Nicht geschenkt!

Buch Nicht geschenkt!

Was Verkäufer über Käufer wissen sollten

Wiley-VCH,


Rezension

Wolf Ehrhardt weiß (behauptet er zumindest), wie Käufer ticken und wie Verkäufer damit umgehen sollten. Und er hat sich offenbar total viel über Hirn­forschung angelesen. „Was Verkäufer über Käufer wissen sollten“ lautet der Untertitel dieses Buches, aber immer wieder hat man den Eindruck, er müsste eigentlich lauten: „Was die Menschheit über Wolf Ehrhardt wissen sollte“. Das ich-zen­tri­erte Geplauder des Autors bläht das Buch auf mehr als 300 Seiten auf, obwohl ein Drittel wohl auch gereicht hätte. Dieses Drittel allerdings ist des Hinsehens wert: Über jeden Kauf entscheiden Gefühle und nicht der Verstand. Also müssen Verkäufer die poten­ziellen Käufer auf der emotionalen Ebene packen. Das ist zwar nicht mehr ganz neu, aber wie das geht, dafür liefert Ehrhardt einige konkrete Hinweise. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Verkäufern sowie Managern in Marketing und Vertrieb, die mehr auf gesunden Men­schen­ver­stand als auf Verkauf­s­train­ings setzen wollen.

Take-aways

  • Verkauf­s­train­ings sind Unsinn, weil sie auf Ma­nip­u­la­tion und Schaus­piel­erei setzen.
  • Auch im Gespräch zwischen Verkäufer und Käufer gelten die Grundregeln der men­schlichen Kom­mu­nika­tion.
  • Gemäß der Hirn­forschung gibt es keinen freien oder von der Vernunft gesteuerten Willen.
  • Entschei­dun­gen fallen nicht nach Fakten-, sondern nach Gefühlslage.
  • Er­fol­gre­iche Verkäufer liefern über die Fakten hinaus genügend Stim­u­la­tio­nen für positive Emotionen.
  • Käufertypen un­ter­schei­den sich danach, wie sie empfinden, wahrnehmen und handeln.
  • Sie müssen die Wesenszüge der un­ter­schiedlichen Persönlichkeiten erkennen, um darauf eingehen zu können.
  • Er­fol­gre­iche Verkäufer stellen sich auf den Käufer ein.
  • Zuhören ist wichtiger als Reden.
  • Liefern Sie im Verkauf­s­ge­spräch eine überschaubare Menge von In­for­ma­tio­nen, verpackt in an­schauliche Geschichten.
 

Zusammenfassung

Verkauf über Emotionen

In der Welt des Verkaufens werden die Käufer oft als tumbe Toren betrachtet, die von genialen Verkäufern aus ihrer Lethargie gerissen werden müssen. Wer solch einen Unsinn glaubt, wird als Verkäufer scheitern. Denn Verkaufen ist keine Geheimwis­senschaft, sondern basiert auf den Grundregeln der men­schlichen Kom­mu­nika­tion. Deshalb benehmen sich Käufer und Verkäufer nie wie in den Lehrbüchern behauptet. Wie Menschen sich verhalten, ist im Großen und Ganzen genetisch vorgeprägt. Mit Vernunft, um das mal gleich klarzustellen, hat das nur gele­gentlich und am Rande zu tun.

„Alle Geschäftsprozesse kumulieren sich letztlich im Vertrieb.“

Tricks und Ma­nip­u­la­tio­nen, die Verkäufer für Verkauf­s­ge­spräche lernen, schlagen deshalb nur selten an. Wenn der Kunde sich entziehen will, dann wird er das tun – allen Kniffen der Gegenseite zum Trotz. Erreichbar bleibt er nur, wenn der Verkäufer seine Motive versteht, sie nachvol­lzieht und in seine Ver­hand­lungstak­tik aufnimmt. Jeder Kauf ist eine Belohnung, eine positive Emotion. Ziel des Verkaufens muss also sein, derartige Emotionen auszulösen. Dafür gibt es einen einfachen Weg: Die Botschaft muss so eingängig wie möglich sein und so oft wie möglich wiederholt werden.

Es geht um Kom­mu­nika­tion

Kom­mu­nika­tion basiert – sehr vereinfacht dargestellt – auf zwei Ebenen. Die eine bilden die früh vorgegebe­nen Prägungen, die andere die zivil­isatorische Tünche, die ein Miteinander erst möglich macht. Ein guter Verkäufer trachtet danach, verkauf­shin­der­liche Prägungen beim Käufer zu überwinden. Wird diese Absicht jedoch als Verstellung erkannt, scheitert der Verkäufer zwangsläufig. Deshalb taugen Verkauf­s­train­ings im Alltag nicht: Sie zwingen zur Schaus­piel­erei. Wichtiger wäre Empathie, die Fähigkeit zu erkennen, wie das Gegenüber tickt, und sich darauf einzustellen. Statt die Aufmerk­samkeit anderer zu erregen, gilt es, die eigene Aufmerk­samkeit für andere zu steigern.

„Men­schliches Verhalten ist ziemlich gut vorher­sag­bar.“

Es gibt keinen freien oder von der Vernunft gesteuerten Willen, sagt die Hirn­forschung. Was bedeutet das für die Transaktion von Kauf bzw. Verkauf? Im Prinzip, dass der Verkäufer aufhören sollte, sich selbst zu verstellen, um durch mehr oder minder gelungene Ma­nip­u­la­tio­nen zum Abschluss zu kommen. Das ist nämlich der grund­falsche Ansatz. Um überhaupt zum Käufer vorzu­drin­gen, muss der Verkäufer sein Gegenüber vor allem verstehen, um sich auf ihn einlassen zu können. Es geht also darum, Typen und Persönlichkeiten richtig einzuschätzen und entsprechend mit ihnen umzugehen.

Kleine Typenlehre

Halten Sie sich an die Typenlehre des Psy­cho­an­a­lytik­ers C. G. Jung. Der hat die Menschen auf folgenden drei Ebenen nach jeweils zwei Polen un­ter­schieden:

  1. Empfinden: zwischen ex­travertiert und in­tro­vertiert.
  • Ex­travertierte Menschen wirken voller Energie, die sie aus ihrer Umgebung aufzusaugen scheinen. Leicht zu erkennen, aber nur schwer zu ertragen. Dabei sind diese Menschen nicht bewusst unsozial – sie können nicht anders. Wer ihnen etwas verkaufen will, sollte keinen Widerstand leisten und alles über sich ergehen lassen. Lassen Sie ihn reden! Dann findet der ex­travertierte Käufer den Verkäufer nett, und eine gute Basis für ernsthafte Ver­hand­lun­gen ist geschaffen.
  • In­tro­vertierte Menschen sind schwer zu überzeugen. Sie haben ein starkes inneres Wertesystem, das sie aber nicht offensiv nach außen vertreten. Ihr Humor ist meist nicht sehr ausgeprägt, sodass lockere Sprüche jedes Gespräch rasch vereisen lassen können. Da gibt es nur eines: so neutral und ernsthaft wie möglich bleiben und dabei versuchen, peu à peu her­auszufinden, was dem Gegenüber wichtig ist, worin also seine Werte bestehen. Trifft er im Verkäufer auf einen „see­len­ver­wandten“ Menschen, neigt er zur Treue.
  1. Wahrnehmen: zwischen Sinn und Intuition.
  • Sin­nori­en­tierten Menschen geht es nicht um Sinnsuche, sondern um Sinnfinden, also um Fakten, Fakten, Fakten. Vor lauter Fakten allerdings verliert dieser Typus leicht den Überblick. Das verlängert die Ver­hand­lun­gen und führt dennoch nicht unbedingt zum Ziel. Also: Reden lassen – und fragen lassen! Und Antworten zu möglichst vielen denkbaren Details parat haben.
  • Intuitive Menschen sind angenehmer, weil sie schnell aus vielen Fakten das für sie Wesentliche her­aus­des­til­lieren. Es ist allerdings deutlich schwieriger, ihre Begeis­terung zu wecken. Fakten verwirren sie, ihre Meinungen sind ihnen wichtiger. Sie glauben zu wissen, was richtig ist. Deshalb sind irrationale Entschei­dun­gen durchaus möglich. Sind Käufer und Verkäufer auf einer Linie – und das ist durch aufmerk­sames Zuhören nicht allzu schwierig –, so kaufen sie fast blind.
  1. Handeln: zwischen Denken und Fühlen
  • Denko­ri­en­tierte Menschen halten sich an die relevanten Fakten und un­ter­schei­den rasch das Wichtige vom Unwichtigen. Ihnen geht es um die Sache, nicht darum, wie gut oder schlecht sie vermittelt wird. Deshalb: Überzeugen Sie, indem Sie auf Spielchen verzichten und das Produkt bzw. die Di­en­stleis­tung für sich selbst sprechen lassen. Diese Spielart von Entschei­dern vergibt Bonuspunkte für Unauf­dringlichkeit.
  • Gefühlsori­en­tierte Menschen agieren keineswegs rein intuitiv. Gemeint sind vielmehr Menschen, deren Gefühle durch­scheinen. Sie sind meist leicht zu bee­in­flussen, denn sie wollen bestärkt und unterstützt werden. Ihre Gefühle gilt es aufzunehmen und in einen Kaufentscheid umzumünzen.
„Verpacken Sie Ihre Botschaften in kurze, einfache und langsame In­for­ma­tionsblöcke.“

Alle Menschen changieren auf diesen drei Ebenen zwischen den jeweiligen Polen. In Reinform gibt es diese Typen selten. Die Aufgabe des Verkäufers besteht darin zu erkennen, wo das Gegenüber in jeder dieser drei Ebenen anzusiedeln ist. Wie das geht? Durch üben, üben, üben. Und: bei sich selbst anfangen. Selb­sterken­nt­nis ist der erste Schritt zur Besserung.

Käuferpersönlichkeiten

Aus dieser Typologie lässt sich eine Persönlichkeit­slehre ableiten, wobei als Persönlichkeit die relativ dauerhaften Wesenszüge, die sich zu Ver­hal­tens­mustern verfestigt haben, verstanden werden.

  • Narzissten trachten ständig danach, sich selbst zu belohnen. Ihr Selb­st­be­wusst­sein ist nicht übermäßig ausgeprägt, daher sind sie leicht zu kränken. Ehrerbi­etung im Umgang mit ihnen ist also angebracht. Ein Zuviel an Schme­icheleien ist unmöglich. Allerdings: Narzissten reden gern selbst, also besteht die Aufgabe des Verkäufers darin, geduldig zuzuhören. Narzissten sind extrem sta­tus­be­wusst, auch darauf gilt es zu achten.
  • Zwanghafte Charaktere brauchen Struktur und Ordnung. Ihre Vers­essen­heit auf Details vereitelt rasche Entschei­dun­gen. Sie darin bee­in­flussen zu wollen, ist unmöglich. Am besten ist es, darauf einzugehen – diese Menschen werden schließlich selbst mit den entschei­den­den Details aufwarten, die zur (hoffentlich positiven) Entschei­dung führen.
  • Histri­on­is­che Käufertypen emo­tion­al­isieren alles und weichen dabei gern vom Thema ab. Beziehungen sind wichtiger als Details. Was sie brauchen, ist Applaus. Der Rest läuft dann fast von selbst.
  • Depressiv veranlagte Käufer wollen nicht aufge­mu­ntert werden. Aus ihrer Fähigkeit, die unerträglich schwere Last dennoch zu schultern, ziehen sie ihre Be­friedi­gung. Was also macht ein kluger Verkäufer? Mitfühlende Sach­lichkeit ist angesagt.
  • Ängstlich veranlagte Käufer kommen oft fröhlich rüber, nett und umgänglich. Dass sie innerlich Nervenbündel sind mit einer tief sitzenden Angst vor dem Leben, erschließt sich erst später. Alles Neue empfinden sie als potenziell bedrohlich. Da gibt es nur eines: verlässlich und berechenbar sein. Jede Form von Überraschun­gen gilt es zu vermeiden.
  • Paranoid veranlagte Käufer wollen eines auf keinen Fall: betrogen werden. Deshalb sind sie oft zwanghaft mis­strauisch. Sie lieben Macht, aber sie scheuen Ve­r­ant­wor­tung. Risiken geht dieser oft cholerische Typ daher möglichst nicht ein. Verkäufer sollten sich also auf die vorgegebe­nen Formalitäten einlassen. Ruhig und sachlich bleiben und das Gegenüber keinesfalls unter Druck setzen.
  • Schizoide Persönlichkeiten sind in der Lage, unangenehme Sachver­halte einfach wegzublenden. Sie steigen selten in Man­age­mentebe­nen auf, treten aber häufig als hinzuge­zo­gene Experten in Erscheinung. Solche Menschen werden ungern bedrängt. Ansonsten gilt: Da sie die Welt sowieso nach ihrem Bild schaffen, ist jede Form der Bee­in­flus­sung sinnlos.
  • Pas­siv-ag­gres­sive Käufer sind Querulanten und lassen Verkäufer gern am aus­gestreck­ten Arm verhungern. So erhaschen sie sich aus der Opposition heraus ein paar Kuchenstücke der Macht. Das Verhindern erklären sie sich selber als schützende Bedächtigkeit. Achtung: Dieser Typus ist schwer zu erkennen! Einmal erkannt, gibt es nur eines: den frontalen Angriff. Er muss weggebissen oder isoliert werden. Sonst ist der Typ die Hölle.
  • Abhängig veranlagte Käufer wollen es allen recht machen und niemanden vor den Kopf stoßen. Übersetzt heißt das: Schnelle Entschlüsse sind un­wahrschein­lich. Sie wirken zugänglich, hängen ihr Fähnlein aber gern in den Wind. Deshalb geht nichts ohne eine breite Allianz von Verbündeten.

15 Regeln für Verkäufer

Aus all dem lassen sich 15 Regeln ableiten, wie Verkäufer zu Käufern durch­drin­gen können:

  1. Aus­geglichen­heit: Ruhige und sachliche Atmosphäre mit einem gelassenen Verkäufer.
  2. Timing: Keine Gespräche zwischen Tür und Angel, aber auch nichts unnötig ausdehnen.
  3. Keine Ver­dau­ung­sprob­leme bereiten: Einen Overkill an In­for­ma­tio­nen kann kein Hirn verarbeiten.
  4. Belohnungen: Wer konkrete Hilfe erfährt, öffnet sich.
  5. Prädisponierte Ver­hal­tensweisen nutzen: Für Plaud­er­stim­mung sorgen. Den Namen des Gegenübers oft nennen. Kein Schreib­block auf dem Tisch.
  6. Beruhigende Atmosphäre: Kein Herum­fuchteln. Die Arme möglichst still halten.
  7. Fachver­stand zeigen: Der Käufer kennt seine Probleme. Wenn sein Gegenüber nur Allgemeinplätze absondert, wird es nicht zu einem echten Austausch kommen.
  8. Einfache Wahrheiten: Verständliche Infos über Merkmale, Nutzen, Preis und Wert.
  9. In Bildern reden: Bildhaftes ist leicht vorstellbar, bei Fachtermini fällt das schwerer.
  10. Positive Analogien wecken: Präsentierte Fakten knüpfen an positive Emotionen an.
  11. Einfachheit: Kurze Sätze bilden. Kein Konjunktiv und keine Wis­chi­waschi-For­mulierun­gen.
  12. Nicht ausfragen: Kein positives Feedback einfordern. Das nervt die Gegenseite.
  13. Kurze Geschichten: Geschichten sind gut, aber kurz und knackig müssen sie sein.
  14. Hilfe beim Assoziieren: Auch dazu dienen an­schauliche Geschichten.
  15. Schnelle Siege in Aussicht stellen: Jeder kauft gern bei Gewinnern.

Über den Autor

Wolf Ehrhardt ist Managing Partner der Ver­trieb­sla­bor GmbH im schweiz­erischen Zug. Er ist auch Co-Autor des Buches Verkaufen mit Psychologie.