Verkauf über Emotionen
In der Welt des Verkaufens werden die Käufer oft als tumbe Toren betrachtet, die von genialen Verkäufern aus ihrer Lethargie gerissen werden müssen. Wer solch einen Unsinn glaubt, wird als Verkäufer scheitern. Denn Verkaufen ist keine Geheimwissenschaft, sondern basiert auf den Grundregeln der menschlichen Kommunikation. Deshalb benehmen sich Käufer und Verkäufer nie wie in den Lehrbüchern behauptet. Wie Menschen sich verhalten, ist im Großen und Ganzen genetisch vorgeprägt. Mit Vernunft, um das mal gleich klarzustellen, hat das nur gelegentlich und am Rande zu tun.
„Alle Geschäftsprozesse kumulieren sich letztlich im Vertrieb.“
Tricks und Manipulationen, die Verkäufer für Verkaufsgespräche lernen, schlagen deshalb nur selten an. Wenn der Kunde sich entziehen will, dann wird er das tun – allen Kniffen der Gegenseite zum Trotz. Erreichbar bleibt er nur, wenn der Verkäufer seine Motive versteht, sie nachvollzieht und in seine Verhandlungstaktik aufnimmt. Jeder Kauf ist eine Belohnung, eine positive Emotion. Ziel des Verkaufens muss also sein, derartige Emotionen auszulösen. Dafür gibt es einen einfachen Weg: Die Botschaft muss so eingängig wie möglich sein und so oft wie möglich wiederholt werden.
Es geht um Kommunikation
Kommunikation basiert – sehr vereinfacht dargestellt – auf zwei Ebenen. Die eine bilden die früh vorgegebenen Prägungen, die andere die zivilisatorische Tünche, die ein Miteinander erst möglich macht. Ein guter Verkäufer trachtet danach, verkaufshinderliche Prägungen beim Käufer zu überwinden. Wird diese Absicht jedoch als Verstellung erkannt, scheitert der Verkäufer zwangsläufig. Deshalb taugen Verkaufstrainings im Alltag nicht: Sie zwingen zur Schauspielerei. Wichtiger wäre Empathie, die Fähigkeit zu erkennen, wie das Gegenüber tickt, und sich darauf einzustellen. Statt die Aufmerksamkeit anderer zu erregen, gilt es, die eigene Aufmerksamkeit für andere zu steigern.
„Menschliches Verhalten ist ziemlich gut vorhersagbar.“
Es gibt keinen freien oder von der Vernunft gesteuerten Willen, sagt die Hirnforschung. Was bedeutet das für die Transaktion von Kauf bzw. Verkauf? Im Prinzip, dass der Verkäufer aufhören sollte, sich selbst zu verstellen, um durch mehr oder minder gelungene Manipulationen zum Abschluss zu kommen. Das ist nämlich der grundfalsche Ansatz. Um überhaupt zum Käufer vorzudringen, muss der Verkäufer sein Gegenüber vor allem verstehen, um sich auf ihn einlassen zu können. Es geht also darum, Typen und Persönlichkeiten richtig einzuschätzen und entsprechend mit ihnen umzugehen.
Kleine Typenlehre
Halten Sie sich an die Typenlehre des Psychoanalytikers C. G. Jung. Der hat die Menschen auf folgenden drei Ebenen nach jeweils zwei Polen unterschieden:
- Empfinden: zwischen extravertiert und introvertiert.
- Extravertierte Menschen wirken voller Energie, die sie aus ihrer Umgebung aufzusaugen scheinen. Leicht zu erkennen, aber nur schwer zu ertragen. Dabei sind diese Menschen nicht bewusst unsozial – sie können nicht anders. Wer ihnen etwas verkaufen will, sollte keinen Widerstand leisten und alles über sich ergehen lassen. Lassen Sie ihn reden! Dann findet der extravertierte Käufer den Verkäufer nett, und eine gute Basis für ernsthafte Verhandlungen ist geschaffen.
- Introvertierte Menschen sind schwer zu überzeugen. Sie haben ein starkes inneres Wertesystem, das sie aber nicht offensiv nach außen vertreten. Ihr Humor ist meist nicht sehr ausgeprägt, sodass lockere Sprüche jedes Gespräch rasch vereisen lassen können. Da gibt es nur eines: so neutral und ernsthaft wie möglich bleiben und dabei versuchen, peu à peu herauszufinden, was dem Gegenüber wichtig ist, worin also seine Werte bestehen. Trifft er im Verkäufer auf einen „seelenverwandten“ Menschen, neigt er zur Treue.
- Wahrnehmen: zwischen Sinn und Intuition.
- Sinnorientierten Menschen geht es nicht um Sinnsuche, sondern um Sinnfinden, also um Fakten, Fakten, Fakten. Vor lauter Fakten allerdings verliert dieser Typus leicht den Überblick. Das verlängert die Verhandlungen und führt dennoch nicht unbedingt zum Ziel. Also: Reden lassen – und fragen lassen! Und Antworten zu möglichst vielen denkbaren Details parat haben.
- Intuitive Menschen sind angenehmer, weil sie schnell aus vielen Fakten das für sie Wesentliche herausdestillieren. Es ist allerdings deutlich schwieriger, ihre Begeisterung zu wecken. Fakten verwirren sie, ihre Meinungen sind ihnen wichtiger. Sie glauben zu wissen, was richtig ist. Deshalb sind irrationale Entscheidungen durchaus möglich. Sind Käufer und Verkäufer auf einer Linie – und das ist durch aufmerksames Zuhören nicht allzu schwierig –, so kaufen sie fast blind.
- Handeln: zwischen Denken und Fühlen
- Denkorientierte Menschen halten sich an die relevanten Fakten und unterscheiden rasch das Wichtige vom Unwichtigen. Ihnen geht es um die Sache, nicht darum, wie gut oder schlecht sie vermittelt wird. Deshalb: Überzeugen Sie, indem Sie auf Spielchen verzichten und das Produkt bzw. die Dienstleistung für sich selbst sprechen lassen. Diese Spielart von Entscheidern vergibt Bonuspunkte für Unaufdringlichkeit.
- Gefühlsorientierte Menschen agieren keineswegs rein intuitiv. Gemeint sind vielmehr Menschen, deren Gefühle durchscheinen. Sie sind meist leicht zu beeinflussen, denn sie wollen bestärkt und unterstützt werden. Ihre Gefühle gilt es aufzunehmen und in einen Kaufentscheid umzumünzen.
„Verpacken Sie Ihre Botschaften in kurze, einfache und langsame Informationsblöcke.“
Alle Menschen changieren auf diesen drei Ebenen zwischen den jeweiligen Polen. In Reinform gibt es diese Typen selten. Die Aufgabe des Verkäufers besteht darin zu erkennen, wo das Gegenüber in jeder dieser drei Ebenen anzusiedeln ist. Wie das geht? Durch üben, üben, üben. Und: bei sich selbst anfangen. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
Käuferpersönlichkeiten
Aus dieser Typologie lässt sich eine Persönlichkeitslehre ableiten, wobei als Persönlichkeit die relativ dauerhaften Wesenszüge, die sich zu Verhaltensmustern verfestigt haben, verstanden werden.
- Narzissten trachten ständig danach, sich selbst zu belohnen. Ihr Selbstbewusstsein ist nicht übermäßig ausgeprägt, daher sind sie leicht zu kränken. Ehrerbietung im Umgang mit ihnen ist also angebracht. Ein Zuviel an Schmeicheleien ist unmöglich. Allerdings: Narzissten reden gern selbst, also besteht die Aufgabe des Verkäufers darin, geduldig zuzuhören. Narzissten sind extrem statusbewusst, auch darauf gilt es zu achten.
- Zwanghafte Charaktere brauchen Struktur und Ordnung. Ihre Versessenheit auf Details vereitelt rasche Entscheidungen. Sie darin beeinflussen zu wollen, ist unmöglich. Am besten ist es, darauf einzugehen – diese Menschen werden schließlich selbst mit den entscheidenden Details aufwarten, die zur (hoffentlich positiven) Entscheidung führen.
- Histrionische Käufertypen emotionalisieren alles und weichen dabei gern vom Thema ab. Beziehungen sind wichtiger als Details. Was sie brauchen, ist Applaus. Der Rest läuft dann fast von selbst.
- Depressiv veranlagte Käufer wollen nicht aufgemuntert werden. Aus ihrer Fähigkeit, die unerträglich schwere Last dennoch zu schultern, ziehen sie ihre Befriedigung. Was also macht ein kluger Verkäufer? Mitfühlende Sachlichkeit ist angesagt.
- Ängstlich veranlagte Käufer kommen oft fröhlich rüber, nett und umgänglich. Dass sie innerlich Nervenbündel sind mit einer tief sitzenden Angst vor dem Leben, erschließt sich erst später. Alles Neue empfinden sie als potenziell bedrohlich. Da gibt es nur eines: verlässlich und berechenbar sein. Jede Form von Überraschungen gilt es zu vermeiden.
- Paranoid veranlagte Käufer wollen eines auf keinen Fall: betrogen werden. Deshalb sind sie oft zwanghaft misstrauisch. Sie lieben Macht, aber sie scheuen Verantwortung. Risiken geht dieser oft cholerische Typ daher möglichst nicht ein. Verkäufer sollten sich also auf die vorgegebenen Formalitäten einlassen. Ruhig und sachlich bleiben und das Gegenüber keinesfalls unter Druck setzen.
- Schizoide Persönlichkeiten sind in der Lage, unangenehme Sachverhalte einfach wegzublenden. Sie steigen selten in Managementebenen auf, treten aber häufig als hinzugezogene Experten in Erscheinung. Solche Menschen werden ungern bedrängt. Ansonsten gilt: Da sie die Welt sowieso nach ihrem Bild schaffen, ist jede Form der Beeinflussung sinnlos.
- Passiv-aggressive Käufer sind Querulanten und lassen Verkäufer gern am ausgestreckten Arm verhungern. So erhaschen sie sich aus der Opposition heraus ein paar Kuchenstücke der Macht. Das Verhindern erklären sie sich selber als schützende Bedächtigkeit. Achtung: Dieser Typus ist schwer zu erkennen! Einmal erkannt, gibt es nur eines: den frontalen Angriff. Er muss weggebissen oder isoliert werden. Sonst ist der Typ die Hölle.
- Abhängig veranlagte Käufer wollen es allen recht machen und niemanden vor den Kopf stoßen. Übersetzt heißt das: Schnelle Entschlüsse sind unwahrscheinlich. Sie wirken zugänglich, hängen ihr Fähnlein aber gern in den Wind. Deshalb geht nichts ohne eine breite Allianz von Verbündeten.
15 Regeln für Verkäufer
Aus all dem lassen sich 15 Regeln ableiten, wie Verkäufer zu Käufern durchdringen können:
- Ausgeglichenheit: Ruhige und sachliche Atmosphäre mit einem gelassenen Verkäufer.
- Timing: Keine Gespräche zwischen Tür und Angel, aber auch nichts unnötig ausdehnen.
- Keine Verdauungsprobleme bereiten: Einen Overkill an Informationen kann kein Hirn verarbeiten.
- Belohnungen: Wer konkrete Hilfe erfährt, öffnet sich.
- Prädisponierte Verhaltensweisen nutzen: Für Plauderstimmung sorgen. Den Namen des Gegenübers oft nennen. Kein Schreibblock auf dem Tisch.
- Beruhigende Atmosphäre: Kein Herumfuchteln. Die Arme möglichst still halten.
- Fachverstand zeigen: Der Käufer kennt seine Probleme. Wenn sein Gegenüber nur Allgemeinplätze absondert, wird es nicht zu einem echten Austausch kommen.
- Einfache Wahrheiten: Verständliche Infos über Merkmale, Nutzen, Preis und Wert.
- In Bildern reden: Bildhaftes ist leicht vorstellbar, bei Fachtermini fällt das schwerer.
- Positive Analogien wecken: Präsentierte Fakten knüpfen an positive Emotionen an.
- Einfachheit: Kurze Sätze bilden. Kein Konjunktiv und keine Wischiwaschi-Formulierungen.
- Nicht ausfragen: Kein positives Feedback einfordern. Das nervt die Gegenseite.
- Kurze Geschichten: Geschichten sind gut, aber kurz und knackig müssen sie sein.
- Hilfe beim Assoziieren: Auch dazu dienen anschauliche Geschichten.
- Schnelle Siege in Aussicht stellen: Jeder kauft gern bei Gewinnern.