Die 3 Faktoren des Einkaufs

Buch Die 3 Faktoren des Einkaufs

Einkauf und Lieferanten strategisch positionieren

Wiley-VCH,


Rezension

In vielen Unternehmen wird vom Einkauf immer noch dasselbe erwartet wie vor 50 Jahren: Er soll ein zuverlässiges Liefer­an­ten­netz aufbauen, dieses optimal ko­or­dinieren und dabei die Kosten drücken, wo es nur geht. Nicht mehr zeitgemäß, behaupten die Autoren. Ihrer Ansicht nach hat sich das An­forderung­spro­fil des Einkäufers gerade in der jüngsten Ver­gan­gen­heit enorm erweitert. Wer nur daran denkt, die Kosten so weit wie möglich zu senken, der kann seinem Unternehmen auf Dauer sogar Schaden zufügen. Das Buch zeigt auf, wie der Einkauf zur Wertschöpfung des Un­ternehmens beitragen kann: indem er Netzwerke aufbaut, enge Kontakte zu den Lieferanten pflegt und dadurch unmittelbar von deren Innovation und technischer Entwicklung profitiert. Das Buch zeichnet sich durch seine Präzision und Dif­feren­zierung aus, jedoch auch – vor allem in den ersten beiden Großkapiteln – durch einen eher trockenen Stil und ein hohes Ab­strak­tion­sniveau. BooksInShort empfiehlt es nicht nur Einkäufern, sondern auch Managern der mittleren und höheren Ebene, die sich mit dem Gedanken tragen, den Einkauf in ihrem Unternehmen neu aufzustellen.

Take-aways

  • Gutes Einkauf­s­man­age­ment reduziert nicht nur Kosten, es trägt auch aktiv zur Wertschöpfung bei.
  • Ein Umdenken ist nötig: weg vom reinen Preisdrücken, hin zur Wer­to­ri­en­tierung.
  • Gute Einkäufer haben stets die In­no­va­tio­nen ihrer Lieferanten im Auge. So können sie sich einen Vorteil vor der Konkurrenz sichern.
  • Wird bereits in der En­twick­lungsphase eines Produkts mit den Lieferanten zusam­mengear­beitet, sind erhebliche Einsparun­gen möglich.
  • Oft ist ein lokales Liefer­an­ten­netz wirksamer als Global Sourcing.
  • Ziel muss es sein, bei den wichtigen strate­gis­chen Lieferanten zum „preferred customer“ zu werden.
  • Der Beruf des Einkäufers macht eine tief­greifende Entwicklung durch: Gefragt sind zunehmend hochqual­i­fizierte Net­zw­erk­man­ager.
  • Der Trend geht zur Bündelung ver­schiedener Einkaufs­funk­tio­nen in Shared-Ser­vices-Cen­tern.
  • Häufig schlagen sich die Erfolge des Einkaufs in den Budgets anderer Abteilungen nieder.
  • Was heute noch „Einkauf“ genannt wird, könnte später einmal „Wertschöpfungs­man­age­ment“ heißen.
 

Zusammenfassung

Un­ternehmensstrate­gis­che Po­si­tion­ierung

Innerhalb eines Un­ternehmens gehört der Einkauf in der Regel zu den Abteilungen, denen eine geringere Priorität eingeräumt wird. Hinzu kommt die weit verbreitete Ansicht, dass auch eine gute Einkauf­spoli­tik sich nur schwer am Erfolg des Un­ternehmens messen lässt. Umgekehrt ist dagegen einfach nachzuweisen, dass ein wenig er­fol­gre­icher Einkauf einem Unternehmen erheblichen Schaden zufügen kann. Qualität und Effizienz des Einkaufs können aber mit­tler­weile mit hoher Präzision gemessen und analysiert werden. Ein Mittel zur Bewertung sind so genannte Hebe­l­analy­sen. Es gibt kaufmännisch dominierte Hebel, die auf eine klare Vorteil­snutzung aus­gerichtet sind, z. B. die Liefer­an­tenre­duzierung oder die Preis­be­w­er­tung. Andere hingegen sind „cross­func­tional“, d. h. sie sind nur in Kombination mit anderen Abteilungen im Unternehmen wirksam, z. B. die Pro­duk­top­ti­mierung oder die Prozessverbesserung. Um Kostensenkungspoten­ziale zu realisieren, sollten Sie regelmäßige „Hebel­work­shops“ einrichten. Durch­schnit­tlich können so 11 % Einsparun­gen realisiert werden, wobei die Zahlen je nach Pro­fes­sion­alität des Einkauf­steams zwischen 2 und 20 % liegen.

„Bis heute ist ein Durchbruch im Sinne einer starken Po­si­tion­ierung des Einkaufs nicht gelungen. Vertrieb, Fertigung und Rech­nungswe­sen sind als Funktionen eindeutiger definiert, ihr Beitrag zum Unternehmen wird deutlich höher bewertet.“

Wie un­ternehmensstrate­gisch soll Ihr Einkauf sein? Wenn Sie diese Frage beantworten wollen, sollten Sie vor allem drei Bereiche ins Auge fassen:

  1. die Un­ternehmensstrate­gie als Ganzes,
  2. das Umfeld: Branche, Wettwerber, Position in der Wertschöpfungskette etc.,
  3. die zeitliche Achse, also En­twick­lun­gen bzw. Trends in Ver­gan­gen­heit und Zukunft.
„Der Einkauf beeinflusst entschei­dend die Kosten­po­si­tion und somit den Erfolg eines Un­ternehmens.“

Beim Einkauf spielen drei Faktoren eine überge­ord­nete Rolle:

  1. die strate­gis­che Ausrichtung des Einkaufs,
  2. die Or­gan­i­sa­tion des Einkaufs im Unternehmen,
  3. das Management der Lieferanten.

Faktor 1: Vom Preis zum Wert

Der Anteil der Beschaf­fungskosten an den Gesamtkosten eines Un­ternehmens ist nicht zu unterschätzen. Er beträgt gewöhnlich 30–80 % des Umsatzes. Bei Unternehmen der pro­duzieren­den Industrie liegen die Ma­te­ri­alkosten in der Regel deutlich über 50 %. Allein daraus lässt sich ersehen, dass die Bedeutung des Einkaufs über reines Kosten­man­age­ment hinausgehen muss.

„Das Gle­ichgewicht zwischen schneller Verbesserung der Kosten­po­si­tion und einer nachhaltig wert­steigern­den Aus­gestal­tung der Zusam­me­nar­beit mit Lieferanten scheitert oft an kurzfristigem Aktionismus.“

Wie aber können Sie Einspar­poten­ziale möglichst genau ermitteln? Zu den wichtigsten In­stru­menten gehört die Beschaf­fungs­mark­t­analyse. Sie sucht nach dem optimalen Beschaf­fungs­markt und wählt schließlich die Lieferanten aus, die für ein Angebot in Frage kommen. Auf die Analyse der Beschaf­fungsmärkte folgt die Bewertung der Lieferanten. Wie verhält es sich mit deren Ver­tragstreue? Wie sind Service und Support? Wie eng hält man sich an die zuvor getroffenen Qualitätsvere­in­barun­gen? Die anschließende Einkauf­spreis­analyse dient vor allem dazu, den Einkauf­spreis in seine Be­standteile zu zerlegen, um so mögliche Kostenre­duzierungspoten­ziale aufzuspüren. Ein weitere Methode um Spar­poten­ziale im Einkauf zu erkennen, ist das Bench­mark­ing: Erstellen Sie interne oder externe Vergleiche, mit deren Hilfe Sie die Effizienz der Einkauf­s­abteilung messen und mögliche Schwach­stellen erkennen können.

„Der Einfluss des Einkaufs auf den Un­ternehmenswert ist zu wichtig, um den Einkauf nur als operativen Kostendrücker anzusehen.“

Entschei­dend aber ist die Umsetzung all dieser Analy­seergeb­nisse. Handeln Sie keinesfalls in blindem Aktionismus, sonst besteht die Gefahr, dass die ein­geleit­eten Maßnahmen rasch verpuffen. Planen Sie langfristig, das macht meistens mehr Sinn. Nachhaltige Kosteneinsparun­gen sind vor allem dann möglich, wenn Sie bereits in der En­twick­lungsphase eines Produkts mit dem Lieferanten zusam­me­nar­beiten.

„Modernes Beschaf­fungs­man­age­ment strebt die Vernetzung und Integration des gesamten Wertschöpfung­sprozesses an und legt hier den Schwerpunkt seiner strate­gis­chen Aktivitäten.“

Neben dem aktiven Kosten­man­age­ment kann ein gut po­si­tion­ierter Einkauf durchaus Wert für ein Unternehmen schaffen. Das bezieht sich beispiel­sweise auf Faktoren wie Innovation, die Po­si­tion­ierung des Produkts sowie das Erzielen höherer Preise durch einen besonders qualitätsbewussten Einkauf. Die Tendenz geht weg von einer Politik des Preisdrückens hin zu einer wer­to­ri­en­tierten Steuerung des Einkaufs. Wertbeiträge bestehen z. B. darin, dass Pro­duk­tin­no­va­tio­nen des Lieferanten übernommen werden, wenn das Produkt dadurch marktfähiger wird.

„Einkäufer sind heute aktive Kom­mu­nika­toren und Moderatoren, die quer­schnit­tlich denken und integrative Netzwerke gestalten und managen.“

Die Vo­raus­set­zun­gen für eine wer­to­ri­en­tierte Steuerung des Einkaufs schaffen Sie am besten mit einem ganzheitlichen Steuerungssys­tem. Dieses basiert auf einer Beschaf­fungsstrate­gie, in die der gesamte Kreislauf – Lieferanten, Kunden, interne Prozesse und Mitarbeiter bis hin zu den Finanzen – einbezogen wird. Maßnahmen, die sich auf die Wer­to­ri­en­tierung als Ganzes beziehen, sind häufig mit hoher Kosten­erspar­nis verbunden. Das Problem ist allerdings: Häufig werden die erzielten Leistungen dem Einkauf nicht „gut­geschrieben“, da sie sich in den Budgets anderer Abteilungen nieder­schla­gen. Nichts­destotrotz sollten Sie darauf hinarbeiten, dass der Einkauf eine wesentliche strate­gis­che Stellung im Unternehmen einnimmt.

Faktor 2: Von der Einkauf­s­abteilung zum Shared-Ser­vices-Cen­ter

Um den Einkauf innerhalb Ihres Un­ternehmens aufzuwerten, sollten Sie diesen Bereich mit entsprechen Qual­i­fika­tio­nen und Know-how ausstatten. So hat beispiel­sweise BMW ein eigenes Vor­stand­sres­sort „Einkauf und Entwicklung“ gebildet. Auf diese Weise will der Autobauer die eigene In­no­va­tion­skraft mit jener der Zulieferer bündeln. Um eine solche moderne Einkauf­sor­gan­i­sa­tion zu entwickeln, gelten drei Gestal­tung­sprinzip­ien:

  1. Wahren Sie die strate­gis­che Flexibilität,
  2. schöpfen Sie Bündelungspoten­ziale aus,
  3. realisieren Sie Stan­dar­d­isierungspoten­ziale.
„Die zentrale Frage lautet: Wie attraktiv ist ein Käufer für seine Lieferanten?“

Eine zentrale Rolle beim Einkauf spielt seit jeher die Bündelung­sor­gan­i­sa­tion. Hier gibt es eine Reihe von Modellen, die sich für Unternehmen abhängig von ihrer Branche bzw. ihrer Un­ternehmensgröße eignen. Zu den aktuellen Trends gehört die Bündelung des Einkaufs in so genannten Shared-Ser­vices-Cen­tern. Diese Center fassen Di­en­stleis­tun­gen der Un­ternehmen­szen­trale mit denen der einzelnen Geschäft­sein­heiten in einer einzigen Or­gan­i­sa­tion­sein­heit zusammen, auf die die einzelnen Bereiche dann nach Bedarf zugreifen können. So hat beispiel­sweise Siemens USA durch die Einführung von Shared Services und die Bündelung und Au­toma­tisierung von Prozess- und Systemabläufen Kosten in enormem Umfang sparen können.

„Wenn es wenige Lieferanten mit ver­gle­ich­baren Kompetenzen und Produkten gibt, kann der Zugriff auf einen davon dem Käufer einen Wet­tbe­werb­svorteil vermitteln.“

Mit der steigenden Zahl der Einkauf­san­forderun­gen und -modelle wächst auch die Notwendigkeit hochqual­i­fizierter Arbeitskräfte unter den Einkäufern. So haben in den USA bereits mehr als 70 % aller Einkäufer einen Col­lege-Ab­schluss – eine im Vergleich mit anderen Un­ternehmens­abteilun­gen überdurch­schnit­tliche Quote. Auch in Deutschland hat sich der Anteil der Akademiker in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Das entspricht dem tief­greifenden Wandel, den diese Beruf­ss­parte momentan durchläuft: Der Einkäufer von heute ist vor allem ein Kom­mu­nika­tor und Moderator, der Netzwerke gestalten und managen kann.

Faktor 3: Vom Verwalter zum Gestalter des Liefer­an­ten­net­zw­erks

Die Beziehung des Einkäufers zu seinen Lieferanten ist für den Umsatz, aber auch für das En­twick­lungspoten­zial eines Un­ternehmens von entschei­den­der Bedeutung. Es gibt zwei grundsätzlich ver­schiedene Arten von Lieferanten. Strate­gis­che Lieferanten können dem Unternehmen Wet­tbe­werb­svorteile verschaffen, beispiel­sweise durch In­no­va­tio­nen. Operative Lieferanten müssen hingegen nur funk­tion­ieren. Zu den zentralen Aufgaben eines aktiven Einkaufs gehört es, bei den wichtigen strate­gis­chen Lieferanten die Stellung eines „preferred customer“ zu erlangen. Eine bessere Beziehung zum Lieferanten bedeutet übrigens entgegen der allgemein ver­bre­it­eten Auffassung nicht, höhere Preise in Kauf nehmen zu müssen. Auch kleine Unternehmen haben durchaus Chancen, in den Rang eines „preferred customer“ aufzusteigen.

„Clus­terun­ternehmen zeigen oft gle­ichzeitig höhere Produktivität und größere In­no­va­tion­skraft als ihre isolierten Wet­tbe­wer­ber und können sich deshalb in­ter­na­tional durchsetzen.“

Eine wichtige Frage in diesem Zusam­men­hang: Local oder Global Sourcing? Ist es effizienter, ein globales Zulief­er­er­netz aufzubauen, oder sollte ein Einkäufer lieber auf zuverlässige (und oft eher teure) Lieferanten aus dem lokalen Umfeld vertrauen? Das Fazit ver­schiedener Analysen liefert ein überraschen­des Ergebnis: Oft führt das „moderne“ Global Sourcing gar nicht zu den erhofften Einsparun­gen, da es die Geschäftsprozesse in einem erheblichen Ausmaß verkom­pliziert. Die lokale Liefer­an­te­nan­bindung mit effizienter Bündelung der Prozesse ist möglicher­weise sinnvoller. Hinzu kommt, dass nationale Lieferanten hin­sichtlich ihrer Qualität in der Regel besser bewertet werden als in­ter­na­tionale. Besonders effizient arbeiten Unternehmen dann, wenn sie einem „Cluster“ angehören, sich also weitere Konkurrenz-, Partner- oder Zuliefer­un­ternehmen in un­mit­tel­barer Nähe befinden. Für Unternehmen, deren Standort weit außerhalb solcher Cluster liegt, ist es sehr viel schwieriger, den Status eines „preferred customer“ zu erlangen.

In­no­va­tio­nen von und mit Lieferanten

Wie wichtig es für eine moderne Einkauf­spoli­tik sein kann, nicht nur auf Kosten­erspar­nis, sondern auch auf das Liefer­an­ten­man­age­ment zu setzen, zeigt das Beispiel BMW. Eines der BMW-Einkaufsbüros entdeckte im Silicon Valley ein junges Unternehmen, das eine neuartige Joy­stick-Tech­nolo­gie entwickelt hatte. Da das amerikanis­che Unternehmen nicht über ausreichend En­twick­lungska­pazitäten verfügte, um in eine Se­rien­pro­duk­tion größeren Umfangs einzusteigen, wurde es von BMW part­ner­schaftlich unterstützt. Durch diese Part­ner­schaft in frühzeitigem Stadium konnte der Autobauer schließlich „iDrive“ entwickeln und sich damit einen Vorsprung vor der Konkurrenz sichern. Dies ist kein Einzelfall. In­no­va­tio­nen entstehen heutzutage immer mehr bei oder mit Lieferanten. Wichtig ist, zu gewährleisten, dass sie auch den Weg ins eigene Unternehmen finden. Dazu müssen Sie zunächst die notwendigen or­gan­isatorischen Vo­raus­set­zun­gen schaffen, konkret: Zu den klassischen Einkaufs­bere­ichen strate­gis­cher Einkauf und operative Beschaffung muss als dritte Säule das Advanced Sourcing hinzukommen, das für die frühe Einbindung des Einkaufs in den In­no­va­tion­sprozess ve­r­ant­wortlich ist.

„In­no­va­tio­nen entstehen in immer größerem Maß bei oder mit Lieferanten.“

Der Einkauf der Zukunft könnte wie folgt aussehen: Die Einkauf­slei­t­erin heißt jetzt „Leiterin Wertschöpfungs­man­age­ment“ und ist eine mexikanis­che Diplomin­ge­nieurin. Sie sitzt zusammen mit in­ter­na­tionalen Teams in einem Großraumbüro vor einem Organigramm, in dem die einzelnen Abteilungen nicht rechteckig nebeneinan­der gestellt, sondern durch Kreise und Knoten miteinander verbunden sind. Regelmäßige Videokon­feren­zen haben ihre Reisetätigkeit eingeschränkt. Die von ihr geleisteten Wertbeiträge gibt sie in wöchentlichen Berichten an den CEO des Un­ternehmens weiter.

Über die Autoren

Sven C. Schuhmacher ist Partner bei der h&z Un­ternehmens­ber­atung AG und als Berater für un­ter­schiedliche Branchen tätig. Dr. Holger Schiele ist Pro­jek­tleiter bei h&z und Lehrbeauf­tragter an der Universität Hannover. Dr. Markus Contzen ist ebenfalls h&z-Pro­jek­tleiter und Experte in Supply Chain Management und Sanierung. Dr. Thomas Zachau gehört zu den Gründern von h&z.