Internetbasierte Lernkonzepte sind viel versprechende Lösungen, um der zunehmenden Globalisierung, der Bewältigung permanenter Wissensvermittlung und -aktualisierung in extrem schnelllebigen Märkten und der stark erhöhten und veränderten Qualifikationssituation der Mitarbeiter zu begegnen. Vermehrte Markt- und Kundenorientierung, rasante technologische Entwicklungen, zunehmende Anforderungen an räumliche und zeitliche Unabhängigkeit tragen das Ihre dazu bei. Weitere Nutzenpotenziale technologiebasierter Bildungskonzepte liegen in der Möglichkeit, auf unterschiedliche Lerntempi und individuelle Lerntypen einzugehen.
„E-Learning kann begriffen werden als Lernen, das mit Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt bzw. ermöglicht wird.“
In vielen Aufgabenbereichen ist es zur Schlüsselqualifikation geworden, neue Medien und Technologien effektiv zu nutzen, Wissen abrufbar zu machen und die nötigen Informationen zu suchen, zu organisieren, zu analysieren und in geeigneter Weise anzuwenden. Zudem trainiert E-Learning die Fähigkeit zur Eigenverantwortung und zum selbstbestimmten, lebenslangen Lernen. Individuelles Wissen in Unternehmenswissen zu transformieren, neues Wissen permanent zu generieren und in Produkte und Dienstleistungen umzumünzen und unternehmensweit zu verteilen, ist eine zentrale Herausforderung für Ausbilder und Wissensmanager in jedem Unternehmen. Die eher künstliche Trennung von Arbeit und Lernen in einer Seminarumgebung bricht demzufolge immer stärker auf. Wenn Kurse bzw. Seminare übers Internet ganz oder zumindest ergänzend angeboten werden sollen, stehen Fragen nach dem "Wie", nach Musterbeispielen oder einem Orientierungsrahmen im Vordergrund. Die Grundstruktur des Buches besteht aus drei Hauptabschnitten:
- Technologische und methodische Grundlagen: die Zutaten-Ebene
- Lernmethoden: die Speiseplan-Ebene
- Lernarrangement: die Menüplan-Ebene
- Technologische und methodische Grundlagen
„Man unterscheidet die Lernumgebung als kursübergreifendes Wissens- und Lernnetzwerk von der darin eingebetteten Kursumgebung mit kursspezifischen Lernangeboten.“
Basistechnologien und Entwicklungstools: Internetbasiertes Lernen benötigt zum einen Informations- und Kommunikationstechnologien als Basistechnologien und zum anderen spezifische Entwicklungstools für Lernumgebungen. Bei den Basistechnologien unterscheidet man insbesondere zwischen asynchronen und synchronen Medien. Zu den asynchronen Medien gehören u. a. elektronische Mailsysteme, asynchrone Diskussionsforen wie Computerconferencing, News-Groups sowie Online-Datenbanken, News-Services oder Interest-Profiles. Unter die synchronen Informations- und Kommunikationsmedien fallen vor allem Online-Chat-Systeme, Videokonferenzen, das Whiteboard, das Application-Sharing oder elektronische Meeting-Support-Systeme.
„Persönliches Wissen in Unternehmenswissen umzuwandeln sowie effektive Verbindungen unter den Personen herzustellen, die über Wissen verfügen, und denen, die dieses Wissen benötigen, sind massgebliche Aufgaben von so genannten Knowledge-Managern.“
Bei den spezifischen Entwicklungstools für Lernumgebungen unterscheidet man zwischen Multimedia-Tools - so genannte "klassische" Autorensysteme - und webbasierten Kursautorensystemen. Klassische Autorensysteme (Frontpage, Macromedia Director etc.) dienen speziell der Entwicklung von Lerninhalten. Sie unterstützten den Autor bei der Gestaltung der Informationsdarstellung, der Antwortanalyse und Verzweigung, ohne dass er Kenntnisse der Programmierung haben muss. Webbasierte Kursautorensysteme (z. B. WebCT, Global Teach etc.) dienen der Gestaltung einer Kursumgebung. Mit Hilfe eines Kursautorensystems lassen sich folgende Aufgaben organisieren: die Inhaltsverwaltung und die Lernverwaltung (Anmeldungen und Zugangsbeschränkungen, Auswertung und Lernfortschritte).
Methodische Grundlagen
Nur mit methodisch sinnvollen Konzepten lassen sich neue Medien erfolgreich einsetzen. Sie dienen der optimalen Unterstützung von Lernprozessen und -ergebnissen. Bei der Gestaltung einer webbasierten Lernumgebung ist die Benutzerakzeptanz von entscheidender Bedeutung. Einfacher Zugriff, schneller Aufruf, attraktive, einfach aufgebaute Seiten, aktueller Inhalt und die Benutzerprofile tragen viel dazu bei. Zahlreiche Vergleiche bereits existierender Lernumgebungen zeigen auf, dass vier Hauptaufgabenbereiche von Bedeutung sind: Administration, Skill-Management, Content-Management und Community. Die Kursumgebung, eingebettet in der Lernumgebung, umfasst die Bereiche Kursplaner, Study-Center, das Training-Center und den Virtual Classroom sowie die Homepage, die das Networking von Anfang an fördern soll.
Lernstrategien
Die methodisch-didaktische Ausrichtung einer Lernumgebung lässt grundsätzlich drei verschiedene Lernstrategien zu:
- Direktes Lernen - Learning by telling: Der Dozierende ist der aktive Teil. Dem Lernenden wird genau vorgegeben, was und wie er zu lernen hat
- Selbst bestimmendes Lernen - Learning by doing: Die Lernaktivitäten stehen dabei unter der Kontrolle der Lernenden. Im Vordergrund steht die Übernahme von Selbstverantwortung und die Förderung von höheren kognitiven Fähigkeiten.
- Lernen in Gruppen und durch Selbstreflektion - Learning through reflection and discussion: Diese Form gibt nur wenig Informationen zur Problemlösung vor. Die Arbeit und der Austausch in Gruppen und das Vorgehen bei der Erarbeitung von Problemlösungen oder Wissensaneignung stehen im Vordergrund dieser Lernstrategie. Der Dozent wird zum Moderator und Coach.
Das Vorgehensmodell
Im Sinne einer Orientierung und Hilfe zur Entscheidungsfindung wurde ein Vier-Phasen-Vorgehensmodell entwickelt und die 16 Lernformate einheitlich durchleuchtet. In der Orientierungsphase werden Fragen geklärt und Entscheidungen getroffen bezüglich
- der Lernziele,
- der Lernvoraussetzungen der Lernenden zu einem bestimmten Zeitpunkt,
- der Art der Information, die den Lernenden gegeben werden soll und
- der zur Verfügung stehende Unterrichtszeit.
„Die künstliche Trennung zwischen Arbeiten und Lernen in einer Seminarumgebung bricht demzufolge immer stärker auf.“
In der Vorbereitungsphase lautet die Kernfrage, welche technologischen und methodischen Voraussetzungen benötigt werden, um das Lernziel zu erreichen. Informationen über Lerninhalte, Kursgrösse und Dauer, Zielgruppe, Homogenität, erforderliche Rollen für das Lernszenario (Moderator, Online-Tutor etc.), Einsatz von Tools werden besprochen.
„Allen Konzepten gemeinsam ist, dass Lernangebote online via Internet/Intranet-Technologien den Zielgruppen zur Verfügung gestellt werden sollen.“
Für die Durchführungsphase gilt es Empfehlungen und Checklisten (Ablaufplanung: was, wann, wie, wo, mit wem etc.) zu entwickeln und allen Involvierten anzugeben. Darüber hinaus müssen Hilfestellungen geboten und aufgezeigt werden, wie Lernerfolge beim Lernenden überprüft/beurteilt werden können. Die Evaluationsphase soll Erkenntnisse, Verbesserungsmöglichkeiten und Rückschlüsse geben. Das kann qualitativ und/oder quantitativ via schriftlichen Fragebogen, Gespräche mit den Teilnehmern oder eine Diskussionsdatenbank geschehen.
- Die vier Lernmethoden und ihre Ausprägungen
Online-Teaching - eher lehrerzentrierte Methoden
Hier kann man eher von einer Lehr- als Lernform sprechen. Die Dozenten unterrichten den Lernenden in kompakter Form via PC. Informationen werden vorgegeben (Fakten-, Basiswissen - Anfangsunterricht). In diese Kategorie fallen Online-Lectures, Online-Symposium (mehrere Fachexperten), Online-Praktikum/Coaching und die Multiple-Choice-Variante oder "Questions and Answers". Online-Teaching lässt sich entweder als Live- oder als Playback-Veranstaltung vermitteln.
Online-Tutorials - lehrer-/systemzentrierte Methoden
Sie sind besser bekannt unter den Fachbegriffen CBT (Computer Based Training) oder CAL (Computer Assisted Learning). Diese Lernprogramme erlauben es dem Lernenden, sich eigenverantwortlich und in selbst bestimmtem Lerntempo Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben.
„Bei Informations- und Kommunikationstechnologien lassen sich als Basistechnologien vor allem asynchrone und synchrone Medien unterscheiden.“
Die zwei Extremformen sind geführte Tutorials und flexible, webbasierte Tutorials. Bei den geführten Tutorials nimmt der Lernende Informationen auf und reagiert auf Anfragen und Vorgaben des Systems. Jeder mit einem CD-ROM-Laufwerk ausgerüstete PC kann als Ort des Lernens dienen. Hilfe bei Problemen kann der Lernende durch einen Tutor oder Systemadministrator erhalten. Flexible Lernsysteme (z. B. Planspiele, Simulation und Hypermedia) lassen den Lernenden frei agieren. Er kann sich nach seinen Vorstellungen im System bewegen bzw. dieses manipulieren. Die Lernenden können zudem in Gruppen zusammenarbeiten und Probleme gemeinsam oder in Konkurrenz zueinander lösen. Flexible, webbasierte Tutorials nehmen viel Zeit in Anspruch und sollten deshalb über mehrere Wochen durchgeführt werden.
Online-Assignments - lernzentrierte Methoden
Diese Methoden stellen Lernsituationen zur Verfügung, die selbstverantwortliche Lernprozesse in Eigenkontrolle ermöglichen. Die drei Kategorien sind Fallbearbeitung, Webquests und Online-Assessments. Ein hervorzuhebendes Merkmal der Fallbearbeitung ist, dass ein Online-Tutor die zu bearbeitenden Fälle lernzielgerecht aufbereitet, betreut und bei Problemen Ansprech- und Feedbackpartner ist. Beim Webquest liegt die Besonderheit darin, dass das Lernen mit Informationsressourcen des Internets in einen pädagogischen Rahmen gestellt wird. Beim Online-Assessment steht das Überprüfen des Wissens- und Kenntnisstandes des Lernenden im Vordergrund. Ein Tutor generiert zielgruppengerecht die Testform, gibt individuell Feedback und kann eine genaue Beurteilung des Lernergebnisses geben.
Online-Discussions - teamzentrierte Methoden
Im Vordergrund steht die Interaktion und Diskussion über die Lerninhalte. Eigenkonstruktion von Wissen und Können, ein Lernen, das komplex ist und vielfältige Antworten zulässt und mit wenig vorgegebenen Informationen auskommt, sind zentrale Faktoren. Diese Lernformen sind eher geeignet für das Lernen von und unter Fortgeschrittenen. Tendenziell muss bei teamzentrierten Methoden eher mit mehr Unterrichtszeit gerechnet werden, um gewisse Lernziele zu erreichen.
- Kombination von Lernmethoden
„Learning is the heart of productive activity.“
Als Richtlinie kann empfohlen werden, mit fortschreitendem Wissensstand von einer eher lehrerzentrierten Methode hin zu einer mehr Schüler- sowie teamzentrierten Lernform und Kursgestaltung zu gehen. Wichtig für die Integration internetbasierter Kurs- und Lernumgebungen ist ein offenes und innovatives Lernklima. Entscheidendes zur erfolgreichen Einführung und Implementierung neuer Lernformen können Führungskräfte beitragen. Sie sollten schon bei der Konzeption eingebunden werden. Es ist sehr wichtig, dass neue Medien durch Vorgesetzte eingesetzt und benutzt werden. Dadurch erreicht man die nötige Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Auch muss der Zugang und Gebrauch von neuen Medien allen Mitarbeitern leicht zugänglich gemacht werden. Welche der Lernmethoden zum Einsatz kommen, hängt somit von vielen unterschiedlichen Rahmenfaktoren ab.
Dr. Sabine Seufert ist Dozentin an der Universität St. Gallen und Studienleiterin für den Nachdiplomstudiengang "Excecutive MBA in New Media and Communication". Prof. Dr. Andrea Back ist Professorin und Direktorin des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen. Sie leitet dort die interdisziplinäre Forschungsgruppe "Learning Center", die bereits zahlreiche Projekte im Themenumfeld "E-Learning" durchgeführt hat. Martin Häusler ist HR-Manager im Ausbildungsbereich Swisscom Ostschweiz.