IT kann helfen, strategische Ideen von Mitarbeitern aller Hierarchiestufen zu bündeln. Voraussetzung ist, dass die Kommunikations- und Beteiligungskultur im Unternehmen von Offenheit und Wertschätzung geprägt ist. Unternehmen müssen beim Wissensmanagement umdenken, um Wissen zugänglich zu machen, den Austausch darüber zu erleichtern und auch dann zu gewährleisten, wenn einzelne Unternehmensbereiche ausgelagert werden. Wenn Sie beispielsweise Ihren Kundenservice outsourcen, ist es die Aufgabe Ihrer IT-Strategen, dafür zu sorgen, dass wichtige Informationen trotzdem ins Unternehmen gelangen.
„IT ist ein ‚ongoing process‘ oder ein – wenn man den Begriff nun doch verwenden möchte – ‚project in process‘.“
Zu den Pflichten der Unternehmensstrategen gehört es dann wiederum, Wünsche, Anregungen und Kritik der Kunden in die Entwicklung der Geschäftsmodelle einzubeziehen. Die IT-Verantwortlichen sollten unbedingt frühzeitig in die Gestaltung von Produkten einbezogen werden. Schließlich enthalten Produkte zunehmend Informationstechnologie, und IT-gestützte Servicedienstleistungen nehmen immer mehr Raum in der Wertschöpfungskette ein. Über alle Branchen hinweg gilt, dass sich Kunden laufend ausgefeiltere Produkte und Dienstleistungen wünschen.
Kleinere Kundensegmente
Der individuellere Umgang mit Kunden hat weitreichende Folgen für die Unternehmensstrategie – egal, ob es um die Entwicklung neuer oder die Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle geht. Beim Marketing müssen Sie sich als Unternehmensverantwortlicher davon verabschieden, auf Anreize zu setzen, die für große Kundengruppen als wirksam gelten – die Segmente, in die Sie Ihre Kundschaft unterteilen können, werden immer kleiner. Die IT ermöglicht es nicht nur, an genauere Informationen über Ihren Markt zu gelangen, sondern diese auch in individuell zugeschnittene Produkte umzusetzen.
Abschied von der IT als Projekt
Die zunehmend an Prozessen orientierte strategische Ausrichtung der IT nützt vor allem Mittelständlern, die in Sachen Prozessoptimierung einiges aufzuholen haben. Für sie steht beispielsweise die Kundenbeziehung noch stärker im Mittelpunkt als für Konzerne. Das viel beschworene Customer-Relationship-Management ist ohne IT nicht denkbar. Mittelständler profitieren stärker als Konzerne von strategischen IT-Lösungen, die die Pflege dieser Beziehungen erleichtert. Auch ein optimiertes Wissensmanagement dürfte KMUs zu mehr Innovationskraft verhelfen.
„Das Leistungsprofil von CIOs, das auf informationstechnologischer Kompetenz und betriebswirtschaftlichem Know-how basiert, wird für den Unternehmenserfolg immer wichtiger.“
In Projekten zu denken, hat sich quer durch alle Branchen und Hierarchieebenen etabliert. Prozesse haben demzufolge einen Anfang und ein Ende; sie liefern messbare Ergebnisse. Für eine Informationstechnologie, die Prozesse nicht nur abbildet, sondern begleitet, unterstützt und weiterentwickelt, trifft das nicht zu. Sie sollten die Verbesserung und Anpassung Ihrer IT-Infrastruktur als „project in progress“ verstehen. Je vielschichtiger die Geschäftstätigkeit Ihres Unternehmens und seiner Prozesse, desto komplexer und damit anpassungsbedürftiger ist auch Ihre IT-Infrastruktur. Zugegebenermaßen wird das Ihre Investitionsrechnung erschweren. Aber der Nutzen vieler Investitionen lässt sich ohnehin oft nicht zuverlässig quantifizieren – das gilt für die IT erst recht.
IT-Verantwortliche steigen auf
Wegen der gestiegenen Möglichkeiten und auch der Anforderungen werden IT-Verantwortliche in den Unternehmen ebenso wie Berater künftig deutlich mehr sein müssen als Not- und Pannenhelfer. Umso erstaunlicher, dass die ihnen entgegengebrachte Wertschätzung in den Unternehmen oft nicht besonders groß ist – obwohl gerade sie über immenses Wissen verfügen. Das liegt sicher auch am raschen Wertverfall informationstechnischer Produkte. Neben dem auch weiterhin nötigen aktuellen IT-Know-how werden Ihre IT-Leute aber ein immer ausgeprägteres strategisches Verständnis mitbringen müssen – dafür, was Ihr Unternehmen tut, dafür, was Sie als Manager tun. Dann werden sie die inhaltlichen Anforderungen des Unternehmens an die Technik verstehen und in Technik umsetzen können.
„Wachstum ohne Risiko ist kaum möglich – aber mit der entsprechenden IT-Unterstützung und ihren Informationen lassen sich Risiken wesentlich besser kalkulieren.“
Die steigende strategische Bedeutung der Informationstechnologie wird erfordern, dass die dafür maßgeblich Verantwortlichen auf der Vorstands- oder der Geschäftsführerebene vertreten sind. Um mehr Frauen in den IT-Abteilungen sollten Sie sich wegen der wachsenden strategischen Bedeutung schon aus Eigeninteresse bemühen. Sie werden dafür sorgen, dass die Belange der weiblichen Kundschaft bei Produktgestaltung und Service besser berücksichtigt werden. Frauen haben z. B. in Sachen Online-Shopping österreichischen Studien zufolge bereits kräftig aufgeholt – auch wenn sie mit 10 % weniger Nutzungshäufigkeit im Vergleich zu den Männern immer noch weniger oft im Internet einkaufen. Das wird sich schnell ändern: Gerade die jungen Frauen sorgen in diesem Bereich für rasantes Wachstum.
„Investitionen in IT dürfen nicht bloß als rein infrastrukturelle ‚technische‘ Investitionen missverstanden werden. Es handelt sich dabei um Investitionen in die Geschäftsmodelle der Zukunft.“
Auch ethisches Verhalten ist für Unternehmen strategisch bedeutsam. Hier stellt die Informationstechnologie besondere Anforderungen. Sie sollten mit ihren immensen Möglichkeiten verantwortungsbewusst umgehen. Dabei tun Sie grundsätzlich gut daran, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst zu sein, nicht zu viele – unnötige – Daten zu erheben und die Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter im IT-Bereich zu fördern.
Wachstum statt Kosten sparen
Es gibt eine Vielzahl von Dienstleistern und Beratungsgesellschaften im IT-Bereich. Die neuen Anforderungen werden dazu führen, dass es weniger um möglichst niedrige Preise gehen wird, sondern vermehrt um Qualität. IT-Berater werden ähnlich wichtige und sensible Partner werden wie Steuerberater, Rechtsanwälte oder Strategieberater. Viele Unternehmen erkennen dies bereits. Studien zufolge wünscht sich schon heute mehr als die Hälfte der Manager Strategieberatung und Implementierung von Technologie aus einer Hand. Nur ein Viertel setzt auf lediglich technische Dienstleister.
„Wir haben in der technologischen Entwicklung den point of no return in vielen Bereichen überschritten. Wir können – und wollen – nicht mehr zurück.“
Mit der IT-Revolution verändert sich auch das Ziel, das Unternehmen mit Investitionen in Informationstechnologie verfolgen: Statt wie heute mit neuen IT-Lösungen vor allem Kosten sparen zu wollen, werden Unternehmen die IT künftig stärker als Vehikel für weiteres Wachstum nutzen. Schon heute zeigen Studien, dass Unternehmen mit besonders ausgeprägtem Wachstum im Schnitt 7 % mehr in ihre IT investieren als andere. IT-Investitionen sind immer auch Investitionen in die strategische Weiterentwicklung Ihres Unternehmens, längst nicht mehr bloße Technikinvestitionen.